Definition:Akute Atemwegsobstruktion bei vorbestehendem Asthma mit unmittelbarem Behandlungsbedarf.
Häufigkeit:2018 gab es 4.653 Hospitalisierungen in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen < 15 Jahre aufgrund asthmatischer Beschwerden.
Symptome:Variabel, u. a. Engegefühl in der Brust, Atemnot und trockener Husten.
Befunde:Atemgeräusche (exspiratorischer Stridor), Kurzatmigkeit, verlängertes Exspirium, erhöhte Atem- und Herzfrequenz bis zu abgeschwächtem Atemgeräusch, Zyanose, Bewusstseinsminderung.
Diagnostik:In der akuten Phase ist der klinische Befund entscheidend.
Therapie:Richtet sich nach dem Schweregrad. Basistherapie: Beruhigung und abgeschirmte Umgebung, schnellwirksame Beta-2-Sympathomimetika inhalativ, atmungserleichternde Körperhaltung und Lippenbremse.
Allgemeine Informationen
Definition
Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen mit unmittelbarem Behandlungsbedarf
Synonym: akute Asthmaexazerbation
Ursache ist eine akute Atemwegsobstruktion bei vorbestehendem Asthma mit Zunahme der Symptome oder Abnahme der Lungenfunktion außerhalb der bisherigen Variabilität.
Ein akuter Asthmaanfall kann auch Erstmanifestation der Erkrankung sein.
Ein Asthmaanfall von mindestens 24 Stunden Dauer trotz Therapie wird als Status asthmaticus bezeichnet und ist potenziell lebensbedrohlich.1
Häufigkeit
2018 wurden 4.653 Kinder und Jugendliche < 15 Jahre in Deutschland im Krankenhaus wegen Asthma behandelt. 2
Davon 577 mit Status asthmaticus.
Die durchschnittliche stationäre Verweildauer betrug 2,8 Tage.
Es gab dabei keinen einzigen Todesfall.
Bei Schulkindern wurde eine Häufung von Asthmaexazerbationen nach Ferienende beobachtet, vermutlich auf dem Boden von viralen Infekten.3
Ätiologie und Pathogenese
Asthma ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege, die durch bronchiale Hyperreagibilität und reversible Atemwegsobstruktion zu respiratorischen Symptomen führt.
Die Erkrankung ist heterogen und kann verschiedene Ursachen und Pathomechanismen haben.
Einziehungen jugulär, interkostal und epigastrisch
erhöhter Thoraxdurchmesser durch Überblähung.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
In der Akutsituation klinische Diagnose stellen.
Indikationen zur Überweisung
Bei einem schweren oder lebensbedrohlichen Asthmaanfall sollte nach der Initialtherapie die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus organisiert werden, ggf. mit notärztlicher Begleitung (bei lebensbedrohlichem Anfall).6
Zeigt sich 30–60 Minuten nach der initialen Versorgung des leichten bis mittelschweren Asthmaanfalls keine nachhaltige Besserung, empfiehlt die Leitliniengruppe die umgehende Einweisung in das Krankenhaus bzw. die weitergehende Behandlung in der Notaufnahme.6
Krankenhauseinweisung erwägen, wenn unklar ist, ob die Patient*innen und/oder die Angehörigen mit der Situation zurechtkommen.
Therapie
Therapieziele
De akuten Anfall behandeln.
Den Krankheitsverlaufs nach dem Anfall stabilisieren.
Es existieren sowohl eine nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma6 als auch eine Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)1 und der Global Initiative of Asthma (GINA).7
Im folgenden Leitlinienkasten haben wir uns vor allem auf die NVL bezogen, Zitate aus der Leitlinie der DGP und GINA sind kursiv gedruckt.
Leitlinien Asthma (NVL, DGP und GINA): Initialtherapie1,6-7
Die Initialtherapie umfasst stets eine atmungserleichternde Körperstellung (Hinsetzen, Aufstützen der Arme), dosierte Lippenbremse und 2–4 Hübe eines schnell wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums (SABA).
Bei einem schweren oder lebensbedrohlichen Asthmaanfall sollte nach der Initialtherapie die sofortige Einweisung in ein Krankenhaus organisiert werden, ggf. mit notärztlicher Begleitung (bei lebensbedrohlichem Anfall).
Bei Kindern und Jugendlichen sollen inhalative Glukokortikoide als Hochdosistherapie nicht zur Notfallbehandlung des Asthmaanfalls eingesetzt werden.
Leichter bis mittelschwerer Anfall
Selbsthilfetechniken
atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
SABA inhalativ
2–4 Hübe alle 10–20 Minuten
4–10 Hübe, alle 20 Minuten für 1 Stunde wiederholen (GINA).
Ipratropiumbromid inhalativ
Nicht anwenden.
Sauerstoff
in der Regel nicht notwendig
Prednisolon
Wenn kein ausreichendes Ansprechen auf 2–4 Hübe SABA alle 10 Minuten 2-mal in Folge: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon oral oder i. v.
Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)
Schwerer Anfall
Selbsthilfetechniken
atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
SABA inhalativ
2–4 Hübe alle 10–20 Minuten
4–10 Hübe, alle 20 Minuten für 1 Stunde wiederholen (GINA).
Ipratropiumbromid inhalativ
2–4 Hübe alle 6–8 Stunden als Add-on zu SABA
Die Addition von Ipratropiumbromid zu ausreichend dosierter oder kontinuierlicher Beta-2-Sympathomimetika-Inhalation bringt meist keine Verbesserung, aber besonders Kleinkinder reagieren in einzelnen Fällen besonders gut (DGP).
Sauerstoff
Zielsättigung: > 94 %
Prednisolon
Wenn kein ausreichendes Ansprechen auf 2–4 Hübe SABA alle 10 Minuten 2-mal in Folge: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon oral oder i. v.
Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)
Da besonders bei Kleinkindern oft klinisch nicht zu entscheiden ist, ob ein schwerer Asthmaanfall oder eine Bronchiolitis vorliegt, ist bei mangelnder Besserung unter Beta-2-Sympathomimetika besonders in dieser Altersstufe ein Versuch mit Adrenalin zur Inhalation gerechtfertigt (DGP).
Lebensbedrohlicher Anfall
Selbsthilfetechniken
atmungserleichternde Körperstellung und Lippenbremse
SABA inhalativ
2–4 Hübe alle 10–20 Minuten
4–10 Hübe, alle 20 Minuten für 1 Stunde wiederholen (GINA).
alternativ: Dauerverneblung des SABA mit Sauerstoff unter Kontrolle der Herzfrequenz
Ipratropiumbromid inhalativ
2–4 Hübe alle 6–8 Stunden als Add-on zu SABA
Die Addition von Ipratropiumbromid zu ausreichend dosierter oder kontinuierlicher Beta-2-Sympathomimetika-Inhalation bringt meist keine Verbesserung, aber besonders Kleinkinder reagieren in einzelnen Fällen besonders gut (DGP).
Sauerstoff
Zielsättigung: > 94 %
Prednisolon
Sofort, soweit möglich: 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon i. v.
Maximaldosis Prednisolon 40 mg (GINA)
Da besonders bei Kleinkindern oft klinisch nicht zu entscheiden ist, ob ein schwerer Asthmaanfall oder eine Bronchiolitis vorliegt, ist bei mangelnder Besserung unter Beta-2-Sympathomimetika besonders in dieser Altersstufe ein Versuch mit Adrenalin zur Inhalation gerechtfertigt (DGP).
Inhalation mit Beta-2-Sympathomimetika
Schnellwirksame Beta-2-Sympathomimetika (SABA) stellen die wirksamste Therapie zur Bronchodilatation dar und werden bei einem akuten Asthmaanfall für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen empfohlen.8
Die Inhalation von SABA führt zu schnellerer Bronchodilatation mit weniger Nebenwirkungen als die orale oder intravenöse Gabe.5
Die Inhalation kann per Dosieraerosol, ggf. mit Spacer und Maske (wahrscheinlich die beste Alternative bis zum Alter von 2 Jahren)9 oder kontinuierlicher Verneblung mit Sauerstoff, erfolgen.10
Eine Dauerinhalation (Feuchtinhalation mittels Verneblermaske und Sauerstoff) zeigt sehr gute Wirksamkeit und führt zu ähnlichen Wirkspiegeln wie die parenterale Gabe.1,11
Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln
Die Angaben zu diesem Abschnitt beziehen sich auf die entsprechende Leitlinie der DEGAM.12
Dosieraerosole (DA) benutzen Treibmittel, um den Wirkstoff in tiefe Lungenabschnitte zu transportieren.
Diese schädigen zwar die Ozonschicht nicht, sind aber starke Treibhausgase.
Dadurch haben DA im Vergleich zu Pulverinhalatoren ein vielfach höheres Schädigungspotenzial für die Atmosphäre.
Nichtsdestotrotz sind DA in folgenden Fällen indiziert:
bei Kindern < 5 Jahre für die Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika oder Glukokortikosteroiden
bei akutem Asthmaanfall.
Verschreibende, Apotheker*innen und Patient*innen sollten berücksichtigen, dass zwischen den einzelnen DA beträchtliche Unterschiede in ihrem Global Warming Potential bestehen, und das DA mit einem möglichst niedrigen GWP bevorzugen, wenn sie klinisch vergleichbar wirksam sind.
Notwendigkeit einer Intensivierung der Langzeittherapie prüfen.
Indikation zu einer Rehabilitation prüfen.
Die Leitlinie der GINA empfiehlt nach einem akuten Asthmaanfall, die Controller (langwirksame Medikamente, z. B. inhalative Glukokortikoide oder langwirksame Beta-2-Sympathomimetika) für 1 Woche bis 3 Monate zu erhöhen.7
Bezüglich Informationen zu Risikofaktoren, Schulungen und Langzeittherapie beachten Sie bitte auch den Artikel Asthma bei Kindern und Jugendlichen.
Prävention
Adäquate Langzeittherapie des chronischen Asthmas
Mit PEF-Messungen und Tagebuch zu Hause kann ab dem 5.–6. Lebensjahr begonnen werden.
Auslöser, z. B. Allergene, kalte Luft, inhalative Schadstoffe, meiden.
Keine potenziell anfallsauslösenden Medikamente (ASS, NSAR oder Betablocker)
Schulung über Symptome und frühe Notfallbehandlung eines Asthmaanfalls
Ggf. rehabilitative Maßnahmen
Bei Jugendlichen: Nicht rauchen!
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Der akute Anfall kann in der Regel effektiv behandelt werden.
Ein Asthmaanfall ist häufig Ausdruck eines Fortschreitens der Erkrankung oder einer unzureichenden Langzeittherapie. Nach dem akuten Anfall sollte daher eine Kontrolle und evtl. eine Anpassung der Behandlung erfolgen.
Akute Asthmaanfälle sind potenziell lebensbedrohlich.
Von 2016–2018 gab es in Deutschland bei Kindern < 15 Jahre 2 Todesfälle durch akute Asthmaanfälle.2
Prognose
Die allermeisten Anfälle lassen sich effektiv behandeln.
Die Anzahl der Einweisungen aufgrund von Asthmaanfällen ist rückläufig. Dies wird der vorbeugenden Behandlung mit inhalativen Glukokortikoiden zugeschrieben.1213-1314
Hospitalisierungen von Kindern < 15 Jahre aufgrund von Asthma in Deutschland:2
Ambulante Vorstellung im Verlauf nach behandeltem Anfall
Zusätzliche Diagnostik, z. B. Lungenfunktion, erwägen.
Inhalationstechnik und Verwendung Peak-Flow-Meter demonstrieren lassen.
Schulung über Warnzeichen und Notfallbehandlung eines Anfalls (Asthma-Aktionsplan)
Expositionsprophylaxe bei bekanntem Auslöser
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Das Kind sollte im Asthmaanfall nicht unbeaufsichtigt sein und in einer ruhigen Umgebung eine bequeme Position einnehmen können.
Die ambulante Erstbehandlung beginnt häufig in Eigenverantwortung des Kindes und seiner Angehörigen. Idealerweise haben die Kinder und deren Angehörige eine Schulung erhalten und können den Asthma-Aktionsplan im Ernstfall strukturiert abarbeiten.6
Selbsteinschätzung des Schweregrades (Atmung, Sprache, PEF)
Anwendung der Bedarfstherapie, atmungserleichternde Körperhaltung und dosierte Lippenbremse
Wirksamkeit objektivieren (Atmung, Sprache, PEF).
Wenn unwirksam: Bedarfstherapie wiederholen, frühzeitig und soweit vorhanden orale Glukokortikoide anwenden.
Nicht geschulte Patient*innen und Angehörige haben Schwierigkeiten, den Schweregrad des Asthmaanfalls einzuschätzen und versuchen oft zu lange, einen Anfall durch Bedarfsmedikamente zu kupieren.
Die Anwendung hoher repetitiver Dosen der Bedarfstherapie birgt ein Risiko für unerwünschte Wirkungen.
Zudem besteht bei Eltern häufig Besorgnis über die unerwünschten Wirkungen von oralen Glukokortikoiden, sodass die Anwendung verzögert erfolgt.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln. S1, AWMF-Nr. 053-059. Stand 2022. www.degam.de
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. AWMF-Leitlinie Nr. 020-009. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Nationale Versorgungsleitline Asthma. 4. Auflage, Stand 2020. www.leitlinien.de
Global Initiative for Asthma. Pocket Guide for Asthma Management und Prevention. Stand 2020. www.ginasthma.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. AWMF-Leitlinie Nr. 020-009, Stand 2017. www.awmf.org
Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. Diagnosedaten der Krankenhäuser. Jahr 2018 (letzter Zugriff 25.09.2020). www.gbe-bund.de
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
J46
astmaanfall; akutes asthma bei kindern; Asthma (akut) bei Kindern; akutes asthma bei kindern und jugendlichen; Asthma (akut) bei Kindern / Jugendlichen; Asthmaanfall bei Kindern und Jugendlichen
BBB MK 07.06.2022 DEGAM-LL klimabewusste Verordnung von Inhalativa.
BBB MK 28.09.2020 neue NVL berücksichtigt.
Revision at 14.08.2015 12:11:49:
Final Version
Revision at 13.06.2015 17:16:27:
German Guideline included - finalized
Revision at 13.06.2015 17:16:21:
German Guideline included - finalized
Revision at 10.06.2015 15:06:44:
Titel changed into children and adolescents according to German National Guideline
Revision at 10.06.2015 15:06:41:
Titel changed into children and adolescents according to German National Guideline
Revision at 29.05.2015 15:26:07:
German National Guideline included
BBB MK 07.03.2018, komplett überarbeitet, LL DGP im Text
Definition:Akute Atemwegsobstruktion bei vorbestehendem Asthma mit unmittelbarem Behandlungsbedarf. Häufigkeit:2018 gab es 4.653 Hospitalisierungen in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen < 15 Jahre aufgrund asthmatischer Beschwerden.