Allgemeine Informationen
Definition
- Definition der Chapel Hill Consensus Conference 20121-3
- nekrotisierende Arteriitis mittelgroßer oder kleiner Arterien
- ohne Glomerulonephritis
- ohne Vaskulitis von Arteriolen, Kapillaren oder Venolen
- nicht mit ANCA assoziiert
- nekrotisierende Arteriitis mittelgroßer oder kleiner Arterien
- Früher gebräuchliche Begriffe wie Panarteriitis nodosa oder Periarteriitis nodosa sind nicht mehr gültig.4
Häufigkeit
- Seltene Erkrankung, auch innerhalb der Gruppe der Vaskulitiden5-6
- Prävalenz ca. 2–30/1.000.000 Einw.6
- Auftreten typischerweise zwischen 40. und 50. Lebensjahr7
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen (ca. 2:1).4,7
- Kommt in allen ethnischen Gruppen vor.8
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ätiologie der PAN ist unbekannt.9
- Die idiopathische (früher „klassische") PAN ist sehr selten.2
- Bei der HBV-assoziierten PAN bestehen Hinweise für eine immunkomplexinduzierte Erkrankung, ansonsten ist die Rolle von Immunkomplexen für die Krankheitsentstehung noch unklar.7,9
- Im Gegensatz zu anderen Vaskulitiden gibt es bei der PAN mehrere identifizierte Trigger für die Erkrankung:10
- am häufigsten mit Hepatitis B assoziiert
- Seit der Verfügbarkeit der Hepatitis-B-Impfung geht der Anteil der HBV-assoziierten PAN deutlich zurück.8
- Andere mutmaßliche virale Trigger sind der Hepatitis-C-Virus, HIV, CMV und Parvovirus B19.
- Weitere Erkrankungen, die einer PAN vorangehen können, sind Systemerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis.2
- am häufigsten mit Hepatitis B assoziiert
- Die PAN kann aber auch als Einzelorganerkrankung auftreten, z. B. kutane PAN oder muskuläre PAN.11-16
- Die kutane PAN tritt bevorzugt an der unteren Extremität auf.17
- Histologisch fibrinoide Nekrose der Media kleiner und mittelgroßer Arterien7
- Segmentaler Befall häufig im Bereich von Bifurkationen und Seitenästen7
- Medianekrose und nachfolgend Schädigung der Intima führt zu:7
- lokalen Thrombosen
- Intimaproliferation mit evtl. Stenose/Verschluss des Gefäßes
- Ausbildung von Aneurysmen mit Gefahr der Ruptur.
- Das klinische Bild ist unterschiedlich je nach betroffener Gefäßregion.
- Bei der systemischen PAN ist die Niere das am meisten betroffene Organ (bis 75 %), die auch am häufigsten für eine schlechte Prognose verantwortlich ist.7
Prädisponierende Faktoren
- Hepatitis B, weitere Viruserkrankungen (Hepatitis C, HIV, CMV, Parvo B19)
- Systemerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und systemischer Lupus erythematodes
ICPC-2
- K99 Herz-/Gefäßerkrankung, andere
ICD-10
- M30 Panarteriitis nodosa und verwandte Zustände
- M30.0 Panarteriitis nodosa
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Verdacht auf die Erkrankung durch Anamnese und klinischen Befund
- Aufgrund der meist unspezifischen Kombination aus Allgemein- und Organsymptomen ergibt sich der Verdacht häufig erst mit Zeitverzögerung und nach Ausschluss anderer Diagnosen.
- Angiografische Gefäßdarstellung mit charakteristischem Bild aus Stenosen und Mikroaneurysmen
- Biopsie im Bereich betroffener Organe mit histologischer Untersuchung
- Die früher häufig verwendeten ACR-Kriterien von 1990 finden heute im klinischen Alltag kaum noch Anwendung.6
Differenzialdiagnosen
- Andere Vaskulitiden
- Infektionen
- Systemerkrankungen
- Malignome
- Cholesterinembolien
Anamnese
- Die Erkrankung kann zu einem breiten Spektrum klinischer Manifestationen führen.
- Das klinische Bild kann sich schleichend entwickeln, aber es kann auch zur plötzlichen Manifestation durch schwere Komplikationen kommen.10
- Damit die Zeit bis zu Diagnosestellung und Therapiebeginn möglichst kurz bleibt, kommt den Hausärzt*innen als Erstkontakt eine übergeordnete Rolle im Rahmen der interdisziplinären Abklärung zu.18
Häufigere Symptome
- Allgemeinsymptome
- Fieber
- Gewichtsverlust
- Fatigue
- Krankheitsgefühl
- Kopfschmerzen
- Myalgien und Arthralgien
- Haut (am häufigsten im Bereich der unteren Extremitäten)
- netzartige Hautzeichnung
- schmerzhafte Knötchen
- Einblutungen
- Geschwüre
- Nerven
- Lähmungen (z. B. Fallfuß, Fallhand19)
- Gefühlsstörungen
- Magen-Darm-Trakt
- Bauchschmerzen
- Übelkeit/Erbrechen
- blutiger Durchfall
- Niere
- Flankenschmerz
- roter Urin
Seltenere Symptome
- Geschlechtsorgane
- Hodenschmerzen
- Augen
- Visusminderung
- Herz
- Lunge
- praktisch nie beteiligt20
Klinische Untersuchung
- Kreislauf
- Haut
- Livedo reticularis
- Petechien, Purpura
- Noduli
- Ulzerationen
- akrale Nekrosen
- Nerven
- periphere motorische und sensorische Ausfälle, häufig asymmetrisch (Mononeuritis multiplex v. a. im Bereich von N. peronaeus, N. tibialis, N. ulnaris)
- bei Befall multipler Nerven evtl. klinisches Bild einer distal-symmetrischen peripheren Polyneuropathie
- periphere motorische und sensorische Ausfälle, häufig asymmetrisch (Mononeuritis multiplex v. a. im Bereich von N. peronaeus, N. tibialis, N. ulnaris)
- Magen-Darm-Trakt
- abdomineller Druckschmerz
Ergänzende Untersuchungen – Labor
- Es gibt keine spezifischen Labormarker für PAN
Blut
- Entzündungsparameter
- Blutbild
- normochrome Anämie, Leukozytose, Thrombozytose9
- Eiweißelektrophorese
- Hypergammaglobulinämie bei 30 %9
- Nierenretentionswerte
- Abnahme der eGFR, Anstieg des Kreatinins bei Nierenbeteiligung
- Transaminasen
- Erhöhung bei Leberbeteiligung, viraler Hepatitis
- CK
- Kann bei muskulärer Beteiligung erhöht sein, es gibt aber auch Fälle einer muskulären PAN ohne CK-Erhöhung.16
- Serologie
- Hepatitis B und C
- Marker rheumatologischer Erkrankungen
- ANCA negativ (definitionsgemäß)
- Rheumafaktor bei 1/3 positiv, v. a. bei Hepatitis B-assoziierter PAN7
- ANA können im Einzelfall leicht erhöht sein.9
Urin
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebung
- Nachweis charakteristischer Gefäßveränderungen (Stenosierungen und Mikroaneurysmen) vor allem in Mesenterial-, Leber- und Nierenarterien, Gold Standard ist die invasive Angiografie.4
- Nichtinvasive Alternativen sind MR-Angiografie, CT-Angiografie und Sonografie.
- Erfassung von Organschäden durch MRT oder CT mit Kontrastmittel21-22
Biopsie
Elektrophysiologische Untersuchung
- Elektromyografie und Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit bei Nervenbeteiligung
Indikationen zur Überweisung
- Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
- Ziele der Vaskulitistherapie sind:24
- Unterdrückung der Entzündung
- Vermeidung von Komplikationen (Gefäßverschlüsse, Blutungen durch rupturierende Aneurysmen)
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie hängt ab von:
- Immunsuppressiva werden z. T. „off label" angewendet, sodass hier eine erweiterte Aufklärungsnotwendigkeit besteht.25
- Die Behandlung sollte in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum erfolgen.23
Spezielle Therapie
Kutane PAN24
- NSAR
- Glukokortikoide
- Colchizin
- Dapson
- Ggf. Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid, Mycophenolat
HBV-assoziierte PAN24
- Antivirale Medikamente
- Evtl. Glukokortikoide
- Evtl. Plasmapherese
Idiopathische, generalisierte PAN (milde Erkrankung)24
- Glukokortikoide
- Evtl. Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat
Idiopathische, generalisierte PAN (schwere Erkrankung)24
- Glukokortikoide
- Cyclophosphamid (i. v.)
- gefolgt von Azathioprin oder Methotrexat
Weitere Therapieoptionen– Biologika
- Es gibt bislang nur wenige Daten zum Einsatz von Biologika wie Rituximab, Infliximab oder Etanercept.4
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Mögliche Komplikationen9
- Ruptur von Aneurysmen mit Einblutung in Organe (Nieren, Leber, Pankreas, Herz)
- gastrointestinale Blutung
- Organinfarkte (Darm, Nieren, Herz, Hirn)
- Gangrän der Extremitäten
- Nierenversagen
- Komplikationen der immunsuppressiven Therapie (Infektionen, u. a.)
Verlauf und Prognose
- Unbehandelt ist die Prognose sehr schlecht; die 5-Jahres-Überlebensrate der systemischen PAN liegt in älteren Studien nur ca. 10–15 %.6-7,9
- unbehandelt rasche Progression mit Nierenversagen, gastrointestinalen und kardiovaskulären Komplikationen7
- Mit Behandlung liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei 50–80 %.7
- Hohe Rezidivrate (ca. 80 %), daher ist eine glukokortikoidsparende Therapie wichtig.6
- Ein Befall der Nieren, des Gastrointestinaltraktes, des Nervensystems oder Herzens ist prognostisch ungünstig.7,26
- Ein Nachweis von HBV erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Mononeuritis multiplex und verschlechtert die Prognose.27
- Die Prognose der isolierten kutanen PAN hinsichtlich des Überlebens ist dagegen gut.6
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
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Literatur
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Die ursprüngliche Version dieses
ArtikelArtikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).