Beeinflussung der Synthese von Gerinnungsfaktoren: Vit-K-Antagonisten
Aktivierung von Inhibitoren der Gerinnungskaskade: UFH, NMH, Fondaparinux.
Direkte Gerinnungshemmer wirken über direkte Inhibition von Enzymen der Gerinnungskaskade.
Faktor Xa: Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban
Thrombin: Dabigatran
Einteilung nach Applikationsart
Parenteral
UFH
NMH
Fondaparinux
Oral
Vit-K-Antagonisten
neue orale Antikoagulanzien (NOAK): Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban, Dabigatran
Vit-K-Antagonisten
Wirkungsweise
Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X ist Vit-K-abhängig.
Vit-K-Antagonisten führen letztlich zu einer verminderten Carboxylierung der Vorstufen der Gerinnungsfaktoren.8
Dadurch vermindert sich die prokoagulatorische Aktivität der Faktoren II, VII, IX und X.
Carboxylierung von C und S wird ebenfalls gehemmt, hierdurch in der Frühphase der Behandlung möglicher prokoagulatorischer Effekt.8
Substanzen
In Deutschland ist Phenprocoumon der üblicherweise verwendete Vit-K-Antagonist (Warfarin in USA).
Messung des therapeutischen Effekts
Bestimmung der INR (International Normalized Ratio)9
Standardisiertes Verfahren, das die Werte unterschiedlicher Tests vergleichbar macht.
INR = Thromboplastinzeit des Patientenplasmas/Thromboplastinzeit des Kontrollplasmas
Normalwert für INR = 1,0
je höher die INR, desto stärker die Blutgerinnungshemmung
INR 2–3 häufig verwendeter Zielbereich bei antikoagulierten Patient*innen
Der früher verwendete Quickwert sollte zur Kontrolle einer Antikoagulationsbehandlung nicht mehr verwendet werden, da die Ergebnisse von den verwendeten Reagenzien abhängen.
dadurch unterschiedliche Ergebnisse in den Labors
Nebenwirkungen
Blutungen
Brennende Schmerzen der Großzehen mit Verfärbung ( „Purple Toes“)10
Sofern keine höheren Dosen zur Einleitung verwendet werden, kann bei Primärprophylaxe bei Vorhofflimmern auf eine initiale Heparinisierung verzichtet werden.
initiale Hyperkoagulabilität unter Vit-K-Antagonisten bei langsamer Aufsättigung nicht klinisch wirksam
Erhaltungsdosis meist 0,5–1,5 Tbl. tgl.
weitere Kontrollen im Abstand von wenigen Tagen bis zum Erreichen einer stabilen INR und stabilen Dosierung
Leitlinie: Management Antikoagulation mit Vit-K-Antagonisten8,18
Beginn des INR-Monitorings nach den ersten 2–3 oralen Gaben
Nach Erreichen einer stabilen Antikoagulation im Allgemeinen Intervalle bis zur nächsten INR-Kontrolle von max. 4 Wochen
Bei Patient*innen mit dauerhaft stabilen INR-Werten Verlängerung des Kontrollintervalls bis 12 Wochen möglich
Bei sonst stabiler INR und einmaliger Abweichung der INR ≤ 0,5 nach unten oder oben Beibehaltung der Dosis und Kontrolle nach 1–2 Wochen
Bei stabiler INR und einmaligem subtherapeutischem Wert kein routinemäßiges Bridging mit Heparin
Bei erhöhter INR 4,5–10 ohne Blutungszeichen keine routinemäßige Gabe von Vit-K
Bei INR > 10 ohne Blutungszeichen orale Gabe von Vit-K
Begleittherapie mit NSAR und bestimmten Antibiotika sollte vermieden werden.
Pharmakogenetische Tests zur Dosisfindung sind nicht routinemäßig empfohlen.
Unfraktioniertes Heparin (UFH)
Ältestes Antikoagulans
Entdeckung vor 100 Jahren, breiterer klinischer Einsatz ca. ab den 1940er-Jahren
Gewinnung aus Schweinedarmmukosa
Heterogene Mischung aus Glykosaminoglykanen mit Molekulargewichten von 3.000–30.000 Dalton mit einem durchschnittlichen Molekulargewicht von 15.000 Dalton19
im Vergleich zu UFH aber niedrigere Anti-IIa-Aktivität20
Der entscheidende Unterschied ist das Nichtvorhandensein von großen Molekülen > 10.000 Dalton mit unspezifischer Bindung an andere Strukturen als Antithrombin.20
Wirkungsabschwächung durch Antihistaminika, Digitalis, Nitroglycerin i. v., u. a.
Antagonisierung bei Blutungen
Antagonisierung mit Protamin
Aufgrund der reduzierten Bindung von NMH lassen sich nur ca. 50 % (z. B. Enoxaparin) bis 85 % (z. B. Tinzaparin) der Anti-Xa-Aktivität mit Protamin antagonisieren.20
Das vor allem für die Antagonisierung von NOAK mit direkter Faktor-Xa-Inhibierung entwickelte rekombinante Protein Andexanet alfa hebt auch die Wirkung von Enoxaparin auf.31
Fondaparinux
Wirkungsweise
Synthetisch hergestelltes Pentasaccharid
Im Vergleich zu UFH und NMH kleines Molekül mit 1.728 Dalton20
Fondaparinux bindet selektiv und irreversibel an Antithrombin.23
Renale Ausscheidung, dadurch verminderte Clearance bei Niereninsuffizienz
Verabreichung
Lineares pharmakokinetisches Profil mit geringer intra- und interindividueller Variabilität20
Dadurch einfache Anwendung mit 1 x tgl. s. c. Injektion einer prophylaktischen oder therapeutischen Fixdosis bei allen Indikationen20
Messung des therapeutischen Effekts
Ein Monitoring ist im Allgemeinen nicht notwendig.
Ggf. Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität
Fondaparinux ohne relevanten Einfluss auf Gerinnungstests wie aPTT, Prothrombinzeit und aktivierte Gerinnungszeit (ACT), keine Verlängerung der Blutungszeit
Nebenwirkungen
Auslösung von HIT II im Einzelfall beschrieben, Risiko insgesamt aber vernachlässigbar1,32-33
Interaktionen
Verstärkung des Blutungsrisikos bei Kombination mit anderen Hemmern der Blutgerinnung
Antagonisierung bei Blutungen
Fondaparinux kann nicht mit Protamin antagonisiert werden.20
Geringer Effekt von Rivaroxaban und Apixaban auf ACT37
Thrombinzeit (TT) ist nicht zur Beurteilung der Aktivität geeignet.40
Anti-Faktor-Xa-Tests sind ursprünglich kalibriert für NMH.39
Genauere Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität von NOAK sind nur mit spezifisch kalibrierten Tests möglich.
Verlaufskontrollen
Für Patient*innen unter chronischer NOAK-Therapie bei Vorhofflimmern wird von der EHRA (European Heart Rhythm Association) ein strukturiertes Follow-up empfohlen.
2019 bedingte Zulassung von Andexanet alfa als Antidot gegen Apixaban und Rivaroxaban (an Auflage gebunden, dass Sicherheit und Wirksamkeit weiter untersucht werden).4443
Andexanet alfa ist ein rekombinates Molekül mit hoher Affinität an Faktor Xa.
kompetitive Hemmung der Faktor-Xa-Antagonisten
bei Behandlung mit Bolus und anschließender Infusion schneller und substanzieller Rückgang der Anti-Faktor-Xa-Aktivität31
Nach Ansicht der AkdÄ ist aufgrund unzureichender Daten ein Zusatznutzen für Andaxanet alfa nicht belegt.4544
Laut eines Rote-Hand-Briefes vom November 2020 ist die Anwendung von Andexanet alfa vor einer Heparinisierung (z. B. während eines chirurgischen Eingriffs) zu vermeiden. Andexanet alfa führt zum Nichtansprechen auf die gerinnungshemmende Wirkung von Heparin.
Gabe von Prothrombin-Komplex im Fall von schweren Blutungsereignissen36
Nach einer schwerwiegenden gastrointestinalen Blutung sollten NOAK bei Vorhofflimmern so bald wie möglich wieder eingenommen werden (in der Regel nach 4–7 Tagen), wenn das Schlaganfallrisiko weiter besteht und größer ist als das Risiko einer wiederholten Blutung.36
Wechsel der Antikoagulationsmedikation
Die European Heart Rhythm Association (EHRA) hat Leitlinien zum Wechsel zwischen Antikoagulanzien veröffentlicht, die allerdings auch die nicht unproblematische parallele Gabe von NOAK und Vit-K-Antagonisten beinhaltet.
Wechsel von Vitamin-K-Antagonisten zu NOAK
Empfehlung EHRA: Beginn mit NOAK, wenn INR < 2,5 (sofort oder am nächsten Tag)36
Zur Vermeidung von Blutungskomplikationen erscheint (unter Berücksichtigung des individuellen Embolierisikos) ein Beginn mit NOAK erst bei INR < 2 sinnvoll.
Wechsel von NOAK zu Vitamin-K-Antagonisten
Empfehlung EHRA: Beginn mit Vitamin-K-Antagonisten und weitere Einnahme von NOAK bis zu einer INR ≥ 236
INR-Kontrolle 2–3 Tage nach Absetzen von NOAK
Zur Vermeidung von Blutungskomplikationen erscheint (unter Berücksichtigung des individuellen Embolierisikos) ein Absetzen des NOAK bereits kurz vor Erreichen des therapeutischen INR-Bereichs vertretbar.
Vorteile der NOAK im Vergleich zu Vit-K-Antagonisten
Einfachere Anwendung mit konstanter Dosierung
Kein regelmäßiges Monitoring notwendig
Weniger schwankende blutgerinnungshemmende Wirkung
Nachteile der NOAK im Vergleich zu Vit-K-Antagonisten
Keine Langzeiterfahrung
Keine Überprüfung der Adhärenz durch einfachen Labortest
Erheblich höhere Kosten
In neueren Publikationen ergeben sich Hinweise auf eine erhöhte ischämische SchlaganfallrateSchlaganfallrate (Apixaban oder alle NOAK) und eine höhere Mortalität (Apixaban und Rivaroxaban oder für alle NOAK).4645
Ursache könnte auch eine unzureichende Dosierung der NOAK sein.
Auf nicht angezeigte Dosisreduktionen sollte verzichtet werden.
Therapie mit Antikoagulanzien
Orale Antikoagulation bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern
Nichtvalvuläres Vorhofflimmern ist definiert als Vorhofflimmern in der Abwesenheit von:37
Für die Entscheidung über eine orale Antikoagulation sollte eine Stratifizierung des individuellen Patientenrisikos für Schlaganfall und Blutung erfolgen.4443
HAS-BLED-Score ≥ 3 indiziert ein hohes Blutungsrisiko. 4847
Das bedeutet nicht, dass Antikoagulation kontraindiziert ist, aber dass die Intervention gegen modifizierbare Risikofaktoren optimiert werden muss (z. B. unkontrollierte Hypertonie, Alkohol, labiles INR, NSAR-Anwendung).
Auch ein erhöhtes Blutungsrisiko sollte im Allgemeinen nicht zum Verzicht auf eine OAK führen.4
Modifizierbare und nichtmodifizierbare Risikofaktoren für Blutung sollten identifiziert und Erstere möglichst behandelt werden.4
Für die Beurteilung des Blutungsrisikos wird die Verwendung eines strukturierten Risikoscores empfohlen, um modifizierbare und nicht modifizierbare Risikofaktoren zu identifizieren (I/B).
Allgemeine Regeln zur oralen Antikoagulation (OAK) bei Vorhofflimmern:4
Bei CHA2DS2-VASc ≥ 2 (Männer) bzw. ≥ 3 (Frauen) besteht eine klare Indikation für OAK.
Bei CHA2DS2-VASc = 1 (Männer) bzw. 2 (Frauen) sollte OAK erwogen werden.
Unter Berücksichtigung von evtl. Blutungsrisiko und Patientenpräferenz abwägen.
Wichtig: Weibliches Geschlecht allein (formal 1 Punkt) ohne zusätzliche Risikofaktoren erhöht das Schlaganfallrisiko nicht!
Bei diesen Patientinnen ist OAK nicht indiziert.
Leitlinie: ESC-Empfehlungen zur Schlaganfallsprävention bei Patient*innen mit Vorhofflimmern4
OAK ist empfohlen bei Männern mit CHA2DS2-VASc ≥ 2 und Frauen mit CHA2DS2-VASc ≥ 3 (I/A).
OAK sollte erwogen werden bei Männern mit CHA2DS2-VASc = 1 und Frauen mit CHA2DS2-VASc = 2 (IIa/B).
Thrombozytenaggregationshemmung allein ist zur Schlaganfallsprophylaxe bei Vorhofflimmern nicht empfohlen (III/A).
Die Behandlung mit NOAK ist eine Alternative zu Vit-K-Antagonisten mit wachsender Bedeutung in den vergangenen Jahren.
Die Zulassung der NOAK beruhte auf der gleichen Effektivität in der Embolieprävention im Vergleich zu Vit-K-Antagonisten bei gleichzeitig verminderter Rate an schweren (v. a. intrazerebralen) Blutungen.4948-5251
Derzeit gibt es keine eindeutige Datenlage für die Bevorzugung eines bestimmten NOAK im Vergleich zu den anderen.5352
Im Leitfaden 2019 der AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) zur oralen Antikoagulation bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern werden Vorteile für Apixaban gegenüber anderen NOAK gesehen.4443
Präferenz für Vit-Antagonist bzw. NOAK bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern in verschiedenen Leitlinien
In den ESC-Guidelines Präferenz für NOAK gegenüber Vit-K-Antagonisten bei Behandlungsbeginn4
In den DEGAM-Empfehlungen 2013 wurden noch Vit-K-Antagonisten als Standard empfohlen, NOAK hingegen nur als Option für Patient*innen, bei denen Vit-K-Antagonisten nicht infrage kommen.5453
Auch die AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) vertrat zunächst diese Position.
Aktuell unterstützt die DEGAM die im AkdÄ-Leitfaden 2019 modifizierte Position, dass zur Antikoagulation neben dem Einsatz eines Vit-K-Antagonisten auch die Anwendung eines NOAK vertretbar ist.4443
Die Entscheidung für Vit-K-Antagonist oder NOAK sollte sich ebenso wie die Auswahl des NOAK richten nach:4443
der klinischen Gesamtsituation
den Begleiterkrankungen
der Komedikation
den Präferenzen der Patient*innen.
Empfehlungen der AkdÄ zur oralen Antikoagulation bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern (von der DEGAM unterstützt)4443
Nicht eingesetzt werden sollten NOAK statt VKA bei Patient*innen
deren INR unter bereits bestehender Therapie mit VKA stabil im therapeutischen Bereich liegt (INR > 70 % der Zeit im therapeutischen Bereich).
mit unsicherer Adhärenz.
mit einem hohen Risiko für gastrointestinale Blutungen.
mit schwerer Nierenfunktionseinschränkung (CrCl < 30 ml/min).
im Fall von Edoxaban mit einer normalen Nierenfunktion (laut FDA bei CrCl > 95 ml/min nicht zugelassen).
die Arzneimittel einnehmen, für die als Inhibitoren oder Induktoren von Cytochrom-P450-3A4 (CYP3A4) und P-Glykoprotein (P-gp) Wechselwirkungen beschrieben sind, sodass laut Fachinformationen eine gleichzeitige Behandlung kontraindiziert ist oder vermieden werden sollte (darunter Dronedaron, Amiodaron, Verapamil, Clarithromycin, HIV-Proteaseinhibitoren, Azol- Antimykotika, Ciclosporin, Carbamazepin, Hypericin).
mit einem Antiphospholipid-Syndrom, das die Kriterien eines Hoch-Risiko-Profils erfüllt, wegen des erhöhten Risikos für rezidivierende thrombotische Ereignisse; bei Patient*innen mit einem Antiphospholipid-Syndrom, das die Kriterien eines Hoch-Risiko-Profils nicht erfüllt, sollte der Einsatz von NOAK in jedem Einzelfall kritisch geprüft werden.
mit linksventrikulären Thromben.
mit künstlichen Herzklappen (mit mechanischem und biologischem Herzklappenersatz).
Nur nach eingehender Prüfung sollten NOAK statt VKA angewendet werden bei
mäßiger Nierenfunktionseinschränkung (CrCl 30–50 ml/min: Dosisreduktion erforderlich bei Dabigatran, Edoxaban, Rivaroxaban, nicht bei Apixaban).
zusätzlicher Indikation für eine einfache und vor allem für eine duale Thrombozytenaggregaionshemmung.
Multimedikation (≥ 5 Arzneimittel): klinisch relevante Wechselwirkungen zwischen anderen Arzneimitteln und NOAK sind bisher nur eingeschränkt bekannt und können wegen der fehlenden Möglichkeit von Laborkontrollen nicht erfasst werden.
NOAK statt VKA sollten eingesetzt werden bei Patient*innen
mit einem hohen Risiko für intrazerebrale Blutungen, wenn der Nutzen einer Antikoagulation als grundsätzlich größer eingeschätzt wird als das Risiko durch eine intrazerebrale Blutung.
mit stark schwankenden INR-Werten trotz regelmäßiger Einnahme von VKA.
mit einem erhöhten Risiko für spezifische Arzneimittel- oder Nahrungsmittelinteraktionen unter VKA.
für die eine regelmäßige Kontrolle des INR-Wertes nicht möglich ist.
mit neu diagnostiziertem nv-VHF, die akut einer Rhythmisierung oder Ablation zugeführt werden sollen, als Alternative zu parenteralen Antikoagulanzien während und unmittelbar nach der Intervention. Anschließend kann eine Umstellung auf VKA erwogen werden, falls eine Antikoagulation über einen längeren Zeitraum notwendig ist.
Bei der Auswahl eines NOAK ist u. a. zu berücksichtigen, dass
nach den Daten der Zulassungsstudien nur für Apixaban im Vergleich zu Warfarin eine Reduktion der Schlaganfälle/Embolien, schweren Blutungen und der Gesamtmortalität nachgewiesen ist; auch unabhängige Übersichtsarbeiten zeigen einen Vorteil von Apixaban im Vergleich zu anderen NOAK.
die Gabe von Dabigatran 2 x 150 mg/d bei einem hohen Risiko für ischämische Schlaganfälle angezeigt sein kann.
Rivaroxaban nach Einschätzung der AkdÄ im Vergleich zu VKA keine Vorteile bietet.
Edoxaban wegen der abnehmenden Wirksamkeit mit steigender Kreatinin-Clearance für den Alltag nicht geeignet zu sein scheint (laut FDA bei CrCl > 95 ml/min nicht zugelassen. Zudem gibt es für Edoxaban im Unterschied zu den anderen DOAK kein zugelassenes Antidot).
Dosierung von NOAK bei VHF
Die AkdÄ empfiehlt eine genaue Befolgung der Vorgaben in den Fachinformationen, da eine Dosisreduktion ohne entsprechende Indikation das Risiko für einen Schlaganfall erhöht.4443
Im Folgenden sind die normalen sowie die reduzierten Dosierungen angegeben.
Allgemeine Regeln zur Antikoagulation vor und nach Kardioversion4
Kardioversion ist mit einem thrombembolischen Risiko verbunden, daher sofortiger Beginn einer Antikoagulation bei allen Patient*innen vor Kardioversion.
bei Patient*innen mit einer Dauer des Vorhofflimmerns < 48 h kann eine frühe Kardioversion ohne transösophageale Echokardiografie (TEE) durchgeführt werden.
bei Patient*innen mit Vorhofflimmern > 48 h Beginn der OAK mindestens 3 Wochen vor Kardioversion
alternativ Thrombusausschluss durch TEE
bei Dauer des Vorhofflimmerns > 24 h Fortführung der OAK für 4 Wochen nach Kardioversion (bei Patient*innen ohne Notwendigkeit einer Dauerantikoagulation)
bei Patient*innen mit erhöhtem Risiko (gemäß CHA2DS2-VASc-Score) dauerhafte OAK
Anwendung von NOAK vor und nach Kardioversion
NOAK vermutlich mit zumindest vergleichbarer Effektivität und Sicherheit im Vergleich zu Vit-K-Antagonisten4,5554-5756
Kardioversion gemäß ESC/EHRA unter regelmäßiger und kontinuierlicher Einnahme von NOAK durchführbar4,37
Einnahme von mindestens 3 Wochen vor Kardioversion muss gewährleistet sein.
Adhärenz zur Therapie im Patientengespräch klären, da im Gegensatz zu Vit-K-Antagonisten keine Überprüfung durch Gerinnungstest möglich ist.
bei Zweifeln über die Adhärenz Ausschluss eines Thrombus durch TEE
Antikoagulation bei tiefer Venenthrombose und Lungenembolie
Gemäß AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) sollte sich der Einsatz von NOAK auf Patient*innen beschränken, bei denen Vit-K-Antagonisten keine geeignete Therapieoption sind.5857
Vor allem bei unkomplizierten TVT mit aller Voraussicht nach kurzen Behandlungszeiten von z. B. 3 Monaten stellen NOAK aber eine gleichwertige und einfacher praktikable Alternative zu den Vit-K-Antagonisten dar.5857
In Deutschland zur Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie zugelassene Medikamente und ihre Dosierung:1
Vit-K-Antagonisten mit INR 2,0–3,0 (Majorblutungen bei 1–3 % der Fälle pro Jahr): „Low-dose“-VKA-Therapie mit INR 1,5–2,0 oder Therapie mit ASS 100 mg ohne gesicherten Stellenwert in der Erhaltungstherapie
Alle NOAK in den in der Tabelle angegebenen Dosierungen sind für die verlängerte Erhaltungstherapie zugelassen.
NMH bei Tumorpatient*innen ist Therapiestandard, solange die NOAK für diese spezifische Patientenpopulation mit erhöhtem Blutungsrisiko nicht explizit untersucht worden sind.1
Leitlinie: Venenthrombose und Lungenembolie – Diagnostik und Therapie1
Sofort nach Diagnosestellung soll eine therapeutische Antikoagulation begonnen werden.
Die diagnostizierte asymptomatische Thrombose sollte wie die symptomatische Thrombose antikoaguliert werden.
Die Initialbehandlung erfolgt entweder:
mit einem parenteralen Antikoagulans
mit demselben Medikament wie in der späteren Erhaltungsphase, jedoch in höherer Dosis (Rivaroxaban, Apixaban).
Zu Beginn jeder Antikoagulanzientherapie sollten ein Basisgerinnungsstatus inklusive Thrombozytenzahl und die Nierenfunktion bestimmt werden.
Eine Kontrolle der Thrombozytenzahl zur Erkennung einer heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT II) ist nur noch bei längerfristiger Gabe von unfraktioniertem Heparin (UFH) erforderlich.
Bei akuter HIT II sind die in dieser Situation zugelassenen Antikoagulanzien einzusetzen.
Bei zurückliegender HIT II können alle Antikoagulanzien mit Ausnahme des auslösenden Heparins gegeben werden, auch wenn diese nicht explizit hierfür zugelassen sind.
An die initiale Antikoagulation soll sich eine Erhaltungstherapie von 3–6 Monaten anschließen.
Nach 3–6 Monaten soll eine Entscheidung über die Beendigung oder Fortführung der Antikoagulation getroffen werden.
Für die Mehrzahl der Patient*innen mit Lungenembolie gelten bezüglich der initialen Antikoagulation, der Erhaltungstherapie und der verlängerten Erhaltungstherapie dieselben Empfehlungen wie für die Beinvenenthrombose.
Ein wesentlicher Unterschied besteht für hämodynamisch instabile Patient*innen mit Lungenembolie, die eine medikamentöse Thrombolyse erhalten sollen; in diesen Fällen wird initial Heparin verabreicht, bevorzugt unfraktioniertes Heparin (UFH) als Bolus.
Bei Patient*innen mit niedrigem Risiko kann die Behandlung der Lungenembolie ambulant erfolgen.
Empfehlungen der AkdÄ zur oralen Antikoagulation bei tiefer Venenthrombose (TVT) und Lungenembolie (LE)
Nicht eingesetzt werden sollten DOAK statt VKA bei Patient*innen
die mit VKA gut einzustellen sind bzw. deren INR unter bereits bestehender Therapie mit VKA stabil im therapeutischen Bereich liegt (INR > 70 % der Zeit im therapeutischen Bereich).
mit unsicherer Adhärenz.
mit einem hohen Risiko für gastrointestinale Blutungen.
mit schwerer Nierenfunktionseinschränkung (CrCl < 30 ml/min).
im Fall von Edoxaban mit einer hoch normalen Nierenfunktion (laut der US-amerikanischen Food and Drug Administration [FDA] CrCl > 95 ml/min Kontraindikation).
die Arzneimittel einnehmen, für die als Inhibitoren oder Induktoren von Cytochrom-P450-3A4 (CYP3A4) und P-Glykoprotein (P-gp) Wechselwirkungen beschrieben sind, sodass laut Fachinformationen eine gleichzeitige Behandlung kontraindiziert ist oder vermieden werden sollte (darunter Amiodaron, Dronedaron, Azol-Antimykotika, Carbamazepin, Ciclosporin, Clarithromycin, johanniskrauthaltige Präparate, HIV-Proteaseinhibitoren, Verapamil).
mit mechanischen Herzklappen einschließlich perkutanem Aortenklappenersatz.
Nur nach eingehender Prüfung sollten DOAK statt VKA angewendet werden bei
mäßiger Nierenfunktionseinschränkung (CrCl 30–50 ml/min: Dosisreduktion erforderlich bei Dabigatran, Edoxaban, Rivaroxaban, nicht bei Apixaban)
Multimedikation (mehr als 5 systemisch wirksame Arzneimittel): Klinisch relevante Wechselwirkungen zwischen anderen Arzneimitteln und DOAK sind bisher nur unzureichend bekannt und können wegen der fehlenden Möglichkeit von Laborkontrollen nicht erfasst werden.
DOAK können eine Option statt VKA sein für Patient*innen
die wegen einer VTE sehr wahrscheinlich nur kurzfristig (z. B. bis 3 Monate) eine orale Antikoagulation benötigen.
mit einem hohen Risiko für intrazerebrale Blutungen, wenn der Nutzen einer Antikoagulation als grundsätzlich größer eingeschätzt wird als das Risiko durch eine intrazerebrale Blutung.
mit einem erhöhten Risiko für spezifische Arzneimittel- oder Nahrungsmittelinteraktionen unter VKA.
mit stark schwankenden INR-Werten trotz regelmäßiger Einnahme von VKA, für die eine regelmäßige Kontrolle des INR-Wertes schwierig ist.
Antikoagulation nach chirurgischem/interventionellem Herzklappenersatz oder Klappenrekonstruktion
Patient*innen mit mechanischen Prothesen werden lebenslang mit Vit-K-Antagonisten behandelt.
NOAK sind nicht zur Gerinnungshemmung bei mechanischen Prothesen geeignet.
Die Behandlung mit NOAK (Dabigatran) ist sowohl mit einer höheren Rate an Thrombembolien als auch an Blutungen verbunden.6059
Neu in den Richtlinien ist die postoperative Gabe von ASS statt Vit-K-Antagonisten bei chirurgisch implantierten Aortenklappenbioprothesen.5
NOAK können angewandt werden bei Patient*innen mit Vorhofflimmern und Bioprothesen nach dem 3. postoperativen Monat.5
Leitlinie: Antikoagulation nach chirurgischem oder interventionellem Herzklappenersatz oder Klappenrekonstruktion5
Mechanische Prothesen
OAK mit Vit-K-Antagonisten lebenslang empfohlen (I/B)
Bridging mit therapeutischen Dosen von UFH oder NMH bei Unterbrechung des Vit-K-Antagonisten empfohlen (I/C)
INR-Selbstmanagement empfohlen (I/B)
NOAK sind kontraindiziert (III/B).
Bioprothesen
OAK mit Vit-K-Antagonisten für 3 Monate sollte erwogen werden nach:
chirurgischer Implantation einer Mitral- oder Trikuspidalprothese (IIa/C)
Reparatur der Mitral- oder Triksupidalklappe (IIa/C).
ASS 75–100 mg/d für 3 Monate sollte erwogen werden nach:
chirurgischer Implantation einer Aortenklappenbioprothese (IIa/C)
klappenerhaltender Operation einer Aortenklappe (IIa/C).
OAK für 3 Monate kann erwogen werden nach chirurgischer Implantation einer Aortenklappenbioprothese (IIb/C).
Duale Plättchenhemmung für 3–6 Monate nach TAVI sollte erwogen werden, gefolgt von lebenslanger Monotherapie (IIa/C).
Bei hohem Blutungsrisiko kann Monotherapie mit Thrombozytenaggregationshemmer nach TAVI erwogen werden (IIb/C).
Antikoagulation im Rahmen einer Triple-Therapie (orale Antikoagulation + duale Plättchenhemmung) nach koronarem Stenting
Ca. 6–8 % der Patient*innen mit dualer Plättchenhemmung (DAPT) nach perkutaner Koronarintervention (PCI) haben gleichzeitig eine Indikation zur dauerhaften oralen Antikoagulation (OAK) aufgrund verschiedener Ursachen (Vorhofflimmern, venöse Thrombembolie, mechanische Herzklappen).
Die DEGAM empfiehlt für die Durchführung der sog. Triple-Therapie die Beachtung folgender Kriterien:6160
Clopidogrel statt Ticagrelor (fehlende Erfahrung mit Triple-Therapie unter Einschluss von Ticagrelor)
OAK + BMS (stabile KHK, ACS): Triple-Therapie 4 Wochen, dann nur Phenprocoumon weiter
OAK + DES (stabile KHK): bei Stent mit Sirolimus oder Everolimus 1–3 Monate, bei Stent mit Paclitaxel 6 Monate, dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12
Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann bei antikoagulierten Patient*innen mit stabiler KHK die Clopidogrel-Gabe auf 6, bei sehr hohem Blutungsrisiko auf 1–3 Monate verkürzt werden.
OAK + DES (ACS): Triple-Therapie 6 Monate, dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS auf 4 Wochen und die von Clopidogrel auf 6 Monate beschränkt werden.
Die DEGAM empfiehlt derzeit ausschließlich eine Triple-Therapie mit Vit-K-Antagonist.5
In den neuen Leitlinien der ESC wird sowohl bei ACS als auch chronischem Koronarsyndrom und unabhängig vom Stenttyp nur noch eine Dauer der Triple-Therapie von 1 Woche empfohlen.4
anschließend Clopidogrel + bevorzugt NOAK für 12 Monate (ACS) bzw. 6 Monate (chronisches Koronarsyndrom), dann nur noch orale Antikoagulation mit bevorzugt NOAK4
Bei Patient*innen nach koronarer Stentimplantation und Indikation zur oralen Antikoagulation sollte eine Triple-Therapie (ASS + Clopidogrel + Antikoagulation) durchgeführt werden (B/III).
Wenn sich antikoagulierte Patient*innen einer koronaren Intervention unterziehen müssen, sollte eine Triple-Therapie mit Phenprocoumon bzw. Warfarin und nicht mit neuen oralen Antikoagulanzien durchgeführt werden (B/IIb).
Für die Dauer einer Triple-Therapie sollte bei Einsatz von Kumarinen eine INR im unteren therapeutischen Zielbereich gewählt werden (z. B. 2,0–2,5) (B/IIa).
Wegen des Blutungsrisikos soll eine Triple-Therapie so kurz wie möglich durchgeführt werden (A/III).
Bei Patient*innen mit Erfordernis zur oralen Antikoagulation, die bei stabiler KHK eine PCI bekommen, werden folgende Empfehlungen zur Dauer der Triple-Therapie gegeben (B/IIa):
Bei BMS 4 Wochen Triple-Therapie, danach sollte nur mit Kumarinen antikoaguliert werden.
Bei mit Everolimus oder Zotarolimus beschichteten Stents kann die Dauer einer Triple-Therapie auf 1–3 Monate begrenzt werden. Dann OAK + Clopidogrel bis Monat 12, danach nur noch OAK mit Kumarinen.
bei Paclitaxel-Stent 6 Monate Triple-Therapie; dann OAK + Clopiogrel bis Monat 12, danach nur noch OAK mit Kumarinen
Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann bei antikoagulierten Patient*innen mit stabiler KHK die Clopidogrel-Gabe auf 6, bei sehr hohem Blutungsrisiko auf 1–3 Monate verkürzt werden.
Bei Patient*innen mit Erfordernis zur oralen Antikoagulation (meist Vorhofflimmern oder Thrombose), die bei akutem Koronarsyndrom jedweder Art eine PCI bekommen, werden folgende Empfehlungen zur Dauer einer Triple-Therapie gegeben (B/IIa):
Bei BMS 4 Wochen Triple-Therapie, danach sollte nur mit Kumarinen antikoaguliert werden.
bei DES jeder Art 6 Monate Triple-Therapie; dann OAK + Clopidogrel bis Monat 12, danach nur noch OAK mit Kumarinen
Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS auf 4 Wochen und die von Clopidogrel auf 6 Monate beschränkt werden.
Eine Triple-Therapie ist mit hohem Blutungsrisiko verbunden. Die Patient*innen sollen sorgfältig überwacht werden (A/Ia).
Perioperatives/-interventionelles Management und Bridging
Im Rahmen der Vorbereitung einer Operation/Intervention muss entschieden werden:
Kann der Eingriff unter laufender OAK durchgeführt werden, oder muss die OAK zeitweilig unterbrochen werden?
Kann die OAK ohne Bridging unterbrochen werden?
Muss bei Unterbrechung der OAK ein Bridging durchgeführt werden?
zeitweilige Unterbrechung: Absetzen des Antikoagulans für ≥ 1 Dosis mit teilweiser oder völliger Aufhebung des antikoagulatorischen Effekts vor der invasiven Prozedur
Bridging: Unterbrechung der OAK und Ersatz durch subkutane oder intravenöse Antikoagulation vor und/oder nach einer invasiven Prozedur
Blutungs- und thrombembolisches Risiko müssen individuell vor jedem Eingriff abgewogen werden.6362
Bei Patient*innen mit mechanischen Herzklappen günstigere Daten für intravenöse Gabe von UFH7170
ggf. Hospitalisierung zum Bridging erforderlich
UFH-Gabe bis spätestens 4 Stunden vor Operation
Wiederbeginn mit NMH oder UFH normalerweise 1–2 Tage nach OP (frühestens nach 12 Stunden)7170
Heparingabe, bis therapeutische INR erreicht ist.
Wiederbeginn mit Vit-K-Antagonisten 1–2 Tagen nach OP
NOAK
NOAK können aufgrund ihrer kürzeren Halbwertszeit kurzfristiger vor OP oder Intervention abgesetzt werden.
Für die allermeisten Patient*innen ist das Risiko während eines 2- bis 3-tägigen Absetzens von NOAK sehr gering.7271
daher im Allgemeinen kein klinischer Nutzen des Bridgings bei kurzem Zeitraum der Therapieunterbrechung und niedrigem bis mittlerem Thrombembolierisiko7372
Nur im Fall einer längeren Pause (> 72–96 Stunden) und hohem Thromboembolierisiko sollte im Einzelfall multidisziplinär über die Notwendigkeit eines Bridgings mit Heparin entschieden werden.7372
Der Zeitpunkt des Absetzens von NOAK hängt von vor allem von Substanz und Nierenfunktion ab.7271
Wiederaufnahme der NOAK 1–2 Tage (im Einzelfall je nach Blutungssituation auch 3–5 Tage) nach Eingriff7170
schneller „On“-Effekt der NOAK, d. h. volle Wirkung nach 1–4 Stunden
Hausärztliche Beratung für antikoagulierte Patient*innen in zahnärztlicher Behandlung
Zur Unterstützung der Hausarztpraxen hat die DEGAM Praxisempfehlungen zum Umgang mit oralen Antikoagulanzien (und Thrombozyenaggregationshemmern) vor zahnärztlichen und kieferchirurgischen Eingriffen erstellt.7473
Bei typischen zahnärztlichen Eingriffen im komprimierbaren Bereich gelten bei hohem/mittlerem Thrombembolierisiko folgende Grundregeln:7473
Therapie mit Vit-K-Antagonisten
INR-Bestimmung 2 Tage präoperativ und Mitteilung an Patient*innen und/oder Zahnärzt*innen
Falls INR im oberen therapeutischen Bereich, vorübergehende Dosisreduktion zur Senkung der INR in den unteren therapeutischen Bereich
Therapie mit NOAK
Weiterführung der Therapie und Durchführung des Eingriffs in möglichst großem Abstand, d. h. kurz vor der nächsten regulären Einnahme
Falls keine Blutung innerhalb der individuellen postoperativen Beobachtungszeit, sollte die nächste Einnahme von NOAK unmittelbar erfolgen.
DEGAM-Empfehlungen für antikoagulierte Patient*innen in zahnärztlicher Behandlung7473
Typische Eingriffe im komprimierbaren Bereich (Zahnextraktion, Osteotomie, Implantation oder umschriebener Weichgewebseingriff) sollen
bei einem hohen Thrombembolierisiko unter laufender Antikoagulanzien-Therapie stattfinden.
bei einem niedrigen Thrombembolierisiko oder einem mittleren Thromboembolierisiko mit hohem Blutungsrisiko nach Unterbruch der Antikoagulation (ohne Bridging) stattfinden.
Bei Vit-K-Antagonisten soll eine präoperative Bestimmung der INR (24–48 h vor dem Eingriff) erfolgen (individuell evtl. auch kürzeres Zeitintervall).
Die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) soll im unteren therapeutischen Bereich gehalten werden.
Bei den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) sollte der Eingriff in einem möglichst großen Abstand zur letzten Einnahme (mindestens 12 h) erfolgen.
Unter Dual- oder Triple-Therapien sollen elektive Eingriffe verschoben werden. Bei Notfalleingriffen soll die Dual- bzw. Triple-Therapie weiter appliziert werden.
Eine niedrig-dosierte Monotherapie mit ASS soll bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen fortgeführt werden.
Bei Eingriffen mit einem größeren Blutungsrisiko (z. B. infizierte Wunden/Abszessen, Eingriffe im Bereich von Mundboden, Sinus maxillaris oder im retromaxillären Raum) sollte die Behandlung durch Fachzahnärzt*innen für Oralchirurgie/Fachärzt*innen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bzw. durch Fachkliniken unter stationären Kautelen erfolgen. Hier kann die Umstellung auf Heparin (Bridging) sinnvoll sein.
Primärprophylaxe venöser Thrombembolien mit Antikoagulanzien
Risikobeurteilung
Hospitalisierte Patient*innen weisen ein stark erhöhtes Risiko für venöse Thrombembolien (VTE) auf.
Risikoadaptierte Primärprophylaxe kann venöse Thrombembolien signifikant reduzieren.7675
Leitlinie: Risikogruppen und abgeleitete Maßnahmen3
Zur Einschätzung des VTE-Risikos auf der Basis von expositionellen und dispositionellen Risikofaktoren sollte eine Einteilung in 3 Risikogruppen (niedrig, mittel, hoch) erfolgen.
Art und Umfang der VTE-Prophylaxe sollen sich nach der Einteilung in diese Risikogruppen und nach Kontraindikationen richten:
niedriges Risiko
Basismaßnahmen (Frühmobilisation, Bewegungsübungen, Anleitung zu Eigenübungen)
physikalische Maßnahmen (z. B. Thromboseprophylaxe-Strümpfe)
mittleres Risiko
medikamentöse Prophylaxe (zusätzlich Basis- und evtl. physikalische Maßnahmen)
hohes Risiko
medikamentöse Prophylaxe (zusätzlich Basis- und evtl. physikalische Maßnahmen).
Patient*innen mit operativ versorgten Verletzungen der Knochen und/oder mit fixierenden Verbänden, d. h. immobilisierenden Hartverbänden oder gleich wirkenden Orthesen unterhalb des Kniegelenkes sollten in der Hausarztpraxis bei deutlich erhöhtem individuellem Thromboserisiko neben Basismaßnahmen eine medikamentöse VTE-Prophylaxe erhalten.
Eine VTE-Prophylaxe ist bei Kindern nur in Ausnahmefällen erforderlich.
Bei Jugendlichen mit beginnenden Pubertätszeichen (ab Tanner II) sollten expositionelle und dispositionelle Risikofaktoren wie bei Erwachsenen bewertet werden.
Die medikamentöse Prophylaxe bei Kindern sollte mit niedermolekularen Heparinen (NMH) oder unfraktioniertem Heparin (UFH) erfolgen.
Substanzen, spezielle Anwendungen zur Prophylaxe in der operativen und nichtoperativen Medizin
Zur Verfügung stehen Heparine, Fondaparinux, Vit-K-Antagonisten und NOAK.
Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz (arznei-telegramm).76
Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit darauf hingedeutet, dass ASS nach Hüft- oder Kniegelenkersatz vergleichbar wirksam ist wie Antikoagulanzien, dies bei deutlich niedrigeren Kosten.
Manche Leitlinien geben bereits variierende Empfehlungen dazu, z. B. zu einer sequenziellen Gabe nach mehrtägiger Antikoagulation.
Insgesamt ist die Datenlage aber noch unsicher, ein erhöhtes Thrombembolierisiko unter ASS im Vergleich zu Antikoagulanzien kann nicht ausgeschlossen werden.
Derzeit erscheint es daher noch ratsam, die Ergebnisse laufender randomisierter Studien abzuwarten, die zur Klärung des Stellenwerts von ASS in der Thromboembolieprophylaxe durchgeführt werden.
Unter Abwägung von Effektivität, Blutungs- und HIT-II-Risiko soll NMH gegenüber UFH bevorzugt werden.
Kontraindikationen, fach- und substanzspezifische Besonderheiten sowie Fachinformationen sollen berücksichtigt werden.
Übergang von der stationären zur ambulanten Behandlung
Mit Beendigung des stationären Aufenthaltes muss die Notwendigkeit zur Prophylaxe nochmals überprüft und festgelegt werden.
Die Patient*innen sollen über die Risikoeinschätzung und Maßnahmen (Nutzen, Risiko, Alternativen) aufgeklärt werden.7675
Leitlinie: Thromboseprophylaxe: Übergang von der stationären zur ambulanten Behandlung3
Bei Notwendigkeit der Fortführung der Prophylaxe sollen die weiterbehandelnden Ärzt*innen darüber informiert und die Patient*innen angehalten werden, sich zeitnah bei diesen vorzustellen, um eine lückenlose VTE-Prophylaxe sicherzustellen.
Werden die Patient*innen aus dem Krankenhaus in die ambulante Versorgung entlassen, ist zu entscheiden, ob eine im Krankenhaus begonnene Prophylaxe fortgesetzt werden muss. Dabei sollte auf den Empfehlungen des Krankenhauses basierend gehandelt werden.
Sondervotum der DEGAM: Im hausärztlichen Beratungsgespräch soll einerseits die Empfehlung des Krankenhauses und andererseits die Tatsache erörtert werden, dass es nur bei einigen Erkrankungen/Eingriffen überhaupt Studien mit Prüfung der Dauer einer Thromboseprophylaxe im ambulanten Bereich gibt. Daher soll die jeweilige Indikation unter Einbeziehung des individuellen Thromboserisikos der Patient*innen nochmals geprüft werden.
Die Zeitdauer der Prophylaxe soll sich am Fortbestehen relevanter Risikofaktoren für venöse Thromboembolien orientieren.
Bei Weiterbestehen einer deutlichen Erhöhung des VTE-Risikos und insbesondere in folgenden Situationen soll eine medikamentöse Prophylaxe länger fortgeführt werden:
orthopädische/unfallchirurgische Eingriffe am Hüftgelenk (28–35 Tage postoperativ)
orthopädische/unfallchirurgische Eingriffe am Kniegelenk (11–14 Tage postoperativ)
Tumoroperationen im Bauch- oder Beckenbereich (4–5 Wochen).
Bettlägerige Patient*innen oder Patient*innen im Rollstuhl benötigen ohne Vorliegen einer akuten, schweren und mehrtägigen Erkrankung keine medikamentöse Prophylaxe.3
Leitlinie: Thromboseprophylaxe – Vorgehen bei immobilen Patient*innen3
Immobilität ohne akute Erkrankung ist keine Indikation für eine über allgemeine Basismaßnahmen (Bewegungsübungen, adäquate Hydrierung) hinausgehende Thromboembolieprophylaxe.
Auch Langstreckenreisen sind per se keine Indikation.
Bei Vorliegen zusätzlicher, dispositioneller Risikofaktoren kann eine der Risikoeinschätzung entsprechende VTE-Prophylaxe erfolgen.
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 10.01.2023 Einschätzung von ASS zur TE-Prophylaxe ergänzt.
CCC MK 13.12.2021 HAS-BLED erklärt, auf Leseranregung.
BBB MK 05.07.2021 Addendum 2021 der DEGAM LL „Neue Thrombozytenaggregationshemmer in der Hausarztpraxis“
CCC MK 23.03.2021 vereinzelt HIT unter Fondaparinux möglich (Leserhinweis).
BBB MK 30.11.2020 neue ESC-Empfehlungen zur Triple-Therapie.
BBB MK 10.11.2020 Rote-Hand-Brief zu Andexanet alfa).
BBB MK 18.08.2020 Prophylaxe bei Kindern
DDD MK 01.07.2020, neue ESC-LL, keine Änderungen
CCC MK 02.03.2020 Anwenderempfehlungen der DEGAM zur zahnärztlichen Behandlung bei Patienten mit Antikoagulation.
DDD MK 15.01.2020, laut AkdÄ kein Zusatznutzen für Andexanet.
DDD MK 10.10.2019 Andexanet in D zugelassen.
BBB MK 08.10.2019, neue DEGAM-LL Thrombozytenaggregationshemmer.
CCC MK 03.07.2019 Wechsel der Antikoagulation (NOAK/VKA) umformuliert.
BBB MK 03.06.2019: Rote-Hand-Brief: KI für DOAKs: Antiphospholipid-Syndrom
DDD MK 11.03.2019, Ergänzungen zum Leitfaden der AKDÄ
BBB MK 22.01.2018: Arzneimittelbrief zu Idarucizumab
DDD MK 04.06.2018: Anker bei NOAKs auf Leseranregung
BBB MK 18.07.2018: neue LL zu zahnärztlichen Eingriffen (Leseranregung)
CCC MK 05.10.2018: neuer JAMA-Artikel zum Bridging
BBB MK 26.10.2018: neuer EHRA-Guide zu NOAKs bei Vorhofflimmern, arznei-telegramm: erhöhte Mortalität und Schlaganfallrate unter niedrigdosierten NOAKs
CCC MK 08.01.2020, neue AkdÄ-Empfehlungen eingebaut, umfassene Änderungen.
Check GO, Autorenname, LL impl.3.2., Chck GO 26.2., MK 10.10.17, komplett überarbeitet, zahlreiche relevante LL berücksichtigt
MK 17.11.17 AkdÄ-Empfehlungen eingeführt
Unter Antikoagulation versteht man die Hemmung der Blutgerinnung durch Beeinflussung des plasmatischen Gerinnungssystems.
Davon abzugrenzen ist die Blutgerinnungshemmung durch Thrombozytenaggregationshemmung.