Polypharmazie im Alter (Multimedikation)

Zusammenfassung

  • Definition:Gleichzeitige Einnahme von 5 oder mehr Medikamenten. Steht häufig im Zusammenhang mit Multimorbidität. Wird begünstigt durch ungenaue Indikationsstellung, mangelnde Medikationsplanung und unzureichende Absprachen zwischen den Beteiligten (Patient*innen, Angehörige, Ärzt*innen, Apotheker*innen).
  • Häufigkeit:1/8 aller GKV-Versicherten nehmen 5 oder mehr Wirkstoffe ein.
  • Symptome:Häufig unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwindel, Verwirrtheitszustände, Tremor oder Stürze.
  • Befunde:Unerwünschte Arzneimittelwirkungen infolge von Interaktionen und oder Fehldosierungen. Evtl. eingeschränkte Therapietreue und fehlendes Ansprechen auf die Therapie.
  • Diagnostik:Bestandsaufnahme der Medikamenteneinnahme und Medikationsbewertung: Prüfung der Angemessenheit der Verordnungen.
  • Therapie:Verordnungsvorschlag auf Grundlage einer systematischen Bewertung bestehend aus Medikationserfassung, Angemessenheitsbewertung, gezielte Intervention.

Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1

Allgemeine Informationen

Definition

Polypharmazie

  • Nach einer gebräuchlichen Definition ist Polypharmazie die gleichzeitige Einnahme von 5 oder mehr rezeptpflichtigen oder nicht-rezeptpflichtigen Arzneimitteln.
  • Daneben existieren auch andere Definitionen, die eine Polypharmazie definieren als die Verschreibung von mehr Medikamenten, als es klinisch indiziert ist, und/oder ein Regime mit mindestens einem unnötigen Medikament.

Multimorbidität

  • Polypharmazie steht häufig im Zusammenhang mit Multimorbidität.
    • Laut DEGAM wird Multimorbidität als das Vorliegen von mindestens 3 chronischen Erkrankungen definiert.2

Verschreibungskaskade

  • Medikamenteninduzierte Nebenwirkungen lassen sich leicht mit anderen geriatrischen Syndromen verwechseln, können Verwirrung, Sturzneigung und Inkontinenz verursachen und dann zuweilen dazu führen, dass Ärzt*innen noch mehr Medikamente verschreiben (Verschreibungskaskade).

Medikationsprozess optimieren

  • Um die Sicherheit und Qualität der Arzneitherapie zu optimieren und zu gewährleisten, soll der gesamte Verordnungsprozess betrachtet werden, mit folgenden Schritten, die zyklisch durchlaufen werden:
    • Bestandsaufnahme: Anamnese einschließlich Medikamentenanamnese
    • Medikationsbewertung: kritische Prüfung und Bewertung der Medikation
    • Abstimmung mit der behandelten Person über ihre Bedürfnisse und Vorstellungen zur Arzneitherapie
    • Verordnungsvorschlag: Therapiemodifikation, Auslassversuche etc.
    • Kommunikation: Information der Behandelten/Angehörigen 
    • Arzneimittelabgabe
      • Bei Multimedikation sollte die behandelte Person eine Stammapotheke wählen, die zur Arzneimittelanwendung persönlich berät, die gesamte Medikation dokumentiert, Interaktionen prüft und somit Behandelnde und Behandelte unterstützt, den Überblick über die Medikation zu behalten.
    • Arzneimittelanwendung und Selbstmanagement
      • Eine sichere Arzneimittelanwendung kann durch verschiedene Berufsgruppen/Einrichtungen (Ärzt*innen, medizinische Fachangestellte, Apotheken, Pflegekräfte) sowie schriftliche Informationen unterstützt werden.
    • Monitoring und Verlaufskontrolle
      • Erhöhung der Arzneimitteltherapie-Sicherheit durch klinische und/oder Laborkontrollen bei bestimmten Wirkstoffen (z. B. Kontrolle von Kreatinin unter Spironolacton, Metformin, EKG-Kontrollen wegen möglicher QTc-Verlängerung)
      • Monitoring (Prüfung der Behandlungsergebnisse, Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen – UAW) bedeutet stets eine Wiederholung der Bestandsaufnahme (s. o.) in regelmäßigen Abständen.

Adhärenz, Therapietreue (früher „Compliance“)

  • Non-Adhärenz kann unterschiedliche Ausprägungen haben.
    • Auslassen (Vergessen) einzelner Arzneidosen, auch bei täglicher Einmalapplikation
    • Abweichen von verordneten Einnahmezeiten und Dosierungsintervallen
    • Einnahmepausen; von der behandelten Person initiierte „Drug Holidays“ (≥ 2 aufeinanderfolgende Tage)
    • Abbruch jedweder Therapie/Einnahme
    • Mindereinnahme (Unterdosierung), diese ist häufiger als Mehreinnahme (Überdosierung).
    • Morgendliche Einnahme ist regelmäßiger als abendliche Einnahme.
    • Regelmäßige Einnahme steht in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Arztbesuch („Toothbrush Effect“, „White Coat Compliance“), mit zunehmendem zeitlichem Abstand nimmt sie ab.

Einfluss von Polypharmazie auf die Adhärenz

  • Adhärenz sinkt mit der Anzahl der Medikamente und der Komplexität der Einnahmevorschriften.
    • Der Anteil der älteren Behandelten, die ärztliche Anordnungen zur Pharmakotherapie nicht befolgen, liegt bei ca. 20–50 %.
    • Gründe für die mangelnde Adhärenz
      • die hohe Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten
      • Vergesslichkeit oder Unsicherheit über die Dosierung
      • Nebenwirkungen und Arzneiunverträglichkeiten

Häufigkeit

Deutschland

  • Laut einer Erhebung der Krankenkasse Barmer aus dem Jahr 2016 erhielt fast 1/8 aller Versicherten über mindestens ein Quartal 5 oder mehr Wirkstoffe verordnet. Über 3 Quartale traf das auf 5 % aller Versicherten zu.10
  • Bei 36 % aller medikamentös behandelten über 65-Jährigen „kumulative Polypharmazie“, definiert als eine Verordnung von 5 oder mehr Wirkstoffen innerhalb eines Quartals

Kosten

  • Unter Multimedikation kommt es vermehrt zu stationären Behandlungen. Etwa 6,5 % aller Krankenhauseinweisungen erfolgen aufgrund von Nebenwirkungen, die in bis zu 80 % als schwerwiegend bewertet werden.
  • Zusätzliche Gesundheitskosten durch Nebenwirkungen: in Deutschland ca. 400 Mio. Euro jährlich

Pharmakologie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.2-3,7-9

Allgemeines

  • Kaum Daten aus randomisiert kontrollierten Studien
    • Neue Arzneimittel werden hauptsächlich an jüngeren Menschen erprobt.
    • Begleitmedikation ist in vielen Studien ein Ausschlusskriterium, Multimedikation erst recht.
  • Iatrogene Beschwerden
    • Die häufigsten iatrogenen Symptome bei älteren Menschen sind Nebenwirkungen von Arzneimitteln, insbesondere von Psychopharmaka und Herz-Kreislauf-Mitteln.

Pharmakokinetik bei älteren Menschen

  • Absorption
    • Kann bei älteren Menschen leicht verzögert sein.
    • Erkrankungen wie eine Herzinsuffizienz können die Geschwindigkeit und den Umfang der Absorption zusätzlich herabsetzen.
  • Distribution
    • Kann durch verringerte Muskelmasse, erhöhte Fettmasse und weniger Gesamtkörperflüssigkeit verändert sein.
  • Metabolismus und Ausscheidung
    • Leber- und Nierenfunktion können im Alter stark beeinträchtigt sein.
    • Bei älteren Menschen ist eine verminderte renale Ausscheidung die häufigste Ursache für Störungen des Arzneimittelmetabolismus.
    • Bei älteren Menschen kann die völlige Elimination eines Medikaments aus Körpergeweben, auch aus dem Gehirn, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.

Risikofaktoren für negative Folgen einer Multimedikation

  • Folgende Faktoren gehen bei Kombination mit Multimedikation (regelmäßige Einnahme von 5 und mehr Medikamenten) mit einem erhöhten Risiko für Arzneimittelnebenwirkungen und -interaktionen sowie für Symptome einer Unter- oder Fehlbehandlung einher:

Erkrankungs- und zustandsbezogene Faktoren

  • Chronische Krankheiten wie Depression, Demenz oder kognitive Beeinträchtigung
  • Kombinationen aus psychischen und somatischen Erkrankungen, z. B. Diabetes und Schizophrenie
  • Erkrankungen und Ereignisse wie Gebrechlichkeit, Stürze, Harninkontinenz, unspezifische Symptome und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand

Medikations- und einnahmebezogene Faktoren

  • Arzneimittel mit enger therapeutischer Breite, erforderlichem Monitoring, hohem Interaktionspotenzial und unklarem therapeutischem Nutzen
  • Probleme in der praktischen Durchführung der Therapie (Sicherheitsverschlüsse, Tropfflaschen, Spritzen, Aerosole)
  • Die betroffene Person bringt nicht die kognitive Leistung auf, die notwendig ist, um das Therapieregime einzuhalten.
  • Die betroffene Person ist bei mehreren Behandelnden – Ärzt*innen oder Heilpraktiker*innen – gleichzeitig in Behandlung.
  • Es fehlt das Verständnis für die Notwendigkeit und Funktionsweise der Therapie.
  • Mangelnde Koordination bei gleichzeitiger Behandlung durch mehrere Behandelnde
  • Mangelnde Implementierung von Behandlungsplänen

Physiologische Faktoren

  • Mundtrockenheit
    • Kann bei bukkalen oder sublingualen Darreichungsformen – z. B. von Nitroglycerin und Buprenorphin – die Absorption durch die Schleimhaut verlangsamen und den Wirkeintritt verzögern.
  • Reduzierte Transportkapazität der Speiseröhre 
    • altersassoziierte Ursachen
      • Trockenheit der Schleimhaut
      • verminderte Peristaltik, evtl. verstärkt durch autonome Neuropathie, infolge eines Diabetes mellitus oder chronisch entzündlicher Erkrankungen
      • Ösophagusenge durch Kardiomyopathie
    • Durch den verlängerten Kontakt des Medikaments mit der Schleimhaut kann es dort zu Irritationen, Entzündungen und Ulzera kommen.
    • Das Risiko ist besonders hoch bei Medikamenten mit niedrigem pH, hoher Osmolarität oder einem hohen Potenzial für chemische Irritationen, z. B.:
      • Tetrazykline (z. B. Doxycyclin)
      • Clindamycin
      • Rifampicin
      • Ascorbinsäure
      • Eisensulfat
      • Cyproteronacetat
      • Ethinylestradiol
      • Bisphosphonate
      • Kaliumpräparate
  • Verminderte Säuresekretion im Magen
    • Dies kann zu verminderter Bioverfügbarkeit von Medikamenten führen, die zur Absorption einen niedrigen pH-Wert benötigen, wie einige orale Antimykotika (Ketoconazol und andere).
  • Niedrige Albuminkonzentration
    • Die Albuminkonzentration im Plasma verringert sich mit zunehmendem Alter; der Albuminspiegel kann bei bestimmten chronischen Erkrankungen und bei schlechtem Ernährungszustand sehr niedrig sein.
    • Hochgradig an Albumin gebundene Arzneimittel wie Digitoxin und Phenytoin verbleiben dann zum größten Teil ungebunden im Plasma.
    • Nur die freie Konzentration eines Arzneimittels ist pharmakologisch aktiv. Die gemessene Serumkonzentration umfasst jedoch sowohl die freie als auch die proteingebundene Fraktion. Bei niedrigem Albumin können daher bereits bei normalen bis leicht erhöhten Plasmakonzentrationen Nebenwirkungen und toxische Effekte auftreten.
    • Bei niedrigen Albuminspiegeln kann es deshalb bei diesen Typen von Arzneimitteln angebracht sein, auf den untersten Teil des Referenzbereichs abzuzielen.
  • Körpergewicht
    • Verringert sich bei den meisten Menschen ab einem Alter von 70–75 Jahren. Bei einigen ist die Gewichtsabnahme beträchtlich.
    • Dies kann bei der Dosierung von Arzneimitteln, die als Einzeldosis verabreicht werden, eine gewisse Bedeutung haben, bei Langzeitgebrauch ist eine Dosisanpassung wegen des veränderten Körpergewichts jedoch nur selten erforderlich.
  • Reduzierte Nierenfunktion
    • Bei etwa 15 % der Personen, die in Deutschland in einer Pflegeeinrichtung wohnen, besteht eine hochgradige Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min).11
    • Dies ist wichtig bei Arzneimitteln, die unmetabolisiert ausgeschieden werden, und von noch größerer Bedeutung bei Arzneimitteln mit zusätzlich geringer therapeutischer Breite.
    • Die erforderliche Dosierungsreduktion ist im Allgemeinen proportional zur Einschränkung der Kreatinin-Clearance. Bei jüngeren gesunden Personen liegt die Kreatinin-Clearance bei ca. 120 ml/min (2,4 ml/s).
      • Beispiel: Die berechnete Kreatinin-Clearance beträgt 60 ml/min (1,2 ml/s). Als Faustregel erfordert das bei einem Arzneimittel, das unmetabolisiert ausgeschieden wird oder in den Urin ausgeschiedene aktive Metaboliten hat, z. B. Morphin, ein Halbieren der Dosis. Zur Berechnung der Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz siehe www.dosing.de.
    • Beispiele von Arzneimitteln, die hauptsächlich unmetabolisiert renal ausgeschieden werden:
      • Lithium, Digoxin, wasserlösliche Betablocker (Atenolol, Sotalol), Ganciclovir, H2-Antagonisten (Famotidin), Cephalosporine, Aminoglykoside, Methotrexat

ICPC-2

  • A84 Vergiftung durch medizinische Substanz
  • A85 Unerwünschte Wirkung eines Medikaments
  • A86 Toxischer Effekt nichtmedizinischer Substanz

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 202312
    • T36-T50 Vergiftungen durch Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen
    • T88.7 Nicht näher bezeichnete unerwünschte Nebenwirkung eines Arzneimittels oder einer Droge

Diagnostik

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.2-3,8-9

Zielgruppe

  • Generell sollte bei Multimedikation (≥ 5 dauerhaft angewandte Arzneimittel) und Multimorbidität (≥ 3 chronische Erkrankungen) mindestens 1 x im Jahr eine ausführliche Erfassung und Medikationsbewertung durchgeführt werden.
    • bei Bedarf anlassbezogene Medikationsprüfung, z. B. bei zusätzlichen Risiken, Stürzen oder Krankenhausaufenthalten
  • Für die eigene Praxis festlegen, wie Kandidat*innen für eine Medikationsprüfung erkannt werden, und wo dokumentiert wird, wann die nächste Medikationsprüfung stattfinden soll.
  • Eine Medikationsbewertung wird auch empfohlen bei
    • einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes
    • Hinweisen auf Einnahmeprobleme (Adhärenz, Handhabung, kognitive Einschränkungen)
    • neuen Patient*innen der Praxis, die viele Medikamente einnehmen
    • mehreren Psychopharmakaverordnungen
    • komplexen Medikationsplänen oder Arzneimitteln mit hohem Interaktionspotenzial und/oder enger therapeutischer Breite (z. B. Antikoagulanzien und Thrombozytenfunktionshemmer)
    • unspezifischen Symptomen
    • Problemen bei der Umsetzung des Therapieregimes.

Bestandsaufnahme

  • Bei der betroffenen Person aufgetretene Beschwerden, ihre Präferenzen und Therapieziele
    • Anamnese und ggf. körperliche Untersuchung
    • Die Person soll ermutigt werden, ihre persönlichen Ziele und Prioritäten darzulegen, z. B.: 
      • Erhalt der sozialen Rolle (z. B. Berufstätigkeit, Familienleben)
      • Prävention spezifischer Ereignisse (z. B. Schlaganfall)
      • weitere Symptomverbesserung (z. B. Schmerzlinderung)
      • Minimierung von Medikamentennebenwirkungen
      • Verringerung der Belastung durch Behandlungen
      • Lebensverlängerung
  • Prüfen in der Krankenakte
    • Sind relevante Vorerkrankungen bekannt, und sind alle aktuellen Beschwerden und Diagnosen dokumentiert?
      • Schweregrad?
      • Beeinträchtigung der Lebensqualität und Funktionalität?
    • Sind Besonderheiten (Allergien, Antikoagulanzien-Therapie) und aktuelle Laborwerte (Nierenfunktion) dokumentiert?
  • Medikamentenanamnese
    • Stufe 1: nicht-schematisch im Rahmen einer Konsultation, z. B. bei bekannten Patient*innen ohne Hinweis auf Medikationsprobleme
      • Überprüfung des aktuellen Medikationsplans
      • Befragung nach Einnahme weiterer Medikamente inkl. Selbstmedikation
      • Befragung zu Lebensstilfaktoren (Rauchen, Alkohol, Ernährung etc.)
      • psychosozialer Kontext
      • Therapieziele der behandelten Person
      • Erlebt die betroffene Person die Therapie als Belastung? Wenn ja, soll die Therapiebelastung mit gezielten Fragen weiter evaluiert werden (ggf. Pflegende und Angehörige einbeziehen).
      • Die Erhebung erfolgt durch die Ärztin/den Arzt.
      • Bei Einverständnis der betroffenen Person ggf. Angehörige und andere an der Therapie beteiligte Berufsgruppen einbeziehen.
    • Stufe 2: gezielte Überprüfung bei Neuverordnung/Wiederholungsverordnung
      • Überprüfung des aktuellen Medikationsplans
      • Während der Sprechstunde wird nach Einnahme weiterer Medikamente inkl. Selbstmedikation gefragt.
      • Die Erhebung bei Neuverordnung erfolgt durch die Ärztin/den Arzt, bei Wiederholungsverordnung ggf. vorab durch medizinische Fachangestellte (MFA).
      • Durch die MFA könnte z. B. kontrolliert werden:
        • Ist das Medikament bereits im Medikationsplan aufgeführt?
        • Sind der zeitliche Abstand zur letzten Verordnung und die verordnete Menge plausibel?
        • Sind Laborkontrollen notwendig?
    • Stufe 3: gezielte Überprüfung anlässlich eines Briefes von Spezialist*innen oder nach Krankenhausentlassung
      • Abgleich mit der aktuellen Medikation
      • Festlegung der Therapiedauer
      • Aktualisierung des Medikationsplans
      • Festlegung von Therapiekontrollen
      • Die Überprüfung erfolgt durch die Ärztin/den Arzt.
    • Stufe 4: Bei neuen Patient*innen sowie bei bekannten Patient*innen mit Multimedikation erfolgt die Medikationserfassung und strukturierte Bewertung (z. B. mittels MAI, siehe Leitlinie Medication Appropriateness Index) mindestens 1 x jährlich bzw. bei Auftreten von Therapieproblemen. Hier kann auch die FORTA-Liste herangezogen werden. In der FORTA-Liste werden explizite Positiv-/Negativ-Empfehlungen für bestimmte Arzneimittelgruppen zum Einsatz bei geriatrischen Patient*innen gemacht. Ähnlich wie PRISCUS basiert FORTA auf konsentierten Expertenempfehlungen.13
      • Vereinbarung eines gesonderten Termins in der Praxis, zu dem die behandelte Person (ggf. eine Bezugsperson) alle Arzneimittel (inkl. Selbstmedikation) und Packungsbeilagen von zu Hause mitbringt.
      • Dies ermöglicht, die Arzneimittel in der Krankenakte zu erfassen, Interaktionschecks durchzuführen und den Medikationsplan zu aktualisieren.

Leitlinie: Fragen zur Eingrenzung des Problems der Non-Adhärenz3

  • Fragen an die Patient*innen, z. B.:
    • Sind Sie mit der bisherigen Medikation zurechtgekommen?
    • Gibt es bei der Anwendung der Arzneimittel Probleme, z. B. beim Öffnen der Packung, Tropfenzählen, Tablettenteilen, Einnehmen (z. B. Schlucken)?
    • Verstehen Sie, warum die Medikamente verordnet wurden?
    • Halten Sie die Einnahme der Medikamente weiterhin für sinnvoll?
    • Haben Sie die Dosierung selbstständig erhöht oder erniedrigt?
    • Haben Sie schon einmal einen Auslassversuch gemacht?
    • Wie stellen Sie die Medikamente für den Tag/die Woche zusammen, damit Sie nichts vergessen oder doppelt einnehmen?
    • Wie verhalten Sie sich, wenn Sie eine Einnahme vergessen haben?

Medikationsbewertung

  • Bei Behandelten ohne aktuelle Hinweise auf Medikationsprobleme sollte eine Multimedikation kritisch begleitet werden. Empfohlen wird eine regelmäßige Überprüfung des Medikationsplans.
  • Die Medikationsbewertung soll anhand von Leitfragen, z. B. des Medication Appropriateness Index14(siehe Leitlinienkasten Medication Appropriateness Index), erfolgen.
  • Die Leitfragen werden Schritt für Schritt auf Basis der aktuellen Medikation durchgegangen.
  • Die auf diese Weise systematisch zusammengetragenen Informationen bilden die Basis für den neuen Verordnungsvorschlag.

Leitlinie: Medication Appropriateness Index (MAI): Medikation – Angemessenheit – Intervention3

  • Fragen zur Medikationsbewertung
    • Indikation
      • Gibt es eine Indikation für das Medikament?
    • Evidenz
      • Ist das Medikament wirksam für Indikation und Patientengruppe?
    • Dosierung
      • Stimmt die Dosierung?
      • Besteht eine relevante Einschränkung der Nieren- oder Leberfunktion?
    • Anwendungssicherheit
      • Sind die Einnahmevorschriften korrekt? (Applikationsmodus, Einnahmefrequenz, Einnahmezeit, Relation zu den Mahlzeiten?)
    • Anwendbarkeit
      • Sind die Handhabung und Anwendungsvorschriften praktikabel?
    • Interaktion
      • Gibt es klinisch relevante Interaktionen mit anderen Medikamenten, mit anderen Krankheiten oder Zuständen?
      • Bestehen kardiale Vorerkrankungen oder eine QT- oder AV-Verlängerung?
      • Gibt es Altersbeschränkungen?
    • Doppelverordnung
      • Wurden unnötige Doppelverschreibungen vermieden?
    • Therapiedauer
      • Ist die Dauer der medikamentösen Therapie (seit wann verordnet?) adäquat?
    • Wirtschaftlichkeit
      • Wurde die kostengünstigste Alternative vergleichbarer Präparate ausgewählt?
  • Zusätzlich zu prüfen:
    • Unterversorgung: Wird jede behandlungsbedürftige Erkrankung therapiert?
    • Einnahmeplan: Liegt ein aktueller und schriftlicher Einnahmeplan vor?
    • Vermeidung von UAW: Ist die Nierenfunktion bekannt?
    • Adhärenz: Ist die Adhärenz zur Therapie gegeben?

Differenzialdiagnosen

  • Arzneimittelnebenwirkungen sind unterdiagnostiziert.
  • Sie werden häufig missverstanden als Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung, als Anzeichen einer neuen Erkrankung oder als Ausdruck eines normalen Alterungsprozesses.
  • Nebenwirkungen bei Älteren sind im Vergleich zu Menschen jungen oder mittleren Alters oft weniger ausgeprägt und können sich klinisch anders manifestieren.
  • Typische Beispiele sind Delir (akute Verwirrtheit) oder Antipsychotika-induzierte extrapyramidalmotorische Symptome. Das medikamenteninduzierte Parkinson-Syndrom äußert sich bei Älteren eher durch allgemeine Körpersteifigkeit sowie Störungen der Gang- und Standfunktionen und in geringerem Maße durch Tremor. Auch Dyskinesien sind unter der Antipsychotikatherapie bei Älteren seltener als bei Jüngeren.

Nebenwirkungen und Therapieversagen

  • Um iatrogene Erkrankungen durch medikamentöse Übertherapie zu verhindern, soll bei älteren Menschen genau untersucht werden, ob ein neues Symptom oder ein neu aufgetretener Befund die Folge einer laufenden medikamentösen Behandlung ist.
  • Bei Älteren führt die Einnahme von Arzneimitteln relativ häufig zu Nebenwirkungen wie Verwirrung, Verstopfung und Schwindel.
  • Polypharmazie ist besonders schädlich, wenn die Person zu viele Medikamente in zu hoher Dosis über einen zu langen Zeitraum erhält.
  • Psychopharmaka – viele arzneimittelbedingte Probleme treten in Verbindung mit der Einnahme von Psychopharmaka auf, z. B.:
    • hohes Risiko für Nebenwirkungen und Interaktionen
    • Bei Älteren werden Psychopharmaka häufig außerhalb der zulassungskonformen Indikationen eingesetzt.
    • Oft werden sie viel zu lange eingenommen und zu hoch dosiert.
  • Obstipation
    • Tritt oft bei älteren Menschen auf; Kodein und andere Opioide, Verapamil, Arzneimittel mit anticholinerger Wirkung (z. B. Inkontinenzmittel und viele Psychopharmaka) und Dehydration, z. B. durch eine zu hohe Dosierung von Diuretika, können die Verstopfung verschlimmern.
  • Sturzneigung
    • Arzneimittelnebenwirkungen können Mitursache für eine Sturzneigung sein; dies gilt besonders für Psychopharmaka (Sedierung, muskuläre Hypotonie, medikamenteninduziertes Parkinson-Syndrom), Diuretika (arterielle Hypotonie), Antihypertensiva (arterielle Hypotonie) und Nitrate (arterielle Hypotonie, Bradykardie).
    • Eine Reduktion der verschriebenen Arzneimittel führt nachweislich zur Reduktion des Sturzrisikos.
  • Unterschiedliches Ansprechverhalten
    • Die Wirkung von Pharmaka wird von Krankheit und Alterungsprozess beeinflusst und ist deshalb im individuellen Fall sehr unterschiedlich; das Ansprechverhalten auf diese Pharmaka variiert immer mehr mit zunehmendem Alter.
  • Osteoporose
    • Die systemische Anwendung von Glukokortikoiden erhöht das Osteoporoserisiko; eine derartige Behandlung sollte möglichst begrenzt eingesetzt werden.
    • Die Langzeitbehandlung mit Diuretika kann zu einem Risikofaktor werden. Furosemid erhöht die renale Kalziumausscheidung. Thiazide dagegen vermindern die Ausscheidung von Kalzium, was bei Osteoporose vorteilhaft sein kann.
  • Unter- und Fehlernährung
    • Unter- und Fehlernährung sind bei Älteren ein Risikofaktor und können zu Stürzen und vorzeitigem Tod führen.
    • Gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö), die zu Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme führen, können Nebenwirkungen von Arzneimitteln sein wie z. B. Eisenpräparate, Cimetidin, Digitaloide, Furosemid, Spironolacton, Phenothiazine, Haloperidol, SSRI, Levodopa, Lithium, Metronidazol, NSAR, Theophyllin, Cholinesterase-Hemmer, Bisphosphonate und Metformin.
  • Herzinsuffizienz
    • Herzinsuffizienz wird bei vielen älteren Menschen nicht adäquat behandelt. Dies gilt besonders für Menschen in Pflegeeinrichtungen.
    • Zu den häufigsten Fehlern zählt die Monotherapie mit einem zu hoch dosierten Diuretikum, oft in Kombinationen mit negativ inotropen Arzneimitteln.
    • Auch bei älteren Menschen gehören ACE-Hemmer zur Basisbehandlung, wobei jedoch anfangs eine sehr niedrige Dosierung mit langsamer Steigerung geboten ist, wegen des bei eingeschränkter Nierenfunktion erhöhten Hyperkaliämie-Risikos.
  • Delir
    • Bei Älteren ziehen Narkose und chirurgische Eingriffe im Krankenhaus häufiger als bei Jüngeren ein Delir nach sich.

Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.3,8-9,15-26

Allgemeines zur medikamentösen Therapie

  • Siehe auch den Artikel Adäquate medikamentöse Therapie in Pflegeeinrichtungen.
  • Gleichgewicht zwischen zu enger und zu großzügiger Indikation und zwischen zu geringer und zu hoher Dosierung austarieren.
  • Strenge Indikationen
    • Vor allem dann, wenn es verträglichere nichtmedikamentöse Alternativen gibt.
    • Regelmäßig die Indikation überdenken, weil die Indikationsgrundlagen sich häufig ändern oder nicht (mehr) bestehen.
    • Im Alter Kontraindikationen besonders sorgfältig beachten.
  • Start low, go slow
    • Beginn mit einer niedrigen Dosierung. Langsam je nach Bedarf steigern.
  • Interaktionsrisiko
    • Besondere Aufmerksamkeit ist geboten bei Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon), NSAR, Antidepressiva, Makrolidantibiotika, ACE-Hemmern, Diuretika und Antiepileptika.

Allgemeine Therapieempfehlungen bei älteren Menschen

  1. Man kann altersbedingte Veränderungen mit Pharmaka weder anhalten noch heilen. Die Indikation einer Arzneimittelbehandlung soll adäquat, die Zielsetzung klar definiert und die Durchführung realistisch sein.
  2. Zu Beginn einer Behandlung sollte immer die kleinste Packungsgröße verschrieben werden. Vor der Fortsetzung der Behandlung Medikation erneut bewerten.
  3. So wenige Arzneimittel wie möglich, so viele wie nötig. Rangliste der wichtigsten Arzneimittel erstellen. Dosierung nach Möglichkeit verringern oder das Medikament ganz absetzen, wenn die Symptome nachlassen. Nicht mehrmals Rezepte nach telefonischen Bestellungen ausstellen, wenn in der Zwischenzeit keine Kontrolluntersuchung erfolgt.
  4. Einfaches Regime wählen (am besten mit Dosisintervallen, die nicht kürzer als 12 Stunden sind). Schriftliche und gut lesbare Informationen sowie ausführliche Anweisungen an Angehörige und Pflegende.
  5. Pharmakodynamik und Pharmakokinetik können sich bei älteren Menschen oft ändern. Dosistitrationen sind deshalb häufig notwendig. Im hohen Alter können Interaktionen infolge eines hohen Arzneimittelverbrauchs sehr schnell auftreten.
  6. Medikationsplan erstellen und feste Verfahren zu dessen regelmäßiger Aktualisierung etablieren. Regelmäßig die gesamte Medikation und die zugrunde liegenden Indikationen prüfen. Eine gut funktionierende Kommunikation mit anderen Behandelnden und Pflegenden ist wichtig.

Praktische Empfehlungen

  • Tablettenbox
    • Wenn ältere Menschen mehr als 3 Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, sollten sie eine Tablettenbox nutzen, oder Angehörige und andere Bezugspersonen sollen dafür sorgen, dass die Medikamente richtig eingenommen werden.
    • Bei Arzneimitteln, die nur bei Bedarf einzunehmen sind, ist eine Tablettenbox überflüssig.
  • Tabletten sind immer zusammen mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen.
    • Ältere Menschen haben oft trockene Schleimhäute und Schluckbeschwerden. Arzneimittel sind mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen, d. h. mit einem vollen Wasserglas, um eine Schädigung der Speiseröhrenschleimhaut zu vermeiden. Das gilt besonders für potenziell schleimhautschädigende Medikamente (Näheres siehe Abschnitt Physiologische Faktoren) und bei Bettlägerigen.
    • In manchen Fällen sind flüssige Präparate oder eine rektale Darreichung zu bevorzugen.
  • Lokalbehandlung
    • Eine Lokalbehandlung kann oft von Vorteil sein. Es können aber auch systemische Nebenwirkungen von lokal verabreichten Arzneimitteln auftreten, z. B. bei Augentropfen mit nichtselektiven Betarezeptorantagonisten (z. B. Timolol) zur Glaukomtherapie.

Fehlendes Ansprechen auf die Behandlung

  • Kann von mehreren Faktoren abhängen, z. B.:
    • Polypharmazie
      • Die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinnahme von Arzneimitteln steigt mit der Anzahl der gleichzeitig einzunehmenden Medikamente.
    • unzureichende Verständigung/Information
      • Zwischen Ärzt*innen und Patient*innen über die Art und Weise, wie die Behandlung durchzuführen ist, und welches Ziel sie hat.
      • kognitive Defizite, z. B. Gedächtnisstörungen
    • praktische Probleme
      • Schwierigkeiten mit der Medikation selbst (z. B. Augentropfen, Zäpfchen etc.); Schwierigkeiten, die Tabletten aus dem Glas zu nehmen; große Tabletten sind schwer zu schlucken; eingeschränktes Sehvermögen.
    • fehlende Abstimmung
      • Eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzt*innen, Patient*innen, Angehörigen, Pflegenden und ggf. Sozialdiensten sind unverzichtbar.

Vorsicht bei reduzierter Nierenfunktion

  • Bei den meisten Personen über 85 Jahre ist eine mittelgradig bis schwer verminderte glomeruläre Filtrationsrate zu beobachten.
  • Arzneimittel mit niedrigem therapeutischem Index und Arzneimittel mit überwiegend oder ausschließlich renaler Ausscheidung (z. B. Digoxin und Aminoglykoside möglichst vermeiden). Prüfen, ob sicherere Alternativen verfügbar sind.
  • Für einige nierengängigen Arzneistoffe gibt es Alternativen, die ggf. erwogen werden können.
  • Bei Arzneimitteln oder Metaboliten, die hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden werden, ist eine Dosisanpassung unbedingt erforderlich.
    • Beispiele solcher Arzneimittel: ACE-Hemmer, Metformin, Allopurinol, Spironolacton und Sotalol
    • Einige Arzneimittel erzielen bei normaler Dosierung eine adäquate Wirkung nur dann, wenn eine gute Nierenfunktion vorliegt. Dies gilt z. B. für Mittel, die lokal in den Nieren (u. a. Thiaziddiuretika) oder in den Harnwegen (Antibiotika bei Harnwegsinfektionen) wirken sollen.
  • Risiko für eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion
    • Wirkstoffe wie z. B. NSAR, COX-2-Hemmer, ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten können bei Älteren mit herabgesetzter Nierenfunktion zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion führen.
    • Die Einnahme dieser Mittel soll deshalb genau überwacht werden, insbesondere in den ersten Monaten nach Beginn der Behandlung sowie bei Veränderungen des klinischen Zustands oder der sonstigen Medikation.
  • Die Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Uni Heidelberg hat eine online zugängliche Handreichung zu den gängigen Medikamenten zusammengestellt, bei denen eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz erforderlich ist: www.dosing.de.15
  • In den DEGAM-Handlungsempfehlung zum Medikamentenmonitoring wird bei folgenden Medikamenten/-gruppen ein Monitoring der eGFR und ggf. auch von Na und K sowie weiterer Parameter empfohlen:16
    • Diuretika
    • Thrombinhemmer
    • Mesalazin/Sulfasalazin
    • Methotrexat
    • Dronedaron
    • Lithium
    • ACE-Hemmer/Sartan

Häufige Medikamentennebenwirkungen

  • ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten
    • erhöhtes Risiko für herabgesetzte Nierenfunktion und Hyperkaliämie
  • Aminoglykoside
    • Aminoglykoside können Nierenversagen verursachen.
    • Können zu erhöhter Serumkonzentration der Medikamente sekundär zur Nierenbeeinträchtigung führen.
  • Antidiabetika
  • Antihypertensiva
  • Antikoagulanzien
    • Können Blutungskomplikationen verursachen.
    • Eine richtig durchgeführte Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten im therapeutischen Bereich bei Vorhofflimmern (INR 2,0–3,0) bewirkt ein relativ geringes Nebenwirkungsrisiko.
    • Oft haben ältere Menschen Schwierigkeiten mit der praktischen Durchführung der oralen Antikoagulation. Deshalb sollte diese sehr gut begleitet werden.
    • Bei Kombination mit einem Thrombozytenaggregationshemmer oder NSAR: PPI verordnen.8
      • PPI nicht länger als 8 Wochen einnnehmen.27
    • Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hebt in einer Gesamtbeurteilung der Datenlage die Vorteile einer Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA, in Deutschland in der Regel Phenprocoumon) hervor. Unter anderem zähle zu den Vorteilen gegenüber den DOAK die gute Steuerbarkeit der Gerinnungshemmung anhand des INR.28
    • Die PRISCUS-Liste zählt weder die VKA noch die DOAK zu den PIM. Nur Dagibatran gilt als fragliches PIM.
  • Anticholinergika29
    • Medikamente mit anticholinergen Haupt- oder Nebenwirkungen, z. B.: 
      • ältere H1-Antihistaminika wie Hydrazin oder Promethazin
      • trizyklische Antidepressiva
      • gastrointestinale Spasmolytika und Sekretionshemmer wie Butylscopolamin oder Pirenzepin
      • urologische Spasmolytika wie Darifenacin, Fesoterodin, Oxybutynin, Solifenacin, Tolterodin
      • Muskelrelaxanzien wie Orphenadrin
      • H2-Blocker wie Cimetidin
      • Neuroleptika wie Clozapin, Haloperidol, Olanzapin, Thioridazin
      • Opioide wie Fentanyl, Methadon, Morphin, Pethidin 
      • Benzodiazepine wie Diazepam, Temazepam
    • Können Mundtrockenheit, verringerte Motilität im Verdauungstrakt, Blasenhypotonie, kognitive Defizite (sieh Artikel Demenzsymptome), Verwirrtheit, Sedierung, orthostatische Hypotonie und verschwommenes Sehen (Akkomodationsstörungen) verursachen.
    • Können zu Obstipation, Harnretention, Muskelschwäche und Sturzneigung führen.
    • Besonders bei Menschen mit Demenz sollten sie vermieden werden.
  • Antipsychotika
    • Können Sedierung, tardive Dyskinesien, Dystonie, anticholinerge Effekte und Hypotonie verursachen.
    • Können zu Sturzneigung, Frakturen, Verwirrtheit, medikamenteninduziertem Parkinson-Syndrom, Obstipation, Harnretention und auffälligem Verhalten führen.
    • Medikamentenmonitoring empfohlen unter der Behandlung mit:16
  • Betablocker
  • Beta-Rezeptor-Antagonisten als Augentropfen
    • Als Augentropen verabreichtes Timolol kann Nebenwirkungen wie kardiovaskuläre (Bradykardie, Hypotonie), respiratorische (Asthma), psychische (Verwirrtheit, Depression) und unspezifischere Symptome (Abgeschlagenheit) verursachen.
  • Digoxin
    • Ältere Menschen sind besonders anfällig für Digitalis-Intoxikationen, die sich als Appetitlosigkeit, Übelkeit, abdominelle Beschwerden, Gewichtsabnahme, Synkopen oder Delir manifestieren.
  • Diuretika
  • Metoclopramid
    • erhöhtes Risiko für extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen
  • NSAR
  • Opioidanalgetika
    • Können verminderte Darmmotilität und Sedierung verursachen.
    • Können zu Verwirrtheit und Obstipation führen.
    • Gehen mit einem hohen Risiko für Arzneimittelabhängigkeit einher.
  • Sedativa und Hypnotika
    • Sedativa und Hypnotika können ausgeprägte Sedierung, kognitive Störungen, Gangstörungen und Schwächung der psychomotorischen Fähigkeiten verursachen.
    • Können zu Sturzneigung mit Knochenbrüchen als Folge und zu Verwirrtheit führen.
    • Gehen mit einem hohen Risiko für Arzneimittelabhängigkeit einher.
  • SSRI
    • erhöhtes Risiko für Hyponatriämie
    • Bei gleichzeitiger Einnahme von NSAR und SSRI vervielfacht sich das Risiko für gastrointestinale Blutungen.
    • bei Kombination mit anderen serotonergen Medikamenten, z. B. Triptanen, MAO-Hemmern oder Tramadol, erhöhtes Risiko für ein potenziell lebensbedrohliches Serotonin-Syndrom
  • Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA)

Risikomedikamente (PIM = potenziell inadäquate Medikation)

  • Bei zahlreichen Medikamenten ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens – z. T. gravierender – unerwünschter Arzneimittelwirkungen im Vergleich zum möglichen Nutzen gerade bei älteren oder vulnerablen Behandelten erheblich. Seit über 20 Jahren wird daher an Listen solcher „potenziell inadäquater Medikation“ (PIM) für ältere Behandelte gearbeitet (Beers-Kriterien).

PRISCUS-Liste27

  • Angepasst an die deutsche Verordnungsrealität
  • Die aktuelle Fassung der PRISCUS 2.0 Liste umfasst 177 Arzneistoffe des deutschen Arzneimittelmarktes, die im Expertenkonsens als potenziell inadäquate Medikation (PIM) bei älteren Menschen eingestuft wurden, da die potenziellen Risiken den Nutzen übersteigen können.
  • Die Liste kann kostenfrei unter priscus2-0.de heruntergeladen werden.
  • Im Folgenden ein Auszug häufig verordneter Wirkstoffe, die PRISCUS 2.0 als PIM klassifiziert. Die Zuordnung als PIM bezieht sich auf die genannten Einzelwirkstoffe, aber nicht immer auf die gesamte Wirkstoffklasse.
  • Für Mittel, die PRISCUS 2.0 als Alternativen zu den genannten PIM empfiehlt, siehe Abschnitt Alternativen zu PIM laut PRISCUS 2.0.

Antihistaminika zur systemischen Anwendung

  • Diphenhydramin
  • Clemastin
  • Dimetinden

Urologika

  • Anticholinergika

Antidiabetika

  • Glibenclamid, Gliquidon, Gliclazid
  • Glimepirid
  • Pioglitazon

Antithrombotische Mittel

  • Ticlopidin
  • Prasugrel

Kardiologika

  • Digoxin und Derivate

Mittel gegen gastrointestinale Beschwerden

  • Antiemetika und Spasmolytika
    • Metoclopramid
    • Dimenhydrinat
    • Scopolamin
  • Mittel gegen Obstipation
    • Sennoside > 1 Woche
    • Natriumpicosulfat > 1 Woche
  • Mittel gegen Diarrhö
    • Loperamid > 3 Tage, > 12 mg/d
  • Säureblocker
    • magnesiumhaltige Antazida > 4 Wochen
    • aluminiumhaltige Verbindungen
    • Protonenpumpenhemmer > 8 Wochen

Analgetika

  • Opioide
    • Dihydrocodein, Codein
    • Pethidin
    • Tramadol
  • Acetylsalicylsäure
  • Ergotamin

Nichtsteroidale Antiphlogistika und Antirheumatika

  • Diclofenac
  • Ibuprofen > 3 x 400 mg/d, > 1 Woche oder > 3 x 400 mg/d, mit PPI > 8 Wochen
  • Naproxen > 2 x 250 mg/d, >1 Woche oder > 2 × 250 mg/d, mit PPI > 8 Wochen
  • Coxibe

Muskelrelaxanzien

  • Baclofen

Antidepressiva

  • Alle tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (TZA)
  • SSRI
    • Fluoxetin
    • Paroxetin
    • Fluvoxamin
    • Sertralin > 100 mg/d
  • MAO-Hemmer
    • Moclobemid
  • Johanniskraut

Anxiolytika, Hypnotika und Sedativa

  • Alle Benzodiazepine
  • Zopiclon, Zolpidem
  • Hydroxyzin
  • Promethazin

Antipsychotika

  • Risperidon > 6 Wochen
  • Melperon > 100 mg/d, > 6 Wochen
  • Pipamperon > 120 mg/d, > 6 Wochen
  • Quetiapin > 100 mg/d, > 6 Wochen
  • Alle anderen Antipsychotika

Antiparkinsonmittel

  • Biperiden
  • Amantadin
  • Pramipexol
  • Piribedil
  • Alle dopaminergen Ergotalkaloide, z. B. Pergolid
  • Alle MAO-B-Hemmer, z. B. Selegilin

Arzneimittelinteraktionen

Zu vermeidende Risikokombinationen8

  • ACE-Hemmer + Angiotensin-Rezeptor-Blocker (fehlender Nutzen bei erhöhten Nebenwirkungsrisiken)
  • Azathioprin + Allopurinol oder Febuxostat (erhöhtes Risiko hämatologischer Toxizität)
  • Trimethoprim oder Cotrimoxazol + ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (erhöhtes Risiko für Hyperkaliämie und plötzlichen Herztod)
  • Opioid + Tranquilizer (erhöhte Mortalität)
  • Johanniskrautpräparat + Substrate des CYP3A4-Systems, z. B.:
    • Ciclosporin
    • Tacrolimus
    • Digoxin
    • Theophyllin
    • Antidepressiva wie Amitriptylin, Nortriptylin, Paroxetin, Sertralin
    • orale Antikoagulanzien wie Phenprocoumon
    • Antikonvulsiva wie Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital
    • Anti-HIV-Medikamente: Proteaseinhibitoren, z. B. Indinavir, evtl. auch Efavirenz und Nevirapin
    • Alprazolam
  • Citalopram oder Escitalopram + QTc-Zeit-verlängernde Substanz (erhöhtes Risiko für plötzlichen Herztod), z. B.:
    • Amiodaron
    • Fluconazol
    • Terfenadin
    • Sotalol
    • Makrolidantibiotika wie Azithromycin
  • Dreifach-Kombination ACE-Hemmer + Diuretikum + NSAR (erhöhtes Risiko akutes Nierenversagen)
  • Fluorochinolon + multivalente Kationen p. o. (Wirkungsbeeinträchtigung durch Chelatbildung), z. B.:
    • Kalziumpräparate
    • Eisenpräparate
    • Magnesiumpräparate
    • Zinkpräparate
  • Rifampicin +
    • Apixaban (Beeinträchtigung der antikoagulativen Wirkung)
    • Vitamin-K-Antagonist (beschleunigte Elimination des VKA, überschießende Antikoagulation nach Absetzen von Rifampicin)
  • Makrolidantibiotikum (besonders Azithromycin) + QTc-Zeit-verlängernde Substanz (erhöhtes Risiko für plötzlichen Herztod), z. B.:
    • Amiodaron
    • Fluconazol
    • Terfenadin
    • Sotalol
    • Citalopram
    • Escitalopram
  • Clarithromycin + Simvastatin oder Lovastatin (erhöhtes Rhabdomyolyse-Risiko)
  • Fluconazol oder Itraconazol + Vitamin-K-Antagonist (stark erhöhtes Blutungsrisiko)8,27
  • ASS als Gerinnungshemmer + Ibuprofen (Beeinträchtigung der antithrombotischen Wirkung)

Weitere Kombinationen mit potenziellem Interaktionsrisiko

  • ASS + weiterer Thrombozytenfunktionshemmer (z. B. Clopidogrel) oder NSAR oder Kortikosteroid oder Antikoagulans
    • PPI verordnen.8
    • PPI nicht länger als 8 Wochen einnnehmen.27
  • SSRI + Antikonvulsiva, Antipsychotika, Kodein, Tramadol, Triptane, MAO-Hemmer, NSAR, Phenprocoumon u. a.

Alternativen zu PIM laut PRISCUS 2.0

  • Die in diesem Abschnitt genannten Wirkstoffe haben laut PRISCUS 2.0 für ältere Patient*innen deutliche Vorteile gegenüber den bei der jeweiligen Indikation häufig verwendeten PIM.18
    • Die Empfehlungen beziehen sich nicht auf die jeweilige gesamte Wirkstoffklasse (z. B. SSRI) sondern auf die genannten Einzelwirkstoffe.
    • Die Einordung als mögliche Alternative ist nicht mit einer generellen Empfehlung der genannten Substanzen für die Behandlung älterer Menschen gleichzusetzen. Die verwendeten Therapien und deren Nutzen/Risiko-Verhältnis ist im individuellen Fall abzuwägen.
    • Zu berücksichtigen ist dabei das besonders bei älteren Menschen ebenfalls erhebliche Nebenwirkungs- und Interaktionsrisiko, auch bei vielen der vorgeschlagenen Alternativen.
    • Oft ist die Ausschöpfung aller nichtmedikamentösen Therapieoptionen die bessere Alternative.

Alternativen zu risikoreichen systemischen Antihistaminika

  • Loratadin
  • Desloratadin
  • Cetirizin, Levocetirizin
  • Glukokortikoid Nasenspray
  • Topische Antihistaminika
  • Für sedierende Alternativen siehe auch Abschnitt Anxiolytika, Hypnotika und Sedativa.

Urologika

  • Tamsulosin
  • Vaginales Östrogen

Antidiabetika

  • Metformin
  • Insulin
  • DPP4-Inhibitoren
  • SLGT2-Hemmer

Antithrombotische Mittel

  • Clopidogrel
  • Acetylsalicylsäure, niedrig dosiert (75 mg/d)
  • Ticagrelor

Kardiologika

  • Selektive Betablocker (außer Pindolol, Propranolol oder Sotalol)
  • Digitoxin
  • Ggf. Amiodaron
  • Diuretika
    • Spironolacton nicht über 25 mg/d dosieren! Andere Diuretika, z. B. Thiazide, bevorzugen.
  • ACE-Hemmer
  • Lang wirksame Kalziumantagonisten (Nifedipin-Typ), kein nichtretardiertes Nifedipin!
  • Nitrate
  • Sartane

Mittel gegen gastrointestinale Beschwerden

  • Mittel bei funktionellen gastrointestinalen Störungen
    • Flohsamen
    • pflanzliche Präparate, Arzneitees
    • Setrone, z. B. Ondansetron
    • Ingwerwurzelpulver
  • Antiemetika und Mittel gegen Übelkeit
    • pflanzliche Präparate
    • Ingwerwurzelpulver
    • Setrone
    • Mirtazapin (Off-Label-Use)
    • Dexamethason (Off-Label-Use)
    • Melperon < 100 mg/d, < 6 Wochen (Off-Label-Use)
  • Mittel gegen Obstipation
    • Macrogol
    • Flohsamen
    • Lactulose
    • rektale Klistiere
    • Sennoside < 1 Woche
    • Natriumpicosulfat < 1 Woche
  • Mittel gegen Diarrhö
    • Loperamid < 3 Tage, < 12 mg/d
    • Racecadotril
    • Opiumtinktur
  • Säureblocker
    • alginathaltige Antazida
    • PPI < 8 Wochen
    • ggf. Famotidin

Analgetika, Antiphlogistika, Antirheumatika und Muskelrelaxanzien

  • Paracetamol
  • NSAR ≤ 1 Woche, mit PPI ≤ 8 Wochen
    • Ibuprofen ≤ 3 x 400 mg/d
    • Naproxen ≤ 2 x 250 mg/d
  • Metamizol
  • Glukokortikoide
  • Topika
    • Lidocain
    • NSAR
  • Tilidin
  • Andere Opioide (außer Pethidin, Tramadol, Tapentadol, Methadon und Levomethadon)
  • Colchicin bei Gichtanfall

Mittel zur Behandlung neuropathischer Schmerzen

  • SSRI
  • SNRI
  • Antikonvulsiva
    • niedrig dosiertes Pregabalin oder Gabapentin
  • Topika
    • Capsaicin
    • Lidocain

Migränemittel

  • Triptane
  • Paracetamol

Antidepressiva

  • SSRI
    • Sertralin < 100 mg/d
    • Citalopram oder Escitalopram (nicht mit QTc-Zeit-verlängernder Substanz kombinieren, siehe Abschnitt Arzneimittelinteraktionen)
  • SNRI
    • Duloxetin
    • Venlafaxin
    • Milnacipran
  • Mirtazapin
  • Trazodon

Anxiolytika, Hypnotika und Sedativa

  • Melatonin
  • Neuroleptika < 6 Wochen
    • Pipamperon < 120 mg/d
    • Melperon < 100 mg/d
    • Quetiapin < 100 mg/d
  • Andere anxiolytisch wirksamen Substanzen (SSRI, SNRI, Pregabalin)
  • Antidepressiva mit sedierender Komponente
    • Mirtazapin
    • Trazodon
  • Phytotherapeutika
    • Baldrian
    • Lavendel
    • Passionsblume

Antipsychotika < 6 Wochen

  • Quetiapin < 100 mg/d
  • Risperidon
  • Pipamperon < 120 mg/d
  • Melperon < 100 mg/d

Antiparkinsonmittel

  • Levodopa
  • Nicht-Ergot-Dopaminagonisten
    • Ropinirol
    • Rotigotin
  • Entacapon
  • Ggf. Opicapon
  • Bei Tremor Betablocker

Strategie zum Absetzen von Medikamenten

  • Immer nur jeweils ein Medikament absetzen.
  • Sich genug Zeit nehmen.
  • Vor allem während und kurz nach dem Absetzen für ausreichend engmaschige Kontrolluntersuchungen sorgen.
  • Unterstützung bietet das kanadische Absetztool MedStopper sowie das ARRIBA-Modul MediQuit.

Therapiebelastung reduzieren

  • Empfindet die behandelte Person die Therapie als Belastung, dann sind folgende Faktoren daraufhin zu überprüfen, ob deren Anpassung zu einer Reduktion der Therapiebelastung beitragen kann (IV/A):3
    • Zahl der Medikamente und Komplexität des Medikationsregimes
    • Aufwand und Umfang der erforderlichen Therapiekontrollen (Labortests, Kontrolltermine, Selbstkontrollen)
    • Aufwand und Umfang anderer Arten von Selbstmanagement
    • Koordination von Arztbesuchen und Folgerezepten

Grundsätze der Prävention bei Älteren

  • Medikamente nur dann verschreiben, wenn die betreffende Erkrankung wirklich so schwer ist, dass sie eine Medikation notwendig macht.
  • Nur Medikamente verschreiben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ausreichend effektiv sind.
  • Zielgerichtet verschreiben und fortlaufend die Wirksamkeit bewerten.
  • Keine Medikamente mit hohem Nebenwirkungsrisiko
  • Überblick über aktuelle Medikamente und aktuelle Diagnosen verschaffen.
  • Einfache Regime bewirken bessere Compliance; für schriftliche Informationen sorgen.
  • Mit einer niedrigen Dosis beginnen und diese bei Bedarf nur langsam erhöhen.
  • Interaktionen und Nebenwirkungen bedenken.
  • Ggf. Serumkonzentrationsmessungen
  • Dosierung und Dosierungsintervall bei Bedarf neu einstellen.
  • Komplexe Medikationen interdisziplinär konzipieren.

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind notwendig, ganz besonders nach Einführung eines neuen Medikaments.
  • Ist das Medikament wirklich indiziert?
  • Spricht die Person darauf an?
  • Zieht es die Verordnung weiterer Medikamente und eine unnötige Steigerung der Medikamentenzahl nach sich?
  • Ist das aktuelle Medikament noch das am besten geeignete?
  • Siehe auch DEGAM-Handlungsempfehlung zum Medikamentenmonitoring.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Orale Medikation immer nur mit reichlich Flüssigkeit einnehmen.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen.
  • Sofort ärztlichen Rat suchen, sobald neue Beschwerden auftreten, auch wenn kein Zusammenhang mit der Einnahme des Medikaments vermutet wird.

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hausärztliche Leitlinie: Multimedikation. AWMF-Leitlinie Nr. 053-043. S3, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Multimorbidität. AWMF-Leitlinie Nr. 053-047. S3, Stand 2017. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Arzneimitteltherapie bei Multimorbidität – Living Guideline. AWMF-Leitlinie Nr. 100-001. S2k, Stand 2023. www.awmf.org

Literatur

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  3. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hausärztliche Leitlinie Multimedikation. AWMF-Leitlinie Nr. 053-043. S3, Stand 2021 www.awmf.org
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  7. Thürmann PA, Selke GW. Arzneimittelversorgung älterer Patienten. In: Klauber J, Günster C, Gerste B, RobraBP, Schmacke N (Hrsg.), Versorgungs-Report 2013/2014: Depression. Stuttgart: Schattauer 2014; S. 185–208
  8. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). S2k-Leitlinie Arzneimitteltherapie bei Multimorbidität - Living Guideline. AWMF-Leitlinie Nr. 100-001. Stand 2023. register.awmf.org
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  16. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Medikamentenmonitoring. AWMF-Leitlinie Nr. 053-037. S1, Stand 2013 (abgelaufen). www.awmf.org
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Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Guido Schmiemann, PD Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Universität Bremen (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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