Definition:Ionenkanalerkrankung mit Verlängerung der QT-Zeit im EKG. Das Syndrom kann als erbliche Erkrankung vorliegen, aber auch erworben sein (am häufigsten durch QT-verlängernde Medikamente).
Häufigkeit:Prävalenz der erblichen Form ca. 1:2.000 bis 1:5.000. Das weibliche Geschlecht ist etwas häufiger betroffen.
Befunde:Bei strukturell normalem Herzen unauffälliger körperlicher Untersuchungsbefund. Verlängerung der frequenzkorrigierten QT-Zeit (QTc) auf > 480 ms.
Diagnostik:Ruhe-EKG zur Bestimmung der QTc. Genetische Analyse zur Bestimmung des LQTS-Typs. Derzeit 17 Formen bekannt, die Mehrzahl der Patienten hat LQTS 1–3.
Therapie:Vermeidung von Triggern, die maligne Rhythmusstörungen auslösen können: starke körperliche Anstrengung (v. a. Schwimmen bei LQTS 1), emotionaler Stress (v. a. plötzliche laute Geräusche bei LQTS 2). Vermeidung QT-verlängernder Medikamente. Medikamentös werden Betablocker verabreicht. ICD-Implantation nach Herzstillstand und bei Risikokonstellationen.
Allgemeine Informationen
Definition
Variierende Definitionen; in den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) ist ein Long-QT-Syndrom (LQTS) folgendermaßen definiert:1
QTc (frequenzkorrigierte QT-Zeit) ≥ 480 ms in wiederholten 12-Kanal-EKGs
LQTS-Risiko-Score > 3 Punkte
Nachweis einer pathogenen LQTS-Mutation (unabhängig von der gemessenen QT-Zeit).
Frauen sind häufiger betroffen als Männer (ca. 60–70 % der neu diagnostizierten Fälle).4
Keine klassische Mendelsche Verteilung: Allele für LQTS werden häufiger auf weibliche als auf männliche Nachkommen übertragen.6
Die QT-Zeit ist physiologisch bei Frauen etwas länger als bei Männern, in der aktuellen ESC-Definition des LQTS wird allerdings beim Cut-off der QTc-Zeit kein Unterschied mehr zwischen Frauen und Männern gemacht.1,7
Alter
Erstmanifestation überwiegend bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen8-10
Häufiger als die hereditären sind die erworbenen Formen des LQTS Ursache für Arrhythmien.16
Am häufigsten verursachen Medikamente eine Verlängerung der QT-Zeit.17-18
Weitere Faktoren wie Elektrolytstörungen, strukturelle Herzerkrankungen oder akute neurologische Ereignisse können beitragen.19
De Verlängerung der QT-Zeit ist ein häufiger Grund für die Rücknahme von Medikamenten vom Markt.20
Früher wurde das erbliche vom erworbenen LQTS klar abgegrenzt.21
Tatsächlich kann das erworbene LQTS vermutlich nicht bei allen Menschen auftreten, sondern nur bei denen mit einer entsprechenden genetischen Prädisposition.22-23
Zahlreiche Medikamente aus unterschiedlichsten therapeutischen Bereichen können QT-Zeitverlängerungen auslösen.19,22,24
Aktuelle diagnostische Kriterien der ESC (nach Ausschluss einer sekundären Ursache für QT-Verlängerung)1
QTc (frequenzkorrigierte QT-Zeit) ≥ 480 ms in wiederholten 12-Kanal-EKGs
LQTS-Risiko-Score > 3 Punkte
Nachweis einer pathogenen LQTS-Mutation (unabhängig von der gemessenen QT-Zeit)
Die Diagnose eines LQTS sollte zudem erwogen werden bei QTc ≥ 460 ms bei unerklärter Synkope.
Als Faustregel kann gelten, dass eine QTc > 500 ms „sicher“ pathologisch ist, dies entspricht auch der etwas konservativeren Definition von HRS/EHRA/APHRS 2013.5
Bei Patienten mit hereditärem LQTS sollte eine Genotypisierung durchgeführt werden.15,3536
Je nach Genotyp bestehen unterschiedliche Trigger für kardiale Ereignisse, die Ergebnisse der Genuntersuchung beeinflussen daher die Empfehlungen zur Lebensstilmodifikation.15
Auch die weiteren therapeutischen Entscheidungen (Medikamente, ICD) werden durch den Genotyp beeinflusst.1
Bei Mutationsbestätigung sollen eng verwandte Familienangehörige auf dieselbe Mutation überprüft werden.3637
Die molekulare Diagnostik ermöglicht ein genetisches Familienscreening mit entsprechender Beratung und bei positivem Befund z. B. eine präventive Therapie mit einem Betablocker.3738
Auch Mutationsträger mit normalem EKG können erfasst werden, diese sollten z. B. keine QT-verlängernden Medikamente nehmen und Risikosituationen meiden.
Ein „negatives“ Ergebnis bei der genetischen Untersuchung schließt eine klinisch begründete Diagnose nicht aus.3233
Elektrophysiologische Untersuchung
Es liegen keine Daten vor, die einen prognostischen Nutzen einer invasiven elektrophysiologischen Untersuchung belegen, sie wird daher derzeit nicht empfohlen.1
Leitlinie: Diagnosestellung eines Long-QT-Syndroms (bei Nichtvorliegen sekundärer Ursachen)1
LQTS wird diagnostiziert, wenn (I/C):
QTc ≥ 480 ms in wiederholten 12-Kanal-EKGs – oder –
LQTS Risiko Score > 3.
LQTS wird diagnostiziert bei Vorliegen einer pathogenen LQTS Mutation (unabhängig von der QT-Zeit).
Die Diagnose eines LQTS sollte erwogen bei QTc ≥ 460 ms in wiederholten 12-Kanal-EKGs bei Patienten mit unerklärter Synkope nach Ausschluss sekundärer Ursachen für eine QT-Verlängerung (IIa/C).
Eine elektrophysiologische Untersuchung wird zur Risikostratifizierung nicht empfohlen (III/C).
Indikationen zur Überweisung
Patienten mit V. a. LQTS
Familienmitglieder von Patienten mit nachgewiesenem LQTS
Lebensstilmodifikation – Vermeidung von Triggersituationen
Verschiedene Trigger können bei LQTS Rhythmusstörungen auslösen:
körperliche Belastungen
emotionaler Stress
Bradykardie.
Zu berücksichtigen ist, dass bei den verschiedenen LQTS-Formen die Trigger sehr unterschiedlich verteilt sind.
LQTS1: vor allem körperliche Belastung, insbes. Schwimmen/Tauchen
Freizeitsport ist unter individueller Beratung möglich, inbesondere kurze intensive Belastungen sollten aber vermieden werden.2627
LQTS 2: emotionaler Stress, z. B. Schrecksituation durch plötzliche laute Geräusche (z. B. Wecker)
LQTS 3: Bradykardie, Ereignisse somit vor allem während des Schlafs oder in Ruhephasen (zur Vermeidung von Bradykardien ggf. Schrittmacher/ICD notwendig)
Elektrolytstörungen sollten vermieden werden und insbesondere sollte auf eine ausreichende Kaliumzufuhr geachtet werden (z. B. Bananen).
Vermeidung QT-verlängernder Medikamente
Bei Patienten mit LQTS sollte bei jeder neuen Medikation überprüft werden, ob sie die QT-Zeit verlängern kann.
Listen mit auslösenden Medikamenten finden Sie z. B. bei CredibleMeds.
Medikamentöse Therapie
Betablocker
Betablocker sind die Therapie 1. Wahl bei Patienten mit Long-QT-Syndrom.1
Die beste Wirkung besteht bei LQTS 1, geringer bei LQTS 2, am geringsten bei LQTS 3.
Eine betablockerinduzierte Bradykardie kann beim LQTS 3 maligne Rhythmusstörungen auslösen; bei diesen Patienten sollte ein Bradykadieschutz durch Schrittmacher/ICD erwogen werden.3940
Zur Primärprävention kann ein ICD bei Hochrisikopatienten erwogen werden:1
Frauen mit LQTS 2 und QTc > 500 ms
Patienten mit QTc > 500 ms und elektrischer Instabilität
Patienten mit genetischen Hochrisikoprofilen (z. B. zwei Mutationen).
Sympathische Denervierung
Bei ineffektiver Betablockertherapie oder multiplen ICD-Schocks unter Betablocker sollte eine kardiale sympathische Denervierung diskutiert werden.3435
Es erfolgt die Entfernung des linken Ganglion stellatum und von thorakalen Grenzstrangganglien.3738,4041-4142
Ausgleich von Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hypokalzämie), die durch Diarrhö, Erbrechen oder metabolische Veränderungen verursacht sein können.
Vermeidung genotypspezifischer Trigger für Arrhythmien (anstrengendes Schwimmen bei LQTS 1, Lärmexposition bei LQTS 2)
Betablocker sind bei klinisch diagnostiziertem LQTS empfohlen (I/B).
Eine ICD-Implantation in Kombination mit Betablockern ist bei LQTS-Patienten nach Herzstillstand empfohlen (I/B).
Eine ICD-Implantation zusätzlich zu Betablockern sollte bei Patienten erwogen werden, die unter adäquater Betablockade eine Synkope oder ventrikuläre Tachykardie erleiden (IIa/B).
Kardiale sympathische Denervatio sollte erwogen werden, falls (IIa/C):
Betablocker unwirksam, unverträglich oder kontraindiziert sind.
ICD kontraindiziert ist oder abgelehnt wird.
multiple ICD-Schocks auftreten unter Betablockade.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Plötzlicher Herztod
Komplikationen in Verbindung mit einem ICD, z. B. inadäquate Schocks
Verlauf und Prognose
Unter Betablockertherapie hat die Mehrzahl der Patienten eine gute Prognose.4
Die meisten Episoden mit Torsade-de-pointes-Tachykardien sind selbstlimitierend, ca. 4–5 % verlaufen tödlich.4
Bei Abklärung und Betreuung in einem spezialisierten Zentrum beträgt die Rate arrhythmischer Ereignisse 1,4 % pro Jahr.4243
Nach ICD-Implantation gute Prognose auch bei Hochrisikopatienten4
Verlaufskontrollen
Eine regelmäßige Therapieüberprüfung und Risikostratifizierung sollte in enger Zusammenarbeit zwischen behandelndem Hausarzt, Facharzt und spezialisiertem Zentrum lebenslang erfolgen.3233
Beim Schwimmen und Tauchen in kaltem Wasser ist Vorsicht geboten.
Auch neue Medikamente und Arzneimittel, bei denen die Verlängerung der QT-Zeit bekannt ist, sollten vorsichtig eingesetzt werden.
Ein mittels EKG, klinisch oder genetisch festgestelltes Long-QT-Syndrom kann zu Beschränkungen bei der Berufswahl, Führerscheineinschränkungen und Ausschlüssen bei Versicherungen führen.
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Autoren
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i.Br.
Per Blomström, docent och överläkare, Kardiologkliniken, Akademiska sjukhuset, Uppsala
Gottfried Greve, professor och avdelningsöverläkare, Barneklinikken / Hjerteavdelingen, Haukeland Universitetssykehus og Universitetet i Bergen
Definition:Ionenkanalerkrankung mit Verlängerung der QT-Zeit im EKG. Das Syndrom kann als erbliche Erkrankung vorliegen, aber auch erworben sein (am häufigsten durch QT-verlängernde Medikamente).