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Nebennierentumoren, zufällig entdeckte (Inzidentalome)

Allgemeine Informationen

Definition

  • Ein Inzidentalom der Nebenniere ist ein zufällig im Rahmen einer Bildgebung entdeckter adrenaler Tumor.1
  • Keine vorherigen anamnestischen oder klinischen Hinweise auf eine Erkrankung der Nebenniere oder auf ein Malignom2
  • Indikation für die Bildgebung nicht wegen des V. a. auf eine Nebennierenerkrankung oder zum Tumorstaging3

Häufigkeit

  • Häufigkeit in radiologischen Untersuchungen mit CT und MRT ca. 3–4 %1,4
  • Die Prävalenz steigt von 0,2 % im 3. Lebensjahrzehnt auf 7 % bei Patienten > 70 Jahre.5-7
  • Entdeckung von 60 % der Nebenniereninzidentalome zwischen der 6. und 8. Lebensdekade8
  • In Autopsiestudien Prävalenz 2–9 %9

Ätiologie und Pathogenese

  • Es gibt verschiedene Tumorarten, die einem Inzidentalom zugrunde liegen können.
  • Am häufigsten sind Adenome und Metastasen.10
  • 60–85 % der Raumforderungen sind hormoninaktiv und gutartig.2
    • bei Tumordurchmesser bis 4 cm 65 % Adenome, bei Durchmesser > 6 cm 18 % Adenome8
  • Ca. 15 % sind Metastasen, hochmaligne Nebennierenkarzinome liegen in ca. 2 % der Fälle vor.2
    • Bei den Tumoren mit > 6 cm Durchmesser sind 25 % Nebennierenkarzinome.11
  • Im Einzelnen können folgende Entitäten einem Inzidentalom zugrunde liegen:12
    1. Nebennierenrinden-Tumoren
      • benigne: Adenome, noduläre Hyperplasie, adrenogenitales Syndrom
      • maligne: primäres adrenokortikales Karzinom
    2. Nebennierenmark-Tumoren
      • Phäochromozytom, Ganglioneurom, Neuroblastom
    3. andere adrenale Tumoren
      • benigne: Myelolipom, Teratom, Harmatom, Lipom, Hämangiom, Lymphangiom
      • maligne: Metastasen, primäre adrenale Lymphome, primäre adrenale Melanome
    4. Infektionen
    5. Infiltrationen
    6. Zysten und Pseudozysten
    7. Hämorrhagie, Hämatom
    8. nichtadrenale Erkrankungen wie Schwannom, Leiomyosarkom, retroperitoneales Lipom
  • Pathogenetisch sind zwei Fragen entscheidend:
    1. Handelt es sich um einen hormoninaktiven oder hormonsezernierenden Tumor? 
    2. Ist der Tumor benigne oder maligne? Für eine maligne Raumforderung kommen überwiegend infrage:3
      • Metastasen
      • Nebennierenkarzinome.

ICPC-2

  • T73 Neubild. endokrine unspez., andere

ICD-10

  • E27 Sonstige Krankheiten der Nebenniere
  • C74 Bösartige Neubildung der Nebenniere
  • D35 Gutartige Neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter endokriner Drüsen
    • D35.0 Nebenniere

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Anamnese

  • Inzidentalome sind per definitionem bislang noch nicht klinisch in Erscheinung getreten.
  • Nach Feststellung eines Inzidentaloms sollte daher nochmals gezielt nach Symptomen gefragt werden, die auf einen funktionell aktiven Nebennierentumor hinweisen könnten.3
  • Zur Symptomatik hormonproduzierender Tumoren im Einzelnen siehe die Artikel Cushing-Syndrom, Phäochromozytom und Hyperaldosteronismus.
  • Hinweise für maligne Grunderkrankung (z. B. Gewichtsverlust)?
  • Malignome mit Nebennierenmetastasierung in absteigender Reihenfolge:3
    • Mamma
    • Lunge
    • Niere
    • Magen
    • Pankreas
    • Ovar
    • Kolon.

Klinische Untersuchung

  • Bestimmung von Blutdruck/Herzfrequenz ist obligat.3
  • Desweiteren sollte gezielt auf klinische Befunde einer Hormonstörung (z. B. Zeichen eines Cushing-Syndroms) oder einer Tumorerkrankung (z. B. Mammakarzinom) untersucht werden.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

EKG

Labor

24-RR-Messung

Sonografie Abdomen

  • Nachweis eines Inzidentaloms in der Hausarztpraxis

Endokrinologische Abklärung

  • Nach der aktuellen Empfehlung der Initiative „Klug entscheiden“ sollte bei jedem Inzidentalom die Hormonaktivität nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden.14
  • Die Screeningtests können ggf. auch in der Hausarztpraxis durchgeführt werden, weitergehende Bestätigungstests auf jeden Fall beim Endokrinologen.

Abklärung Hyperkortisolismus

  • Screening: 1-mg-Dexamethason-Hemmtest12
    • Einnahme von 1 mg Dexamethason zwischen 23 und 24 Uhr
    • Bestimmung des Serum-Kortisols am folgenden Morgen zwischen 8.00 und 9.00 Uhr
    • Ein Serum-Kortisol ≤ 50 nmol/l (≤ 1,8 μg/dl) schließt eine autonome Hormonproduktion aus.15
  • Bei V. a. Hyperkortisolismus weitere endokrinologische Abklärung, siehe hierzu Artikel Cushing-Syndrom.

Abklärung Phäochromozytom

  • Screening: Bestimmung von Metanephrinen/Normetanephrinen im Plasma12
    • Optimal ist die Bestimmung nach 30 min im Liegen, pragmatisch kann die Bestimmung auch im Sitzen erfolgen.
    • Da die Werte für die Metanephrine im Sitzen höher als im Liegen sind, kann bei Werten im Normbereich ein Phäochromozytom ausgeschlossen werden.
  • Bei V. a. Phäochromozytom weitere endokrinologische Abklärung, siehe hierzu Artikel Phäochromozytom.

Abklärung Hyperaldosteronismus

  • Screening: Bestimmung des Aldosteron-/Renin-Quotienten im Plasma, Cut-off-Werte abhängig vom verwendeten Assay
    • Abnahme morgens in sitzender Position nach 15-minütigem Sitzen
  • Bei V. a. Hyperaldosteronismus weitere endokrinologische Abklärung, siehe hierzu Artikel Hyperaldosteronismus.

Bildgebende Diagnostik zur Unterscheidung zwischen benignen und malignen Tumoren 

  • Malignitätsverdacht in der Bildgebung ergibt sich aus:
    • Größe des Tumors
    • Morphologie des Tumors.
  • Je größer der Tumor, desto wahrscheinlicher das Vorliegen eines Malignoms5
  • Ab einem Durchmesser von 4 cm steigt das Malignitätsrisiko stark an.2,16
  • Mehr als 95 % der Malignome weisen bei Diagnosestellung einen Durchmesser > 4 cm auf.13
  • Morphologische Verdachtskriterien sind:2
    • unscharfe Begrenzung
    • inhomogene Struktur
    • Infiltration in die Umgebung.
  • Für die Differenzierung zwischen benignen und malignen Tumoren werden derzeit überwiegend 3 Bildgebungsverfahren angewandt:15
    • CT
    • MRT
    • FDG-PET.

CT

  • Wichtigstes Bildgebungsverfahren, als erste Bildgebung wird ein Nativ-CT empfohlen.15
  • Nebennierenadenome sind lipidreich mit niedriger Densität im Nativ-CT (< 10 Hounsfield-Einheiten).17
  • Wenn das Nativ-CT für einen benignen Tumor spricht (< 4 cm, homogen, < 10 Hounsfield-Einheiten), ist keine weitere Bildgebung notwendig.15
  • Bei unklaren Befunden kann ergänzend eine kontrastverstärkte „Wash out“-CT durchgeführt werden.15
    • bei Adenomen rasche, bei malignen Tumoren verzögerte Auswaschung des Kontrastmittels
  • Sensitivität und Spezifität der CT-Verfahren bei 96 %18

MRT

  • Die diagnostische Wertigkeit der MRT entspricht der CT.1911
  • Zunehmende Bedeutung in der Diagnostik auch aufgrund der geringeren Strahlenbelastung12
  • Bei < 40-Jährigen und Schwangeren als primäres Bildgebungsverfahren empfohlen12,15
  • Gewebecharakterisierung mittels „Chemical Shift“-MRT2019
    • Beruht auf unterschiedlichen Resonanzfrequenzen von Protonen in Wasser und Triglyzeridmolekülen.17
    • Ermöglicht Unterscheidung zwischen fettreichen Adenomen und fettarmen Tumoren (Nebenierenkarzinom, Metastasen, Phäochromozytom).17

18F-FDG-PET

  • Nachweis eines erhöhten Glukosemetabolismus durch radioaktiv markierte Fluorodeoxyglukose15
  • Malignome weisen einen erhöhten Glukosemetabolismus auf.
  • Empfohlen vor allem bei Patienten mit bereits bekanntem extraadrenalem Malignom15

Szintigrafie

  • Ermöglicht ebenfalls eine Charakterisierung von Nebennierentumoren.2120
  • Derzeit aber als Bildgebungsverfahren von nachgeordneter Bedeutung

Nebennierenbiopsie

  • Biopsie im Rahmen der Routineabklärung nicht empfohlen, Option bei bereits bekannter extraadrenaler Malignität15

Therapie

  • Indikation zur Adrenalektomie besteht bei:
    • hormonaktiven Tumoren
    • V. a. Malignität.

Leitlinie: Empfehlungen zur operativen Behandlung von Inzidentalomen15

  • Adrenalektomie als Standardbehandlung bei unilateralen Tumoren mit Hormonexzess empfohlen
  • Operation nicht empfohlen bei asymptomatischen, hormoninaktiven unilateralen Tumoren mit Kriterien der Gutartigkeit in der Bildgebung
  • Laparaskopische Adrenalektomie empfohlen bei unilateralem Tumor mit V. a. Malignität ohne lokale Invasion und mit Durchmesser ≤ 6 cm
  • Offene Adrenalektomie empfohlen bei unilateralem Tumor mit V. a. Malignität und lokaler Invasion
  • Individuelle Entscheidung bei Patienten, die die o. g. Kriterien nicht erfüllen.
  • Bei Patienten mit bilateralen Inzidentalomen sollten die gleichen Empfehlungen wie bei unilateralen Tumoren angewandt werden.

Verlaufskontrollen

  • Bei Inzidentalomen < 4 cm und benignem Befund in der Bildgebung wird keine weitere Verlaufsbildgebung empfohlen.15
  • Bei unklarer Dignität und fehlender Hormonaktivität gibt es 3 Möglichkeiten des weiteren Vorgehens (nach interdisziplinärer Diskussion):12
    1. sofort ergänzend anderes Bildgebungsverfahren
    2. Kontrolle der Bildgebung in 6–12 Monaten
    3. sofortige Operation.
  • Bei initial normalem Hormonstatus sollte eine erneute endokrinologische Diagnostik nur bei entsprechenden klinischen Zeichen oder Verschlechterung von Komorbiditäten (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus) erfolgen.15

Illustrationen

Inzidentalom: Zufallsbefund Nebennierenvergrößerung in der Sonografie (Mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Inzidentalom: Zufallsbefund Nebennierenvergrößerung in der Sonografie (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)

Quellen

Leitlinien

  • European Society of Endocrinology. Management of adrenal incidentalomas: Clinical Practice Guideline in collaboration with the European Network for the Study
    of Adrenal Tumors. Stand 2016. www.ncbi.nlm.nih.gov

Literatur

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  2. Bischoff M. Unerwartete Raumforderung in den Nebennieren - Je größer, desto gefährlicher. MMW - Fortschritte der Medizin 2019; 18: 24. doi:10.1007/s15006-019-0992-8 DOI
  3. Langer P, Waldmann J, Rothmund M. Inzidentalome der Nebenniere. Chirurg 2007; 78: 721-728. doi:10.1007/s00104-007-1365-x DOI
  4. Bovio S, Cataldi A, Reimondo G, et al. Prevalence of adrenal incidentaloma in a contemporary computerized tomography series. J Endocrinol Invest 2006; 29: 298-302. PubMed
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Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL
e27 andre forstyrrelser i binyre; c74 ondartet svulst i binyre; d35 godartet svulst i andre og uspesifiserte endokrine kjertler; d35.0 binyre; c74 bösartige neubildung der nebenniere; e27 sonstige krankheiten der nebenniere; d35 gutartige neubildung sonstiger und nicht näher bezeichneter endokriner drüsen; d35.0 nebenniere
t73 svulst i endokrine organ ika; t73 neubild. endokrine unspez., andere
Inzidentalom; Nebenniere; Nebennierentumor; Phäochromozytom; Cushingsyndrom; Hyperkortisolismus; Connsyndrom; Hyperaldosteronismus; Nebennierenkarzinom; Adrenalektomie
Nebennierentumoren, zufällig entdeckte (Inzidentalome)
U-NH 11.01.18
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Ein Inzidentalom der Nebenniere ist ein zufällig im Rahmen einer Bildgebung entdeckter adrenaler Tumor.1 Keine vorherigen anamnestischen oder klinischen Hinweise auf eine Erkrankung der Nebenniere oder auf ein Malignom2
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