Definition:Abdominale Hernien sind angeborene oder im Lauf des Lebens entstandene Schwachstellen oder infolge einer Bauchoperation erworbene Defekte in der Bauchwand.
Häufigkeit:Relativ häufig. Die häufigste Bruchform ist der Narbenbruch, 10–20 % der Patient*innen entwickeln nach einer Bauchoperationen eine Narbenhernie.
Symptome:An der Bruchstelle in der Bauchwand entsteht eine sicht- und tastbare Vorwölbung. Beschwerden in Form von Schmerzen oder Darmpassagestörung können auftreten.
Befunde:Sicht- und tastbare Hernie in der Bauchwand.
Diagnostik:Spezifische diagnostische Maßnahmen sind meist nicht erforderlich.
Therapie:In der Regel operative Versorgung aufgrund der Gefahr der Inkarzeration.
Allgemeine Informationen
Definition
Es handelt sich um eine Vorwölbung oder den Durchtritt von Bauchfell, Fettgewebe oder Baucheingeweiden durch eine Bruchpforte in der vorderen Bauchwand.
Einteilung nach ihrer Entstehung
angeborene oder im Lauf des Lebens entstehende Schwachstellen (primäre Hernien) in der Bauchwand
laterale Hernien: subkostale Hernien, Flankenhernien, Spieghel-Hernie (zwischen lateralem Rand der Rektusscheide und der Linea semilunaris auf der Linea arcuata) oder Lumbalhernien1
infolge einer Bauchoperation erworbene Defekte (sekundäre Hernien): Narbenhernien oder Inzisionshernien2
Manchmal ist es schwierig, den Unterschied zwischen einer primären oder sekundären Hernie zu bestimmen, v. a. bei z. N. laparoskopischer OP mit Zugang über den Nabel.3
Die Narbenhernie ist die häufigste der ventralen Hernien.
10–20 % der Patient*innen entwickeln nach einer Bauchoperation eine Narbenhernie, bei Personen mit postoperativer Wundinfektion sind es annähernd 25 %.4-5
In Deutschland beträgt die Inzidenz operationspflichtiger Narbenhernien 70.000/Jahr.4
Nabelhernie
10–30 % der europäischen Kinder haben eine angeborene Nabelhernie; bei Kindern afrikanischer Abstammung ist der Anteil noch höher.
bei Mädchen häufiger
Nabel- und epigastrische Hernien kommen meist zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr vor.3
Laterale Hernien: sehr selten
Ätiologie und Pathogenese
Primäre abdominale Hernien
Eine angeborene Nabelhernie entsteht durch die unvollständige Ausbildung der Bauchwand am Bauchnabel meist direkt nach der Geburt. Sie ist häufig klein und harmlos und bildet sich von selbst innerhalb der ersten Lebensjahre zurück.
Durch erhöhten intraabdominellen Druck (z. B. durch Adipositas, forciertes Pressen beim Stuhlgang, Schwangerschaft, Aszites) und/oder abnehmende Stärke der Bauchwand (Alter, Trainingsmangel, genetische Faktoren) rupturiert die Bauchwand an anatomischen Schwachstellen (Nabel, Linea alba, Linea arcuata).6
Sekundäre abdominale Hernien
Das nach Operationen im Bereich der durchtrennten Bauchwand gebildete Narbengewebe stellt eine Schwachstelle in der Bauchwand dar.
Erworbene Hernien (im Lauf des Lebens entstehende primäre oder sekundäre) bilden sich nicht spontan zurück, sondern werden in der Regel größer.4
Gelangen Teile des Darms oder von Organen aus dem Inneren der Bauchhöhle in den Bruchsack, kann es zu Einklemmungen (der Bruchinhalt ist nicht mehr reponibel) oder Inkarzerationen (der Bruchinhalt wird stranguliert mit Folge von Ischämie) kommen.
präoperativ zur Evaluation von Komorbiditäten: Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Blutzucker, HbA1c, CRP
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bildgebende Diagnostik
bei einfachen Nabel- oder epigastrischen Hernien selten erforderlich
Bei großen oder komplexen Hernien kann eine CT zur besseren OP-Planung sinnvoll sein.7
Für die Anwendung von Ultraschall zur Diagnostik ventraler Hernien besteht keine ausreichende Evidenz.7
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Überweisung in die Chirurgie bei Diagnose einer ventralen Hernie zur Mitbeurteilung der OP-Indikation und OP
Bei Zeichen der Inkarzeration: sofortige notfallmäßige Einweisung in eine chirurgische Abteilung
Therapie
Therapieziele
Bei Inkarzeration: sofortige Operation zur Rettung des eingeklemmten Gewebes und Verhinderung eines septischen Schocks
Begleitbeschwerden beseitigen.
Inkarzeration verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Grundsätzliche Überlegungen zur OP-Indikation
Bauchwandbrüche schreiten in der Regel in ihrer Größe voran.
je größer die Hernie, desto komplexer die operative Rekonstruktion und desto höher die Komplikationsrate4
je kleiner die Bruchpforte, desto größer das Inkarzerationsrisiko
Das Risiko für intra- und postoperative Komplikationen steigt mit dem Alter und den Komorbiditäten.
Die elektive Hernienversorgung führt zu höherer Lebensqualität und funktionellem Status bei Patient*innen mit niedrigem und moderatem OP-Risiko.7
Die Notfall-OP bei Hernien führt zu höherer Morbidität und Mortalität.7
Indikation für eine operative Therapie
Bei Säuglingen sind Nabelhernien meist nicht behandlungsbedürftig, da sie sich von selbst zurückbilden.
Inkarzerationen sind eine Notfallindikation.
Nabelbrüche und Bauchwandbrüche bei Erwachsenen bilden sich nicht von selbst zurück und sollten operativ versorgt werden; nur so kann eine mögliche Notfalloperation im Falle einer Inkarzeration vermieden werden.
Für asymptomatische oder oligosymptomatische Hernien ist die Evidenz zur OP-Indikation schwach. Analog zu asymptomatischen Leistenhernien ist hier prinzipiell auch ein konservatives Vorgehen denkbar.8
Eine Kontraindikation für eine elektive Hernienoperation liegt vor, wenn die Patient*innen wegen ihres Alters oder bestehender Begleiterkrankungen nicht operations- oder narkosefähig sind.
Empfehlungen für Patient*innen
Das Tragen eines Bruchbands wird nicht mehr empfohlen, es erhöht den Druck von außen und kann so das Gewebe zusätzlich schädigen.9
Operative Therapie
Operiert wird offen, laparoskopisch oder mit kombinierten Verfahren.7,10
Bei kleineren Hernien werden einfache Nahttechniken verwendet.
Bei größeren Hernien (ab 1 cm) verringert eine Stabilisierung der Bauchwand mit einem Netz das Rückfallrisiko im Vergleich zur Nahtreparatur deutlich.11-13
Laparoskopische Verfahren sind inzwischen etabliert.
Die laparoskopische Technik sollte kleineren Hernien vorbehalten sein (Durchmesser unter 15 cm).7
Laparoskopische Verfahren gehen mit signifikant niedrigeren Wundinfektionsraten einher, haben aber ein höheres Risiko für Major-Komplikationen durch übersehene Dünndarmverletzungen.7
Die laparoskopische Versorgung ventraler Hernien führt zu verkürztem Krankenhausaufenthalt, verkürzter Rekonvaleszenz, weniger Schmerzen und höherer Lebensqualität gegenüber dem offenen Verfahren.7
Postoperative Empfehlungen
Abhängig vom OP-Verfahren
primäre Naht ohne Netzverstärkung: Schwere Belastungen für bis zu 12 Wochen vermeiden.
Bei unkomplizierten Hernien mit Netzeinlage ist ggf. eine volle Belastung schon nach 2 Wochen wieder möglich.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Eine Hernie vergrößert sich in der Regel mit der Zeit.
Sehr große Hernien inkarzerieren seltener.
Rezidive nach einer Operation sind nicht unüblich.
Postoperative Komplikationen sind Serome, Hämatome, Wundinfektionen und Rezidive.11
Schwere intraoperative Komplikationen, z. B. iatrogene Darmperforationen, können auftreten, bei laparoskopischen Verfahren häufiger.7
Ein eingelegtes Netz kann zu Fremdkörpergefühl v. a. bei sehr schlanken Patient*innen führen.
Prognose
Rezidive kommen vor, insbesondere bei Schwangerschaft, zunehmendem Bauchumfang.
Rezidivraten in Abhängigkeit von der Technik, der Erfahrung der Operateur*innen, der Größe der Hernie, Wundkomplikationen und patientenspezifischen Risikofaktoren liegen bei 3–44 %.4
Laparoskopische und offene OP-Verfahren führen gleich häufig zu Rezidiven.7
Lorenz R, Koch A, Köckerling F. Doch unterschätzt:Nabel- und epigastrische Hernien. Chirurgisch Allgemeine Zeitung, 6.2014 www.herniamed.de
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Bittner, R., Bain, K., Bansal, V.K. et al. Update of Guidelines for laparoscopic treatment of ventral and incisional abdominal wall hernias (International Endohernia Society (IEHS))—Part A. Surg Endosc 33, 3069–3139 (2019). link.springer.com
Lauscher JC, Leonhardt M, Martus P, Zur Hausen G, Aschenbrenner K, Zurbuchen U, Thielemann H, Kohlert T, Schirren R, Simon T, Buhr HJ, Ritz JP, Kreis ME; Watchful waiting vs surgical repair of oligosymptomatic incisional hernias: Current status of the AWARE study; Chirurg 2016 Jan;87(1):47-55. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Helgstrand F, Bisgaard T: Time for use of mesh repair for all umbilical hernias? Lancet 2018; www.thelancet.com
Autor*innen
Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 21.02.2022 umfassend revidiert, aktualisiert und gekürzt.
Revision at 06.10.2015 12:33:44:
Små endringer.
Revision at 19.10.2012 10:11:21:
Generell gjennomgang med små endringer. chck go 19.8.
Definition:Abdominale Hernien sind angeborene oder im Lauf des Lebens entstandene Schwachstellen oder infolge einer Bauchoperation erworbene Defekte in der Bauchwand.