Definition:Akute Entzündung der Mandeln (Tonsillen), die in etwa 2/3 der Fälle auf respiratorische Viren zurückzuführen ist.
Häufigkeit:Sehr häufiger Beratungsgrund in Hausarztpraxis.
Symptome:Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schluck- und Schluckbeschwerden,manchmal auch Atembeschwerden können vorkommen.
Befunde:Geschwollene Mandeln, evtl. mit Belag, Lymphadenitis, Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit, Foetor.
Diagnostik:Klinische Diagnostik, ggf. Erregernachweis via Schnelltest.
Therapie:Symptomatische Therapie,. Antibiotika sind bei hoher Wahrscheinlichkeit für eine StreptokokkeninfektionStreptokokken-Infektion optional und schweren Verläufen klar indiziert.
Prüfungsrelevant für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin1
Eine Tonsillitis ist eine Entzündung der Tonsillen (Gaumenmandeln) mit zusätzlich bestehender klinisch relevanter Symptomatik.2
Als rezidivierende (akute) Tonsillitis bezeichnet man das wiederholte Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervallen.2
Häufigkeit
Eine akute Tonsillitis ist ein häufiger Konsultationsgrund in der Hausarztpraxis, genaue Inzidenzzahlen liegen nicht vor.
Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten, ist aber am häufigsten im Schulalter.2
Es ist anzunehmen, dass etwa 15 % der Schulkinder und 4–10 % der Erwachsenen jährlich eine symptomatische Tonsillopharyngitis durch Streptokokken der Gruppe A durchmachen.3
Hinzu kommen die Tonsillitiden durch andere bakterielle und virale Erreger.
Ätiologie und Pathogenese
Bakterielle Erreger
Der mit Abstand häufigste isolierbare bakterielle Erreger der akuten Tonsillitis, der akuten Pharyngitis und der akuten Tonsillopharyngitis bei Kindern sowie Erwachsenen sind betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) der Spezies Streptococcus pyogenes.3
Andere bakterielle Erreger sind Streptokokken der Gruppe C (Streptococcus anginosus), Moraxella catarrhalis, Nokardien, Pneumokokken, Gonokkoken und Haemophilus influenzae.
Corynebakterien können die Ursache für die typischen klebrigen, gelbweißen oder grauen Beläge auf Tonsillen oder Rachen bei einer Diphtherie sein.
Angina Plaut-Vincent
verursacht durch eine Mischinfektion mit Treponema vincentii und Fusobacterium nucleatum
einseitige ulzeröse Tonsillitis mit geringer Beeinträchtigung des Allgemeinzustand, aber ausgeprägtem fauligem Foetor ex ore
vorVor allem junge Männer sind betroffen.
Das Lemierre-Syndrom ist eine sehr seltene oropharyngeal-abszedierende Infektion mit Thrombose der Vena jugularis interna und septischen Thromboembolien.
Typische Auslöser sind anaerobe Bakterien, z. B. Fusobacterium necrophorum.
AkuteVirale virale TonsillitisErreger
In etwa 2/3 der Fälle wird eine Pharyngotonsillitis durch Viren in den Atemwegen verursacht (Rhinovirus, Adeno-, Influenza-, Corona-, Enteroviren).3
Auch Retroviren (HIV) können eine Tonsillitis auslösen.
Die Mononukleose ist eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus.
fieberhafte Tonsillitis mit dickem, grauweißem, salbenartigem Belag
schwere, fieberhafte Allgemeinerkrankung als Immunantwort auf die pyrogenen Streptokokken-Exotoxine
Die Tonsillen und ihre Umgebung sind stark vereitert.
Feinfleckiges, konfluierendes Erythem, das sich durch Druck abbleichen lässt, periorale Blässe und Himbeerzunge (Papillenhypertrophie) in unterschiedlicher Ausprägung.
Eine Mononukleose beginnt selten akut. In der Regel entsteht innerhalb von 5–10 Tagen nach Beginn der Erkrankung eine Tonsillitis.
Die Tonsillen sind in der Regel von einem dicken, grauweißen, salbenartigen Belag bedeckt, der sich abkratzen lässt, jedoch oberflächliche Ulzerationen hinterlässt.
Die zervikalen Lymphknoten sind durch periphere Ödeme stark geschwollen, und es kann eine allgemeine Lymphadenopathie erkennbar sein; Milz und Leber sind häufig vergrößert.
Das Blutbild zeigt eine Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten (tritt gegen Ende der ersten Woche auf).
Ein Schnelltest dient dem Nachweis heterophiler Antikörper (Monospot), ansonsten erfolgt der Nachweis durch spezifische EBV-Antikörper.
Die Behandlung mit Ampicillin führt zur Entwicklung eines Exanthems.
Angina Plaut-Vincent
einseitige ulzeröse Tonsillitis mit wenigen allgemeinen Symptomen (graugrüner Belag)
Bei diesen Erkrankungen kann eine massiv nekrotisierende ulzeröse Tonsillitis (Angina agranulocytotica) auftreten. Dies geschieht als Ausdruck einer sekundären bakteriellen Infektion aufgrund der verminderten Infektionsresistenz.
Können die Mandeln betreffen und sich als einseitige ulzeröse Tonsillitis äußern.
bei Verdacht: IGRA(Gamma-Interferon)-Test, Röntgenaufnahmen der Lungen, bakteriologische Untersuchung, serologischer Test bei Syphilis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Ziel der Diagnostik ist es, die Patient*innen zu identifizieren, die von einer Antibiotikatherapie profitieren, um einerseits abwendbar gefährliche Verläufe sowie andererseits Nebenwirkungen unnötiger antibiotischer Therapien zu vermeiden.2
Der Nachweis (oder Ausschluss) einer Tonsillopharyngitis durch Streptokokken ist weder durch klinische Zeichen noch durch eine Kombination mit Scoring-Systemen mit ausreichender Sicherheit möglich.4
Die Prävalenz von asymptomatischen GAS-Träger*innen in OECD-Ländern über alle Altersgruppen verteilt liegt bei etwa 7,5 %.5
Zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Tonsillitis empfiehlt die DEGAM den McIsaac-Score (Patient*innen 3–14 Jahre) oder den Centor-Score (Patient*innen > 14 Jahre) oder den FeverPAIN-Score.3
Cave: Die DEGAM weist darauf hin, dass es aufgrund der mäßigen Vorhersagekraft dieser Scoring-Systeme bis heute erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Empfehlungen zur Anwendung dieser Scores in den internationalen Leitlinien gibt.3
Anamnese
Symptome in allen Schweregraden, angefangen bei leichten Symptomen bis zu Schluck- und Atembeschwerden
Häufig sind akut einsetzendes Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, sowohl bei fester als auch bei flüssiger Nahrung.
Zusätzliche klinische Befunde wie eine Konjunktivitis, Rhinitis, Husten, Heiserkeit und spezifischere Befunde, wie eine anteriore Stomatitis sowie orale ulzerative Läsionen und ein begleitendes unspezifisches Exanthem deuten eher auf eine virale Genese der Beschwerden hin.3
bei 3 Punkten mittleres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
bei 4 bzw. 4–5 Punkten höheres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
Komplizierende Befunde/Red Flags
Bei folgenden Konstellationen sind die o. g. Scores nicht anwendbar, und es sollte eine individuelle Diagnostik und Therapiestrategie verfolgt werden:3
DEGAM-Leitlinie: Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken (GAS)3
Es findet sich nicht genug Evidenz für die regelhafte Anwendung von GAS-Schnelltests in einem hausärztlichen Kollektiv von Patient*innen (Alter ≥ 15 Jahren Jahre) mit V. a. akute bakterielle Tonsillopharyngitis.
Es finden sich keine belastbaren Nachweise für klinische Vorteile wie Beschwerdedauer oder eine verbesserte Rate an Wiedervorstellungen und Komplikationen.
Bei Patient*innen < 15 Jahre mit mittlerer bis hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokken-Tonsillopharyngitis erscheint die Anwendung von Schnelltests sinnvoll, um bei negativem Schnelltestergebnis bei einer zusätzlichen Anzahl von Kindern auf eine unnötige antibiotische Therapie verzichten zu können.
Bei Kindern und Jugendlichen (Alter ≤ 15 Jahre) mit akuten Halsschmerzen ohne „Red Flags"“ sollte bei einem negativen Schnelltestergebnis für Gruppe-A-Streptokokken auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden.
Aufgrund der Spezifität von 95 % (Falsch-positiv-Rate von 5 %) sollte bei geringem klinischem Risiko auf einen Schnelltest auch bei Kindern in jedem Fall verzichtet werden.
Weitere Diagnostik
Ggf. Kulturanzüchtung zur Resistenztestung bei frustraner antibiotischer Therapie
Auch für Viren gibt es spezielle molekulargenetische Nachweise, die klinisch aber nicht von Bedeutung sind.
Ein Mononukleose-Schnelltest kann indiziert sein, sollte aber ggf. durch erregerspezifische Serologie und/oder Erregernachweis verifiziert werden, da der Schnelltest nicht zwischen einer akuten tonsillären Infektion oder einer EBV-Reaktivierung unterscheiden kann.
Bei unklaren Krankheitsbildern kann ein erweitertes Blutbild indiziert sein: z. B. Hb, CRP, BSG (die Entzündungsparameter haben einen geringen diagnostischen und prognostischen Wert).
Bei einer Mononukleose findet sich eher eine Lymphozytose mit atypischen, reaktiven Lymphozyten.
Streptokokken-Antikörpertiter (z. B. Antistreptolysin-TitersTiter) sollten bei akuter und rezidivierender Tonsillitis nicht bestimmt werden.2
Es sollten keine routinemäßigen Kontrollen des Rachenabstrichs nach StreptokokkeninfektionStreptokokken-Infektion durchgeführt werden, auch eine routinemäßige kardiologische Diagnostik ist nicht notwendig.2
Ziel der Therapie ist es, Symptome zu reduzieren, Komplikationen zu vermeiden, den Krankheitsverlauf möglichst abzukürzen und die Infektiosität zu minimieren.
Allgemeines zur Therapie
Der Spontanverlauf einer Tonsillitis ist in den meisten Fällen selbstlimitierend und günstig.
Bei Erwachsenen liegt die Selbstheilungsrate am Tag 3 bei ca. 40 % und am 7. Tag bei ca. 85 %.6
Trotzdem werden bei über 80 % der Fälle Antibiotika verschrieben.7
Der durchschnittliche Unterschied zwischen Antibiotika- und Placebobehandlung beträgt bezüglich Reduktion der Symptome nur 16 Stunden.6
Es gibt keinen gesicherten Nachweis dafür, dass eine Penicillin-Behandlung einer Glomerulonephritis vorbeugt.8
Rheumatisches Fieber ist in den westlichen Industrieländern mittlerweile so selten, dass die Gefahr von schweren Komplikationen durch den Einsatz von Antibiotika größer ist als das Risiko für rheumatisches Fieber.
DEGAM-Leitlinie: Therapiefindung bei Halsschmerzen3
Kategorisierung der Patient*innen
Alle Patient*innen in der Hausarztpraxis können einer dieser 4 Gruppen zugeordnet werden:
Patient*innen mit geringer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score ≤ 2 Punkte)
Patient*innen mit intermediärer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score 3 Punkte)
Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor-Score 4 Punkte, McIsaac-Score 4–5 Punkte)
Patient*innen, bei denen die Scores nicht anwendbar sind (siehe Abschnitt Komplizierende Befunde).
Patient*innen aus Regionen mit hoher regionaler Inzidenz von Poststreptokokken-Erkrankungen
typischen Konditionen schwerer Immunsuppression.
Delayed Prescribing
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
Verschreibungsstrategie, bei der infolge von Verschlechterung oder Persistenz der Symptome über einen zuvor bestimmten Zeitraum (in der Regel 3–5 Tage) ein Rezept für ein Antibiotikum eingelöst wird.
Zwei gängige Modelle werden regelhaft eingesetzt:
Das Rezept wird ausgestellt, verbleibt aber in der Praxis und kann von den Patient*innen bei o. g. Verlauf abgeholt werden – oder –
den Patient*innen wird das Rezept bereits bei der Konsultation mitgegeben.
Beratung
Diese ReferenzbeziehtReferenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.3
Bei allen Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne Red Flags sollte eine Beratung zu folgenden Punkten erfolgen:
voraussichtlicher Verlauf: selbstlimitierend, Beschwerdedauer ca. 1 Woche
das geringe Risiko für behandlungsnotwendige suppurative (eitrige) Komplikationen
Selbstmanagement (z. B. Flüssigkeit, körperliche Schonung, andere nichtmedikamentöse Maßnahmen)
die geschätzte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bakteriellen Tonsillopharyngitis auf Basis von Anamnese und Befunderhebung
hohe Number Needed to Treat von ca. 200 zur Vermeidung einer suppurativen Komplikation
ca. 10 % unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Diarrhöen, Anaphylaxie, Mykosen) bei Antibiotikagabe
Auf Nachfrage der Patient*innen
Die geschätzte Inzidenz des akuten rheumatischen Fiebers (ARF) und der akuten postinfektiösen Glomerulonephritis (ASPGN) in Deutschland ist sehr gering. Weder das ARF noch eine ASPGN können durch eine antibiotische Therapie nachweislich verhindert werden.
Symptomatische Therapie
Diese Referen Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.3
Als Lokaltherapeutika können sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.
Das Lutschen von medizinischen Lutschtabletten mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika zur lokalen Schmerzlinderung soll nicht empfohlen werden.
Zur kurzzeitigen symptomatischen Therapie von Halsschmerzen können Ibuprofen oder Naproxen angeboten werden.
Kortikosteroide sollen laut DEGAM-Leitlinie nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen genutzt werden.
Nach Einschätzung einer Auswertung durch das British Medical Journal besteht allerdings eine schwache Evidenz für den Nutzen einer einmaligen oralen Gabe bei akuten Halsschmerzen.9
Die Schmerzdauer kann damit im Durchschnitt um 1 Tag verkürzt werden, mit Nebenwirkungen ist bei einmaliger Gabe in der Regel nicht zu rechnen.
empfohlene Dosis: 10 mg Dexamethason (oder äquivantequivalente Dosis eines alternativen Glukokortikoids) für Erwachsene
Für naturheilkundliche Präparate oder Homöopathika zur Behandlung von Halsschmerzen gibt es keinen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien.
Während die Leitlinie der DEGAM und die abgelaufene Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) bei Penicillin V als Therapie der Wahl übereinstimmen, gibt es im Vergleich mit der inzwischen abgelaufenen Leitlinie der HNO-Ärzt*innen nun neue Empfehlungen bezüglich der Dauer (5–7 vs. 7 Tage), der Dosierung bei Kindern sowie der Therapie bei einer möglichen Penicillinunverträglichkeit (Erythromycin wegen der schlechten Verfügbarkeit nicht mehr empfohlen).2-3
DEGAM-Leitlinie: Antibiotische Therapie bei Halsschmerzen3
Patient*innen ab 16 Jahren
Penicillin V 3 x 0,8–1,0 Mio. IE p. o. für 5–7 Tage
bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 250 mg bis –500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
Patient*innen 3–15 Jahre
Penicillin V 0,05–0,1 Mio. IE/kgKGkg KG/d p. o. verteilt auf 3 Einzeldosen für 5–7 Tage
bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 15 mg/kgKGkg KG/d verteilt auf 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
Eine Erregereradikation als Ziel der antibiotischen Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis sollte nur bei einem erhöhten individuellen Risiko für Komplikationen (z. B. schwere Immunsuppression) angestrebt werden.
Die Einnahmedauer beträgt in diesem Fall 10 Tage (Wirkstoff: Penicillin V oder Clarithromycin).
Wenn eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis nach 3–4 Tagen keine Wirkung zeigt, kann sie (nach ärztlicher Reevaluation und unter Beachtung von Differenzialdiagnosen) beendet werden, um das Risiko für Resistenzentwicklungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.
Weitere Therapien
Bei einer Mononukleose besteht die Behandlung aus körperlicher Schonung, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Analgesie und fiebersenkenden Maßnahmen.
Insbesondere Ampicillin sollte nicht eingesetzt werden, da es zu einem Arzneimittelexanthem (ca. 90 %) kommen kann.
Tonsillektomie oder Tonsillotomie
Tonsillektomie (TE): vollständige Entfernung der Gaumenmandeln
Tonsillotomie: Reduzierung des Volumens der Gaumenmandeln durch partielle Tonsillektomie durch chirurgische Instrumente (Schere, monopolare Nadel), Laser oder Radiofrequenzgerät
Die Tonsillotomie zeichnet sich im Vergleich zur Tonsillektomie durch eine erheblich geringere postoperative Morbidität und Rate an Blutungskomplikationen aus.2
Die DEGAM- und die abgelaufene HNO-Leitlinie (beide kursiv) unterscheiden sich in der Definition einer relevanten Episode, ansonsten decken sich die Empfehlungen.2-3
Bei Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit rezidivierenden infektbedingten Halsschmerzen, bei denen eine (Teil-)Entfernung der Tonsillen als therapeutische Option erwogen wird, wird eine Beurteilung der möglichst ärztlich dokumentierten und therapierten Episoden in den letzten 12 Monaten empfohlen.
Eine Episode definiert sich als infektbedingte Halsschmerzen mit ärztlich dokumentierten:
DEGAM-Kriterien
Fieber > 38,3 ºC (oral) oder
Tonsillenexsudat oder
neu aufgetretener, schmerzhafter, zervikaler Lymphknotenschwellung oder
Streptokokken-Nachweis im Abstrich
HNO-Kriterium
mit Antibiotika therapierte eitrige Tonsillitis.
< 3 Episoden: Tonsillektomie ist keine Option!
3–5 Episoden: Tonsillektomie ist eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Monate weitere Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 erreicht wird.
6 Episoden und mehr: Tonsillektomie ist eine therapeutische Option.
Effekte
Eine kurzfristige Wirkung einer Tonsillektomie scheint vorhanden, auf lange Sicht scheint der Vorteil gering zu sein.10
Dem Nutzen des Eingriffs sollten die Nachteile wie Blutungskomplikationen und postoperative Schmerzen gegenübergestellt werden.2
Prävention
Tröpfcheninfektion: Engen Kontakt mit erkrankten Personen vermeiden, keine Getränkeflaschen und Ähnliches teilen, regelmäßig Hände waschen.
Bei Kontakt zu unkompliziert Erkrankten sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich.
Kontaktpersonen sollten lediglich über das Infektionsrisiko und die Symptomatik einer GAS-Infektion/von Scharlach aufgeklärt werden, damit sie im Krankheitsfall rechtzeitig ärztlichen Rat suchen und behandelt werden können.
Bei Patient*innen mit Z. n. rheumatischem Fieber sollte im Falle eines Krankheitsverdachts einer GAS-Infektion in der Familie bei allen Familienmitgliedern ein Rachenabstrich durchgeführt werden und bei positivem Nachweis von Streptokokken der Gruppe A eine antibiotische Therapie eingeleitet werden.
Meldepflicht
In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG für Erkrankungen durch S. pyogenes.11
Scharlach ist in einigen Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) meldepflichtig.
Gehäuft auftretende Streptokokken-Infektionen sind nach § 6 (1) 5 b IfSG (Infektionsschutzgesetz) unverzüglich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen bei Infektionen durch Streptococcus pyogenes kann beinach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie und ohne Krankheitszeichen ab dem 2. Tag erfolgen, ansonsten nach Abklingen der Krankheitssymptome.Symptome Einnach schriftliches24 ärztlichesStunden Attesterfolgen, istbei nichtfortbestehenden erforderlichKrankheitszeichen wie Fieber und schwerem Krankheitsgefühl unter der Therapie erst nach deren Abklingen.11
Ohne geeignete antibiotische Therapie kann bei Infektion mit S. pyogenes, insbesondere bei kleinen Kindern, eine Erregerausscheidung über mehrere Wochen bis Monate erfolgen. Sofern bei den Betroffenen keine antibiotische Therapie erfolgt, ist eine Wiederzulassung daher frühestens 2zwei Wochen nach Abklingen der spezifischen Symptome angezeigt.
Der Nachweis von toxinbildendem Corynebacterium diphtheriae ist meldepflichtig (§ 7 IfSG).
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Infektionen des Halses sind meist selbstlimitierend, Komplikationen sind selten und die Symptome meistens leicht bis mäßig.8
Bei ausbleibender Besserung oder bei Verschlechterung sollten die Patient*innen innerhalb von 3–5 Tagen (Therapieversagen) erneut Kontakt zur Arztpraxis aufnehmen.
Komplikationen
Komplikationen können bakteriell oder immunologisch bedingt sein.
Bakterielle Komplikationen sindumfassen Peritonsillitis, Peritonsillarabszess, Parapharyngealabszess, Retropharyngealabszess, Mittelohrentzündung, Vereiterung der zervikalen Lymphknoten und Sepsis.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015. www.awmf.org (abgelaufen)
Literatur
Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024 (abgelaufen). Stand 2015. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
Shaikh N, Swaminathan N, Hooper EG. Accuracy and precision of the signs and symptoms of streptococcal pharyngitis in children: a systematic review. J Pediatr 2012; 160: 487-93. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Oliver J, Wadu EM, Pierse N, et al. Group A Streptococcus pharyngitis and pharyngeal carriage: A meta-analysis. PLoS Negl Trop Dis 2018. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Searle J., Möckel M. Akutes rheumatisches Fieber. Innere Medizin. 19. Auflage 2016 Thieme-Verlag S. 2640ff.
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Innere Medizin, FrankfurtMünster
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Guido Schmiemann, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Akute Entzündung der Mandeln (Tonsillen), die in etwa 2/3 der Fälle auf respiratorische Viren zurückzuführen ist. Häufigkeit:Sehr häufiger Beratungsgrund in Hausarztpraxis.