Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe1-2
Red Flags |
Abwendbar gefährlicher Verlauf |
Neurologisches Defizit:
|
Schlaganfall, TIA, intrakranielle Blutung (Subarachnoidalblutung), Hirntumor, Enzephalitis, Meningitis, Sinusvenenthrombose |
Meningeale Zeichen |
|
Hautausschlag (z. B. Purpura) |
|
Plötzlicher, explosiver Schmerzbeginn |
|
Vorausgegangene ähnliche Ereignisse vor < 4 Wochen |
„Warning Leak“, Subarachnoidalblutung |
Allmählich zunehmende (neu aufgetretene) Kopfschmerzen |
Tumor, Hämatom, Abszess, Zyste |
Schmerzintensität 8–10/10 oder „so schlimm, wie noch nie“ |
Subarachnoidalblutung, Enzephalitis, erhöhter Hirndruck |
Fieber > 38,5 °C |
|
Bewegungsabhängige/lageabhängige Kopfschmerzen, Kopfschmerz ausgelöst durch Husten, Niesen, Valsalva |
intrakranielle Blutung (Subarachnoidalblutung), Chiari-Malformation |
Nausea und/oder Erbrechen |
erhöhter intrakranieller Druck, Subarachnoidalblutung, Sinusvenenthrombose |
Einseitige Augenrötung, Augenschmerzen, Sehstörung |
|
Schmerzen im Bereich der Sinus mit
|
septische Sinus-cavernosus-Thrombose, Orbitaphlegmone, Epiduralabszess, Hirnabszess |
Bläschen an Wange und Nasenspitze (Hutchinson-Zeichen: Befall des N. nasociliaris durch Zoster) |
|
Z. n. Schädeltrauma (innerhalb der letzten 3 Monate) |
Subduralhämatom (Cave: Kindesmisshandlung!) |
Allgemeine Informationen
Definition
- Schmerzen im gesamten Kopf oder in Teilen des Kopfes stellen die häufigsten somatischen Beschwerden bei Kindern dar.3
- Kopfschmerzen können in primäre und sekundäre Kopfschmerzen eingeteilt werden. Sekundäre Kopfschmerzen werden durch eine andere Erkrankung hervorgerufen.
- Bei Kindern dominieren eindeutig die primären Kopfschmerzen, wobei Spannungskopfschmerzen und Migräne die häufigsten Formen sind.
- Spannungskopfschmerzen und Migräne treten meist in Form wiederkehrender Kopfschmerzen auf.
- Chronische tägliche Kopfschmerzen (an mehr als 15 Tagen pro Monat) liegen bei etwa 0,5 % der Kinder und Jugendlichen vor.
- Cluster-Kopfschmerz ist bei Kindern und Jugendlichen selten, fast immer beginnt die Erkrankung nach dem 20. Lebensjahr.
Klassifikation
- Die internationale Klassifikation von Kopfschmerzen (ICDH III) unterteilt Kopfschmerzen in primäre und sekundäre Kopfschmerzerkrankungen.4
- Bei primären Kopfschmerzen können keine zugrunde liegenden Ursachen nachgewiesen werden.
- Die häufigsten Formen eines primären Kopfschmerzes sind die Migräne und der Spannungskopfschmerz.
- Die Bezeichnung Spannungskopfschmerz wird auch dann verwendet, wenn kein Angespanntsein bzw. Muskelverspannungen nachweisbar sind.
- Bei sekundären Kopfschmerzen kann eine zugrunde liegende Ursache nachgewiesen werden.
- Bei primären Kopfschmerzen können keine zugrunde liegenden Ursachen nachgewiesen werden.
Häufigkeit
- Wiederkehrende Kopfschmerzen treten im Vorschulalter bei 1 von 20 Kindern auf. Im Schulalter nimmt die Häufigkeit zu.
- Im Alter von 12–14 Jahren leidet etwa jedes 5. Kind an wiederkehrenden Kopfschmerzen.
- Eine systematische Metaanalyse bevölkerungsbasierter Studien aus den Jahren 1990–2007 mit Kindern und Adolenzenten bis zum Alter von 20 Jahren zeigte:
- geschätzte Prävalenz von Kopfschmerzen über einen Zeitraum von mehr als 1 Monat: 58,4 %5
- geschätzte Prävalenz der Migräne über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten: 7,7 %5
- weibliches Geschlecht mit höherer Prävalenz assoziiert als männliches:
- weiblich: 9,7 %
- männlich: 6,0 %
- absolute Differenz: 3,7 %; 95 % KI: 3,4–3,9.
- Migräne kann in jedem Alter auftreten, d. h. auch schon beim Kleinkind.6
- Vor der Pubertät beträgt die Häufigkeit der Migräne 4–5 %.
- Bis zum Alter von 10 Jahren sind Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen.7-8
Diagnostische Überlegungen
- Die meisten Kopfschmerz-Diagnosen beruhen ausschließlich auf einer guten Anamnese. Aus der körperlichen Untersuchung ergeben sich nur selten Befunde, die für die Diagnose entscheidend sind.
- Die körperliche Untersuchung ist wichtig, um etwaige Erkrankungen zu diagnostizieren, die sekundäre Kopfschmerzen hervorrufen können.
- Treten akute, intensive und bei der betroffenen Person zuvor nicht bekannte Kopfschmerzen auf, sollte dies Anlass zur Suche nach einer anderen Grunderkrankung sein.
Abwendbar gefährliche Verläufe
- Kopfschmerzen aufgrund von Hirntumoren: Die Schmerzen verstärken sich in liegender Haltung (Morgenkopfschmerz) und werden häufig von Übelkeit, ggf. auch von fokalen neurologischen Ausfällen oder Verhaltensänderungen begleitet.
- Wenn unter 4-Jährige von sich aus über Kopfweh klagen, dann ist das ein Warnsignal und bedarf der Abklärung mittels MRT.9
ICPC-2
- N01 Kopfschmerz
- N89 Migräne
- N90 Cluster-Kopfschmerzen
- N92 Trigeminusneuralgie
- N95 Spannungskopfschmerz
ICD-10
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10
- R51 Kopfschmerz
- G43 Migräne
- G44.0 Cluster-Kopfschmerz
- G44.2 Spannungskopfschmerz
- G44.4 Arzneimittelinduzierter Kopfschmerz, anderenorts nicht klassifiziert
- G50.0 Trigeminusneuralgie
Differenzialdiagnosen
Migräne
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
Klinisches Bild
- Folgende Symptome gehen bei Erwachsenen typischerweise mit einer Migräne einher, sind aber bei Migräne im Kindesalter oft nur ansatzweise vorhanden oder schwer eruierbar:
- Wiederkehrende Kopfschmerzattacken mit oder ohne Aura, die 2–48 Stunden lang anhalten.
- Schmerzlokalisation meist unilateral
- zu Beginn allmähliche Zunahme der Schmerzen innerhalb einer viertel bis halben Stunde
- häufig pulsierende Schmerzen
- mittlere bis schwere Schmerzintensität
- verstärkt unter körperlicher Belastung
- häufige Begleitsymptome
- Übelkeit und Erbrechen
- Photophobie
- Phonophobie
- Weitere diagnostische Hinweise im Kindes- und Jugendalter
- positive Familienanamnese
- Triggerfaktoren, z. B.:
- Schokolade
- Hartkäse
- Zitrusfrüchte
- Stress
- Menstruation
- orale Kontrazeptiva.
- Alter > 2 Jahren
- Sehstörungen wie Doppelt- oder Unscharfsehen
Migränevarianten
- Aura ohne anschließende Kopfschmerzen
- Familiäre hemiplegische Migräne: mit Lähmung einer Extremität während der Attacken
- Abdominelle Migräne: Anfallsartige Bauchschmerzen ohne begleitende Kopfschmerzen, wobei angenommen wird, dass migräneähnliche Mechanismen ursächlich sind.
- Zyklisches Erbrechen
- Migräneassoziierter Schwindel
- benigner paroxysmaler Schwindel des Kindesalters
- vestibuläre Migräne
Spannungskopfschmerz
- Siehe Artikel Spannungskopfschmerz.
- Episodische oder chronische Kopfschmerzen
- Der Schmerz ist typischerweise beidseitig lokalisiert. Diffus um den Kopf herum, „wie ein zu enger Hut“, ein „Ring oder Eisenband“.
- Er erreicht eine leichte bis mäßige Intensität und verstärkt sich nicht durch körperliche Aktivität.
- Er wird nicht von Übelkeit oder Erbrechen begleitet und kann von Photo- oder Phonophobie, jedoch nicht von beidem begleitet sein.
- Die kraniale und zervikale Muskulatur kann schmerzhaft palpabel sein.
Cluster-Kopfschmerz
- Siehe Artikel Cluster-Kopfschmerz.
- Im Erwachsenenalter eher selten, im Kindesalter eine Rarität
- Paroxysmaler, von dicht aufeinander folgenden Attacken gekennzeichneter oder chronischer einseitiger, sehr intensiver Kopfschmerz
- Starke retro- oder periorbitale Schmerzen mit Ausstrahlung nach temporal, begleitet von gerötetem und tränendem Auge und laufender Nase auf derselben Seite sowie starker Unruhe
Sekundäre Kopfschmerzen
- Warnsignale im Kindes- und Jugendalter11
- akute, erstmalig aufgetretene Kopfschmerzen
- rasch zunehmende Stärke und/oder Häufigkeit der Symptome
- Änderung des Schmerzcharakters
- morgendliche Kopfschmerzen mit Nüchternerbrechen
- nächtliches Erwachen wegen Kopfschmerzen
- fokal-neurologische Symptome
- Zeichen der Wesensveränderung
- Alter des Kindes < 3 Jahre
- Mögliche Ursachen im Kindes- und Jugendalter6
- Schädel-Hirn-Trauma
- Mundhöhlenabszess
- Otitis media
- Meningitis
- Sinusitis
- ZNS-Erkrankung
- intrakranielle Raumforderung, z. B. Hirntumor
- Hydrozephalus
- Fehlsichtigkeit
- Hypertonus
- Toxine, z. B.:
- Drogen wie Kokain, Marihuana, Lachgas
- Kohlenmonoxid.
- Erkrankungen der Kauorgane einschließlich Kiefergelenks
- obstruktive Schlafapnoe
- Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch
Anamnese
- Die Diagnose von Kopfschmerzen bei Kindern (und Erwachsenen) beruht in erster Linie auf einer sorgfältigen Anamnese.
- Für diese sollte ausreichend Zeit aufgewendet werden.
- Es wird empfohlen, für eine gewisse Zeit einen Kopfschmerzkalender zu führen.
Zentrale Fragen zu den Kopfschmerzen
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
- Eine oder mehrere Arten von Kopfschmerz?
- Wie haben die Beschwerden begonnen?
- Wann sind die Kopfschmerzen zum ersten Mal aufgetreten?
- Sind die Beschwerden stabil, bessern sie sich oder verschlimmern sie sich stetig?
- Wie oft treten die Kopfschmerzen auf: an wie vielen Tagen im Monat oder täglich?
- Wie lange hält der Kopfschmerz an?
- Setzen die Kopfschmerzen zu einer bestimmten Zeit oder in besonderen Situationen ein?
- Sind die Kopfschmerzen auf die Einnahme bestimmter Lebensmittel oder Medikamente zurückzuführen, oder treten sie im Zusammenhang mit bestimmten Tätigkeiten auf?
- Treten Warnzeichen auf, bevor der Kopfschmerz einsetzt?
- Wo sind die Schmerzen lokalisiert?
- Wie beschreiben die Betroffenen den Schmerz: stechend, brennend, drückend, dumpf, pulsierend ...?
- Wird der Kopfschmerz von anderen Symptomen/Beschwerden begleitet?
- Was macht die betroffene Person gegen die Kopfschmerzen?
- Gibt es etwas, was den Kopfschmerz lindert, oder etwas, wodurch er sich verschlimmert?
- Andere Beschwerden zwischen den einzelnen Kopfschmerzphasen?
- Gibt es andere medizinische Probleme oder ist die Person wegen anderen Erkrankungen in medizinischer Behandlung?
- Regelmäßige oder gelegentliche Medikamenteneinnahme?
- Gibt es andere Familienmitglieder, die unter Kopfschmerzen leiden?
- Mit welchen Gedanken und Sorgen ist der Kopfschmerz für Eltern und Kind verbunden?
Klinische Untersuchung
- Eine allgemeine klinische Untersuchung ist wichtig, um andere Erkrankungen und damit einen sekundären Kopfschmerz auszuschließen.3
- Allgemeine körperliche Untersuchung: Fieber? Blutdruck?
- Auch eine orientierende neurologische Untersuchung sollte erfolgen.
- Bewusstsein, Sehvermögen, fokale Ausfälle, Koordination
- Psychologische Beurteilung
- Veränderungen in Bezug auf Schlaf, Appetit, Konzentration oder Aufmerksamkeit
- Emotionale Veränderungen, Depression?
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Laboruntersuchungen sind im Rahmen der Untersuchung von Kopfschmerzen im Allgemeinen nicht erforderlich.
- Bei entsprechenden Hinweisen bei Jugendlichen ggf. Alkoholkonsumparameter und/oder Drogenscreening
- Die Notwendigkeit von Labortests richtet sich nach der Anamnese und einem etwaigen Verdacht auf sekundäre Kopfschmerzen.
Bei Spezialist*innen
- Im Kindesalter ist bei primärem Kopfschmerz, z. B. Migräne, Spannungs- oder Cluster-Kopfschmerz mit schweren Attacken oder chronischem Verlauf, einmalig eine MRT zum Ausschluss organischer Ursachen erforderlich.9
- Bei chronischen Kopfschmerzen sind bildgebende Untersuchungen indiziert, u. a. um einen Hirntumor oder einen Hydrozephalus ausschließen zu können.
- Ein EEG ist bei der Untersuchung einer Migräne bei Kindern nicht notwendig.
- Bildgebende Methoden kommen im Allgemeinen erst nach der klinischen Abklärung der Situation zum Einsatz.9
- Grundsätzlich sollte insbesondere bei kleineren Kindern, die das Symptom „Kopfschmerz“ angeben, nicht lange gezögert werden, das aussagefähigste Schnittbildverfahren, die Magnetresonanztomografie, als Mittel der Wahl einzusetzen.9
- Die Computertomografie bleibt speziellen Fragestellungen der Akutdiagnostik vorbehalten, z. B. bei Schädel-Hirn-Trauma.9
- Die Sonografie/Duplexsonografie bleibt bei Kopfschmerzsymptomatik von Kindern Spezialindikationen vorbehalten (V. a. vaskuläre Kopfschmerzursache, V. a. Liquorzirkulationsstörung).9
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Die meisten Fälle von Kopfschmerzen bei Kindern können in der Hausarztpraxis behandelt werden.
- Eine Überweisung sollte erfolgen, wenn der Verdacht auf einen sekundären Kopfschmerz oder Zweifel in Bezug auf die Diagnose bestehen.
- Zeigt die Therapie keine Wirkung oder besteht der Bedarf einer präventiven Behandlung, sollte ebenfalls eine Überweisung erfolgen.
Checkliste zur Überweisung
Kopfschmerzen bei Kindern
Zweck der ÜberweisungDiagnose oder Behandlung?
AnamneseBeschreibung der Schmerzqualität und -lokalisationAttacken, intermittierende Schmerzen, konstant?Beginn, weitere EntwicklungSoziale Verhältnisse!
Klinische UntersuchungAllgemeinzustand, Sinnesorgane, orientierende neurologische Untersuchung
Ergänzende UntersuchungenKopfschmerzkalender
Indikationen zur KrankenhauseinweisungKlinikeinweisung
- Bei akuten und intensiven Kopfschmerzen kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden (cave: Subarachnoidalblutung!).
Empfehlungen
- Im Allgemeinen bilden eine gute Anamnese und klinische Untersuchung eine gute Grundlage für die Behandlung.
- Eine umfassende Aufklärung des Kindes und der Eltern in Bezug auf die Diagnose und die ausgeschlossenen Erkrankungen kann sowohl bei Spannungskopfschmerzen als auch bei der Migräne eine symptomlindernde Wirkung haben.
- Ob die Vermeidung von Triggerfaktoren oder vielmehr eine schrittweise Gewöhnung an diese die Attackenfrequenz vermindert, ist strittig.12
- Ein Kopfschmerzkalender kann hilfreich sein, um sich einen Überblick über das Ausmaß und die Entwicklung der Kopfschmerzen zu verschaffen.
- Die Einhaltung eines gleichbleibenden Tagesrhythmus in Bezug auf die Mahlzeiten, das Trinken, die körperliche Aktivität und den Schlaf kann u. U. zu einer Reduktion von Kopfschmerzattacken beitragen.
Spannungskopfschmerzen
- Siehe Artikel Spannungskopfschmerz.
Nichtpharmakologische Behandlung
- Für regelmäßige Mahlzeiten und ausreichendend Schlaf sorgen.
- Vermeiden, dass das Kind friert. Zusammengebissene Zähne können Spannungskopfschmerzen hervorrufen.
- Körperliche Aktivität trägt zum Wohlbefinden bei und kann helfen, Spannungskopfschmerzen zu lindern.
- Die Kinder sollten wenig Zeit vor dem Fernseher oder Computer verbringen, da Bewegungsmangel häufig zu Muskelverspannungen führt.
- Verhaltenstherapeutische Interventionen haben sich bei der Kopfschmerztherapie älterer Kinder als hilfreich erwiesen.13
- ggf. in Kombination mit Biofeedback und Entspannungsverfahren
- Durch Entspannungsverfahren und kognitive Verhaltenstherapie können die Kopfschmerzintensität und -häufigkeit nachweislich reduziert werden.
Pharmakologische Behandlung
- Generell sollte der Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von Spannungskopfschmerzen bei Kindern zurückhaltend erfolgen. Die tägliche Einnahme von Schmerzmitteln über einen längeren Zeitraum hinweg kann zu arzneimittelinduziertem Kopfschmerzen führen.
- Sind Analgetika erforderlich:
- Ibuprofen 10 mg/kg/Dosis (max. 30 mg/kg/d)
- Paracetamol 15 mg/kg/Dosis, max. 60 mg/kg/d (cave: kritische kumulative Dosierungen mit Hepatotoxizität!)
Migräne
- Siehe Artikel Migräne.
Nichtpharmakologische Behandlung
- Maßnahmen zur Verhinderung oder Linderung von Migräneattacken
- Ruhige und entspannende Umgebung schaffen.
- Regelmäßige und häufige Mahlzeiten einführen. Das Frühstück ist wichtig.
- Dafür sorgen, dass das Kind ausreichend trinkt.
- Für ausreichenden und regelmäßigen Schlaf sorgen.
- Für regelmäßige Bewegung sorgen.
- Dauer und Stärke der Attacken dokumentieren (Kopfschmerzkalender).
- Entspannungsübungen
- Verhaltensinterventionen haben sich bei der Migränetherapie älterer Kinder als hilfreich erwiesen.13
- Beispiele dafür sind das Biofeedback und Entspannungsinterventionen.
- Durch Entspannung und kognitive Verhaltensinterventionen können die Kopfschmerzintensität und -häufigkeit nachweislich reduziert werden.
Pharmakologische Akuttherapie7
- Erste Wahl
- Ibuprofen 10 mg/kg/Dosis (max. 30 mg/kg/d) – oder –
- ASS 500 mg nach dem 12. Lebensjahr
- Zweite Wahl
- Paracetamol 15 mg/kg als initiale Dosis (max. 60 mg/kg/d) (cave: kritische kumulative Dosierungen mit Hepatotoxizität!)
- Triptane
- ärztliche Verordnung nur durch in der Migränetherapie erfahrene Personen
- Nur Sumatriptan 10 mg Nasenspray ist bei Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen (max. 20 mg in 24 Stunden).
- Bei unzureichendem Ansprechen auf Analgetika, kann ein Off-Label-Use von Sumatriptan 10–20 mg Nasenspray, Zolmitriptan 2,5–5 mg Tabletten, Rizatriptan 5–10 mg Tabletten oder Almotriptan 12,5 mg Tabletten auch bei jüngeren Kindern erwogen werden.
- Ergotamin
- ab dem 16. Lebensjahr zugelassen
- Initialdosis Ergotamin 2 mg oral
- ggf. nach 4–6 Stunden weitere 2 mg
- max. 4 mg/24 h
- Antiemetika bei Bedarf
- Domperidon als 1. Wahl
- geringeres Risiko für extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen als Metoclopramid
- Domperidon ist erst ab dem 12. Lebensjahr zugelassen.
- 10 mg p. o., max. 30 mg/d
- Metoclopramid ist erst ab einem Alter von 14 zugelassen.
- Domperidon als 1. Wahl
Migräneprophylaxe
- Bei Kindern ist die Wirksamkeit einer medikamentösen Migräneprophylaxe nicht zweifelsfrei belegt. Nichtmedikamentösen Maßnahmen ist der Vorzug zu geben.
- Medikamentöse Prophylaxe
- Diese ist indiziert, wenn
- die Betroffenen unter einem besonderen Leidensdruck stehen.
- die Kopfschmerzen die Lebensqualität beeinträchtigen.
- ein erhöhtes Risiko für einen Medikamentenübergebrauch besteht.
- zusätzliche Kriterien (Expertenmeinung, nicht durch Studien gesichert)
- reduzierte Lebensqualität aufgrund von monatlich ≥ 3 Migräneattacken
- ≥ 72 Stunden anhaltende Attacken
- Attacken sprechen auf Akuttherapie nicht an.
- Nebenwirkungen der Akuttherapie werden nicht toleriert.
- zunehmende Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln an > 10 Tagen pro Monat
- komplizierte Migräneattacken mit beeinträchtigenden (z. B. hemiplegischen) und/oder lang anhaltenden Auren
- nach einem migränösen Hirninfarkt bei Ausschluss anderer Infarktursache
- Wirksamkeitsnachweise
- Die Wirksamkeit von Flunarazin zur Migräneprophylaxe bei Kindern ist nachgewiesen. Dosierung: Flunarazin 5 mg/d oder 5 mg jeden 2. Tag.
- Für Topiramat und Amitriptylin ist eine Überlegenheit gegenüber Placebo nicht gesichert.
- Für Propranolol gibt es gewisse Hinweise auf eine Wirksamkeit.
- Aus Fallserien ergeben sich vorläufige Hinweise auf eine Wirksamkeit von Botulinumtoxin A bei Jugendlichen mit chronischer Migräne.
- Alle genannten Medikamente sind in Deutschland nicht zur Migräneprophylaxe bei Kindern zugelassen. Die Verordnung müsste off label erfolgen.
- Diese ist indiziert, wenn
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
- Kopfschmerzen treten bei älteren Kindern häufig auf.
- Spannungskopfschmerzen und Migräne sind die beiden häufigsten primären Kopfschmerztypen.
- Sowohl für Spannungskopfschmerzen als auch für Migräne stehen gute Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, und bei vielen treten die Kopfschmerzen im Laufe der Zeit nicht mehr auf.
Patienteninformationen in Deximed
Weitere Informationen
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG)
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft: Kopfschmerzkalender
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. AWMF-Leitlinie Nr. 030-057. S1, Stand 2018. www.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Kopfschmerzen bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-leitlinie Nr. 064-011. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Schaufelberger M, Meer A, Furger P, Derkx H et al.. Red Flags - Expertenkonsens - Alarmsymptome der Medizin. Neuhausen am Rheinfall, Schweiz: Editions D&F, 2018.
- Fleischmann T. Fälle Klinische Notfallmedizin - Die 100 wichtigsten Diagnosen. München, Deutschland: Elsevier, 2018.
- Özge A, Termine C, Antonaci F, et al. Overview of diagnosis and management of paediatric headache. Part I: diagnosis. J Headache Pain 2011; 12: 13-25. doi:10.1007/s10194-011-0297-5 DOI
- International Classification of Headache Disorders (ICHD-3 beta). Letzter Aufruf August 2017. ichd-3.org
- Abu-Arafeh I, Razak S, Sivaraman B, Graham C. Prevalence of headache and migraine in children and adolescents: a systematic review of population-based studies. Dev Med Child Neurol 2010; 52: 1088-97. pmid:20875042 PubMed
- BMJ Best Practice, Migraine headache in children. Last reviewed: 3 Nov 2020; Last updated: 07 Jul 2020 bestpractice.bmj.com
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Therapie der Migräne. AWMF-Leitlinie Nr. 030-057, S1, Stand 2018. www.awmf.org
- Victor TW, Hu X, Campbell JC, Buse DC, Lipton RB. Migraine prevalence by age and sex in the United States: a life-span study. Cephalalgia. 2010 Sep;30(9):1065-72. doi: 10.1177/0333102409355601. Epub 2010 Mar 12. PMID: 20713557. PubMed
- Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Kopfschmerz bei Kindern - Bildgebende Diagnostik. AWMF-leitlinie Nr. 064-011, S1, Stand 2020. www.awmf.org
- Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 30.11.2020 www.dimdi.de
- Weber P. Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter - Eine Herausforderung zwischen akut- und sozialmedizinischer Kompetenz. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(48): 809-10; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0809 DOI
- Heim, TM. Migräne und psychische Störungen: nur Begleiter oder auch Verwandte?. DNP 2018; 19, 15–18. doi.org
- Termine C, Özge A, Antonaci F, et al. Overview of diagnosis and management of paediatric headache. Part II: therapeutic management. J Headache Pain 2011; 12: 25-34. doi:10.1007/s10194-010-0256-6. DOI
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/)