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Einwärtsgang und Auswärtsgang

Allgemeine Informationen

Definition

  • Einwärtsgang
    • Die Fußspitzen zeigen in Ruhestellung nach medial.1
  • Auswärtsgang
    • Die Fußspitzen zeigen in Ruhestellung nach lateral.1

Häufigkeit

  • Im Wachstumsalter sind 13 % der Kinder von einem Einwärtsgang betroffen.2
  • Einwärtsgang ist einer der häufigsten Gründe für die Überweisung von ansonsten gesunden Kindern zum Kinderorthopäden.3
    • Diese Form tritt im Alter zwischen 3 und 8 Jahren sehr häufig auf und hängt bei über der Hälfte der Patienten mit einem vermehrten Antetorsionswinkel des Femurs zusammen.4 Der Zustand normalisiert sich meist vor dem 13.–14. Lebensjahr.
  • Beide Formen treten im Säuglings- und Kleinkindalter häufig auf, wobei der Einwärtsgang deutlich häufiger vorkommt als der Auswärtsgang.
  • Einige Kinder drehen die Füße beim Laufenlernen stark nach außen (femorale Retroversion, auch Charlie-Chaplin-Gang genannt).
    • Im 2. Lebensjahr kann der Charlie-Chaplin-Gang aufgrund eines größeren Antetorsionswinkels in der Hüfte durch den Einwärtsgang abgelöst werden.

Einwärtsgang

  • Wird in der Regel durch 1 der 3 Fehlstellungen verursacht:
    1. Sichelfuß (Pes adductus)
    2. mediale/interne Tibiatorsion
    3. erhöhte femorale Antetorsion.
  • Die Ursache hängt vom Alter des Kindes ab.5
    • Im 1. Lebensjahr ist der Pes adductus, evtl. in Kombination mit einer medialen Tibiatorsion, die häufigste Ursache.
    • Bei Kleinkindern ist die Ursache eine mediale Tibiatorsion, evtl. in Kombination mit einem Pes adductus, die ein- oder beidseitig auftreten kann.
    • Später ist die häufigste Ursache eine femorale Antetorsion, die sich fast immer bilateral und symmetrisch manifestiert.

Auswärtsgang

Diagnostische Überlegungen

  • Füße nach außen gedreht
    • Dies ist ein normales Phänomen, das sich in der Regel vor dem 13.–14. Lebensjahr von selbst korrigiert und nur sehr selten operativ behandelt werden muss.
  • Füße nach innen gedreht
    • Bei Säuglingen kann dies in seltenen Fällen ein Hinweis auf eine therapiebedürftige Grunderkrankung wie Pes equinovarus oder angeborene Hüftdysplasie sein.
    • Es ist wichtig zwischen benignen, nicht behandlungsbedürftigen, und malignen, behandlungsbedürftigen, Ursachen zu unterscheiden:
  • Kniegelenk
    • In den ersten 6 Lebensjahren kommt es zu normalen physiologischen Veränderungen in den Gelenken.
    • Die Varusstellung tritt im Alter von 1–3 Jahren häufig auf.
    • Die Valgusstellung tritt im Alter von 3–6 Jahren häufig auf.

Gründe für den Arztbesuch

  • Eltern suchen einen Arzt in der Regel aus kosmetischen Gründen auf, weil das Kind ihrem Empfinden nach häufig stolpert oder aus Sorge über mögliche Langzeitfolgen des Einwärtsgangs.8

Abwendbar gefährliche Verläufe

ICPC-2

  • L82 Angeb. Anomalie muskuloskelet.

ICD-10

  • M21.8 Coxa antetorta

Differenzialdiagnosen

Ursachen für den Einwärtsgang

Femur/Hüfte

  • Größerer Antetorsionswinkel des Collum femoris
    • Dies ist die häufigste Ursache für den Einwärtsgang und tritt in der Regel beidseitig auf.4
    • Tritt etwas häufiger bei Mädchen auf.6
    • Die Diagnose wird häufig nach dem 3. Lebensjahr gestellt, erreicht ihren Höhepunkt zwischen 4 und 6 Jahren und bildet sich danach in 2 Schüben (6.–8. Lebensjahr und Pubertät) zurück.2
    • Die Fehlstellung normalisiert sich bei > 80 % bis zum 13. oder 14. Lebensjahr spontan9, und eine Rotationsosteotomie ist meist nicht notwendig.10-11
    • Eine Therapie mit Orthesen u. Ä. kann die Fehlstellung nicht korrigieren.
  • Hüftdysplasie
  • Infantile Zerebralparese

Unterschenkel/Knie

  • Mediale Torsion der Tibia
    • Dies ist die zweithäufigste Ursache für den Einwärtsgang.4
    • Die Fehlstellung kann asymmetrisch auftreten, und die linke Seite ist etwas häufiger betroffen als die rechte Seite.
    • Die Fehlstellung korrigiert sich bei > 90 % im Wachstum.9
    • Bei einer ausgeprägten Fehlstellung bei älteren Kindern kann eine korrigierende Osteotomie angezeigt sein, insbesondere bei einer einseitigen Fehlstellung.10
  • Genu valgum

Fuß/Sprunggelenk

  • Vorfußadduktion
    • Tritt bei 1 von 1.000 Geburten infolge einer falschen intrauterinen Position auf und bildet sich bei 90 % im 1. Lebensjahr spontan zurück.9
    • In einigen Fällen muss die Fehlstellung jedoch mittels Gips korrigiert werden.
  • Klumpfuß (Pes equinovarus)
  • Pronierte Füße

Ursachen für den Auswärtsgang

  • Normales Phänomen
  • Kommt jedoch seltener vor als der Einwärtsgang.
  • Es kommt zu einer größeren lateralen Torsion der Tibia.
  • Femorale Retroversion
    • Die Fehlstellung ist im frühen Säuglingsalter häufig und tritt aufgrund einer externen Rotationskontraktur der Hüfte infolge von intrauterinem Druck auf.5,12-13

Anamnese

Beobachtungen der Eltern

  • Aufgrund der Beobachtungen der Eltern wird in der Regel ein Arzt aufgesucht.

Gehbehinderung?

  • Bei der Beurteilung von Therapiemaßnahmen spielt der Grad der Gehbehinderung eine ausschlaggebende Rolle.

Hüftdysplasie in der Familie?

  • Beim Einwärtsgang sollten immer die gesamten unteren Extremitäten untersucht werden. In seltenen Fällen kann die Ursache für eine Fußfehlstellung eine Hüftdysplasie sein.

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Beurteilung des kindlichen Ganges
    • Dreht das Kind die Knie beim Laufen nach innen, liegt die Ursache für den Einwärtsgang in der Regel im Oberschenkel.
    • Zeigen die Knie beim Laufen nach vorn, liegt die Ursache für den Einwärtsgang in der Regel im Unterschenkel oder Fuß.
  • Eine neuromuskuläre Störung soll ausgeschlossen werden.
  • Messung von Interkondylarabstand und Intermalleolarabstand14
    • Eine Aussage zum Grad von Genu varum und Genu valgum ist möglich.

Spezielle Aspekte

Häufigste Ursachen für den Einwärtsgang

  • Größere Antetorsion im Femur
    • Es kommt zu einer stark erhöhten Innenrotation des Hüftgelenks, normalen Abduktion und evtl. verringerten Außenrotation. Die Rotation wird vorzugsweise in Bauchlage mit flektierten Knien und den Fußspitzen als Zeigern überprüft. Typisch sind eine Innenrotation bis 90 Grad und eingeschränkte Außenrotation.2
  • Rotation im Unterschenkel
    • Die Beurteilung erfolgt am besten, wenn das Kind auf einer Bank sitzt und die Beine hängen lässt: Die Knie zeigen nach vorn, aber die Füße zeigen nach innen.
  • Vorfußadduktion
    • Die Inspektion des Fußes in Bauchlage zeigt eine bogigen lateralen Fußrand.
  • Untersuchung des Sprunggelenks
  • Untersuchung des Hüftgelenks

Ergänzende Untersuchungen

Weitere Untersuchungen

  • Die Hüfte sollte geröntgt werden, wenn es zu Schmerzen, eingeschränkter Abduktion oder anderen Hüftproblemen kommt.

Therapie

  • Aufgrund der in den meisten Fällen auftretenden Spontankorrektur im Wachstum ist die entscheidende Therapie die Aufklärung und Beratung über das Krankheitsbild.2
  • Eine operative Korrektur ist nach dem Wachstum so gut wie nie nötig. In einer Studie mit 202 Kindern mit Einwärtsgang war bei keinem im Verlauf eine Operation indiziert.4
  • Indikationen für eine Operation nach Wachstumsabschluss sind:
    • ein reeller Antetorsionswinkel von > 40 Grad und deutliche klinische, nicht anderweitig zu erklärende Beschwerden (Knie-, Leisten-, Kreuzschmerzen, häufige Stürze)2

Maßnahmen und Empfehlungen

Therapie

  • Aufgrund der in den meisten Fällen auftretenden Spontankorrektur im Wachstum ist die entscheidende Therapie die Aufklärung und Beratung über das Krankheitsbild.2
  • Eine operative Korrektur ist nach dem Wachstum so gut wie nie nötig. In einer Studie mit 202 Kindern mit Einwärtsgang war bei keinem im Verlauf eine Operation indiziert.4
  • Indikationen für eine Operation nach Wachstumsabschluss sind:
    • ein reeller Antetorsionswinkel von > 40 Grad und deutliche klinische, nicht anderweitig zu erklärende Beschwerden (Knie-, Leisten-, Kreuzschmerzen, häufige Stürze)2

Indikationen zur Überweisung

  • Femorale Retroversion
    • Der Charlie-Chaplin-Gang normalisiert sich in der Regel und muss nicht fachärztlich behandelt werden.
  • Vorderfußadduktion
    • Die Fehlstellung bildet sich in der Regel spontan zurück.
    • Evtl. kann eine Überweisung an einen Physiotherapeuten für Dehnübungen erfolgen.
    • Wird die Fehlstellung nicht in den ersten 3 Lebensmonaten korrigiert, sollte das Kind zur Beurteilung einer Korrektur mittels Gips zur Orthopädie überwiesen werden.
  • Antetorsion im Femur
    • Diese Fehlstellung heilt meist spontan aus und muss daher nicht fachärztlich behandelt werden.
  • Mediale Tibiatorsion
    • Die Kinder sollten nicht in Bauchlage schlafen und nicht auf ihren Füßen sitzen.9
    • Bei ausgeprägter Fehlstellung sollte eine Überweisung an einen Facharzt erfolgen, wenn das Kind in das Schulalter kommt. Bei einer einseitigen Fehlstellung ist eine Überweisung eher angezeigt.
  • Hüftdysplasie
    • Überweisung bei Verdacht auf die Erkrankung
  • Klumpfuß (Pes equinovarus)
    • Überweisung bei Verdacht auf die Deformität

Checkliste zur Überweisung

Einwärtsgang und Auswärtsgang

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnose? Therapie? Sonstiges?
    • Siehe oben: Besteht ein Grund für die Überweisung?
  • Anamnese
    • Entwicklung/Progression?
    • Beschreibung des Zustands, Verdacht auf zugrunde liegende Fehlbildung? Wird der Gang beeinträchtigt? Hüftdysplasie in der Familie?
    • Andere relevante Krankheiten?
  • Klinische Untersuchung
    • Beurteilung des kindlichen Ganges, Verdacht auf neuromuskuläre Störung?
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Bei Unsicherheit bezüglich einer angeborenen Hüftdysplasie sollte die Hüfte geröntgt werden.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Sass P, Hassan G. Lower extremity abnormalities in children. Am Fam Physician 2003; 68: 461-8. PubMed
  2. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Idiopathische Coxa antetorta. AWMF-Leitlinie 033/003. Stand 2002. www.leitliniensekretariat.de
  3. Faulks S, Brown K, Birch JG. Spectrum of Diagnosis and Disposition of Patients Referred to a Pediatric Orthopaedic Center for a Diagnosis of Intoeing. J Pediatr Orthop 2017; 37(7): e432-e435. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Blackmur JP, Murray AW. Do children who in-toe need to be referred to an orthopaedic clinic?. J Pediatr Orthop B 2010; 19(5): 415-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Staheli LT. Rotational problems in children. Instr Course Lect 1994; 43: 199-209. PubMed
  6. Lincoln TL, Suen PW. Common rotational variations in children. J Am Acad Orthop Surg 2003; 11:312. PubMed
  7. Surgical Advisory Panel, American Academy of Pediatrics. Referral to pediatric surgical specialists. Pediatrics 2014; 33: 350-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Briggs RG, Carlson WO. The management of intoeing: a review. S D J Med 1990; 43(2): 13-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Stockman JA. Do children who in-toe need to be referred to an orthopaedic clinic?. Yearbook of Pediatrics 2012; 1: 333-5. DOI: 10.1016/j.yped.2011.03.008 DOI
  10. Staheli LT. Torsion--treatment indications. Clin Orthops 1989; 247 :61-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  11. Davids JR, Davis RB. Tibial torsion: significance and measurement. Gait Posture. 2007;26:169-171. PubMed
  12. Beauchamp RD. 'Doctor, my son walks funny': a guide for the perplexed. Can Fam Physician 1990; 36: 1575-80. PubMed
  13. Wall EJ. Practical primary pediatric orthopedics. Nurs Clin North Am 2000; 35: 95-113. PubMed
  14. Scherl SA. Common lower extremity problems in children. Pediatr Rev 2004; 25:52. PubMed

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Orthopädie und Unfallchirurgie, Münster
  • Carl Johan Tiderius Docent och överläkare, Ortopediska kliniken, barnortopediska enheten, Skånes universitetssjukhus
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
  • Stein E Høyer, överläkare, barneavdelingen, Regionsykehuset i Tromsø
M218
L82
Innenwärts rotierter Gang; Außenwärts rotierter Gang; Femorale Retroversion; Charlie-Chaplin-Gang; Innenrotierte Füße; Außenrotierte Füße; Antetorsionswinkel des Collum femoris; Hüftdysplasie; Infantile Zerebralparese; Vorderfußadduktion; Klumpfuß; Pes equinovarus; Femorale Retroversion
Einwärtsgang und Auswärtsgang
CCC MK 08.01.2019, komplett überarbeitet (AiW Orthopädie) Check GO
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Einwärtsgang Die Fußspitzen zeigen in Ruhestellung nach medial.1 Die Fußspitzen zeigen in Ruhestellung nach medial.1 Auswärtsgang Die Fußspitzen zeigen in Ruhestellung nach lateral.1
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Einwärtsgang und Auswärtsgang
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