Definition:Hämolyse (H), Anstieg der Lebertransaminasen (Elevated Liver Enzymes: EL) und Thrombozytopenie (Low Platelet Count: LP) während der Schwangerschaft oder postpartal. Das Syndrom ist häufig mit einer Präeklampsie assoziiert.
Häufigkeit:10–20 % der schwangeren Frauen mit schwerer Präeklampsie entwickeln ein HELLP-Syndrom.
Symptome:Laborchemische Trias von Transaminasenerhöhung, Thrombozytopenie und Hämolyseindikatoren. Häufige Begleitsymptome: Allgemeines Krankheitsgefühl, rechtsseitiger Oberbauchschmerz/epigastrischer Schmerz, Übelkeit und Erbrechen.
Befunde:Evtl. Proteinurie, arterielle Hypertonie, Ödeme und gelegentlich Palpationsschmerzen über der Leber.
Diagnostik:Labor (s. o.), ggf. engmaschige Überwachung bei grenzwertigen Befunden oder schnell abfallenden Thrombozytenzahlen.
Therapie:Stationär in einer Geburtsklinik. Die einzige sicher wirksame Maßnahme ist die Entbindung mit Entfernung der kompletten Plazenta. Die Entscheidung über den Entbindungszeitpunkt erfolgt individuell anhand der Risikokonstellation für Mutter und Kind.
Allgemeine Informationen
Definition
Hämolyse, erhöhte Lebertransaminasen und Thrombozytopenie während der Schwangerschaft
Das HELLP-Syndrom ist häufig mit einer Präeklampsie assoziiert.
Das HELLP-Syndrom entwickelt sich in 70–85 % der Fälle ante partum, bei den meisten Betroffenen zwischen der 27. und 37. Schwangerschaftswoche.
In bis zu 30 % der Fälle entwickelt sich das HELLP-Syndrom innerhalb der ersten 48 Stunden nach Entbindung. Bei 20 % der Frauen mit postpartalem HELLP-Syndrom gab es keine Anzeichen von Präeklampsie vor der Entbindung.
Selten tritt das Syndrom erstmals mehr als 72 Stunden nach der Entbindung auf, oder aber es sind 72 Stunden post partum noch keine Anzeichen für einen Rückgang festzustellen.
Ätiologie und Pathogenese
Die zugrunde liegende Ursache ist unbekannt.
Wie auch bei der Präeklampsie wird eine gestörte Invasion von Trophoblasten in den Myometriumabschnitt der Spiralarterien und eine eingeschränkte Plazentadurchblutung beobachtet.
In der Plazenta sind verschiedene sowohl genetische als auch immunologische Faktoren beteiligt.
In der Frühphase des HELLP-Syndroms kommt es wahrscheinlich zu Gerinnungsstörungen, die mit lokalen Thrombosen in der Plazenta einhergehen.
Die Aktivierung von Leukozyten und Makrophagen zieht die Ausschüttung von Zytokinen nach sich und kann zu Endothelschädigungen führen.
Im Fall einer Endothelschädigung wird Thromboplastin freigesetzt, das die intravaskuläre Koagulation und Fibrinolyse aktiviert.
Es kommt zu einem Anstieg von Fibronektin und D-Dimer sowie gelegentlich einer Thrombozytopenie im mütterlichen Blut.
Leberschädigung
Bei der klassischen Leberschädigung bei HELLP-Syndrom handelt es sich um eine Fibrinablagerung in den Lebersinusoiden. Die Durchblutung der Leber kann dadurch blockiert werden, und es kann zu einer periportalen Nekrose kommen.
Eine Hämolyse ist zwar auch an erhöhten Bilirubin- und GPT-Konzentrationen erkennbar, am sensitivsten ist allerdings ein niedriges Serum-Haptoglobin (< 0,2 g/l) (95–97 % aller HELLP-Betroffenen).
Weitere Hämolysezeichen sind Fragmentozyten im Blutausstrich, Hämaturie und zunehmende Anämie.
Die LDH ist bei HELLP-Syndrom nicht hämolysespezifisch, korreliert aber mit dem Schweregrad der Erkrankung.
Ein CRP-Anstieg (bis zu 62 %) kann als „Frühwarnsymptom“ auftreten.
Ggf. lässt sich als lebensbedrohliche Komplikation der Präeklampsie im Gerinnungslabor eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIG, Verbrauchskoagulopathie) nachweisen.
Da ein HELLP-Syndrom sehr häufig mit einer Präeklampsie vergesellschaftet ist und möglicherweise eine Sonderform der schweren Präeklampsie darstellt, erfordern Präeklampsie-typische Symptome immer die Abklärung eines HELLP-Syndroms und ggf. engmaschige Laborkontrollen, besonders bei abfallenden Thrombozytenzahlen, auch wenn sie sich noch innerhalb des Normbereichs befinden.
Prävalenz häufiger Begleitsymptome bei HELLP-Syndrom
Die Bauchschmerzen sind typischerweise epigastrisch, unter dem rechten Rippenbogen oder retrosternal lokalisiert, evtl. begleitet von Übelkeit und Erbrechen sowie Druckschmerzempfindlichkeit bei Palpation des oberen rechten Quadranten.
In der zweiten Schwangerschaftshälfte sollte bei Oberbauchschmerzen oder retrosternalen Schmerzen immer ein HELLP-Syndrom ausgeschlossen werden.1
Bei Präeklampsie sind häufig die Muskeleigenreflexe gesteigert.
In seltenen Fällen werden gastrointestinale Blutungen beobachtet.
Bei 5–20 % macht sich die Störung nicht durch Präeklampsie-typische klinische Symptome wie Hypertonie und Proteinurie bemerkbar. Auch Bauchschmerzen können fehlen.
Das klinische Bild kann dem von Viruserkrankungen oder Gallenwegserkrankungen ähneln (siehe Differenzialdiagnosen).
Postpartales HELLP-Syndrom
Bis zu 30 % der Fälle entwickeln sich nach der Entbindung, in der Regel innerhalb der ersten 48 Stunden.
Abfall der Thrombozytenzahl durch gesteigerten Verbrauch
Zeichen für die Entwicklung einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIG)
Weitere Untersuchungen im Krankenhaus
Blutuntersuchung (s. o.)
LDH und Thrombozytenzahl sind zur Beurteilung des Schweregrades eines HELLP-Syndroms und zur Überwachung der Erkrankung am besten geeignet.
Ein Anstieg von D-Dimer vor und nach der Entbindung bei einer Patientin mit Präeklampsie gilt als Risikofaktor für die Entwicklung eines HELLP-Syndroms.
Bestimmung der Laborwerte initial in 6- bis 8-stündlichen Abständen. Vor allem auch, wenn zu Beginn nur diskrete Veränderungen vorliegen, die die Diagnosekriterien noch nicht erfüllen.1
CTG
ggf. mit Kurzzeitvariation (KZV)
Ultraschall
Fetometrie (Beurteilung: Wachstum, Asymmetrie) und biophysikalisches Profil
Doppler-Sonografie (A. umbilicalis und ggf. A. cerebri media und Ductus venosus) (Ia)5
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Bei Vorliegen von mindestens 1 der folgenden Merkmale/Kriterien:1
klinischer oder laborchemischer Verdacht auf HELLP-Syndrom (v. a. persistierende Oberbauchschmerzen)
RR systol. ≥ 160 mmHg bzw. RR diastol. ≥ 110 mmHg (auch ohne Proteinurie)
manifeste Präeklampsie
Hypertonie/Proteinurie und starke Gewichtszunahme im 3. Trimenon (≥ 1 kg/Woche)
Hinweis für fetale Bedrohung (CTG/Doppler, IUGR): Indikation zur Einweisung auch bei unbedenklicher maternaler Situation
bei typischer Risikokonstellation für eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung: Vorstellung in einem Perinatalzentrum zur weiteren Abklärung und Therapieplanung
Blutdruckwerte ≥ 140/90 mmHg in Kombination mit weiteren Risikofaktoren können eine Klinikeinweisung erforderlich machen, z. B. bei vorbestehenden maternalen Erkrankungen, z. B.:
In den meisten Fällen kommt es daraufhin zu einer Besserung des klinischen Bildes und der Laborwerte innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Geburt.
Frühgeburt nach Möglichkeit verhindern.
Bei HELLP-Syndrom und ansonsten komplikationsloser Schwangerschaft vor der 34. SSW wird ein konservatives Vorgehen angestrebt (ggf. Blutdrucksenkung, Antikonvulsiva, Näheres siehe Artikel Präeklampsie).
Mittels konservativer Behandlung von der 24. bis 34. Schwangerschaftswoche kann der Zeitpunkt bis zur Entbindung hinausgezögert werden.
Die Behandlung bei drohender Frühgeburt und von Frühgeborenen erfolgt auch beim HELLP-Syndrom nach den üblichen Grundsätzen (siehe Artikel Frühgeburt).
Da sich der Zustand der Patientin innerhalb kurzer Zeit verschlechtern kann, soll die Behandlung in einer Geburtshilfeklinik erfolgen.
Die Schwangerschaftsprolongation ist unter Intensivüberwachung mit engmaschigen Laborkontrollen, der Möglichkeit der sofortigen Entbindung und der interdisziplinären Kooperation mit der Neonatologie und der Anästhesie möglich.
Einstellung von Blutdruck und Flüssigkeitshaushalt
Bei schnell einsetzender schwerer Präeklampsie: Magnesiumsulfat i. v. als antikonvulsive Therapie zur antikonvulsiven Prophylaxe (nur unter stationären Bedingungen)1
In den bisherigen Studien konnte kein Nutzen von Kortikosteroiden bei HELLP-Syndrom und Präeklampsie nachgewiesen werden. Eine solche Behandlung ist daher in der Regel nicht zu empfehlen.
Nur wenn ein Anstieg der Thrombozytenzahl nützlich erscheint, kann der Einsatz von Kortikosteroiden erwogen werden.
Prävention
Die derzeit einzige effektive Prävention der Präeklampsie bei Frauen mit anamnestischen Risiko und/oder einem hohen Präeklampsie-Risiko im First-Trimester-Screening besteht in einer ab der Frühschwangerschaft (möglichst vor der 16+0 SSW) beginnenden oralen Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (150 mg/d).1
Lag während einer vorausgegangenen Schwangerschaft ein HELLP-Syndrom oder eine frühzeitig einsetzende oder schwere Präeklampsie vor, dann ist die prophylaktische Gabe von Acetylsalicylsäure indiziert.
Postpartum oft mehrere Wochen Rekonvaleszenz, gehäuftes Vorkommen von vorübergehenden kognitiven Beeinträchtigungen, Stimmungsschwankungen und depressiver Verstimmung
Prognose
Mutter
3–5 % Mortalität
Ein besonders hohes Risiko besteht im Fall von erheblicher Hypertonie, fulminanter Hämolyse und Leberschädigung mit Ikterus sowie außerordentlich hohen Konzentrationen an GPT, GOT, LDH und schwerer Thrombozytopenie
Eine späte Diagnosestellung verschlechtert die Prognose.
Kind
Die perinatale Sterblichkeit wird mit 6–37 % angegeben. Gründe hierfür sind:
vorzeitige Plazentalösung
Asphyxie
fetale Wachstumsretardierung.
Sonstiges
Das Risiko, in weiteren Schwangerschaften erneut ein HELLP-Syndrom zu entwickeln, beträgt 3–4 %.
Bei frühzeitigem Beginn während der Schwangerschaft, d. h. vor der 32. Schwangerschaftswoche, beträgt das Risiko eines erneuten Auftretens während einer folgenden Schwangerschaft 42 %.
Verlaufskontrolle
Während der akuten Phase stationär
Wann die Patientin das Krankenhaus verlassen kann, orientiert sich u. a. an der Schwere des Bluthochdrucks (< 150/100 mmHg), der Leberschädigung und Proteinurie.
Frauen, die bereits früher ein HELLP-Syndrom hatten, können orale Kontrazeptiva einnehmen.
Bei Frauen mit HELLP-Syndrom in der Vorgeschichte sollte ggf. untersucht werden, ob eine Gerinnungsstörung vorliegt.
Frauen mit Thrombophilie sollten auf die Anwendung von oralen Kontrazeptiva verzichten.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie 015-018. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie 015-018. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Martin JN. HELLP syndrome. BMJ Best Practice. Last reviewed: 26 Jan 2021. Last updated: 04 Jan 2019. bestpractice.bmj.com
Abildgaard U, Heimdal K. Pathogenesis of the syndrome of hemolysis, elevated liver enzymes, and low platelet count (HELLP): a review. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2013; 166:117. PubMed
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 26.02.2021. www.dimdi.de
Alfirevic Z, Stampalija T, Dowswell T. Fetal and umbilical Doppler ultrasound in high-risk pregnancies. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017; Issue 6. Art: No.: CD007529. doi:10.1002/14651858.CD007529.pub4 DOI
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med. Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Hämolyse (H), Anstieg der Lebertransaminasen (Elevated Liver Enzymes: EL) und Thrombozytopenie (Low Platelet Count: LP) während der Schwangerschaft oder postpartal. Das Syndrom ist häufig mit einer Präeklampsie assoziiert.