Definition:Autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, bei dem es zur vermehrten Ansammlung von Kupfer vorrangig in Leber und Gehirn kommt.
Häufigkeit:Etwa 1 von 90 Menschen ist heterozygot, etwa 1 von 30.000 homozygot. Die Inzidenz pro Jahr wird mit 1:1.000.000 Einwohnern angegeben.
Symptome:Insgesamt große Heterogenität bzgl. des Schweregrades und der Ausbildung der Symptome. Kann infolge einer schubweise erfolgenden Abgabe von Kupfer ins Plasma akut ausbrechen und sich dann in Hepatitis, Leberversagen oder Hämolyse äußern. Bei einem eher schleichenden Auftreten der Erkrankung kommt es zu neuropsychiatrischen Symptomen, Persönlichkeitsveränderungen und Störungen der Feinmotorik. Unbehandelt verläuft die Erkrankung tödlich.
Befunde:Bei jüngeren Patienten sind Symptome einer Hepatitis bzw. eines Leberversagens sowie neurologische Veränderungen typisch. Bei älteren Patienten manifestieren sich anfänglich Sprachstörungen, Dyskinesie und Tremor.
Diagnostik:Kupfer in Urin und Plasma, Leberwerte, Coeruloplasmin (niedrig). Bei der Spaltlampen-Untersuchung zeigt sich ggf. ein Kayser-Fleischer-Kornealring am Auge.
Therapie: Symptomatisch mittelsChelat-Therapie mit Penicillamin oder Triethylentetramin. Auch die Gabe von Zink stellt eine Therapieoption dar.
Allgemeine Informationen
Definition
Synonyme: hepatolentikuläre Degeneration oder Pseudosklerose Westphal1-2
Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, bei der es zur vermehrten Ansammlung von Kupfer in den Organen kommt.
Eine verminderte billiäre Ausscheidung führt zur Einlagerung von Kupfer meist zunächst in der Leber, später auch in andere Gewebe.
Die größten Schäden verursachen Kupfereinlagerungen in der Leber und im Gehirn.
Klinisch äußert sich die Erkrankung hauptsächlich durch hepatische, neurologische und psychiatrische Symptome.2-3
Die Erkrankung wird durch eine Mutation im Gen ATP7B verursacht, das die Kupfer transportierende ATPase 2 – einen intrazellulären Kupfertransporter – kodiert.
Häufigkeit
Etwa 1 von 90 Menschen ist heterozygot, etwa 1 von 30.000 homozygot.
Die Inzidenz pro Jahr wird mit 1:1.000.000 Einwohnern angegeben.
In Anbetracht der Genfrequenz von 0,3–0,7 % ist die Erkrankung möglicherweise erheblich unterdiagnostiziert.
In der Regel tritt die Erkrankung in der Altersgruppe 5–35 Jahre auf.
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
Der Gendefekt betrifft das Chromosom 13.
Bislang sind mehr als 350 Mutationen im Wilson-Gen ATP7B bekannt.1
Pathogenese
Der Gendefekt führt zu einer Störung der Aktivität des Wilson-Protein, einem intrazellulärem Kupfertransporter.1
Hierdurch kommt es zu einer verminderten billiären Kupferausscheidung und einer verminderten Bindung an Coeruloplasmin. Folglich reichert sich vermehrt Kupfer in den Organen an.
Pathologie
Die größten Kupfereinlagerungen finden sich in der Leber.
Im Verlauf erreicht die Kupferkonzentration hier einen toxischen Wert, wodurch eine akute oder chronische Hepatitis, Fibrose oder Zirrhose ausgelöst werden können.
Außerdem kommt es zu Kupfereinlagerungen in folgenden Organen:
Gehirn: ggf. neurologische und psychiatrische Symptome
Hornhaut: ggf. Kayser-Fleischer-Kornealring
Nieren: vermehrte Kupferausscheidung über den Urin.
Außerdem sinkt die Konzentration des Proteins Coeruloplasmin im Blut, das für den Kupfertransport verantwortlich ist, wobei seine Bedeutung für die Pathogenese nicht abschließend geklärt ist.
Mögliche hepatische Manifestationen sind akutes Leberversagen mit hämolytischer Anämie, akuter Hepatitis, chronischer Hepatitis, Leberzirrhose, Steatose und asymptomatische Blutwertveränderungen.4
Die neurologischen Manifestationen sind vielfältig und können zu verschiedenen Symptomen führen, häufig zunächst Sprech- und Bewegungsstörungen, später entwickeln die Patienten komplexe neurologische Symptome.4
Prädisponierende Faktoren
Es handelt sich um eine Erbkrankheit.
Dank der Lokalisierung des Gendefekts lässt sich die Erkrankung bei Verwandten heute im Frühstadium erkennen und Leberschäden vorbeugen.5-6
Ein Familienscreening für Geschwister und Kinder ab dem 5. Lebensjahr wird empfohlen.1
Andere Ursachen einer Hepatitis und eines toxischen Leberschadens
Erkrankungen der Basalganglien
Psychiatrische Erkrankungen
Anamnese
Unterschieden wird ein asymptomatisches und symptomatisches Stadium
Zudem gibt es einen neurologischen sowie einen nicht-neurologischen Verlaufstyp; welcher Typ sich jeweils ausbildet, ist bislang unklar.1
Früher Ausbruch
Überwiegend asymptomatisch oder Manifestation einer Hepatitis, eines Leberversagens oder einer Hämolyse aufgrund einer schubweise erfolgenden Freisetzung von Kupfer ins Blutplasma
Später Ausbruch (ab Adoleszenz)
Überwiegend neuropsychiatrische Symptome, Störungen der Feinmotorik und Koordination sowie Persönlichkeitsveränderungen
Treten bei bis zu 35 % aller Patienten mit der Wilson-Krankheit auf.7
Können sich in Parkinson-ähnlichem Tremor, Rigidität, Gehschwierigkeiten, undeutlicher Artikulation, unpassender oder nicht kontrollierbarer Mimik (Risus sardonicus) und vermehrter Speichelbildung äußern.
Bei diesem Ring handelt es sich um Kupfereinlagerungen in der Descemet-Membran am Rand der Hornhaut. Dieser tritt von oben beginnend auf und ist am oberen und unteren Pol am stärksten ausgeprägt.
Das Symptom lässt sich am besten in einer Spaltlampen-Untersuchung feststellen, fehlt aber bei jüngeren Patienten häufig ganz.
Der Ring ist von brauner oder grau-grüner Färbung.
Er dient als starkes Zeichen einer neuropsychiatrischen Erkrankung, fehlt aber bei ausschließlich hepatischer Manifestation häufig.
Ein Kayser-Fleischer-Kornealring bildet sich nach wirksamer medikamentöser Behandlung der Wilson-Krankheit oder erfolgter Lebertransplantation nach und nach zurück.
Jede unklare nicht infektiöse Lebersymptomatik und jede unklare extrapyramidale Bewegungsstörung insbesondere bis zum 45. Lebensjahr sollten zum differenzialdiagnostischen Ausschluss eines Morbus Wilson veranlassen.
Die Kupferausscheidung über den Urin ist erhöht, die Kupferkonzentration im Serum aber niedrig.
GPT (ALAT) erhöht bei akuter oder chronischer Hepatitis. Der Grad der Erhöhung lässt nur unzureichende Rückschlüsse auf den Grad der histologischen Schädigung zu.8
Ein Wert unter 20 mg/dl (1,25 µmol/l) bei Patienten mit Kayser-Fleischer-Kornealringen gilt als diagnosebestätigend.7
Diagnostik beim Spezialisten
Durch eine Leberbiopsie lassen sich Steatose, akute oder chronische Hepatitis sowie Leberfibrose oder -zirrhose nachweisen. Darüber hinaus wird die Kupferkonzentration in der Leberbiopsieprobe bestimmt.
Zugunsten einer nichtinvasiven Diagnostik kann auch ein intravenöser Radiokupfertest durchgeführt werden.1
Chelat-Therapie mit Triethylentetramin (vorzugsweise) oder Penicillamin, alternativ Therapieversuch mit Zink
Symptomatische Patienten
Chelat-Therapie mit Penicillamin oder Triethylentetramin. Letzteres ist möglicherweise vorzuziehen.
Die Initialtherapie dauert durchschnittlich 4–6 Monate und ist beendet, wenn die Serumkonzentration des freien Kupfers im Normbereich ist. Die 24-Stunden-Kupferausscheidung im Urin sollte weniger als 500 µg betragen.4 Danach kann die Therapie auf die jeweilige Erhaltungsdosis umgestellt werden.
Schwangerschaft
Penicillamin scheint in der Schwangerschaft keine Gefährdung darzustellen, während zu Triethylentetramin nur begrenztes Datenmaterial vorliegt.
Im 3. Trimester der Schwangerschaft ist die Dosis auf 25–50 % der ursprünglichen Dosis zu senken.
Idealerweise sollte vor einer geplanten Schwangerschaft die Entkupferung des Organismus erreicht sein und auf eine Therapie mit Zink umgestellt werden.1
Unter Penicillamin ist ein Stillen nicht möglich.1
Regelmäßige Kontrolle der Kupferkonzentration im Körper durch 24-Stunden-Sammelurin und Berechnung des nicht an Coeruloplasmin gebundenen Kupfers (nach 2-tägiger Medikamentenpause) sollten unter Therapie erfolgen.
Empfehlungen für Patienten
Auf kupferreiche Nahrungsmittel wie Innereien, Krustentiere, Nüsse, Kakao und Rosinen sollte verzichtet werden.1
Medikamentöse Therapie
Penicillamin
Penicillamin bindet das Kupfer und bewirkt dessen vermehrte Ausscheidung über den Urin.
Da Penicillamin ein Antimetabolit von Pyridoxin (Vitamin B6) ist, empfiehlt sich die gleichzeitige Verabreichung dieses Vitamins.
insgesamt hohes Nebenwirkungsprofil mit dosisabhängige Toxizität: Erythem, Blutbildveränderungen, leichte Proteinurie, Hautallergie, Pemphigus, Immunkomplexnephritis, Tubulopathie, nephrotisches Syndrom, Lupus erythematodes, Knochenmarkdepression u. a.1,4
Triethylentetramin
Bindet als Chelatbildner ebenfalls Kupfer und wird u. a. bei Unverträglichkeit gegenüber Penicillamin eingesetzt.10
Nebenwirkung: Eisenmangelanämie, daher wird eine parallele Eisensubstitution empfohlen.4
Perorale Gabe von Zink
Zink vermindert die Absorption von Kupfer.
Ist aber ggf. weniger wirksam als die beiden erstgenannten Chelatbildner.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Bei fulminantem Leberversagen ist eine Lebertransplantation erforderlich.
Bis eine Spenderleber zur Verfügung steht, sind ggf. Plasmapherese, Austauschtransfusionen, Hämofiltration oder Dialyse indiziert.
Prävention
Auf Lebensmittel mit hohem Kupferanteil verzichten.
Screening aller Geschwister
Coeruloplasmin-Konzentration im Serum, Leberwerte und Spaltlampen-Untersuchung
Auch asymptomatische Homozygoten sind zu therapieren.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Ohne Therapie schreitet die Erkrankung fort und verläuft tödlich.
Durch die Therapie lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung stoppen und ist z. T. auch reversibel.1
Schädigung anderer Organe, insbesondere der Basalganglien
Prognose
Unbehandelt führt die Erkrankung zum Tod.
Patienten, bei denen vor dem Auftreten von Leber- und Hirnschäden mit der Therapie begonnen wird, haben eine gute Prognose.
Auch Patienten mit einer fortgeschrittenen Lebererkrankung haben eine normale Lebenserwartung, wenn sie behandelt werden; jedoch können Nebenwirkungen durch die Behandlung auftreten.
Bei Patienten, die eine Lebertransplantation erhalten haben, ist die Prognose gut.
Bei fulminanten Leberversagen ist die Prognose ohne Lebertransplantation schlecht. Bei akutem Ausbruch ist die Erkrankung schwer zu diagnostizieren.
Bei therapierten Patienten mit chronischer Hepatitis führt die Erkrankung in bis zur Hälfte der Fälle zum Tod.
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Morbus Wilson. AWMF-Leitlinie Nr. 030-091. S1, Stand 2012. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Morbus Wilson. AWMF-Leitlinie Nr. 030-091, Stand 2012. www.awmf.org
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Schmidt, H. Diagnostik und Therapie des Morbus Wilson. Dtsch Arztebl 2003; 100(4): A 192–197. www.aerzteblatt.de
McCarthy M, Wilkinson ML. Hepatology. Clinical Review. BMJ 1999; 318:1256-9 British Medical Journal
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Schilsky ML, Scheinberg IH, Sterlieb I. Liver transplantation for Wilson's disease: Indications and outcome. Hepatology 1994; 19: 583. PubMed
Kaplan MM. Treatment of Wilson disease. UpToDate, last updated Nov 12, 2009. UpToDate
Scheinberg IH, et al. The use of trientine in preventing the effects of interrupting penicillamine therapy in Wilson's disease. N Engl J Med 1987; 317: 209. New England Journal of Medicine
Autoren
Kristine Scheibel, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norderney
Hanns-Ulrich Marschall, professor och överläkare, Medicinkliniken gastrosektionen, Sahlgrenska universitetssjukhuset, Göteborg
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
E83; E830
d99 annan sjukdom i matsmältningsorganen; wilson-krankheit; Morbus Wilson
T99
Morbus Wilson; M. Wilson; Kupfer; hepatolentikuläre Degeneration; Pseudosklerose Westphal; Gen ATP7B; Leber; Kupferausscheidung Urin; erhöhte Leberwerte; Kupferspeicherkrankheit; Degeneratio hepatolenticularis
Wilson-Krankheit
U-NH 06.03.18
BBB MK 19.08.2019, sprachlich und inhaltlich überarbeitet;
Revision at 04.12.2015 16:48:22:
German Version
Definition:Autosomal-rezessiv vererbter Stoffwechseldefekt, bei dem es zur vermehrten Ansammlung von Kupfer vorrangig in Leber und Gehirn kommt. Häufigkeit:Etwa 1 von 90 Menschen ist heterozygot, etwa 1 von 30.000 homozygot. Die Inzidenz pro Jahr wird mit 1:1.000.000 Einwohnern angegeben.
Magen-Darm-Trakt
Morbus Wilson
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