Definition:Immunologische Überempfindlichkeitsreaktion auf Kuhmilcheiweiß, die sowohl IgE-vermittelt als auch nicht-IgE-vermittelt sein kann.
Häufigkeit:Inzidenz in den ersten 2 Lebensjahren in Europa etwa 0,5 %, in Deutschland < 0,3 %. Bei Erwachsenen sehr selten.
Symptome:Symptombeginn meist im 1. Lebensjahr mit Einführung von Kuhmilchprodukten. Typischerweise sind verschiedene Organsystem betroffen, u. a. kutan (Urtikaria), respiratorisch (Dyspnoe) und gastrointestinal (Spucken, Koliken).
Befunde:Meist klinisch unauffälliger Befund. Manchmal flüssiger/wässriger Stuhl. Bei schwerer Mangelernährung durch Allergie Perzentilenknick.
DiagnoseDiagnostik:Anamnese der Eltern (Ernährungs-/Symptomtagebuch), klinischer Score (CoMiSS) und oraler Provokationstest.; Ggfsggf. spezifische IgE-Bestimmung.
Therapie:Eliminationsdiät mit regelmäßigen Versuchen der Wiedereinführung (hohe Toleranzentwicklung im Verlauf). Milchersatz bei Säuglingen durch Extensivhydrolysate oder alternativ Aminosäurenformula.
Allgemeine Informationen
Definition
Synonyme: Milcheiweißallergie, Milchallergie
Reaktion vom Immunsystem auf fremdes Protein aus Kuhmilch1
Hauptallergene Molke und Casein
Es existiert sowohl IgE- als auch nicht-IgE-vermittelte Kuhmilchallergie.
Kuhmilchallergie darf nicht mit Milchunverträglichkeit verwechselt werden, wie beispielsweisez. B. Laktoseintoleranz oder Galaktosämie, bei denen es sich um nicht-immunologischenichtimmunologische Nahrungsmittelreaktionen handelt.
einige Stunden nach Verzehr von kuhmilchhaltiger Nahrung gastrointestinale Symptomen wie Regurgitation und Säuglingskoliken (nicht-IgE-vermittelt)
OraleEine orale Nahrungsmittelprovokation (besonders die doppelblind placebokontrolliert durchgeführte) ist Goldstandard in der Diagnostik IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien.7
Spezifische IgE-Bestimmung oder Haut-Prick-Test unterstützen die Diagnose einer Kuhmilchallergie.7
Bei einer bestehenden Kuhmilchallergie, insbesondere im Säuglingsalter und ggf. Kleinkindesalter, sollen Extensivhydrolysate oder alternativ Aminosäurenformula empfohlen werden.
Im Verlauf entwickelt die Mehrheit der Kinder eine Toleranz, sodass eine Notwendigkeit der Eliminationsdiät regelmäßig überprüft werden sollte.7
Reevaluation mittels Provokation bei kleinen Kindern im Abstand von (6–)12 Monaten und bei älteren Kindern im Abstand von 12–18 Monaten.
Bei erhöhtem AnaphylaxierisikoAnaphylaxie-Risiko sollte zudem eine angemessene Notfallmedikation verordnet werden (Adrenalin-Autoinjektor).5
Diätbehandlung
Bei einer Kuhmilchallergie im 1. Lebensjahr empfiehlt die deutsche Leitlinie therapeutische Spezialnahrung (Extensivhydrolysat, Aminosäureformula).7
In der Regel wird als erste1. Wahl auf Extensivhydrolysat zurückgegriffen.
Für Betroffene mit schweren Symptomen (vor allem auch gastrointestinal) können Aminosäurenformula vorteilhaft sein.
Möglicherweise positive Beeinflussung einer manifesten Kuhmilchallergie durch Supplementierung der extensiven Hydrolysatnahrung mit humanen Milch-Oligosacchariden (identische Struktur wirwie Oligosaccharide in der Muttermilch). 8
Positiverpositiver Einfluss auf Mikrobiom des Säuglings möglich.
Durch Erhitzen kann sich die Proteinstruktur so verändern, dass sie das Immunsystem nicht mehr als Allergene erkennt.3
Deshalb kann eine Mehrzahl der Kinder mit IgE-vermittelter Kuhmilchallergie Milchprodukte vertragen, die für ≥ 30 Minutenmin bei mindestens 180 °C verarbeitet wurden.
Diätetische Restriktionen (Meidung potenter Nahrungsmittelallergenquellen) während der Schwangerschaft oder Stillzeit sollen aus Gründen der Allergieprävention nicht erfolgen.
Für den Zeitraum der ersten 4–6 Monate soll nach Möglichkeit ausschließlich gestillt werden.
Ein Zufüttern von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen sollte bei Stillwunsch der Mutter vermieden werden.
Wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt werden kann, soll eine Säuglingsanfangsnahrung gegeben werden. Für Risikokinder sollte geprüft werden, ob bis zur Einführung von Beikost eine Säuglingsanfangsnahrung mit in Studien zur Allergieprävention nachgewiesener Wirksamkeit verfügbar ist.
Soja-basierteSojabasierte Säuglingsnahrungen sind zum Zweck der Allergieprävention nicht geeignet und sollen folglich nicht zu diesem Zweck gegeben werden.
Da es keine Belege für eine allergiepräventive Wirkung von anderen Tiermilchen, wie Ziegen- (auch nicht als Basis von Säuglingsnahrungen), Schafs- oder Stutenmilch gibt, sollten diese ebenfalls nicht zum Zweck der Allergieprävention gegeben werden.
Abhängig von der Bereitschaft des Säuglings sollte mit der Fütterung von Beikost frühestens ab Beginn des 5. und spätestens ab Beginn des 7. Lebensmonats begonnen werden.
Für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergenquellen im ersten1. Lebensjahr gibt es keine Belege. Sie sollte deshalb nicht erfolgen.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Vielfalt der Ernährung des Kindes im 1. Lebensjahr einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat.
Eine vielfältige Ernährung beinhaltet auch, dass Fisch und eine begrenzte Menge (bis zu 200 ml pro Tag) Milch bzw. Naturjoghurt sowie Hühnerei im Rahmen der Beikost eingeführt werden.
Muss aufgrund von Stillproblemen in ersten Lebenstagen zugefüttert werden, so sollte -– wenn die Mutter den Wunsch äußert, später stillen zu wollen -– dafür unbedingt kuhmilchfreie Formulanahrung verwendet werden.5
Prävalenz von Nahrungsmittelallergien nach zwei Jahren 13,2 %, wenn Kinder in den ersten Lebenstagen kuhmilchbasierte Formula erhalten hatten; dagegen nur 2,6 %, bei kuhmilchfreier Aminosäure-Formula.9
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
In 57 % (bei IgE-vermittelter Kuhmilchallergie) bis sogar 100 % (bei nicht IgE-vermittelter Kuhmilchallergie) der Fälle entwickelt sich innerhalb von 12 Monaten eine natürliche Toleranz.2
Daher ist eine regelmäßige Reevaluation (alle 6–18 Monate) mittels Provokationstestung empfohlen.7
Eine im Erwachsenenalter erworbene Kuhmilchallergie bleibt normalerweise lebenslang bestehen.3
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI). Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien. S2k, AWMF-Leitlinie Nr. 061-031. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
Literatur
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Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Allergen Milcheiweiß. Stand 23.03.22. Letzter Zugriff 08.05.22. www.lgl.bayern.de
Conrado AB, Ierodiakonou D, Gowland MH, et al. Food anaphylaxis in the United Kingdom: analysis of national data, 1998-2018. BMJ 2021; 372: 251. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Däbritz J. Hat die Darmmikrobiota einen Effekt auf eine Kuhmilchallergie?. Pädiatrie 2021; 33: 12. link.springer.com
Urashima M, Mezawa H, Okuyama M, et al. Primary Prevention of Cow's Milk Sensitization and Food Allergy by Avoiding Supplementation With Cow's Milk Formula at Birth: A Randomized Clinical Trial. AMA Pediatr 2019; 173(12): 1137-45. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmediziin, Frankfurt a. M.
TrineDie Hessevikursprüngliche PaulsenVersion dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, Allgemeine und Redaktionsmitarbeiterin bei NEL
Milchallergie; Kuhmilcheiweißallergie; Milcheiweißallergie; Caseinallergie; Molkeallergie; Allergie gegen Molke; Allergie gegen Casein; Allergie gegen Kuhmilch
Kuhmilchallergie
U-NH 17.08.17
BBB MK 15.04.2022 erste Revision für D, gekürzt und umgeschrieben.
Definition:Immunologische Überempfindlichkeitsreaktion auf Kuhmilcheiweiß, die sowohl IgE-vermittelt als auch nicht-IgE-vermittelt sein kann. Häufigkeit:Inzidenz in den ersten 2 Lebensjahren in Europa etwa 0,5 %, in Deutschland < 0,3 %. Bei Erwachsenen sehr selten.