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Erkrankungen als Folge des Klimawandels

Allgemeine Informationen

Definition

  • Der Klimawandel wirkt sich auf die Gesundheit der Bevölkerung aus, auch in Deutschland.
    • Die Sommer in den Jahren 2003, 2018 und 2019 waren in Deutschland die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.1
      • Das Jahresmittel der Lufttemperatur im Flächenmittel von Deutschland von 1881 bis 2018 ist um 1,5 °C angestiegen.
    • Ohne Maßnahmen steigt die Durchschnittstemperatur in Deutschland laut Prognosen bis 2050 um 1,0–1,3 °C und bis 2100 um 3,7 °C im Vergleich zu 1971 bis 2000 an.2  
  • Folgen für die Gesundheit
    • allgemeiner Temperaturanstieg: Zunahme von Pollenflug, kranheitsübertragenden Organismen, Infektionskrankheiten, Abnahme der Trinkwasserqualität
    • erhöhte UV-Einstrahlung: Hauterkrankungen, Hautkrebs
    • Extremwetterlagen
      • Hitzewellen: Hitzeschäden
      • psychische Folgen von Sturm/Hochwasser

Häufigkeit

  • 2018 gehörte Deutschland zu den am stärksten von wetterbedingten Schadensfällen durch extreme Hitze betroffenen Ländern (neben Indien und Japan).3
  • Eine zunehmende Häufigkeit von klimawandelbedingten Erkrankungen ist zu erwarten.
  • Hitzebedingte Mortalität
    • 2018 in Berlin und Hessen: 12/100.000 Einw., bei 75- bis 84-Jährigen 60/100.000 und bei den über 84-Jährigen 300/100.0002
    • aufgrund der Hitzewellen in ganz Deutschland 2003 ca. 7.500 Todesfälle, 2006 und 2015 jeweils 6.0001

Gesundheitsschäden und deren Ursachen

Gesundheitliche Auswirkungen von Hitze

  • Hitzewellen werden häufiger; besonders betroffen sind Kinder, im Freien arbeitende Personen, isoliert lebende Menschen, chronisch Kranke und Ältere.1-2,4
    • negativer Einfluss auf die Konzentration mit erheblicher Fehler- und Unfallanfälligkeit im Arbeitsleben
    • Belastung für die mentale Gesundheit, führt zu erhöhter Aggression und Gewaltbereitschaft.
    • erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Erkrankungen
    • Bei Hitze treten vermehrt Asthmaanfälle auf, durch erhöhte Ozonkonzentration in der Außenluft verschlechtern sich Atemwegserkrankungen.
    • während der Hitzewellen signifikanter Anstieg der Frühgeburtsrate und erhöhtes Risiko für geringes Geburtsgewicht oder Totgeburt
    • starke Belastung des Herz-Kreislauf-Systems u. a. durch Dehydratation und andere Störungen des Wasser- und Elektrolyt-Haushaltes: erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Thrombosen
    • erhöhte Wahrscheinlichkeit von Nierenerkrankungen, z. B. akute und chronische Niereninsuffizienz
    • mehr Besuche in Notaufnahmen und Klinikaufenthalte
    • Kann besonders bei Personen mit chronischen Erkrankungen zum Tod führen.
  • Für weitere Informationen siehe die Artikel Hitzeschäden und Hitzschlag, Akutbehandlung.

Infektionskrankheiten

  • Parasiten und Insekten aus subtropischen und tropischen Regionen können aufgrund des wärmeren Klimas in Deutschland ansiedeln. Heimische Vektoren können sich bei wärmeren Temperaturen besser vermehren.2
  • Asiatische Tigermücke1-2
  • Zecken (Ixodes ricinus)2
    • Übertragung von Borreliose und FSME
    • klimawandelbedingt keine Winterruhe der Zecken, Winteraktivität mit Infektionsmöglichkeit auch im Winterhalbjahr
    • besonders hohe FSME-Fallzahlen in heißen Jahren
  • Cyanobakterien (Blaualgen) und Vibrio vulnificus1-2
    • verstärkte Vermehrung bei hohen Wassertemperaturen in Seen und Ostsee

Atemwegserkrankungen

  • Verlängerte Pollenflugzeit wegen längerer und heißerer Sommer2
  • Ansiedlung besonders allergener Pflanzen aufgrund des wärmeren Klimas1-2
    • z. B. Ambrosia artemisiifolia (Beifuß-Ambrosie, ursprünglich aus Nordamerika)
  • Luftverschmutzung entsteht zusammen mit den klimawandelverursachenden CO2-Emissionen: Feinstaub, Aerosole, Stickoxide2
    • laut WHO weltweit 7 Mio. Todesfälle jährlich durch Luftverschmutzung
    • in Deutschland jährlich 198.000 Todesfälle durch Folgen schlechter Luftqualität (mehr als durch Rauchen)
    • Auslösung oder Verschlechterung von:

Psychische Erkrankungen

  • Psychische Folgen von Naturkatastrophen2
  • Stress durch Hitze2
    • vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen bei hohen Temperaturen
    • Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit
    • Hitze kann Aggressivität und Gewaltbereitschaft fördern.
    • während der Hitzewellen Zunahme körperlicher und häuslicher Gewalt

Hauterkrankungen

Erkrankungen durch abnehmende Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit

  • Extremwetterereignisse (Dürre, Hitze, Starkregen) beeinträchtigen die Landwirtschaft.2
    • Zunahme des Schädlingsbefalls durch Insekten und Pilze führen zu Ernteunsicherheit.
  • Zerstörte Ernten führen zu höheren Lebensmittelpreisen.3
  • Starkregen, Überschwemmungen und Trockenperioden wirken sich auf Qualität und Verfügbarkeit von Trinkwasser aus.2

Besondere gesundheitliche Folgen für Kinder

  • Kinder sind am anfälligsten für infektiöse Durchfallerkrankungen.
  • Zunahme von Asthma und Allergien (s.o.)
  • Kinder sind anfällig für Hitzeschäden.
  • Psychische Belastung durch Naturkatastrophen

Maßnahmen und Prävention

  • Spezifische Diagnostik, Therapie und Beratung bei bestimmten Gesundheitsstörungen und Erkrankungen sind in den einzelnen verlinkten Krankheitsartikeln beschrieben.

Beratung zur Prävention

Individuelle Maßnahmen

  • Rechtzeitige Hitzewarnungen, die zu folgenden Maßnahmen führen sollten:1
    • Vermeidung starker körperlicher Anstrengungen
    • ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytaufnahme
    • Kühlung von Räumen
    • in Einrichtungen ggf. Unterstützung durch Betreuungs- und Pflegepersonal 
  • Beratung zur Eigenvorsorge in Notfallsituationen1
    • Klärung und ggf. Anpassung des Versicherungsschutzes
  • Beratung zu Sonnenschutzmaßnahmen5
    • In der Mittagszeit Schatten suchen.
    • Sonnenschutzmittel verwenden (mind. LSF 30, gleichmäßig auftragen, nach 2 Stunden und nach dem Baden wiederholen).
    • geeignete Kleidung, Kopfbedeckung, Sonnenbrille
  • Beratung zu gesunder, fleischarmer Ernährung und körperlicher Bewegung
    • Planetary Health Diet: gesunde Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft2
      • weniger tierische Produkte
      • pflanzenbasierte Ernährung
      • Reduziert u. a. das kardiovaskuläre Risiko.

Allgemeine und politische Maßnahmen

  • CO2-Emissionen reduzieren. 
    • Ernährung7
      • Implementierung von Ernährungsleitlinien und Qualitätsstandards, die sich auf Gesundheit und Nachhaltigkeit konzentrieren.
      • verbindliche Marketingbestimmungen zum Schutz von Kindern
      • Verbesserung von Ernährungsbildung
    • Begünstigung von nicht-motorisiertem Transport und körperlicher Bewegung7
      • verbesserte Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur
      • Förderung öffentlicher Verkehrsmittel
    • grüne Energie statt Kohleverbrennung2
    • Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor2
    • Schaffung gesunder und nachhaltiger städtischer Räume7
  • Klimaanpassung5,7
    • im Städtebau
      • Schaffung von Grünflächen, Schatteninseln, Windkanälen, Kühlung durch Gewässer, Beschattung von Gewässern, weniger Bodenversiegelung
    • in öffentlichen Gebäuden
    • in Arztpraxen/am Arbeitsplatz
      • Kühlung, Getränke bereitstellen, Schließung in der Mittagszeit (um Anfahrten in der größten Hitze für Patient*innen zu vermeiden).
    • Maßnahmen zum Hochwasserschutz

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Patienteninformationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis. AWMF-Leitlinie Nr. 053-052. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Krebsgesellschaft. Prävention von Hautkrebs. AWMF-Leitlinie 032-052OL. S3, Stand 2021. www.awmf.org

Literatur

  1. Umweltbundesamt. Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie der Bundesregierung. (letzter Zugriff am 28.09.2021) www.umweltbundesamt.de
  2. Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit. KLUG. Klimawandel & Gesundheit. (letzter Zugriff am 28.09.2021) www.klimawandel-gesundheit.de
  3. Eckstein D, Künzel V, Schäfer L, Winges M (2019): GLOBAL CLIMATE RISK INDEX 2020 – Who Suffers Most from Extreme Weather Events? Weather-Related Loss Events in 2018 and 1999 to 2018. Germanwatch.org. germanwatch.org
  4. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis. AWMF-Leitlinie Nr. 053-052. Stand 2020 www.awmf.org
  5. Deutsche Krebsgesellschaft. Prävention von Hautkrebs, AWMF-Leitlinie 032-052OL. Stand 2021. www.awmf.org
  6. Umweltbundesamt. Klimawandel und Gesundheit. Welche Probleme verursachen Wärme liebende Schadorganismen? Abschlussbericht. März 2010 (letzter Zugriff am 28.09.2021) www.umweltbundesamt.de
  7. The Lancet Countdown on Health and Climate Change. Policy Brief für Deutschland 2020 DEZEMBER 2020. klimagesund.de

Autorin

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Hitzewelle; Starkregen; Temperaturanstieg; Extremwetterlage; Sturm; Hochwasser; klimawandelbedingte Erkrankung; Hitzeschäden; Gesundheitsschäden; Hitze; Ozon; Tigermücke; Blaualgen; Cyanobakterien; Luftverschmutzung; Naturkatastrophe; CO2
Erkrankungen als Folge des Klimawandels
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Der Klimawandel wirkt sich auf die Gesundheit der Bevölkerung aus, auch in Deutschland. Die Sommer in den Jahren 2003, 2018 und 2019 waren in Deutschland die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.1 Das Jahresmittel der Lufttemperatur im Flächenmittel von Deutschland von 1881 bis 2018 ist um 1,5 °C angestiegen. Ohne Maßnahmen steigt die Durchschnittstemperatur in Deutschland laut Prognosen bis 2050 um 1,0–1,3 °C und bis 2100 um 3,7 °C im Vergleich zu 1971 bis 2000 an.2  
Gesundheitsförderung/Prävention
Klimawandel, Erkrankungen als Folge
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Klimawandel, Erkrankungen als Folge
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