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Divertikulitis

Zusammenfassung

  • Definition:Akute Entzündung von Darmdivertikeln mit Schmerzen, Fieber und Stuhlveränderungen. Kann zu Perforation, Obstruktion, Abszess- und/oder Fistelbildung und Adhäsionen führen.
  • Häufigkeit:Ca. 13–66 % der Gesamtbevölkerung haben eine Divertikelkrankheit. Die Prävalenz nimmt mit dem Alter stark zu. 4,3 % der Patient*innen mit Divertikelkrankheit entwickeln im Laufe von 10 Jahren eine Divertikulitis.
  • Symptome:Linksseitige Bauchschmerzen, Fieber, Stuhlveränderungen, evtl. Erbrechen.
  • Befunde:Lokaler Druckschmerz im linken Unterbauch, evtl. Abwehrspannung, Fieber.
  • Diagnostik:CRP, Sonografie, ggf. CT.
  • Therapie:Beobachtung, bei Risiko für einen komplizierten Verlauf oder komplizierter Divertikulitis Antibiotika; bei schweren Komplikationen Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Divertikulose
    • Multiple Ausstülpungen der Darmschleimhaut (Mukosa und Submukosa) durch muskelschwache Lücken der Kolonwand; häufig im Sigma, aber auch im deszendierenden Kolon lokalisiert
  • Divertikelkrankheit  
    • bei Symptomen, einer Entzündung und/oder Komplikationen
    • bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit (SUDD) Schmerzen mit Bezug auf das divertikeltragende Segment
  • Divertikulitis
    • akute Entzündung der Darmdivertikel und angrenzender Strukturen mit Schmerzen, Fieber und Stuhlveränderungen
  • Akute, komplizierte Divertikulitis 
    • bei Perforation, Peritonitis, Abszess- und/oder Fistelbildung 
  • Chronische Divertikulitis 
    • rezidivierende oder persistierende Entzündungsschübe, Komplikationen: Stenose, Fisteln
  • Weitere Komplikationen einer Divertikelkrankheit
    • untere gastrointestinale Blutung, chronisch komplizierte Divertikulitis, postdivertikulitische Stenose
  • Siehe Tabelle Klassifikation der Divertikulitis/Divertikelkrankheit.

Häufigkeit

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Altersverteilung der Divertikulose 
    • Für westliche Industrienationen werden folgende Prävalenzen angegeben:
      • ca. 13 % für Personen unter 50 Jahren
      • ca. 30 % für Personen zwischen 50 und 70 Jahren
      • ca. 50 % für Personen zwischen 70 und 85 Jahren
      • ca. 66 % für Personen älter als 85 Jahre.
    • Die Prävalenz der Divertikulose bzw. der Divertikelkrankheit nimmt mit dem Alter stark zu, bei aktuell stärkerer Zunahme der Inzidenz in jüngeren Altersgruppen.
    • Die Hospitalisierungsrate aufgrund einer Divertikelkrankheit (Divertikulitis, Blutungen) nimmt mit dem Lebensalter zu.
  • Geschlechtsverteilung bei der Divertikulose: Die Daten sind inhomogen.
  • Geografische Unterschiede bei der Divertikulose/Divertikulitis 
    • hohe Prävalenz in den westlichen Industrienationen
    • in den westlichen Industrienationen Zunahme der Hospitalisierungsrate in den letzten Jahrzehnten
    • Die rechtsseitige Divertikulose unterscheidet sich von der linksseitigen Divertikulose durch geografische Verteilung, klinische Symptomatik und Verlauf (rechtsseitige Divertikel gehäuft bei Menschen asiatischer Abstammung).
  • Divertikulitis 
    • Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe von ca. 10 Jahren bei Divertikulose eine Divertikulitis zu entwickeln, liegt bei bis zu 4,3 %.
      • Die Rezidivwahrscheinlichkeit beträgt 15–30 %.
    • Bei ca. 15 % der Patient*innen mit unkomplizierter akuter Divertikulitis kommt es zu Komplikationen in Form von Abszessen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Entzündungsprozess, der von Kolondivertikeln (Peridivertikel) ausgeht, auf die Darmwand übergreift (fokale Peritonitis) und schwere Komplikationen (Abszess- und/oder Fistelbildung, gedeckte Perforation, offene Perforation mit Peritonitis, Stenosierung, divertikulitischer Tumor) zur Folge haben kann.1
    • Die prolabierte Schleimhaut ist lokal minderversorgt, weil die durch Herniation mitgeführten Blutgefäße komprimiert werden.
    • Der verengte Divertikelhals kann zur Retention von keimbelastetem Stuhl und zur Bildung von Kotsteinen führen. Kotsteine können Druckulzerationen hervorrufen.
    • Bei rezidivierenden Entzündungsschüben sind langfristig lokale Fibrosierung, Wandverdickung und Stenose möglich.
  • Bei einer Mikroperforation wird die Entzündung durch perikolisches Fettgewebe, Mesenterium oder benachbarte Organe begrenzt. Es entsteht eine lokale Phlegmone.2
  • Bei einer Makroperforation bleibt die Entzündung selten lokalisiert, und es können eine Peritonitis oder ein perikolischer Abszess entstehen. Erodiert der entzündliche Prozess umliegende Strukturen, kann es zur Fistelbildung kommen.

Prädisponierende Faktoren

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Nicht beeinflussbare Faktoren
  • Beeinflussbare Faktoren
    • Konsum von rotem Fleisch (erhöht das Risiko für Divertikulose)
    • ballaststoffarme Ernährung 
    • geringer Konsum von Vollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten
    • hoher BMI (erhöht das Risiko für Divertikulose, möglicherweise u. a. wegen des viszeralen Fettgewebes)
    • körperliche Inaktivität (erhöht das Risiko für Divertikulose)
    • schädlicher Gebrauch von Alkohol
    • Nikotinabusus

ICPC-2

  • D92 Divertikulose/Divertikulitis des Darms

ICD-10

  • K57.22 Divertikulitis des Dickdarms mit Perforation und Abszess, ohne Angabe einer Blutung
  • K57.23 Divertikulitis des Dickdarms mit Perforation, Abszess und Blutung
  • K57.32 Divertikulitis des Dickdarms ohne Perforation, Abszess oder Angabe einer Blutung
  • K57.33 Divertikulitis des Dickdarms ohne Perforation oder Abszess, mit Blutung

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • 3 Kriterien: Klinisches Bild mit linksseitigen Unterbauchschmerzen, Fieber und Leukozytose/CRP-Erhöhung
  • Klinische Diagnose durch Anamnese, Untersuchungsbefund und Labor nicht ausreichend zuverlässig (Sensitivität 64–71 %)
  • Diagnosesicherung durch Bildgebung (1. Wahl: Sonografie)
  • Divertikulitis sollte als Differenzialdiagnose akuter Bauchschmerzen auch bei Patient*innen unter 40 Jahren und bei rechtseitiger oder suprapubischer Schmerzlokalisation erwogen werden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Klinische Einteilung3
    • unkomplizierte Divertikulitis: ca. 75 % der Fälle
    • komplizierte Divertikulitis: Abszesse, Fisteln, Perforation oder Obstruktion
  • Akutes Krankheitsbild
    • linksseitige Bauchschmerzen, Fieber, Stuhlveränderungen (Obstipation oder Diarrhö) und evtl. Erbrechen („linksseitige Appendizitis")1,4
      • Auch rechtsseitige und suprapubische Schmerzen sind möglich.1
      • bei Patient*innen asiatischer Herkunft: oft rechtsseitiges Krankheitsbild
    • intermittierende oder konstante Schmerzen
    • evtl. Dysurie: Blasenirritation durch den angrenzenden entzündlichen Darmabschnitt

Klinische Untersuchung

  • Lokalisierte Schmerzen im linken Unterbauch1
    • Abwehrspannung bei peritonealer Reizung
    • direkter Druck- und
    • evtl. Loslassschmerz
  • Fieber
  • Schmerzen bei der digital-rektalen Untersuchung
  • Evtl. palpabler Tumor

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Labor1  
    • CRP ist der am besten etablierte und validierte Laborparameter für Akutdiagnostik und Verlaufsbeurteilung.
      • > 5 mg/dl (> 476 nmol/l): V. a. Divertikulitis
      • > 20 mg/dl (> 1904 nmol/l): V. a. Perforation
    • Leukozyten
    • Urinstatus
    • Calprotectin in der Akutdiagnostik nicht sinnvoll
  • Bildgebung
    • Die Sonografie ist die Bildgebung der 1. Wahl bei V. a. Divertikulitis (bei erfahrenen Untersucher*innen Sensitivität und Spezifität ca. 98 %).1
      • echoarme entzündete Divertikel, umgeben von einer echoarmen Netzkappe
      • echoarme Wandverdickung mit Aufhebung der Wandschichtung
      • gelegentlich echoarme Entzündungsstraßen
      • Abszess: echoarme oder -freie parakolische oder intramurale Herde mit echogenen Gasreflexen (Kometenschweif)
      • Fistel: Gasreflex innerhalb echoarmer bandförmiger Strukturen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Bei Verdacht auf eine Divertikulitis sollten die Sono- und/oder Computertomografie (CT) als Untersuchungsmethoden angewandt werden.
  • CT-Abdomen
    • bei besonderen Lokalisationen und zur Einschätzung der Lokalsituation bei notfallmäßiger OP-Indikation
    • Die Untersuchung ist sowohl zur Diagnosestellung als auch zur Beurteilung des Schweregrads und Krankheitsverlaufs geeignet.
  • MRT
    • Kann im Einzelfall durchgeführt werden.
    • Sollte nicht zur routinemäßigen Diagnostik der Divertikulitis durchgeführt werden.
  • Der Kolonkontrast-Einlauf soll nicht mehr zur Diagnose der Divertikulitis eingesetzt werden.
  • Endoskopie
    • In der Akutphase der Divertikulitis soll wegen des erhöhten Perforationsrisikos keine Koloskopie durchgeführt werden.
    • Eine Koloskopie sollte 6–8 Wochen nach Abklingen einer konservativ behandelten Divertikulitis in Abhängigkeit von klinisch-anamnestischen Faktoren (protrahierter Verlauf, persistierende Beschwerden, Alter der Patient*in, Bildgebung) erfolgen, um Komorbiditäten wie ein Karzinom auszuschließen.
  • Explorative Laparotomie
    • Kann bei evtl. diagnostischer Unsicherheit notwendig sein.

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Akute Divertikulitis
    • Patient*innen mit einer komplizierten Divertikulitis sollten stationär behandelt werden.
    • Die chirurgische Intervention muss bei Nichtansprechen der medikamentösen Behandlung, rezidivierender Divertikulitis, Abszess- und Fistelbildung, Obstruktion, freier Perforation (was sehr selten ist)5 oder bei Diagnoseunsicherheit erwogen werden.6
  • Patient*innen mit gesicherter unkomplizierter Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ1a/b) können bei
    fehlenden Zeichen einer schweren Erkrankung und fehlenden Risikoindikatoren sowie bei vorhandener Möglichkeit einer engmaschigen ärztlichen Verlaufsbeobachtung ambulant behandelt werden.1

Therapie

Therapieziele

  • Entzündung sanieren und Komplikationen vermeiden.4,7

Allgemeines zur Therapie

  • Diese Referenz bezieht auf den gesamten Abschnitt.1
  • Die Behandlung hängt vom Schweregrad der Infektion und dem Allgemeinzustand der Patient*innen ab.
  • Eine rechtsseitige Divertikulitis sollte nach denselben Therapieprinzipien behandelt werden wie eine linksseitige Divertikulitis.

Ambulante Behandlung

  • Ambulante Behandlung unter folgenden Bedingungen:
    • orale Aufnahme (Flüssigkeit, Medikamente) möglich
    • keine signifikanten Komorbiditäten
    • orale Antibiotika verfügbar
    • adäquate Schmerzkontrolle möglich
    • adäquates Follow-up/Unterstützung im sozialen Umfeld
    • Ausschluss einer komplizierten Divertikulitis
      • in Sonografie oder CT Divertikulitis ohne signifikanten Abszess
      • ggf. CRP (Cave: Perforation auch bei normalem CRP möglich!)
  • Ablauf der ambulanten Behandlung 
    • Bei akuter unkomplizierter linksseitiger Divertikulitis ohne Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf kann unter engmaschiger klinischer Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden.
    • Eine Antibiotikatherapie einer akuten unkomplizierten linksseitigen Divertikulitis sollte bei Patient*innen mit Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf durchgeführt werden.
    • bei unkomplizierter akuter Divertikulitis Ernährung ohne spezielle diätetische Maßnahmen
    • Die konservative Behandlung einer akuten unkomplizierten Divertikulitis führt bei 70–100 % der Patient*innen zum Rückgang der Symptome.8

In der Klinik 

  • Eine parenterale Flüssigkeitssubstitution sollte bei mangelhafter oraler Trinkmenge durchgeführt werden.
  • Bei der komplizierten Divertikulitis sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden
  • Die akute unkomplizierte Divertikulitis soll primär konservativ behandelt werden.
  • Patient*innen mit freier Perforation und Peritonitis bei akut komplizierter Divertikulitis sollen unmittelbar nach Diagnosestellung operiert werden (Notfalloperation).
  • Fisteln bei chronisch komplizierter Divertikulitis sollten operativ behandelt werden. Die Operation kann elektiv erfolgen.
  • Weitere Hinweise zur operativen Therapie

Medikamentöse Behandlung

Antibiotika

  • Bei akuter unkomplizierter Divertikulitis ohne Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf (arterielle Hypertoniechronische Nierenerkrankungen, Immunsuppression, allergische Disposition) kann unter engmaschiger klinischer Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden.1
  • Risikoindikatoren für einen komplizierten Verlauf
    • klinisch
      • Immunsuppression, Komorbidität, schlechter Allgemeinzustand, hohes Fieber/Sepsis, Komplikationen: Peritonitis/Abszess
    • laborchemisch
      • hohes CRP, Leukozytose
    • medikamentös induziert
      • Immunsuppression, NSAR, Kortikosteroide
  • Antibiotikabehandlung sollte bei komplizierter Divertikulitis durchgeführt werden.
  • Bei einer Nachbeobachtung über 24 Monate treten nach konservativer Behandlung ohne Antibiotika keine vermehrten Komplikationen auf.9
  • Zur Wahl des Antibiotikums liegen laut Leitlinie keine hinreichenden Daten vor.1
    • In der klinischen Praxis werden Cefuroxim/Metronidazol, Ceftriaxon/Metronidazol oder Ciprofloxacin/Metronidazol, Ampicillin/Sulbaktam, Piperacillin/Tazobaktam sowie Moxifloxacin angewandt.1
    • Zwischen der oralen oder intravenösen Anwendung gibt es keine Präferenz.
  • Eine große retrospektive Kohortenstudie (kein RCT) kommt zu dem Schluss, dass eine orale Behandlung mit Amoxicillin-Clavulansäure (off label) in der ambulanten Therapie einer Behandlung mit Metronidazol in Kombination mit einem Fluorchinolon nicht unterlegen ist. 10
  • Therapiedauer: 4–7 Tage (falls Patient*innen darauf ansprechen)1
  • Dosierung: nach Herstellerangaben (keine evidenzbasierte Empfehlung bei Divertikulitis)
    • Cefuroxim oral ist für diese Indikation nicht zugelassen, nach Fachinfo hierzu auch keine Dosisangabe
    • Metronidazol p. o.: „Bei niedriger Dosierung (0,6 g/d oder weniger) ist eine mehrtägige Behandlung (5–7 Tage) erforderlich. Bei höherer Dosierung (1–2 g/d) kann eine kurze Therapiedauer (1–3 Tage) ausreichend sein.“
    • Ciprofloxacin p. o.: zugelassen für „intraabdominale Infektionen“; Dosierung 2 x 500–750 mg/d
    • Moxifloxacin ist für diese Indikation nicht zugelassen und soll laut Leitlinie nur bei Penicillinüberempfindlichkeit eingesetzt werden.1 Generelle Dosisempfehlung für alle Anwendungsgebiete: 1 x 400 mg/d p. o.
    • Amoxicillin/Clavulansäure 2–3 x 875 mg/125 mg/d p. o.  
    • Ampicillin/Sulbactam 1.000/500 mg i. v.: Die empfohlene Dosis beträgt für Erwachsene 0,75–3 g Ampicillin/Sulbactam alle 6–8 Stunden. Die Tageshöchstdosis für Erwachsene beträgt 12 g Ampicillin/Sulbactam (entsprechend 8 g Ampicillin und 4 g Sulbactam).
    • Piperacillin/Tazobactam i. v.: 4 g/0,5 g alle 8 Stunden
  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.11
    • Die Indikation bei gastrointestinalen Infektionen ändert sich nicht.
  • Verlauf
    • Eine Besserung ist innerhalb von 48–72 Stunden zu erwarten.

Operative Therapie

  • Eine operative Behandlung ist nur bei schweren Komplikationen notwendig und betrifft weniger als 10 % der Patient*innen.12
  • Eine Operation sollte, wenn möglich, laparoskopisch bzw. laparoskopisch-assistiert durchgeführt werden.1

Leitlinie: Operative Therapie bei akuter Divertikulitis1

  • Unkomplizierte Divertikulitis
    • Eine akute unkomplizierte Divertikulitis soll primär konservativ behandelt werden.
    • Nach einer akuten unkomplizierten Divertikulitis sollte bei beschwerdefreien Patient*innen, unabhängig von Vorerkrankungen, keine elektive Sigmaresektion durchgeführt werden.
    • Bei einer akuten unkomplizierten Divertikulitis CDD Typ 1 mit anhaltenden Beschwerden („Smoldering Diverticulitis") kann eine elektive Sigmaresektion zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
  • Komplizierte Divertikulitis
    • Zur Unterscheidung zwischen Mikro- und Makroabszess kann ein Grenzwert von etwa 3 cm (bisher 1 cm) verwendet werden, da diese auch die Möglichkeit einer interventionellen Drainage widerspiegelt und auch das Rezidivrisiko mit der Abszessgröße korreliert.
    • Eine akute Divertikulitis mit Mikroabszess (CDD Typ 2a) sollte stationär und antibiotisch behandelt werden. Eine Indikation zur elektiven Operation nach erfolgreicher konservativer Therapie besteht nicht.
    • Größere retroperitoneale oder parakolische Abszesse (> 3 cm) können interventionell (Sonografie, CT) drainiert werden.
    • Patient*innen mit akuter Divertikulitis mit Makroabszess (CDD Typ 2b) sollen stationär antibiotisch behandelt werden und chirurgisch vorgestellt/mitbeurteilt werden.
    • Patient*innen nach erfolgreich konservativ bzw. interventionell behandelter komplizierter akuter Divertikulitis mit Makroabszess (CDD Typ 2b) kann eine Operation im entzündungsfreien Intervall angeboten werden.
      • Eine elektive Operation nach erfolgreicher konservativer Initialtherapie einer akuten komplizierten Divertikulitis mit Makroabszess sollte ca. 6 Wochen nach Abschluss der konservativen Therapie erfolgen.
  • Notfalloperation
    • Patient*innen mit freier Perforation und Peritonitis bei akuter komplizierter Divertikulitis sollten innerhalb von 6 Stunden nach Diagnosestellung operiert werden (Notfall-Operation).
  • Rezidivierende Divertikulitis
    • Die Indikation zur Operation sollte nicht von der Anzahl der vorangegangenen Entzündungsschübe abhängig gemacht werden.
    • Die elektive Sigmaresektion kann bei der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis CDD Typ 3b die Lebensqualität signifikant verbessern.
    • Die chronisch-rezidivierende Divertikulitis Typ 3c mit Nachweis von Fisteln sollte operativ behandelt werden.
    • Die chronisch-rezidivierende Divertikulitis Typ 3c mit Nachweis einer symptomatischen Kolonstenose sollte operativ behandelt werden.

Leitlinie: Operative Verfahrenswahl1

  • Vorgehen
    • Die minimalinvasive Sigmaresektion sollte – wenn technisch möglich – der offenen Operation vorgezogen werden.
    • Die total laparoskopische Operation, die laparoskopisch-assistierte Operation sowie roboterassistierte Operation und Hand-Port-Verfahren sind allesamt erprobt, sicher und effektiv.
    • Als Standardeingriff bei der perforierten Sigmadivertikulitis mit generalisierter Peritonitis (CDD IIc1/2) sollte als Operationsverfahren die Sigmaresektion mit primärer Kontinuitätswiederherstellung mit Anastomose und Vorschaltung eines Ileostomas bevorzugt werden.
    • Bei der perforierten Divertikulitis mit eitriger Peritonitis (CDD 2c1) sollte eine primäre Sigmaresektion durchgeführt werden. Eine potenzielle alternative Therapiestrategie ist die laparoskopische Peritoneallavage und Drainage, ohne Resektion.

Prävention

Primärprävention1

  • Regelmäßige körperliche Aktivität, Erhalt von Normalgewicht und ballaststoffreiche Kost, reich an Obst, Gemüse und Zerealien können zur Primärprophylaxe der Divertikulose empfohlen werden.
    • Verzehr von rotem Fleisch sollte eingeschränkt werden.
    • kein Zusammenhang mit dem Verzehr von Nüssen, Körnern, Mais und Popcorn oder Kaffeekonsum
  • Regelmäßige Einnahme von Kortikosteroiden, Opioiden, postmenopausaler Hormonsubstitution und NSAR (nicht Coxibe) ist mit einem erhöhten Risiko für Divertikelkrankheit und Divertikulitis assoziiert.
  • Rauchen und schädlicher Alkoholkonsum sind mit einem erhöhten Risiko für Divertikulose und Divertikulitiskomplikationen assoziiert.

Sekundärprävention1

  • Keine ausreichende Evidenz, um den Einsatz einer ballaststoffreichen Diät oder von Ballaststoff-Supplementen in der Sekundärprophylaxe nach dem Schub einer akuten, unkomplizierten Divertikulitis zu empfehlen.
  • Unabhängig davon ballastoffreiche Kost aufgrund allgemeiner Ernährungsempfehlungen
  • Probiotika, Rifaximin oder Mesalazin sollten nicht zur Sekundärprophylaxe einer rezidivierenden Divertikulitis eingesetzt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Diese Referenz bezieht sich auf den gesamten Abschnitt.1
  • Die Rezidivrate nach akuter Divertikulitis hängt von deren Schweregrad ab.
  • Es gibt Hinweise darauf, dass die Lebensqualität nach akuter Divertikulitis reduziert ist.

Komplikationen

  • Akute Divertikulitis
  • Abszesse
  • Perforation
  • Sepsis
  • Fistelbildung
  • Obstruktion

Prognose

  • Nach einer ausgeheilten Divertikulitis klagen mehr als 1/3 der Patient*innen über wiederkehrende Unterbauchschmerzen (unabhängig davon, ob sie mit Antibiotika behandelt wurden).13
  • Rezidivierende Divertikulitis
    • In der Regel verlaufen Rezidive mild und können konservativ und ambulant behandelt werden.1
      • Die Rezidivrate ist von der Schwere der initialen Divertikulitis abhängig.
      • höhere Komplikationsraten bei Rezidiven mit jüngerem Alter, Multimorbidität, Immunsuppression oder komplizierter initialer Divertikulitis (besonders bei Abszessbildung) assoziiert
      • Verlauf nicht schwerer als die initiale Divertikulitis
    • Die Rezidivwahrscheinlichkeit beträgt 15–30 %.1
    • Die Hälfte aller Rezidive erfolgt im Laufe des ersten Jahres und 90 % innerhalb von 5 Jahren.8
      • Nach einem Rezidiv liegt das Risiko für einen 3. Schub bei mehr als 50 %.
    • Die Komplikationsrate des einzelnen Schubs sinkt mit der Zahl der Schübe.14
    • Etwa ein Drittel der Patient*innen mit akuter komplizierter Divertikulitis wird wegen einer Rezidivdivertikulitis erneut stationär behandelt, zumeist innerhalb eines Jahres.1
  • Relevante Mortalität bei der komplizierten akuten Divertikulitis, besonders hohes Risiko bei Immunsuppression (vor allem bei einer Steroidtherapie)1
    • keine genauen Daten zur Mortalität verfügbar
  • Eine erhöhte Prävalenz von kolorektalen Karzinomen bei Patient*innen mit Divertikulose lässt sich nicht belegen.1
    • Die erhöhte Wahrscheinlichkeit für die endoskopische Diagnose eines Kolonadenoms oder kolorektalen Karzinoms 12–18 Monate nach einer stattgehabten Divertikulitis ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Divertikulitis eher Symptom eines Karzinoms ist als ein Risikofaktor für eine Tumorentstehung.

Verlaufskontrolle

  • Nach Ausheilung einer konservativ behandelten Divertikulitis (i. d. R. nach 6–8 Wochen) sollte die Indikation zur Koloskopie in Abhängigkeit von klinisch-anamnestischen Faktoren (protrahierter Verlauf, persistierende Beschwerden, Alter von Patient*in, Bildgebung) gestellt werden.1
    • Eine vollständige Koloskopie ist bei klinisch durch eine Divertikelerkrankung auffälligen Patient*innen > 50 Jahre und ohne eine < 5 Jahre zurückliegende Koloskopie empfohlen.
    • Bei in der CT festgestellten Darmwandverdickung oder Stenose sollte grundsätzlich eine Koloskopie durchgeführt werden.
    • Bei persistierenden Schmerzen, blutig-schleimigen Stühlen und Entzündungszeichen ist eine Koloskopie altersunabhängig sinnvoll, um evtl. eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung nicht zu übersehen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Eitrige Divertikulitis.jpg
Eitrige Divertikulitis (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
Sonografie: Kleines Divertikel
Sonografie: Kleines Divertikel (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)
Sonografie: Divertikulitis mit Kotstein im Divertikel sowie Imbibierung des Fettgewebes und Abszess
Sonografie: Divertikulitis mit Kotstein im Divertikel sowie Imbibierung des Fettgewebes und Abszess (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V. (DGAV). Divertikelkrankheit/Divertikulitis. AWMF-Leitlinie Nr. 021-020. S3, Stand 2021. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V. (DGAV). Divertikelkrankheit/Divertikulitis. Stand 2021. AWMF-Leitlinie Nr. 021-020. www.awmf.org
  2. Janes SEJ, Meagher A, Frizelle FA. Management of diverticulitis. BMJ 2006; 332: 271-5. PubMed
  3. Nasjonale faglige retningslinjer for antibiotikabruk i primærhelsetjenesten. Divertikulitt. Helsedirektoratet. Sist oppdatert 16. november 2021. www.helsedirektoratet.no
  4. Ferzoco LB, Raptopoulos V, Silen W. Acute diverticulitis. N Engl J Med 1998; 338: 1521-5 New England Journal of Medicine
  5. Thorson CM, Paz Ruiz PS, Roeder RA, et al.. The perforated duodenal diverticulum.. Arch Surg 2012; 147(1): 81-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Salzman H, Lillie D. Diverticular disease: Diagnosis and treatment. Am Fam Physician 2005; 72: 1229-34. PubMed
  7. Mäkelä J, Vuoli S, Kiviniemi H, Laitinen S. Natural history of diverticular disease. Dis Colon Rectum 1998; 41: 1523-8 PubMed
  8. Janes SEJ, Meagher A, Frizelle FA. Elective surgery after acute diverticulitis. Br J Surg 2005; 92: 133-42. PubMed
  9. van Dijk ST, Daniels L, Unlu C, et al. Long-Term Effects of Omitting Antibiotics in Uncomplicated Acute Diverticulitis. Am J Gastroenterol 2018. pmid:29700480. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Gaber CE, Kinlaw AC, Edwards JK, Lund JL, Stürmer T, Peacock Hinton S, Pate V, Bartelt LA, Sandler RS, Peery AF. Comparative Effectiveness and Harms of Antibiotics for Outpatient Diverticulitis : Two Nationwide Cohort Studies. Ann Intern Med. 2021 Jun;174(6):737-746. doi: 10.7326/M20-6315. Epub 2021 Feb 23. PMID: 33617725. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 16.11.18. www.bfarm.de
  12. Stollman NH, Raskin JB. Diverticular disease of the colon. J Clin Gastroenterol 1999; 29: 241-52. PubMed
  13. van Dijk ST, Daniels L, de Korte N, et al. Quality of Life and Persistent Symptoms After Uncomplicated Acute Diverticulitis. Dis Colon Rectum. 2019 May;62(5):608-614. pmid:30807455. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Leifeld L, Germer C, Kruis W. Divertikelkrankheit und Divertikulitis: Althergebrachte Vorstellungen werden auf den Kopf gestellt. Dtsch Arztebl 2015; 112: 21-22. www.aerzteblatt.de

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
K5722; K5723; K5732; K5733 Divertikulitis
D92
Entzündung der Darmdivertikel; Kolondivertikulitis; Mikroperforation eines Divertikel; Makroperforation eines Divertikels; Sigmadivertikulitis
Divertikulitis
CCC MK 14.02.2022 Amoxi/Clav als Therapiealternative nach Leserhinweis. CCC MK 13.01.2022 kleine Nachbesserungen CCC MK 16.04.2020 Dosisangaben nach Leseranfrage Tabelle und Algorthmus eingefügt 11.7.19 UB
BBB MK 12.01.2022 revidiert nach neuer LL. BBB MK 10.07.2019, neuer Artikel, abgetrennt von Divertikelkrankheit nach DEGAM-Evaluation, LL stärker berücksichtigt.
document-disease document-nav document-tools document-theme
Definition:Akute Entzündung von Darmdivertikeln mit Schmerzen, Fieber und Stuhlveränderungen. Kann zu Perforation, Obstruktion, Abszess- und/oder Fistelbildung und Adhäsionen führen.
Magen-Darm-Trakt
Divertikulitis
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