Definition:Die Milz kann durch stumpfe oder penetrierende Gewalteinwirkung gegen den Bauch und die unteren linken Rippen sowie durch diagnostische perkutane Punktionen und Laparotomien verletzt werden.
Häufigkeit:Die Milz ist das am häufigsten geschädigte Organ beim stumpfen Bauchtrauma.
Symptome:Bei einer leichten Milzblutung treten im linken Oberbauch mäßige Schmerzen auf, die evtl. in die linke Schulter ausstrahlen können. Bei schweren Blutungen kann es zu einem hypovolämischen Schock kommen.
Klinik:Druckschmerzhaftigkeit und ggf. Abwehrspannung. Bei schweren Blutungen kann ein Schock auftreten.
Diagnostik:Wiederholte Messungen des Hb-Werts, Vitalparameter, Ultraschall und CT.
Therapie:Richtet sich nach der Schwere der Verletzung und der hämodynamischen Stabilität.
Allgemeine Informationen
Definition
Die Milz kann durch stumpfe oder penetrierende Gewalteinwirkung gegen den Bauch und die unteren linken Rippen sowie durch diagnostische perkutane Punktionen und Laparotomien verletzt werden.1
Zerreißung der Milz mit Kapsel- oder Parenchymriss, Gefäßverletzung, Organzertrümmerung bis hin zum Abriss des Gefäßstiels2
einzeitig: akute Blutung in die Bauchhöhle durch Verletzung der Kapsel und evtl. des Parenchyms
zweizeitig: initiale Parenchymverletzung bei vorerst intakter Kapsel sowie Entwicklung eines zentralen oder subkapsulären Hämatoms; klinisch symptomfreies Intervall bis zur Kapselruptur
Häufigkeit
Die Milz ist das Organ, das bei stumpfen Abdominaltraumata mit bis zu 45 % am häufigsten verletzt wird.2
Als Hauptursache gelten in den Industrieländern sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern Verkehrsunfälle. Bei Kindern stellt der Sicherheitsgurt eine Ursache für besonders starke Gewalteinwirkung dar.2
Stürze aus großer Höhe gelten als häufigste Ursache bei 6- bis 10-Jährigen, Fahrradstürze (Lenker) bei den 11- bis 15-Jährigen und Motorradunfälle bei den 16- bis 18-Jährigen.2
Pathophysiologie
Da die Milz von sehr vielen Blutgefäßen durchzogen ist, führt jede Verletzung des Parenchyms zu Blutungen.
Bei Kindern ist das Abdomen durch die noch weicheren Rippen und schwächeren Bauchmuskeln weniger geschützt, deswegen sind intraabdominelle Organe besonders gefährdet.2
Direkte Gewalteinwirkung im Epigastrium, Organverletzungen durch eine gebrochene Rippe oder Einstauchungen des Organs gegen die Wirbelsäule können u. a. die Ursache sein.2
Kapsel intakt
Wenn die gesamte Milzkapsel intakt ist, verbleibt das Blut intrakapsulär.
Ein Hämatom kann die Milzkapsel erheblich ausweiten und größer als die Milz selbst werden.
In den meisten Fällen bleibt die Kapsel dennoch intakt; das Hämatom wird mit der Zeit resorbiert, und es bildet sich ein Serom oder eine Pseudozyste.
Sekundäre Kapselruptur
Vereinzelt (in 5 % der Fälle) kommt es jedoch zu einer Ruptur der Kapsel: Hierbei fließt meist einige Wochen nach der Verletzung weiteres Blut aus der Milz in den Peritonealraum, wodurch eine Hypovolämie ausgelöst wird.
Wenn die Kapsel früh reißt und die Blutung eher leicht ist, kann sich das Blut rund um die Milz ansammeln und evtl. als Resistenz tastbar sein.
Cave: lange Kompensation insbesondere bei Kleinkindern mit dann plötzlicher Dekompensation!
Cave: bei zweizeitiger Ruptur verzögerte oder abgeschwächte Symptomatik!
Unterscheidung zwischen isolierter Milzruptur und Polytrauma; Begleitverletzungen bei bis zu 62 % aller Kinder mit Milzverletzungen: Frakturen, Thoraxtrauma, SHT, weitere abdominelle Organverletzungen
Schmerzen im linken Oberbauch, die manchmal in die linke Schulter ausstrahlen und auf die Reizung des Zwerchfells durch das darunter befindliche Blut zurückgehen (Kehr-Zeichen).
Die Wahl der therapeutischen Maßnahmen richtet sich nach der Schwere der Verletzung und dem Zustand der Patient*innen.
Aufgrund der immunologischen Funktion der Milz, sollte versucht werden, die Milz zu erhalten und das Organ nicht zu entfernen.1
Bei Kindern können traumatische Milzrupturen über 90 % der Fälle konservativ behandelt werden.2
Intensivüberwachung für mind. 24 Stunden obligat ab AAST-Stadium III2
Konservative Therapie
Intensivüberwachung für mindestens 24 Stunden obligat ab AAST-Stadium III, ansonsten je nach Verletzungsgrad und Klinik (venöser Zugang, evtl. Magensonde, Blasenkatheter etc.)2
Transfusionsgrenze: Hb < 8 g/dl, z. T. < 7g/dl; Verminderung des Hämatokrits unter 21 %2
Angiografische Embolisation
Bei der Embolisation werden als „Coils“ bezeichnete Metallspiralen eingeführt, die das geschädigte Gefäß verschließen und die Blutung zum Stillstand bringen.
bei Erwachsenen häufiger angewendet (bei Kindern nur in Einzelfällen)2
sicher und effektiv
Bei hämodynamisch instabilen Patient*innen ist meist eine operative Therapie notwendig und bei hämodynamisch stabilen Patient*innen meist spontaner Heilungsverlauf, deswegen zurückhaltende Indikation.2
Vorgehen in den ersten Tagen nach dänischen Empfehlungen5
Intensivmedizinische Überwachung mit engmaschiger Vitalzeichenkontrolle
Häufige Durchführung einer objektiven klinischen Beurteilung
Bei Zunahme der Symptome Ultraschall oder CT
Nach 3 Tagen Anpassung der weiteren Beobachtung an den Zustand der Patient*innen
Nach 1 Woche (vor Entlassung) und ggf. nochmals nach 1 Monat Kontrollsonografie zur Abklärung auf Pseudoaneurysmen oder Zystenbildung. Bei einem Pseudoaneurysma kommt eine selektive Embolisation infrage.
Der Krankenhausaufenthalt beträgt in der Regel etwa 1 Woche. Die meisten Blutungen, die eine Operation erforderlich machen, treten innerhalb der ersten 3 Tage auf; manche dieser Blutungen werden allerdings erst nach Ablauf 1 Woche festgestellt.
CT-Verlaufskontrolle
Bei Kindern sollten aufgrund der Strahlenbelastung keine CT-Verlaufskontrollen erfolgen.2
Operative Therapie
Leitlinie: Traumatische Milzruptur bei Kindern – Operationsindikation2
Hämodynamische Instabilität (unter konservativen intensivmedizinischen Maßnahmen) mit erhöhtem Transfusionsbedarf
Ziel: milzerhaltende Operation
Parenchymerhaltende Therapien
Splenorrhaphie: direkte Rekonstruktion der Milz durch U-Naht, Fibrinkleber, Kollagenvlies, resorbierbares „Vicrylnetz“
Bei Asplenie sollen grundsätzlich alle von der STIKO empfohlenen Impfungen durchgeführt werden (auch Lebendimpfungen).
Impfungen sind möglich, sobald ein stabiler Allgemeinzustand erreicht ist.
Pneumokokken
Kinder ab 2 Jahren, Jugendliche oder Erwachsene, die noch nicht oder bislang nur mit PCV7 gegen Pneumokokken geimpft wurden.
Sequenzielle Impfung mit dem 13-valenten Konjugatimpfstoff (PCV13), gefolgt von PPSV23 nach 6–12 Monaten, wobei PPSV23 erst ab dem Alter ≥ 2 Jahre gegeben werden soll.
Kinder < 24 Monate sollen, wie alle Kinder, mit PCV 13 grundimmunisiert werden (PPSV 23 nicht zugelassen).
Alter < 12 Monate: 3 Impfstoffdosen
Alter 12 bis < 24 Monate: 2 Impfstoffdosen
Auffrischung ausschließlich mit PPSV 23 alle 6 Jahre
Hämophilus influenzae Typ B
einmalige Impfung (Einzelimpfstoffe über internationale Apotheken erhältlich)
Über die Notwendigkeit von Wiederholungsimpfungen liegen keine Daten vor.
ACWY und Meningokokken-B-Impfstoff bei Asplenie empfohlen
3 ACWY-Impfstoffe in Deutschland zugelassen:
Nimenrix ab 6 Wochen, MenQuadfi ab 12 Monaten und Menveo ab 2 Jahren (Standard-Impfung gegen Meningokokken C entfällt dann)
2 MenB-Impfstoffe in Deutschland zugelassen: Beoxsero ab 2 Monaten und Trumenba ab 10 Jahren
Asplenische Kinder sollten bereits ab dem Alter von 2 Monaten mit einem 4-valenten Meningokokken-Konjugatimpfstoff geimpft werden.
Ist bereits eine Impfung mit monovalentem konjugiertem Meningokokken-C-Impfstoff erfolgt, ist eine weitere Impfung mit 4-valentem Konjugatimpfstoff empfohlen.
Wegen einer geringeren Immunität bei Konjugatimpfstoff entweder serologische Kontrolle nach ACWY oder zweite ACWY-Gabe nach frühestens 2 Monaten erwägen.
in Deutschland keine Empfehlung zur Auffrischimpfung
Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e. V. (DGKCH). Traumatische Milzruptur im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-112. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Empfehlungen des RKI
Robert Koch-Institut: Impfungen bei Asplenie (Stand 14.08.2019, letzter Zugriff am 19.01.2021)
Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Milzruptur, traumatisch im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-112, Stand 2020. www.awmf.org
BMJ Best Practice. Assessment of abdominal trauma (letzter Zugriff am 19.01.2021). bestpractice.bmj.com
Moore EE, Cogbill TH, Jurkovich MD et al. Organ injury scaling: Spleen and liver (1994 revision). J Trauma 1995; 38: 323-4. PubMed
Idorn L, Rosenberg J. Nonoperativ behandling af stumpe milttraumer. Ugeskr Læger 2005; 167: 2493-8. PubMed
Robert Koch-Institut. Impfungen bei Asplenie, Stand 14.08.2019. letzter Zugriff am 19.01.2021. www.rki.de
Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2022 Epid Bull 2022;4:3-66 | DOI 10.25646/9285.2cmswww.deximedrki.de
Autor*innen
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
S36-; S360-; S3600; S3601; S3608
miltskade; milt; miltruptur; milttraume; mjälten; Mjältskada; mjältruptur; mjälttrauma; s36.0 skada på mjälten; s36.00 skada på mjälten, utan öppet sår in i bukhålan; s36.01 skada på mjälten, med öppet sår in i bukhålan
B76
Verletzung der Milz; Milzriss; Ruptur der Milz; Milzverletzung; Stumpfes Bauchtrauma; Stumpfes Abdominaltrauma; Hypovolämischen Schock; Zerreißung der Milz; Akute Blutung in die Bauchhöhle; Verkehrsunfälle; Milzhämatom; Milzkapsel; Kapselruptur; Laparotomie; Splenektomie; Milzteilresektion; Postsplenektomie-Sepsis; OPSI-Syndrom; Overwhelming Postsplenectomy Infection Syndrome
Milzhämatom/Milzruptur
CCC MK 24.03.2022 neue STIKO-Empfehlungen, weichen stellenweise von RKI-Dokument zur Asplenie ab.
TrainAMed-Video eingefügt 25.6.19 UB
chck go 11.8., MK 07.04.17 Impfempfehlungen eingefügt, MK 21.04.17 LL in Text
Definition:Die Milz kann durch stumpfe oder penetrierende Gewalteinwirkung gegen den Bauch und die unteren linken Rippen sowie durch diagnostische perkutane Punktionen und Laparotomien verletzt werden.