Asplenie

Zusammenfassung

  • Definition:Anatomisches Fehlen der Milz oder funktionelle Asplenie infolge einer Krankheit. Häufigste Ursache: Splenektomie nach Trauma. Funktionelle Asplenie kann sich bei unterschiedlichen Grunderkrankungen entwickeln.
  • Häufigkeit:Nicht häufig.
  • Symptome:Geschwächte Immunabwehr und erhöhtes Infektionsrisiko, erhöhtes Risiko für Thromboembolien.
  • Befunde:In der Regel unauffällige klinische Befunde. Bei schweren Infektionen Fieber und Allgemeinsymptome, Zeichen einer Sepsis.
  • Diagnostik:Evtl. Laboruntersuchungen/bildgebende Untersuchungen.
  • Therapie:Präventive Maßnahmen in Form von Impfungen und evtl. prophylaktischer oder Stand-by-Antibiose, evtl. Antikoagulation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Asplenie: fehlende oder entfernte Milz oder nicht vorhandene Milzfunktion1
    • anatomisches Fehlen der Milz oder funktionelle Asplenie infolge einer Krankheit
    • Hyposplenie bedeutet, dass die Funktion der Milz eingeschränkt ist.
  • Die Milz ist eines der primären extramedullären lymphatischen Organe.
  • Die Milz spielt eine zentrale Rolle im Immunsystem. Besonders wichtige Funktionen kommen dem Organ bei der Abwehr invasiver Infektionen durch bekapselte Bakterien und Parasiten mittels Phagozytose zu.2
  • Postsplenektomie- und Hyposplenie-Status prädisponieren Patient*innen zu thromboembolischen Komplikationen und erhöhen das Risiko der Immuninkompetenz bzw. für ein Auftreten schwerer Infektionen.2

Klinische Anatomie/Physiologie

  • Die Milzgröße ist abhängig von Körpergröße und Geschlecht.3
    • Die „4711“-Regel (Milzlänge 11 cm, Breite 7 cm und Dicke 4 cm) gilt keineswegs für alle Menschen.
    • Im Durchschnitt ist die menschliche Milz 10 cm lang und wiegt 150 g.4

Onkopedia-Leitlinie: Asplenie und Hyposplenismus2

  • Mit fehlender Milzfunktion geht der Verlust von spezialisierten Makrophagen und B-Zellen der Marginalzone der Milz einher. Immunologische und hämatologische Konsequenzen sind u. a.:
    • verminderte Elimination schwach-opsonierter bakterieller Antigene
    • eingeschränkte humorale Immunantwort auf Neoantigene durch verminderte IgM- und T-Lymphozyten-unabhängige Antikörper-Produktion
    • schwache Antikörper-Antwort gegenüber Polysaccharid-Antigenen (insbesondere kapseltragende Erreger)
    • quantitative und qualitative Einschränkungen in der klassischen und alternativen Komplement-Aktivierungskaskade und dadurch abgeschwächte Opsonierung
    • vermindertes Filtern partikulärer Antigene und alterierter/älterer Blutbestandteile.
  • Neben der erhöhten Inzidenz lebensgefährlicher bakterieller und parasitärer Infektionen ist das Risiko von Thrombosen des Venensystems im Bereich der unteren und oberen Hohlvene und der stromaufwärts liegenden großen Venen eine weitere potenziell auftretende Komplikation nach Splenektomie.
  • Dabei besteht ein erhöhtes vaskuläres Risiko für venöse und arterielle Thrombosen nach Splenektomie.
    • Vaskuläre Komplikationen können mit einer verminderten Durchblutung bzw. einem Gefäßverschluss einhergehen und als In-situ-Thrombosen, Thromboembolien, Vasospasmen oder Arteriosklerosen auftreten.
  • Rolle der Milz bei der Infektionsabwehr
    • Bei Patient*innen nach Splenektomie ist laut retrospektiven Kohortenstudien das Risiko, an einer Sepsis zu versterben, um den Faktor 5,7 erhöht, im Vergleich zu Personen mit vorhandener Milz.2
    • Dabei spielt die Indikation der Splenektomie eine Rolle: Das Risiko ist mit 3,4-facher Erhöhung bei Traumapatient*innen geringer als bei hämatologischen Tumorerkrankungen mit einer 18-fachen Erhöhung.2

Häufigkeit

  • Splenektomie
    • 2005 wurden in den USA 22.000 Splenektomien durchgeführt5, die meisten davon infolge eines Traumas.
    • Einer anderen Studie zufolge waren 42 % auf ein Trauma, 15 % auf maligne hämatologische Erkrankungen und 15 % auf Zytopenien zurückzuführen.6
  • Hämoglobinopathien
    • Nahezu 100 % der Patient*innen mit Sichelzellanämie entwickeln eine Asplenie.
    • Viele andere Hämoglobinopathien gehen mit einem Risiko für Splenomegalie einher und können eine Splenektomie erforderlich machen oder zur funktionellen Asplenie führen.
  • Weitere Erkrankungen, bei denen die Funktion der Milz eingeschränkt sein kann:

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Asplenie kann erworben oder angeboren sein.
  • Erworben
    • Die häufigsten Indikationen für eine Splenektomie sind ein Milztrauma, abdominelle solide Tumoren mit Befall der Milz oder versorgender Gefäße und iatrogene Verletzung des Organs bei operativen Eingriffen.
    • Hämatologische Erkrankungen können zu einer Splenektomie führen, wie hereditäre Sphärozytose, Sichelzellkrankheit, Thalassaemia major oder intermedia, idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP), myeloproliferative Erkrankungen, bestimmte autoimmune hämolytische Anämien, lymphoproliferative Erkrankungen und in seltenen Fällen thrombotisch thrombozytopenische Purpura (TTP).2,8
    • Bei Lymphomen (Hodgkin- bzw. Non-Hodgkin-Lymphom bzw. Haarzellleukämie) mit ausgeprägter Milzvergrößerung und Hypersplenismus wird praktisch keine Splenektomie mehr durchgeführt, weil sich die onkologischen Therapien verbessert haben.2
    • Autoimmunerkrankungen können zu einer Hyposplenie führen: z. B. systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Glomerulonephritis, Sarkoidose.2
      • außerdem auch eine Amyloidose und eine chronische Graft-versus-host-Erkrankung
    • Viele Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts und der Leber können zu funktioneller Asplenie führen, z. B. Zöliakie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, M. Whipple, intestinale Lymphangiektasie, chronisch aktive Hepatitis, primär biliäre Cholangitis und alkoholische Lebererkrankung.2
    • iatrogene Formen: Anwendung von Methyldopa, hochdosierte Kortikosteroidtherapie, total parenterale Ernährung, Milzbestrahlung2
  • Angeboren
    • isolierter Defekt der Milz oder Teil eines umfassenderen klinischen Syndroms (selten)
  • Infektionen als Folge von Asplenie und Hyposplenismus2
    • Streptococcus pneumoniae ist mit Abstand der häufigste PSS-Erreger (Postsplenektomie-Sepsis).
    • Neisseria meningitidis und Haemophilus influenzae waren lange Zeit wichtige PSS-Erreger. Mit der Verfügbarkeit des H.-influenzae-Typ-B-Konjugatimpfstoffes hat die Bedeutung von Haemophilus im Kontext der Asplenie deutlich abgenommen.
    • Aktuellen Daten zufolge spielen andere gramnegative Bakterien eine zunehmende Rolle.
    • Nach Bissverletzungen durch Hunde oder Katzen besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen.
    • Es besteht ein lebenslanges Risiko für eine Postsplenektomie-Sepsis (PSS). 
      • Das Sepsisrisiko ist abhängig von der Grunderkrankung und am höchsten bei Thalassaemia major, bei Sichelzellerkrankung und beim Hodgkin-Lymphom, geringer ist es bei Sphärozytose, idiopathischer thrombozytopenischer Purpura und traumabedingter Splenektomie.

Prädisponierende Faktoren

Asplenie und COVID-19

  • Bei fehlender Milz bzw. eingeschränkter Milzfunktion kein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und kein Anhalt für schwerere Verläufe einer COVID-19-Erkrankung

ICPC-2

  • B29 Beschwerden Lymph-/Immunsystem, andere
  • B76 Milzruptur, traumatische
  • B99 Blut-/Lymph-/Milzerkrankung, andere
  • B79 Angeb. Anomalie Blut/Lymphsystem

ICD-10

  • D73 Krankheiten der Milz
    • D73.0 Hyposplenismus (außer angeborene Asplenie)
    • D73.9 Krankheit der Milz, nicht näher bezeichnet
  • Q89.01 Asplenie (angeboren)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Bekannte Vorgeschichte mit Splenektomie
  • Eine sekundäre, funktionelle Asplenie kann sich bei einer Reihe hämatologischer Erkrankungen als Komplikation entwickeln.2

Differenzialdiagnosen

  • Hyposplenie
    • Kann im Verlauf der Entwicklung einer funktionellen Asplenie auftreten.
    • Kann reversibel sein, wenn die Grunderkrankung behandelt wird.
    • Beispiel Zöliakie: Bei angemessener Behandlung der Zöliakie kann die Milz ihre normale Funktion wiedererlangen.

Anamnese

  • Patient*innen mit Asplenie können asymptomatisch sein.
  • Bei manchen Betroffenen Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Fieber und/oder Enzephalopathie
  • Evtl. Anzeichen einer Grunderkrankung

Klinische Untersuchung

Vorliegen von Asplenie oder Hyposplenie

Onkopedia-Leitlinie: Asplenie und Hyposplenismus2

  • Während eine fehlende Milz mit bildgebenden Verfahren einfach dargestellt werden kann, ist die Einschätzung der Milzfunktion bei funktioneller Hyposplenie/Asplenie schwieriger.
  • Hinweis auf eine eingeschränkte filtrative Funktion der Milz geben Howell-Jolly-Körperchen im peripheren Blutausstrich (persistierende Mikronuklei in Erythrozyten).
    • Spezifität und Sensitivität werden kritisch diskutiert, besonders bei milden Formen der Hyposplenie.
  • Eine bessere Sensitivität bietet der Nachweis mit der Phasen-Interferenz-Mikroskopie, sog. „Pitted Red Blood Cells“ oder „Pitted Erythrocytes“ (Proteinkonglomerate, die aufgrund der fehlenden Milzfunktion nicht aus der Erythrozytenmembran entfernt werden).
    • Wiederholt durchführbarer und quantitativer Test, der mit der Milzgröße korreliert.
    • Die Untersuchung erfordert einige Erfahrung und wird an universitären Zentren angeboten.

Bei Infektionen

  • Vitalparameter: Sauerstoffsättigung Blutdruck, Puls
  • Auf Nackensteifigkeit kontrollieren (Möglichkeit einer Meningitis).
    • Insbesondere eine Pneumokokken-Meningitis kann bei asplenischen Patient*innen bis zu 4-mal häufiger zum Tod führen als bakterielle Meningitiden mit anderen Erregern.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen bzw. in der Klinik

Vorliegen einer Asplenie oder Hyposplenie

  • Blutausstrich: Kann Howell-Jolly-Körperchen zeigen, Anzeichen einer zugrunde liegenden Dysfunktion der Milz.
  • Phasen-Inferferenz-Mikroskopie: „Pitted Red Blood Cells“
  • Mögliche bildgebende Untersuchungen
    • CT, MRT des Abdomens9

Bei Infektionen/Postsplenektomie-Sepsis (PSS)

Onkopedia-Leitlinie: Asplenie und Hyposplenismus2

  • Bei PSS ist eine rasche und sorgfältige Erregerdiagnostik anzustreben.
    • mittels Blutkulturen, respiratorischem Material (Sputum, BAL), Liquor, Aszites, Pleurapunktat etc. zur Mikroskopie und Kultivierung
    • Kulturelle Verfahren können durch spezifische PCR-Diagnostik (Pneumokokken, Meningokokken) komplementiert werden.
    • bei Reiseanamnese dicker Tropfen und Blutausstrich zur Malaria-Abklärung, ebenso bei Zeckenstich-Anamnese (Nachweis Babesia intraerythrozytär, bei Anaplasmose Morulae in neutrophilen Granulozyten)
    • Aufgrund der hohen Erregerlast kann bei PSS auch eine Gram-Färbung des Buffy-Coats (leukozytenreiche Interphase nach Zentrifugation einer Blutprobe) mit anschließender Mikroskopie versucht werden.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf funktionelle Asplenie
  • Bei Komplikationen infolge der Asplenie

Indikation zur Klinikeinweisung

  • Bei V. a. PSS ist eine notfallmäßige Klinikeinweisung indiziert.

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationen durch angemessene präventive Maßnahmen und rechtzeitige Behandlung von Infektionen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Infektionsrisiko
    • Bei Patient*innen mit Asplenie besteht ein deutlich erhöhtes Risiko schwerer bakterieller Infektionen, insbesondere mit bekapselten Mikroorganismen.
    • Die Bakterien, die bei Patient*innen mit Asplenie am häufigsten zu Infektionen führen, sind Pneumokokken (knapp 90 %).10
  • Infektionsprävention
    • Die Therapie der Asplenie besteht in der Prävention, frühzeitigen Erkennung und Behandlung von Infektionen.
    • Die Patient*innen sollten gegen Infektionen mit bekapselten Bakterien geimpft werden.11
  • Risikogruppe
    • Schwere Infektionen nach Splenektomie kommen aufgrund der noch nicht gut entwickelten Immunabwehr vor allem bei Kindern unter 16 Jahren vor.
    • Bei Anzeichen einer Infektion sollte umgehend mit der Gabe von Breitspektrumantibiotika begonnen werden, bis das Ergebnis der Resistenztestung vorliegt.

Empfehlungen für Patient*innen

Prävention von Infektionen

Leitlinie: Traumatische Milzruptur – Langzeittherapie bei Kindern12 

  • Antibiotikaprophylaxe
    • nach Splenektomie in den ersten 3–5 Jahren mit Penicillin V
      • < 5 Jahre: 2 x 200.00 IE/d
      • > 5 Jahre: 2 x 400.00 IE/d
      • bei schlechter Compliance auch Depotpenicillin
      • bei Penicillin-Unverträglichkeit auch Makrolide oder Oralcephalosporine
    • nach subtotaler Splenektomie je nach Größe der erhaltenen Milz angepasste Penicillin-Prophylaxe

Impfungen

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.13-14
  • Jährliche Influenza-Impfung
  • Bei Asplenie sollen grundsätzlich alle von der STIKO empfohlenen Impfungen durchgeführt werden (auch Lebendimpfungen).

Vor Splenektomie

  • Impfungen möglichst bis spätestens 2 Wochen vor einer geplanten Splenektomie, falls dies nicht möglich ist, kann bis zu 3 Tage vor dem OP-Termin geimpft werden.
  • Sollte eine Splenektomie aufgrund einer hämatologischen Erkrankung geplant sein, sollte möglichst vorher geimpft werden.

Nach Spelenektomie oder bei funktioneller Asplenie

  • Impfungen gegen Pneumokokken, Hämophilus influenzae Typ B und Meningokokken (bekapselte Bakterien)
  • Jährliche Grippeimpfung (erhöhtes Risiko von bakteriellen Sekundärinfektionen, insbesondere mit Pneumokokokken)
  • Impfungen möglich, sobald ein stabiler Allgemeinzustand erreicht ist.
  • Pneumokokken
    • Kinder ab 2 Jahren, Jugendliche oder Erwachsene, die noch nicht oder bislang nur mit PCV7 gegen Pneumokokken geimpft wurden: sequenzielle Impfung.
      • Sequenzielle Impfung mit dem 13-valenten Konjugat-Impfstoff (PCV13), gefolgt von PPSV23 nach 6–12 Monaten, wobei PPSV23 erst ab dem Alter ≥ 2 Jahre gegeben werden soll.
    • Kinder < 24 Monate sollen, wie alle Kinder, mit PCV 13 grundimmunisiert werden (PPSV 23 nicht zugelassen).
      • Alter < 12 Monate: 3 Impfstoffdosen
      • Alter 12 bis < 24 Monate: 2 Impfstoffdosen
    • Personen, die bereits mit PPSV 23 vorgeimpft sind, sollen frühestens 1 Jahr später mit PCV13 geimpft werden. Eine erneute Impfung mit PPSV23 soll 6 Jahre nach der letzten PPSV23-Impfung, aber frühestens 6 Monate nach der PCV13-Impfung erfolgen.
    • Auffrischung ausschließlich mit PPSV 23 alle 6 Jahre
  • Hämophilus influenzae Typ B
    • einmalige Impfung (Bestellung von Einzelimpfstoffen über internationale Apotheken)
    • Über die Notwendigkeit von Wiederholungsimpfungen in dieser Patientengruppe liegen keine Daten vor.
  • Meningokokken
    • ACWY- und Meningokokken-B-Impfstoff bei Asplenie empfohlen
      • 3 ACWY-Impfstoffe sind in Deutschland zugelassen: Nimenrix ab 6 Wochen, MenQuadfi ab 12 Monaten und Menveo ab 2 Jahren (Standard-Impfung gegen Meningokokken C entfällt dann).
      • 2 MenB-Impfstoffe in Deutschland zugelassen: Beoxsero ab 2 Monaten und Trumenba ab 10 Jahren
    • Asplenische Kinder sollten bereits ab dem Alter von 2 Monaten mit einem 4-valenten Meningokokken-Konjugatimpfstoff geimpft werden.
    • Ist bereits eine Impfung mit monovalentem konjugiertem Meningokokken-C-Impfstoff erfolgt, ist eine weitere Impfung mit 4-valentem Konjugatimpfstoff empfohlen.
    • Wegen einer geringeren Immunität bei Konjugatimpfstoff entweder serologische Kontrolle nach ACWY oder zweite ACWY-Gabe nach frühestens 2 Monaten erwägen.
    • in Deutschland keine Empfehlung zur Auffrischimpfung

Antibiotikaprophylaxe 

  • Ist bei Kindern mit Asplenie bei Sichelzellanämie und nach Trauma bis zum Alter von 3–5 Jahren empfohlen (siehe Leitlinienkasten).2,12
    • Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie gibt allerdings eigene Dosierungsempfehlungen für Kinder:2
      • 3 Monate bis 2 Jahre: 2 × 125.000 IE
      • 3–10 Jahre: 2 × 250.000 IE
      • 5 Jahre bis Pubertät: 2 × 500.000 IE
      • bei Penicillin-Allergie: Erythromycin 1 x 10 mg/kg KG/d.
  • Wird bei Erwachsenen nicht generell empfohlen.2
    • Sollte bei Erwachsenen mit bereits stattgehabter PSS erwogen werden, da hier ein mehr als 10-fach erhöhtes Risiko für ein PSS-Rezidiv besteht, sowie bei Patient*innen mit gleichzeitig bestehender hämatologischer Erkrankung oder Immundefizienz, bei denen nicht von einem ausreichenden Schutz durch die Pneumokokken-Impfung ausgegangen werden kann oder die zunächst nicht geimpft werden können.
    • Geeignet für die Antibiotikaprophylaxe bei Erwachsenen ist Penicillin V (Erwachsene 2 × 1 Mio. IE/d) oder Amoxicillin 2 x 10 mg/kg KG/d.
      • bei Penicillin-Allergie: Roxithromycin 150 mg/d oder Erythromycin 1 x 5 mg/kg KG/d
    • Die Antibiotikaprophylaxe kann für das Intervall mit dem höchsten Risiko für eine PSS bzw. für ein PSS-Rezidiv, d. h. für 1–2 Jahre nach Splenektomie bzw. nach PSS, durchgeführt werden.

Stand-by-Antibiotika-Notfallfalltherapie

  • Patient*innen sollten Antibiotika zur Verfügung haben, die sie anwenden können, wenn sie Infektionszeichen entwickeln, da ein zu später Beginn einer Antibiotikatherapie sehr gefährlich sein kann.15
  • Außerdem sollten Betroffenen über den Einsatz einer Stand-by-Antibiotika-Notfalltherapie geschult werden und einen Notfallausweis mit sich führen.2
  • Bei Fieber, Schüttelfrost, Krankheitsgefühl, sollen Patient*innen die Stand-By-Medikation anwenden, aber dennoch ist umgehend ärztliche Betreuung und Überwachung notwendig.2
    • geeignet für Erwachsene: Amoxicillin/Clavulansäure 3 x 12,5 mg/kg KG/d p. o.
    • Kinder: Amoxcillin/Clavulansäure 3 x 25 mg/kg, bei Penicillin-Allergie: Cefpodoxim, Azithromycin oder Clarithromycin
    • laut chirurgischer S1-Leitlinie: Stand-by-Antibiotikatherapie bei unklarem Fieber Amoxicillin 50 mg/kg KG/d in 3 Dosen, bei Tierbiss Amoxicillin/Clavulansäure für 5 d

Thromboseprophylaxe

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
  • Nach Splenektomie ist das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) 3-fach erhöht. 
  • Frühe Initiierung prophylaktischer Antikoagulation bei Thromboserisiko 
    • Thromboembolische Komplikationen am häufigsten nach Splenektomie bei Thalassaemia intermedia
    • Ebenfalls deutlich erhöhtes VTE-Risiko nach Splenektomie bei Hämoglobin-E-Beta-Thalassämie, Sichelzellerkrankung, hereditärer Stomatozytose, autoimmunhämolytischer Anämie (AIHA) und Pyruvatkinase-Mangel.
  • Die Evidenz zur postoperativen Weiterbehandlung mit Thrombozyten-Aggregationshemmern und Vitamin-K-Antagonisten ist nicht eindeutig und lässt keine klare Empfehlung zu.
  • Da die Prognose von Pfortaderthrombosen durch sofortige Behandlung mit Heparin und später mit oralen Antikoagulanzien verbessert wird und Thromboembolien nicht immer symptomatisch verlaufen, ist im 1. Jahr nach Splenektomie die Überwachung von Risikopatient*innen mittels Doppler-Ultraschall-Diagnostik und Bestimmung der D-Dimere zu erwägen.

Medikamentöse Therapie

Bei Infektionen/PSS

  • Rascher Beginn der Antibiotikatherapie innerhalb von 1 Stunde
    • Gemäß erwartetem Erregerspektrum ist in der Hospitalphase die Gabe eines Drittgenerations-Cephalosporins wie Cefotaxim oder Ceftriaxon (Wirksamkeit gegenüber Pneumokokken und Meningokokken) empfohlen, initial mit Gabe von Gentamicin (5–7 mg/kg einmalig).2
  • Ggf. Behandlung auf der Intensivstation

Weitere Therapien

  • In der Unfallchirurgie wird heute nach Möglichkeit versucht, die Milz zu erhalten, z. B. durch eine angiografische Embolisation.16
  • Die Erhaltung der Milz trägt zu einem gesunden Immunsystem und zur Vermeidung infektiöser und thromboembolischer Komplikationen bei.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Lebensbedrohliche Infektionen
    • Ein septischer Schock kann zu einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) führen.
    • Bis zu 70 % der Todesfälle bei Asplenie werden auf unzureichend behandelte Infektionen zurückgeführt.7
    • Risikofaktoren für schwere Infektionen sind Milzverlust im frühen Kindesalter, d. h. bei Kindern mit noch unreifem Immunsystem, höheres Lebensalter (Personen > 60 Jahre), Milzentfernung bei Grunderkrankungen mit à priori erhöhter Infektanfälligkeit (z. B. Hodgkin-Lymphom oder nach intensiver Chemotherapie) und Zustand nach einer einmal überstandenen PSS oder anderen schweren Infektionen nach Milzentfernung.2 
    • Obwohl das PSS-Risiko nach Milzverlust lebenslang besteht, gelten die ersten 2–3 Jahre nach Splenektomie als vulnerable Phase, in der 2/3 aller PSS-Fälle auftreten.2
  • Parasitäre Infektionen
  • Vaskuläre und thrombotische Komplikationen2
    • insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen wie Thalassaemia intermedia, Beta-Thalassämie, Sichelzellerkrankung
    • Risiko von Thrombosen des Venensystems im Bereich der unteren und oberen Hohlvene und der stromaufwärts liegenden großen Venen
    • pulmonale Hypertonie nach venösen Thromboembolien

Prognose

  • Die Prognose ist ungünstig, wenn nicht auf einen angemessenen Impfschutz geachtet wird.
  • Bei asplenischen Patient*innen und Patient*innen mit erworbener Immunschwäche und Asplenie sind Antibiotikaprophylaxe und Impfungen empfohlen.7
  • Bei nicht geimpften Patient*innen besteht ein hohes Risiko für schwere bakterielle Infektionen, Sepsis, septischen Schock und Tod.
  • Die PSS-Sterblichkeit liegt bei bis zu 50 %.2
    • Bei frühzeitiger Diagnose und sofortigem Einsatz bakterizider Antibiotika kann sie deutlich gesenkt werden.

Verlaufskontrolle

  • Darauf achten, dass die Patient*innen die nötigen Auffrischimpfungen erhalten.
  • Im 1. Jahr nach Splenektomie ist die Überwachung von Risikopatient*innen mittels Doppler-Ultraschall-Diagnostik und Bestimmung der D-Dimere zu erwägen.2

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Betroffene sollen das Komplikationsrisiko kennen, insbesondere das Risiko schwerer Infektionen.
  • Die Notwendigkeit von Impfungen und der prophylaktischen Anwendung von Antibiotika sollte hervorgehoben werden.
  • Über die korrekte prophylaktische Anwendung von Antibiotika sollte eine Patientenschulung erfolgen und die Betroffenen mit einem Notfallausweis ausgestattet werden.2
  • Bei Reisen in Regionen mit endemischen parasitären Infektionen, z. B. Malaria und Babesiose, sollte über das erhöhte Risiko solcher Infektionen informiert werden. Eine Malariaprophylaxe und die prophylaktische Anwendung antimikrobieller Mittel können indiziert sein.2

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Traumatische Milzruptur im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-112. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie. Asplenie und Hyposplenismus (früher: Prävention von Infektionen und Thrombosen nach Splenektomie oder funktioneller Asplenie). Stand Mai 2020. www.onkopedia.de

Empfehlungen des RKI 

Literatur

  1. Ashorobi D, Fernandez R. Asplenia. StatPearls Internet. Zuletzt aktualisiert: 3. Juni 2020. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie. Asplenie und Hyposplenismus (früher: Prävention von Infektionen und Thrombosen nach Splenektomie oder funktioneller Asplenie). Stand Mai 2020. www.onkopedia-guidelines.info
  3. Chow KU, Luxembourg B, Seifried E, Bonig H.. Spleen Size Is Significantly Influenced by Body Height and Sex: Establishment of Normal Values for Spleen Size at US with a Cohort of 1200 Healthy Individuals. Radiology 2016; 279: 306.13. doi:10.1148/radiol.2015150887. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. BMJ Best Practice. Assessment of Splenomegaly. Last updated 19. 03.2019 (letzter Zugriff 14.08.2019). newbp.bmj.com
  5. DeFrances CJ, Cullen KA, Kozak LJ. National Hospital Discharge Survey: 2005 annual summary with detailed diagnosis and procedure data. Vital Health Stat 13. 2007;(165):1-209. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Rose AT, Newman MI, Debelak J, et al. The incidence of splenectomy is decreasing: lessons learned from trauma experience. Am Surg. 2000;66(5):481-486. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Kirkineska L, Perifanis V, Vasiliadis T. Functional hyposplenism. Hippokratia. 2014;18(1):7-11. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Crary SE, Buchanan GR. Vascular complications after splenectomy for hematologic disorders. Blood. 2009;114(14):2861-2868. doi:10.1182/blood-2009-04-210112. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Erdem SB, Genel F, Erdur B, Ozbek E, Gulez N, Mese T. Asplenia in children with congenital heart disease as a cause of poor outcome. Cent Eur J Immunol. 2015;40(2):266-269. doi:10.5114/ceji.2015.52841 www.termedia.pl
  10. Waghorn DJ. Overwhelming infection in asplenic patients: current best practice preventive measures are not being followed. J Clin Pathol. 2001;54(3):214-218. doi:10.1136/jcp.54.3.214 jcp.bmj.com
  11. Folkehelseinstituttet. Vaksinasjon ved immunsvikt. Vaksinasjonsveilederen, sist oppdatert 19.02.2020. www.fhi.no
  12. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Milzruptur, traumatisch im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-112, Stand 2020. www.awmf.org
  13. RKI. Impfungen bei Asplenie (Entfernung der Milz oder Ausfall der Organfunktion) Stand 14.08.2019. www.rki.de
  14. Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2022 Epid Bull 2022;4:3-66 | DOI 10.25646/9285.2 www.rki.de
  15. Huebner ML, Milota KA. Asplenia and fever. Proc (Bayl Univ Med Cent). 2015;28(3):340-341. doi:10.1080/08998280.2015.11929267 DOI
  16. Rosati C, Ata A, Siskin GP, Megna D, Bonville DJ, Stain SC. Management of splenic trauma: a single institution's 8-year experience. Am J Surg. 2015;209(2):308-314. doi:10.1016/j.amjsurg.2014.06.034 DOI
  17. O'Neal HR Jr, Niven AS, Karam GH. Critical Illness in Patients With Asplenia. Chest. 2016;150(6):1394-1402. doi:10.1016/j.chest.2016.03.044 DOI

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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