Essstörungen
Essstörungen sind durch ein krankhaftes Verhältnis zum eigenen Körpergewicht gekennzeichnet, das zu schweren Störungen der Essgewohnheiten und anderen Verhaltensweisen führen kann. Zu diesen Erkrankungen gehören Anorexie, Bulimie und Essanfälle („Binge-Eating-Störung"“).
Der Zusammenhang zwischen der Binge-Eating-Störung und Magersucht bzw. Bulimie ist unklar. Essattacken sind möglicherweise Teil eines Krankheitsspektrums, wobei die verschiedenen Ausprägungen (Anorexie, Bulimie, Binge Eating) unterschiedliche Phasen oder Stadien der gleichen Erkrankung darstellen. Binge Eating kann aber auch eine eigene Erkrankung sein.
Was ist Binge Eating?
Die Binge-Eating-Störung ist durch häufige Essattacken gekennzeichnet, bei denen innerhalb eines begrenzten Zeitraums (z. B. 2 Stunden) große Mengen Lebensmittel verzehrt werden, ohne dass sie, im Gegensatz zur Bulimie, wieder erbrochen werden. Während der Essattacke haben die Betroffenen das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, d.das h.heißt, sie können nicht mehr aufhören zu essen.
In Deutschland leiden 0,1 % der Erwachsenen an einer Binge-Eating-Störung. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Binge-Eating-Störung zu entwickeln, beträgt ca. 2 %. Männer scheinen ähnlich häufig betroffen zu sein wie Frauen, und die Binge-Eating-Störung ist bei Jungen und Männern häufiger als andere Essstörungen. Binge Eating kommt in den höheren Altersgruppen (um die 40 Jahre) häufiger vor als andere Essstörungen, und das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 23 Jahren.
Binge Eating tritt häufiger bei Personen auf, die schon immer viel gegessen haben. Etwa 5 20–1030 % der Patienten mit Adipositas leiden an Essattacken.
Bei rund 50 % der Patienten mit einer Binge-Eating-Störung liegt eine Adipositas vor. Das bedeutet auch, dass etwa die Hälfte der Betroffenen normalgewichtig ist.
Symptome und Beschwerdebilder
Typische Symptome der Binge-Eating-Störung:
- wiederkehrende Episoden zwanghaften Überessens ohne nachfolgendes Erbrechen – mindestens einmal pro Woche innerhalb von mindestens 3 Monaten
- fehlende Kontrolle über das Essverhalten
sehrSehr schnelles Essen von großen Nahrungsmengen, ohne Hunger zu verspüren.- unangenehmes Völlegefühl nach dem Essen
- Alleine essen aus Scham.
- Gefühle von Scham und Schuld im Anschluss an die Attacken.
Im Unterschied zum einfachen „Überessen"“ sind die Symptome der Binge-Eating-Störung viel schwerer und der Leidensdruck der Betroffenen ist größer.
Viele Betroffene (50–80 %) leiden gleichzeitig unter anderen psychischen Problemen wie spezifischer Phobie (37 %), sozialer Phobie (32 %) und anderen Angststörungen, Depression (32 %), posttraumatischer Belastungsstörung (26 %), Persönlichkeitsstörungen, Alkoholmissbrauch (21 %) und Drogenabhängigkeit.
Ursachen
Die Essattacken können als ein Versuch angesehen werden, mit Stress und emotionalen Problemen umzugehen. Als krankheitsverstärkend wirken dabei das Essverhalten selbst, die psychische Motivation, der Kontrollverlust und die Folgen wie Adipositas. Sehr wenig bekannt ist jedoch über die Ursachen, die Entstehung der Erkrankung und den Zusammenhang zwischen Essattacken und Übergewicht.
In manchen Fällen tritt die Binge-Eating-Störung als Vorstadium oder als Folgeerkrankung der Anorexie oder Bulimie auf.
Komplikationen
Die häufigste Komplikation im Zusammenhang mit Binge Eating ist Übergewicht. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte (Hyperlipidämie), Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Erkrankungen von Leber und Galle, Sodbrennen und das Schlafapnoe-Syndrom. Es ist jedoch unklar, ob Essanfälle negative gesundheitliche Folgen für Normalgewichtige haben.
Diagnostik
Die Diagnose beruht auf einer allgemeinen körperlichen Untersuchung, bei der u. a. Größe, Gewicht, Puls und Blutdruck gemessen werden. Spezielle Fragebögen können den Verdacht auf eine Essstörung bestätigen. Evtl. werden zusätzlich Blutuntersuchungen durchgeführt.
Bereits bei der Vorsorgeuntersuchung J1 zwischen 12 und 14 Jahren findet ein Screening zur Frühererkennung von Essstörungen statt.
Behandlung
Ziel der Behandlung ist die Reduktion der Häufigkeit von Essattacken und die Vermeidung oder Abnahme von Übergewicht bzw. Abnehmen. Das Wichtigste ist, dass Sie Ihr Essverhalten ändern: gewGewöhnen Sie sich an regelmäßige Essenszeiten mit drei Mahlzeiten am Tag. Ernähren Sie sich gesund und achten Sie auf ausreichend Bewegung! Ein Eine Ernährungsberaterhrungsberatung kann Sie dabei unterstützen.
Die Therapie der Wahl zur Behandlung der Binge-Eating-Störung ist eine Psychotherapie. Diese sollte möglichst durch eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten mit Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit Essstörungen erfolgen. Die bevorzugte Therapiemethode ist die kognitive Verhaltenstherapie, die sowohl als Einzel- als auch als Gruppentherapie stattfinden kann. Die Behandlung führt bei ca. 50–70 % der Patienten zu einem guten Erfolg, der mindestens zwei Jahre bestehen bleibt. Angeleitete Selbsthilfe nach Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie kann als vereinfachte Therapieform etwa gleich gute Ergebnisse erzielen. Kindern und Jugendlichen wird eine Psychotherapie unter Einbeziehung der Eltern empfohlen.
Bei Bedarf kann die Behandlung auch kurzzeitig mit Antidepressiva (SSRI) unterstützt werden, wenn eine alleinige Psychotherapie nicht zum Erfolg führt.
Prognose
Über den natürlichen Verlauf der Erkrankung ist wenig bekannt. Sie kann chronisch verlaufen oder sich im Lauf der Zeit bessern. Eine Psychotherapie kann in kurzer Zeit eine Reduktion von Essattacken bewirken. Auch nach 12 Jahren haben zwei Drittel der Behandelten keine Essstörung mehr.
Rückfälle scheinen besonders in Zeiten von Stress und psychischer Belastung aufzutreten. Daher ist es gerade in solchen Zeiten wichtig, auf die Essgewohnheiten zu achten.
Weitere Informationen
- Anorexie (Magersucht)
- Bulimie
- Übergewicht und Adipositas
- Übergewicht und körperliche Aktivität – Bleiben Sie in Bewegung!
- Ratschläge für eine ausgewogene Ernährung
- SSRI
(medikamentöse Behandlung von Depressionen)-Antidepressiva - Binge-Eating-Störung (BES) – Informationen für ärztliches Personal
Autoren
- Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden