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Keratoconjunctivitis sicca

Zusammenfassung

  • Definition: Trockene Augen mit entzündeter Augenoberfläche, multifaktorieller Ätiologie.
  • Häufigkeit: Häufiges Vorkommen (bis zu 30 %), vor allem bei Frauen und älteren Menschen.
  • Symptome: Trockene Augen, Augenreizung, Fremdkörpergefühl, Brennen der Augen, Photophobie, vorübergehendes Nebelsehen.
  • Befunde: Leichte Hyperämie, Schleimfäden. Hornhautschäden.
  • Diagnostik: Schirmer-Test, Break-Up-Time (BUT).
  • Therapie: Tränenersatzpräparate (am wichtigsten); ggf. Omega-3, Ciclosporin, Pilocarpin oder Tetracyclin.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonyme: Syndrom des trockenen Auges, trockene Augenkrankheit, dysfunktionales Tränensyndrom und Keratitis sicca1
  • Störung des Tränenfilms aufgrund von verminderter Tränenproduktion oder erhöhter Verdunstung der Tränenflüssigkeit
  • Multifaktorielle Erkrankung mit Beschwerden, Sehstörungen, Instabilität des Tränenfilms und Schäden der Augenoberfläche; die Osmolarität des Tränenfilms ist erhöht und  Augenoberfläche entzündet.2
  •  Differenzialdiagnosen siehe Artikel Sicca-Syndrom.

Häufigkeit

  • Unterschiedlich, abhängig von der Krankheitsdefinition
  • Prävalenz: 15–17 %1,3
  • Häufiger bei Frauen (oft meno- und postmenopausal) und älteren Menschen4

Ätiologie und Pathogenese

  • Komplexe und multifaktorielle Ätiologie
  • Tränenfilm
    • Enthält wässrige, muköse und Lipidkomponenten.
    • Basiert auf der Wechselwirkung zwischen Tränendrüsen, Augenlidern und Augenoberfläche.
    • Die Dysfunktion dieser Komponenten kann trockene Augen verursachen.
  • Pathophysiologisch gesehen verursachen trockene Augen Hyperosmolalität, instabile Tränenfilme und Entzündungen der Augenoberfläche.5
  • Verminderte Tränenproduktion
    • Sjögren-Syndrom: Entzündliche Infiltration der Tränendrüsen, die zu Zelltod und verminderter Tränenproduktion führt.
    • Non-Sjögren-Syndrom: Dysfunktion der Tränendrüsen ohne systemische Erkrankung
      • Obstruktion der Tränendrüsen; altersbedingt oder aufgrund von konjunktivalen Narben (z. B. Trachom, Pemphigoid oder Verbrennungen)
      • Infiltration der Tränendrüse (z. B. Sarkoidose, Lymphom etc.)
      • Verminderte korneale Sensitivität (z. B. beim Tragen von Kontaktlinsen) kann den Tränenreflex beeinträchtigen.
  • Erhöhte Verdunstung 
    • Oft bei Dysfunktion der Meibom-Drüsen (posteriore Blepharitis), die durch Absondern von Lipiden eine Verdunstung verhindern.
    • strukturelle Abweichungen des Augenlides, reduzierte Blinzelfunktion, Medikamente, Allergien, Kontaktlinsen
  • Erklärungsmodelle6
    • abnehmende Menge an Sexualhormonen mit zunehmendem Alter
    • proinflammatorische Zytokine
    • Defekte der Mucin-synthetisierenden Gene

Prädisponierende Faktoren

  • Hohes Lebensalter
  • Hormonelle Veränderungen
  • Systemische Erkrankungen (z. B. Diabetes, Parkinson)
  • Kontaktlinsen
  • Medikamente (Antihistaminika, Anticholinergika, Östrogene, Isotretinoin, SSRI, Amiodaron)
  • Okuläre Medikamente (insbes. Medikamente mit Konservierungsstoffen)
  • Vitamin-A-Mangel
  • Verminderte Hornhautsensitivität
  • Augenoperation
  • Trockenes Klima
  • Assoziiert mit PTSD und Depressionen (nach einer Studie)7

ICPC-2

  • F13 Auge Empfindungsstörung
  • F85 Cornealulcus

ICD-10

  • H19 Affektionen der Sklera und der Hornhaut bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
    • H19.3 Keratitis und Keratokonjunktivitis bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • 2 von 3 Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose Keratoconjunctivitis sicca zu sichern (weitere Kriterien liegen vor):
    1. pathologischer Schirmer-Test (weniger als 5 mm nach 5 Minuten)
    2. „Corneal Staining“ (1 Grad mehr oder gleich 4)
    3. reduzierte BUT (Break-Up-Time; weniger als 10 Sekunden).

Differenzialdiagnosen

  • „Gesunde“ trockene Augen mit situationsbedingten Beschwerden 
  • Andere Keratitis-Erkrankungen
  • Andere Konjunktivitis-Erkrankungen
  • Systemische Erkrankungen

Anamnese

  • Trockene und brennende Augen, Reizung, Juckreiz
  • Gefühl von Fremdkörpern und Sand
  • Schleimfäden, morgens verklebte Augen, paradoxerweise erhöhter Tränenfluss (Reflex-Sekretion)
  • Brennen der Augen, Photophobie
  • Fluktuierendes Sehen oder Nebelsehen
  • Zunahme der Beschwerden bei:
    • trockener Luft, Klimaanlage
    • Autofahren (offenes Fenster, Lüftung, Heizung)
    • Zigarettenrauch, Staub
    • Arbeiten am Computer (zu geringe Blinkwiederholfrequenz, zu hoch platzierter Bildschirm)
    • Kontaktlinsen.
  • Vermehrte Beschwerden gegen Abend
  • Bekannte Autoimmunerkrankung oder rheumatische Erkrankungen
    • Trockene Augen“ können auch ein Frühsymptom dieser Erkrankungen sein. Systematische Befragung erforderlich!
    •  Differenzialdiagnosen siehe Artikel Sicca-Syndrom.
  • Verschlimmerung einer allergischen Konjunktivitis aufgrund der Ansammlung von Allergenen bei reduzierter Ausleitungsfrequenz
    • Orale Antihistamine und Augentropfen mit Konservierungsmitteln können trockene Augen verursachen.

Klinische Untersuchung

  • Große Unterschiede bzgl. des Schweregrades der Beschwerden
    • Symptome und klinische Befunde sind schlecht korreliert.4
  • Meist milde konjunktivale Hyperämie
  • Geringer Tränenfilm; auf der Kornea sind häufig muköse Fäden zu beobachten.
  • Reduzierter Tränenmeniskus
  • Vermehrtes Zusammenkneifen der Augen und Blinzeln
  • Epithelschäden, am häufigsten im unteren Hornhautbereich

Diagnostik beim Spezialisten

  • Fluoresceinfärbung
    • zur Darstellung von Hornhautdefekten
  • Blutuntersuchungen
    • auf Indikation oder zum Ausschluss des Sjögren-Syndroms oder anderer systemischer Erkrankungen
  • Färbung
    • Nachweis von Veränderungen und Schäden der Kornea und des konjunktivalen Epithels (Farbaufnahme, Filamente und Mucus) je nach Färbungsmethode
      • Fluorescein: Nachweis toter Zellen
      • Bengalrosa, Lissamingrün: Nachweis beschädigter und toter Zellen
      • „Staining“ (Färbung) wird graduiert je nach Größe des zu färbenden Bereiches der Kornea bzw. der Konjunktiva.
  • Break-Up-Time (BUT)
    • Untersuchung der Qualität des Tränenfilms mit Fluorescein
    • < 10 Sekunden: reduzierte Tränenfilmqualität
  • Schirmer-Test, evtl. vereinfachter Test (Zone Quick)
    • Untersucht die Produktion von Tränenflüssigkeit mit einem 5 mm breiten, 35 mm langen Filterpapierstreifen, der im äußersten Lidwinkel in den Bindehautsack eingehängt wird.
    • normal: > 10 mm
    • wahrscheinlich pathologisch: < 5 mm
      • Der Test ist unspezifisch mit großer Variationsbreite und wird vom Alter der Patientin/des Patienten beeinflusst. 
  • Blutuntersuchungen
    • Antikörper sind evtl. beim Sjögren-Syndrom nachweisbar.
    • ansonsten unspezifische und oft negative Befunde

Indikationen zur Überweisung

  • Diagnoseunsicherheit 
  • Kompliziertere Therapie erforderlich

Therapie

Therapieziele

  • Den schützenden Tränenfilm wiederherstellen.
  • Epithelschäden und Narbenbildung vorbeugen.

Allgemeines zur Therapie

  • Auslösende/reizende Faktoren möglichst entfernen.
  • Situationen vermeiden, in denen sich die Beschwerden verschlimmern.
  • Die Grundbehandlung besteht aus der Substitution der Tränenflüssigkeit.
    • Die Forschung hierzu ist unzureichend aufgrund unklarer diagnostischer Kriterien. Es liegen nur kleine Studien ohne Placebokontrollen und ohne standardisierte Endpunkte vor.

Medikamentöse Therapie

  • Tränenersatzpräparate
    • Wirken durch die Zufuhr von Feuchtigkeit, sodass Epitheldefekte heilen und Symptome vermieden werden können.
      • Die Anwendungshäufigkeit ist vom Schweregrad der Erkrankung und den äußeren Belastungen abhängig.
    • Gibt es mit unterschiedlicher Viskosität – von dünnflüssiger Flüssigkeiten bis zu hochviskosem Gel/Salbe.
      • je schwerer die Erkrankung, umso viskoser das Tränenpräparat und umso häufiger seine Anwendung
    • Konservierungsmittel sollten vermieden werden.
      • Können eine toxische Wirkung auf das Epithel haben (insb. Benzalkoniumchlorid BAK).
      • Am besten sind Einzeldosis-Präparate ohne Konservierungsmittel (ggf. mit modernen ungefährlichen Konservierungsmitteln).
    • Eine Cochrane-Analyse schlussfolgert, dass die Behandlung sicher ist und wirksam sein kann, wobei dies auf qualitativ schlechter Forschung basiert.8 
  • Ciclosporin (Verordnung durch Augenarzt) 9-10
    • Wirkt immunsuppressiv und entzündungshemmend.
    • Ciclosporin A-Augentropfen können Symptome mildern, aber der Effekt ist unsicher und es fehlen Daten zu einer Anwendung länger als 12 Monate. 
    • Es kann bis 6 Wochen dauern, bis eine Wirkung eintritt.
  • Topische Glukokortikoide (Verordnung durch Augenarzt)
    • Können als Kurzzeitbehandlung nützlich sein.11
  • Orales Pilocarpin (Verordnung durch Augenarzt/Rheumatologe)
    • Kann beim Sjögren-Syndrom hilfreich gegen trockene Augen sein, hat aber viele Nebenwirkungen.12
  • Tetracycline (Verordnung durch Augenarzt)
    • bei Dysfunktion der Meibom-Drüsen oder Rosazea13

Weitere Therapien

  • Evtl. anatomische Veränderungen korrigieren bzw. behandeln (Blepharitis).
  • Punctum Plugs/Kauterisierung, Tarsoraphie, Bandagelinsen, Schutzbrille usw.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Zu Beginn oft milde Konjunktivitis mit muzinösem Sekret
  • Kann Epithelverletzungen verursachen.
  • Schmerzen und Beschwerden, die meistens abends auftreten.

Komplikationen

  • Hornhautschäden
  • Keratitis mit Narbenbildung, kann zu Sehschwäche führen.
  • Punktförmige Epitheldefekte können zu kornealen Ulzerationen führen; evtl. Sekundärinfektionen, Neovaskularisierung, Narbenbildung, Verdünnung und Perforation der Kornea. Dies ist jedoch selten.6

Prognose

  • Chronisch mit unterschiedlichem Verlauf, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung
  • Oft nur leichte bis mäßige Beschwerden, die symptomatisch mit Tränenersatzpräparaten behandelt werden können.6
  • Tragen von Kontaktlinsen, vor allem nachts, verschlechtert die Prognose.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Häufiges Einträufeln von künstlichen Tränen ist wichtig.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. "Trockenes Auge" (Sicca-Syndrom) und Blepharitis. DOG-Leitlinie Nr. 11, Stand 2015. www.augeninfo.de
  2. International Dry Eye Workshop. The definition and classification of dry eye disease: report of the Definition and Classification Subcommittee of the International Dry Eye Workshop (2007). Ocul Surf 2007;5:75-93. PubMed
  3. Paulsen AJ, Cruickshanks KJ, Fischer ME, et al. Dry eye in the beaver dam offspring study: prevalence, risk factors, and health-related quality of life. Am J Ophthalmol 2014; 157: 799-806. doi:10.1016/j.ajo.2013.12.023 DOI
  4. International Dry Eye Workshop. The epidemiology of dry eye disease: report of the Epidemiology Subcommittee of the International Dry Eye WorkShop (2007). Ocul Surf 2007;5:93-107. PubMed
  5. Li DQ, Chen Z, Song XJ, et al. Stimulation of matrix metalloproteinases by hyperosmolarity via a JNK pathway in human corneal epithelial cells. Invest Ophthalmol Vis Sci 2004; 45: 4302. pmid:15557436 PubMed
  6. Foster CS, Sheppard JD Jr. Dry Eye Syndrome. Medscape Emedicine, last updated Dec 10, 2015 emedicine.medscape.com
  7. Galor A, Feuer W, Lee DJ, et al. Prevalence and risk factors of dry eye syndrome in a United States veterans affairs population. Am J Ophthalmol. 2011;152:377-384.e2. PMID: 21684522 PubMed
  8. Pucker AD, Ng SM, Nichols JJ. Over the counter (OTC) artificial tear drops for dry eye syndrome. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016; Issue 2: Art. No.: CD009729. doi:10.1002/14651858.CD009729.pub2 DOI
  9. Sacchetti M, Mantelli F, Lambiase A, et al. Systematic review of randomised clinical trials on topical ciclosporin A for the treatment of dry eye disease. Br J Ophthalmol 2014; 98: 1016-22. pmid:24344232 PubMed
  10. de Paiva CS, Pflugfelder SC, Ng SM, et al. Topical cyclosporine A therapy for dry eye syndrome. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Sep 13;9:CD010051. doi: 10.1002/14651858.CD010051.pub2. www.cochranelibrary.com
  11. Pinto-Fraga J, López-Miguel A, González-García MJ, et al. Topical Fluorometholone Protects the Ocular Surface of Dry Eye Patients from Desiccating Stress: A Randomized Controlled Clinical Trial. Ophthalmology 2016; 123: 141. pmid:26520171 PubMed
  12. Tsifetaki N, Kitsos G, Paschides CA, et al. Oral pilocarpine for the treatment of ocular symptoms in patients with Sjögren's syndrome: a randomised 12 week controlled study. Ann Rheum Dis 2003; 62: 1204. pmid:14644860 PubMed
  13. Pflugfelder SC. Antiinflammatory therapy for dry eye. Am J Ophthalmol 2004;137:337-342. PubMed

Autoren

  • Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Trine Hessevik Paulsen, allmennlege og redaksjonsmedarbeider i NEL
  • Johan H. Eivind Seland, Professor Emeritus, Universität Bergen.
  • Anders Behndig, professor och överläkare, Ögonkliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå
sicca; Keratoconjunctivitis sicca; keratoconjunctivitt
sicca; Keratoconjunctivitis sicca; keratoconjunctivitt
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Trockene Augen; Trockenes Auge; Syndrom des trockenen Auges; Trockene Augenkrankheit; Dysfunktionales Tränensyndrom; Keratitis sicca; Tränenflimstörung; Störung des Tränenfilms; Sicca-Syndrom; Verminderte Tränenproduktion; Erhöhte Verdunstung der Tränenflüssigkeit; Sjögren-Syndrom; Non-Sjögren-Syndrom; Posteriore Blephartitis; Dysfunktion der Meibom-Drüsen; Pathologischer Schirmer-Test; Corneal Staining; Reduzierte Break-Up Time; BUT; Kerotokonjunktivitis sicca
Keratoconjunctivitis sicca
U-MK 14.10.2019 U-NH 15.11.17
CCC MK 07.08.2019, Revision, wenige Änderungen, Diagnostik beim Augenarzt. Rev 150316. Innholdsmessige svært store endringer (THP). Revision at 04.12.2013 07:38:33: Revidert. Oppgradert ved hjelp av BestPractice-artikkel. chck go 8.8.
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Definition: Trockene Augen mit entzündeter Augenoberfläche, multifaktorieller Ätiologie. Häufigkeit: Häufiges Vorkommen (bis zu 30 %), vor allem bei Frauen und älteren Menschen.
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