Definition:Akut schmerzhafte Entzündung der Rachenschleimhaut.
Häufigkeit:Ist eine der häufigsten Ursachen für eine ärztliche Konsultation.
Symptome:Schmerzen im Hals, Schluckbeschwerden, Schmerzen beim Essen.
Befunde:Rötung der Rachenschleimhaut, Schleimabsonderungen, Lymphknotenschwellungen
Diagnostik:Racheninspektion, Palpation der Halslymphknoten, Anwendung von Centor-/McIssac-/FeverPAIN-Score; ggf. Streptokokken-Schnelltest bei Patient*innen < 15 Jahre.
Therapie:Fast immer symptomatische Therapie und Beratung bezüglich des selbstlimitierenden Verlaufs ausreichend. Antibiotische Therapie selten indiziert.
Allgemeine Informationen
Definition
Bei der Pharyngitis handelt es sich um einen diffusen infektiösen Prozess in den Schleimhäuten des Rachens.1
Ist eine der häufigsten Ursachen für eine ärztliche Konsultation.
Ätiologie und Pathogenese
In über 70 % der Pharyngitis-Fälle sind die Auslöser Atemwegsviren (Adeno-, Influenza-, Rhino-, RS- und Coxsackie-Viren).3
GABHS (beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A bzw. Streptococcus pyogenes) sind die am häufigsten auftretende bakterielle Ursache für Tonsillopharyngitis bei immunkompetenten Kindern (20–30 %) und Erwachsenen (5–15 %).2
Es kommt zu Entzündungen der Rachenschleimhaut mit Rötungen, Schmerzen und Exsudat.
bei 3 Punkten mittleres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
bei 4 bzw. 4–5 Punkten höheres Risiko für den Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich
Komplizierende Befunde/Red Flags
Bei folgenden Konstellationen sind die o. g. Scores nicht anwendbar, und es sollte eine individuelle Diagnostik und Therapiestrategie verfolgt werden:4
1‒2 mm große Vesikel, umgeben von einer hyperämischen Zone, die sich zu Erosionen entwickeln, wenn sie platzen.
Auftreten im weichen Gaumen, den Gaumenbögen, der Uvula und ggf. an den Tonsillen.
Chronische Pharyngitis
Juckreiz, Stechen, Brennen, Trockenheit und Globusgefühl
Wird durch rezidivierende akute Pharyngitiden, Nasen- und Nebenhöhlenerkrankungen, Allergien und Inhalation von Stoffen/Reizstoffen, erheblichem Tabak- oder Alkoholkonsum, maligne Tumoren, Urämie, Diabetes mellitus oder infolge einer Tonsillektomie verursacht.
Zusätzliche klinische Befunde wie eine Konjunktivitis, Rhinitis, Husten, Heiserkeit und spezifischere Befunde, wie eine anteriore Stomatitis sowie orale ulzerative Läsionen und ein begleitendes unspezifisches Exanthem deuten eher auf eine virale Genese der Beschwerden hin.4
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Ggf. Kulturanzüchtung zur Resistenztestung bei frustraner antibiotischer Therapie
Auch für Viren gibt es spezielle molekulargenetische Nachweise, die klinisch aber nicht von Bedeutung sind.
Ein Mononukleose-Schnelltest kann indiziert sein, sollte aber ggf. durch erregerspezifische Serologie und/oder Erregernachweis verifiziert werden, da der Schnelltest nicht zwischen einer akuten tonsillären Infektion oder einer EBV-Reaktivierung unterscheiden kann.
Bei unklaren Krankheitsbildern kann ein erweitertes Blutbild indiziert sein: z. B. Hb, CRP, BSG (die Entzündungsparameter haben einen geringen diagnostischen und prognostischen Wert).
Bei einer Mononukleose findet sich eher eine Lymphozytose mit atypischen, reaktiven Lymphozyten.
Streptokokken-Antikörpertiter (z. B. Antistreptolysin-Titers) sollten bei akuter und rezidivierender Tonsillitis nicht bestimmt werden.
Es sollten keine routinemäßigen Kontrollen des Rachenabstrichs nach Streptokokkeninfektion durchgeführt werden, auch eine routinemäßige kardiologische Diagnostik ist nicht notwendig.
Bei V. a. bakterielle Genese und Kindern < 15 Jahre ggf. Streptokokken-Schnelltest, um bei negativem Befund auf ein Antibiotikum verzichten zu können.4
Für Patient*innen > 15 Jahre findet sich nicht genug Evidenz für die regelhafte Anwendung von GAS-Schnelltests in einem hausärztlichen Kollektiv mit V. a. akute bakterielle Tonsillopharyngitis. 4
Meist genügt eine symptomatische Therapie, die akute Pharyngitis heilt spontan innerhalb weniger Tage aus.
Hilfreich können Rachenspülungen oder schmerzlindernde Lutschtabletten sein, ggf. Schmerzmittel und fiebersenkende Medikamente.
Ggf. muss die ursächliche Grunderkrankung für die Pharyngitis behandelt werden.
Zur Entscheidung, ob eine antibiotische Therapie notwendig ist, hat die DEGAM einen Plan zur Therapiefindung entwickelt.
Therapiefindung
DEGAM-Leitlinie: Therapiefindung bei Halsschmerzen4
Kategorisierung der Patient*innen
Alle Patient*innen in der Hausarztpraxis können einer dieser 4 Gruppen zugeordnet werden:
Patient*innen mit geringer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score ≤ 2 Punkte)
Patient*innen mit intermediärer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor- bzw. McIsaac-Score 3 Punkte)
Patient*innen mit höherer Wahrscheinlichkeit für eine durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (Centor-Score 4 Punkte, McIsaac-Score 4-5 Punkte)
Patient*innen, bei denen die Scores nicht anwendbar sind (siehe Abschnitt Komplizierende Befunde).
Patient*innen aus Regionen mit hoher regionaler Inzidenz von Poststreptokokken-Erkrankungen
typischen Konditionen schwerer Immunsuppression.
Delayed Prescribing
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Verschreibungsstrategie, bei der infolge von Verschlechterung oder Persistenz der Symptome über einen zuvor bestimmten Zeitraum (in der Regel 3–5 Tage) ein Rezept für ein Antibiotikum eingelöst wird.
Zwei gängige Modelle werden regelhaft eingesetzt:
Das Rezept wird ausgestellt, verbleibt aber in der Praxis und kann von den Patient*innen bei o. g. Verlauf abgeholt werden – oder –
den Patient*innen wird das Rezept bereits bei der Konsultation mitgegeben.
Beratung
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Bei allen Patient*innen (Alter ≥ 3 Jahre) mit akuten Halsschmerzen (< 14 Tagen Dauer) ohne Red Flags sollte eine Beratung zu folgenden Punkten erfolgen:
voraussichtlicher Verlauf: selbstlimitierend, Beschwerdedauer ca. 1 Woche
das geringe Risiko für behandlungsnotwendige suppurative (eitrige) Komplikationen
Selbstmanagement (z. B. Flüssigkeit, körperliche Schonung, andere nichtmedikamentöse Maßnahmen)
die geschätzte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bakteriellen Tonsillopharyngitis auf Basis von Anamnese und Befunderhebung
hohe Number Needed to Treat von ca. 200 zur Vermeidung einer suppurativen Komplikation
ca. 10 % unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Diarrhöen, Anaphylaxie, Mykosen) bei Antibiotikagabe
Auf Nachfrage der Patient*innen
Die geschätzte Inzidenz des akuten rheumatischen Fiebers (ARF) und der akuten postinfektiösen Glomerulonephritis (ASPGN) in Deutschland ist sehr gering. Weder das ARF noch eine ASPGN können durch eine antibiotische Therapie nachweislich verhindert werden.
Symptomatische Therapie
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Als Lokaltherapeutika können sowohl nichtmedikamentöse Lutschtabletten als auch medikamentöse Lutschtabletten, die Lokalanästhetika und/oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten, mit dem Ziel der Symptomlinderung empfohlen werden.
Das Lutschen von medizinischen Lutschtabletten mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika zur lokalen Schmerzlinderung soll nicht empfohlen werden.
Zur kurzzeitigen symptomatischen Therapie von Halsschmerzen können Ibuprofen oder Naproxen angeboten werden.
Kortikosteroide sollen laut DEGAM-Leitlinie nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen genutzt werden.
Nach Einschätzung einer Auswertung durch das British Medical Journal besteht allerdings eine schwache Evidenz für den Nutzen einer einmaligen oralen Gabe bei akuten Halsschmerzen.5
Die Schmerzdauer kann damit im Durchschnitt um 1 Tag verkürzt werden, mit Nebenwirkungen ist bei einmaliger Gabe in der Regel nicht zu rechnen.
empfohlene Dosis: 10 mg Dexamethason (oder äquivante Dosis eines alternativen Glukokortikoids) für Erwachsene
Für naturheilkundliche Präparate oder Homöopathika zur Behandlung von Halsschmerzen gibt es keinen gesicherten Wirkungsnachweis aus kontrollierten Studien.
Empfehlungen für Patient*innen
Kalte und lauwarme Getränke können lindernd wirken.
Während die Leitlinie der DEGAM und die abgelaufene Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) bei Penicillin V als Therapie der Wahl übereinstimmen, gibt es im Vergleich mit der inzwischen abgelaufenen Leitlinie der HNO-Ärzt*innen nun neue Empfehlungen bezüglich der Dauer (5–7 vs. 7 Tage), der Dosierung bei Kindern sowie der Therapie bei einer möglichen Penicillinunverträglichkeit (Erythromycin wegen der schlechten Verfügbarkeit nicht mehr empfohlen).2,4
DEGAM-Leitlinie: Antibiotische Therapie bei Halsschmerzen4
Patient*innen ab 16 Jahren
Penicillin V 0,8–1,0 Mio IE in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 250–500 mg in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
Patient*innen 3–15 Jahre
Penicillin V 0,05–0,1 Mio. IE/kg KG/d in 3 Einzeldosen p. o. für 5–7 Tage
bei Penicillinunverträglichkeit: z. B. Clarithromycin 15 mg/kg KG/d in 2 Einzeldosen p. o. für 5 Tage
Eine Erregereradikation als Ziel der antibiotischen Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis sollte nur bei einem erhöhten individuellen Risiko für Komplikationen (z. B. schwere Immunsuppression) angestrebt werden.
Die Einnahmedauer beträgt in diesem Fall 10 Tage (Wirkstoff: Penicillin V oder Clarithromycin).
Wenn eine antibiotische Therapie zur Behandlung einer bakteriellen Tonsillopharyngitis nach 3–4 Tagen keine Wirkung zeigt, kann sie (nach ärztlicher Reevaluation und unter Beachtung von Differenzialdiagnosen) beendet werden, um das Risiko für Resistenzentwicklungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Die Erkrankung verläuft in der Regel leicht. Die Symptome gehen meist innerhalb weniger Tage zurück, bei fast allen Patient*innen innerhalb 1 Woche.
Komplikationen
Bakterielle Komplikationen sind Peritonsillitis, Peritonsillarabszess, Parapharyngealabszess, Retropharyngealabszess, Mittelohrentzündung, Vereiterung der zervikalen Lymphknoten und Sepsis.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org
Literatur
Vincent MT, Celestin N, Hussain AN. Pharyngitis. Am Fam Physician 2004; 69: 1465-70. PubMed
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 017-024, Stand 2015. www.awmf.org
Little P, Hobbs FD, Moore M. et al. Clinical score and rapid antigen detection test to guide antibiotic use for sore throats: randomised controlled trial of PRISM (primary care streptococcal management). BMJ 2013; 347: f5806. doi:10.1136/bmj.f5806 DOI
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Halsschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-010, Stand 2020. www.awmf.org
Aertgeerts B, Agoritsas T, Siemieniuk RAC, et al. Corticosteroids for sore throat: a clinical practice guideline. BMJ 2017; 358: 4090. www.bmj.com
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
halskatarrJ02; pharyngitt; FaryngittJ029
halskatarr; pharyngitt; Faryngitt
halskatarr; pharyngitt; FaryngittR74
Infektion der Rachenschleimhäute; Halsentzündung; Streptokokken der Gruppe A; GAS-Infektion; Streptokokkeninfektion; Atemwegsviren
BBB 12.11.2020 umfassende Änderungen auf der Basis der DEGAM-Leitlinien.
Revision at 13.07.2015 12:28:19:
Små endringer.
Revision at 22.11.2011 10:23:42:
Gjennomgang. chck go 23.5., 15.6.
MK 10.10.17, komplett überarbeitet.
Definition:Akut schmerzhafte Entzündung der Rachenschleimhaut. Häufigkeit:Ist eine der häufigsten Ursachen für eine ärztliche Konsultation. Symptome:Schmerzen im Hals, Schluckbeschwerden, Schmerzen beim Essen.