Diagnostik: Klinische Untersuchung aller Strukturen des Kniegelenks, Röntgen in 2 Ebenen und MRT.
Therapie: Bei jungen, sportlich aktiven Patienten in der Regel operative Rekonstruktion, bei geringem Anspruch ans Kniegelenk konservatives Prozedere möglich.
Allgemeine Informationen
Definition
Komplette oder partielle Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB), evtl. mit Abrissfraktur
In der Regel als Folge einer akuten, kontaktlosen Dezelerationsverletzung mit kombiniertem Valgus- und Außenrotationsstress1
Die Verletzung kann isoliert auftreten, häufiger sind allerdings kombinierte Kapsel-Band-Verletzungen.
häufig Mitbeteiligung von medialem Kollateralband, Innenmeniskus, posteromedialer Kapsel und/oder hinterem Kreuzband
Das vordere Kreuzband ist die primäre stabilisierende Struktur im Kniegelenk.
Es begrenzt die ventrale Translation (Vorgleiten) und Rotation des Kniegelenks.2
Häufigkeit
Inzidenz
etwa 50.000 VKB-Rupturen pro Jahr in Deutschland 3
Alter und Geschlecht
Am höchsten ist das Risiko in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren.
Da die operative Therapie bei der VKB-Ruptur einen hohen Stellenwert hat und diese bei zeitnahem Einleiten nach der Verletzung mehr Aussicht auf Erfolg hat, ist eine rasche Diagnosestellung wichtig.
Daher wird bei Verdacht auf VKB-Ruptur eine zeitnahe bildgebende Diagnostik empfohlen.
Diagnostische Kriterien
Typische Anamnese mit Verletzungsmechanismen, die den Verdacht auf eine Kreuzbandverletzung liefern.
Beginn und Dauer: frisch oder chronisch? Trauma-Mechanismus?
Schmerzen? Schmerzauslösende Situationen? Gelenkerguss: wie schnell? Gelenkblockaden? Instabilität?
Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
Sonstige relevante Erkrankungen?
Regelmäßige Medikamente?
Folgen: Funktionsverlust? Arbeitsunfähigkeit?
Klinische Untersuchung
Akutes oder chronisches Stadium?
Lokalisierung der Schmerzen? Schmerzempfindliche Gelenklinie? Schwellung? Eingeschränkte Beweglichkeit? Hängefuß?
Meniskusschmerzen oder -klicken bei Rotation während der Bewegung?
Seitenstabilität (Kollateralband)?
Lachman-Test, Schubladentests (Kreuzband)?
Ergänzende Untersuchungen
MRT des Kniegelenkes? Ergebnis?
Röntgen: Fraktur?
Therapie
Therapieziele
Symptome lindern.
Funktion wiederherstellen.
Komplikationen verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Das Therapieregime (operativ vs. konservativ) nach gesicherter VKB-Ruptur wird weiterhin diskutiert.5
Die operative Therapie ist die häufigere Behandlungsmethode, die insbesondere bei jungen und aktiven Patienten notwendig ist, um eine sichere Rückkehr zur Aktivität unter Minderung des Risikos von Folgeschäden zu ermöglichen.5
Akutbehandlung
Entlastung, Ruhe, Kühlung, Kompression, Hochlagerung und Verwendung einer Orthese
Rehabilitation: Übungen und Training beginnen, sobald die akute Phase vorbei ist.
Therapeutische Fortschritte haben dazu geführt, dass das Alter nicht mehr als entscheidender Faktor bei der Entscheidung für oder gegen eine Operation angesehen wird.
Empfehlungen für Patienten
Konservative Therapie
Stärkung der hinteren Oberschenkelmuskulatur
Postoperativ
schnellstmögliche Mobilisierung und Rehabilitation des Knies
Rehabilitation über ½–1 Jahr, um eine Quadrizepsatrophie zu verhindern.
Punktion eines Ergusses, wenn Hämarthros zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt.
Eine Immobilisierung des Knies ist unnötig.
Gehhilfen nur für kurze Zeit, wenn die Patienten Schmerzen beim Auftreten haben.2
Medikamentöse Therapie
In der akuten Phase können Novaminsulfon oder NSAR schmerzlindernd wirken.
Zum geeigneten Operationszeitpunkt gibt es keine klaren Empfehlungen.5
innerhalb der ersten 48 Stunden
insbesondere bei osteochondralen oder Meniskus-Begleitverletzungen
nach Abklingen der Entzündungsphase mit frei beweglichem Kniegelenk
Es gibt viele verschiedene Operationstechniken ohne eindeutige Überlegenheit eines Verfahrens.21
Die Wahl des Operationsverfahrens ist abhängig von der Erfahrung des Operateurs und dem Patientenwunsch nach Aufklärung über Vor- und Nachteile der jeweiligen Operationsmethoden.
Zurzeit existieren nur sehr wenige Untersuchungen nach Kreuzbandoperationen mit einem Nachuntersuchungszeitraum von mehr als 10 Jahren.5
Die Hamstring-Plastik wird aktuell am häufigsten angewendet.
Kreuzbandplastik aus Sehnen des M. gracilis und/oder des M. semitendinosus22
anatomisch genaue und mechanisch stabile Implantation möglich
Innerhalb eines Zeitraumes von ca. 1 Jahr bilden sich neue Sehnen, und die Muskelfunktion bleibt erhalten.
Patellasehnen-Transplantat oder Quadrizepssehnen-Transplantat
Dies war früher die am häufigsten verwendete Technik.22
Vorteil: keine Schwächung der Kniebeuge-Muskulatur (vor allem für Profisportler relevant)
Nachteil: teilweise anteriorer Knieschmerz
Naht des VKB
nur bei frischen (< 3 Wochen) Rupturen
verschiedene Nahttechniken
z. B. Refixation des VKB Stumpfes mit gleichzeitger intraligamentärer dynamischer Stabilisierung23
Künstliches Kreuzband
bisher über mittleren Beobachtungszeitraum gleich gute Ergebnisse wie Allograft-Kreuzbänder24
Postoperative Lagerung in Streckstellung, damit die Kreuzbandplastik einheilen kann.
Je nach OP-Verfahren möglichst frühzeitig mit Bewegungstherapie beginnen.
Intensive Physiotherapie mit Schulung der Propriozeption und Kraftaufbau
Kniebelastende Sportarten sollten frühestens nach 6 Monaten wieder ausgeübt werden.5
Im Leistungssport sind vorher spezielle Back-To-Sports-Test empfohlen.27
Physiotherapie
Transplantat bzw. Kniegelenk nicht überlasten, während gleichzeitig eine schnelle Wiederherstellung der Beweglichkeit, der Muskelkraft und des Gleichgewichts stattfindet.
Frühe passive Bewegungen in der ersten Zeit nach der Operation werden als sinnvoll angesehen. In einer Studie konnten allerdings keine besonderen Vorteile dieser Maßnahme festgestellt werden.28
In der ersten Zeit nach der Operation sind Gehhilfen erforderlich.
Die meisten Rehabilitationsprogramme beinhalten ein 10- bis 12-wöchiges intensives Krafttraining.
Eine kanadische Studie zu „Freizeitsportlern“ hat gezeigt, dass ein auf Selbsttraining basierendes Rehabilitationsprogramm – wenn auch mit einigen Einheiten mit einem Physiotherapeuten – akzeptable 3-Monats-Ergebnisse liefert.29
Prävention
Koordinationstraining zur Verbesserung der neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenkes30
Für einige Sportarten gibt es bereits sportspezifischer Trainingsprogramme.31
Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes reduziert das Risiko einer Arthroseentwicklung im Vergleich zum konservativen Vorgehen.36
Implantatversagen/Re-Ruptur
Prognose
Abhängig von primärer Instabilität, Konstitutionstyp und Begleitverletzungen5
Die meisten Patienten erreichen nach einer Kreuzbandrekonstruktion mit moderner Technik (Patellasehne, Hamstring) und nach einer Beobachtungszeit von 6–8 Jahren eine gute Stabilität im Knie.
Sportler erreichen nach einer Operation in 41–92 % der Fälle das gleiche Aktivitätsniveau wie vor der Verletzung.37
Patienten, die nicht operiert werden, haben eine schlechtere Prognose.38
Erneute Ruptur
Nach 1 Jahr besteht kein erhöhtes Risiko mehr für eine erneute Ruptur des Kreuzbandtransplantats, verglichen mit gesunder Gegenseite.39
Zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Patellasehnen- und Hamstring-Transplantaten gibt es keinen Unterschied bezüglich Re-Rupturen.39
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Autoren
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo
Definition: Die Ruptur des vorderen Kreuzbands kann isoliert auftreten, häufig aber mit anderen Begleitverletzungen des Kniegelenks. Häufigkeit: In Deutschland treten etwa 50.000 VKB-Rupturen pro Jahr auf.