Akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist.1
Klinische Manifestation in einem oder mehreren der folgenden Bereiche: Allgemeinsymptome/Haut, Respiration, Herzkreislauf, Abdomen
arzneimittelinduzierten Anaphylaxie bei Erwachsenen.
Im Kindesalter sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen (häufigeres Auftreten von Nahrungsmittelallergien bei Jungen), nach der Pubertät ausgeglichene Geschlechterverteilung1
Pathophysiologie
In der Regel IgE-vermittelte Reaktion
Die Symptomatik wird verursacht durch Mediatorenfreisetzung aus Mastzellen und basophilen Granulozyten.1
Von den zahlreichen Mediatoren ist vor allem Histamin von zentraler Bedeutung für die anaphylaktische Reaktion.1
Häufige Auslöser von Anaphylaxien
Die verschiedenen Auslöser sind bei Kindern und Erwachsenen in unterschiedlicher Häufigkeit für eine Anaphylaxie verantwortlich.1
Nahrungsmittel: Kinder 60 %, Erwachsene 16 %
Insektengifte: Kinder 22 %, Erwachsene 52 %
Arzneimittel: Kinder 7 %, Erwachsene 22 %
sonstige: Kinder 5 %, Erwachsene 3 %
unbekannt: Kinder 7 %, Erwachsene 6 %
Klinik
Bei der klinischen Manifestation sind die folgenden Punkte zu berücksichtigen.
Betroffen sind vorwiegend (in absteigender Häufigkeit geordnet):5
fallender Blutdruck oder damit verbundene Symptome einer Endorganstörung, z. B. Kollaps, Synkope, Schock
schwere gastrointestinale Symptome, insbesondere bei Exposition gegenüber Non-Food-Allergenen
akuter Beginn von Hypotonie, Bronchospasmus oder Kehlkopfbeteiligung nach Exposition gegenüber einem bekannten oder wahrscheinlichen Allergen, auch ohne typische Hautbeteiligung
A – Allergien, Risikofaktoren (Asthma, andere Vorerkrankungen)
M – Medikation
P – Patientenvorgeschichte
L – Letzte Nahrungsaufnahme
E – Ereignisse: Was hat den Vorfall ausgelöst?
Therapie
Notfallbehandlung
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,6
Hilfe anfordern.
Auslöser stoppen, sofern möglich.
Lagerung
Grundstrategie ist Flachlagerung und Vermeidung abrupter Bewegungen, situationsabhängige Anpassung der Lagerung
Trendelenburg-Lagerung (Beine hoch) zur Verbesserung der Hämodynamik
bei Situationen mit führender Atemnot halbsitzende Lagerung
bei eingeschränktem Bewusstsein/drohendem Erbrechen stabile Seitenlage
Sofortige Gabe von Adrenalin i. m. (Außenseite des Oberschenkels)
Die mastzellstabilisierende und vasokonstriktorische Adrenalingabe ist die wichtigste therapeutische Maßnahme!
Adrenalin 1:1.000 (1 mg/ml), für die i. m. Injektion wird die unverdünnte Stammlösung verwendet:
Erwachsene: 0,3–0,6 ml
Kinder >30 kg: 0,3–0,6 ml
Kinder 15–30 kg: 0,15–0,3 ml
Kinder < 15 kg: 0,05–0,1 ml.
Tritt keine Besserung ein, kann die Gabe alle 5–10 min wiederholt werden.
Oxygenierung/Respiration
Bei kardiovaskulärer oder pulmonaler Reaktion sofortige Gabe von O2
möglichst über Atemmaske mit Reservoirbeutel
Bei Bronchospasmus/Larynxödem
Adrenalin über Vernebler (unverdünnte Lösung, z. B. 3–5 ml à 1 mg/ml)
Die inhalative Applikation von Adrenalin kann die parenterale Gabe nicht ersetzen!
Möglich ist auch die Gabe von Salbutamol (2 Hübe, bei ausbleibender Wirkung 4–8 Hübe) oder Terbutalin s. c.
Evtl. Freihalten der Atemwege mit Guedel-Tubus, eine selten notwendige Intubation wird meist erst im Rahmen einer notärztlichen Versorgung erfolgen.
Volumengabe/Kreislaufstabilisierung
Anlage eines möglichst großlumigen venösen Zugangs (ggf. auch mehrerer Zugänge)
Infusion kristalloider Lösung (NaCl 0,9 % oder Vollelektrolytlösung)
Rasche Gabe von 10–20 ml/kg KG, ggf. weitere Volumengabe bis zur Kreislaufstabilisierung
Bei schwerem Schock titrierende i. v. (oder intraossäre) Gabe von Adrenalin (0,01 ml/kg KG)
Für die intravenöse/intraossäre Gabe wird entweder 1 ml der handelsüblichen 1:1.000-Lösung (= 1 mg/ml Lösung) mit 9 ml NaCl 0,9 % verdünnt (Endkonzentration 1:10.000 = 0,1 mg/ml) oder die Adrenalin-Fertigspritze (1 mg/10ml) verwendet.
Bei Kreislaufstillstand kardiopulmonale Reanimation, siehe auch die Artikel:
Sollten zur Antagonisierung der Histaminwirkung nach initialer Stabilisierung der Vitalfunktionen verabreicht werden.
H1-Antagonist, z. B. Dimetinden i. v. (1 mg/ml)
Erwachsene > 60 kg KG: 1–2 Ampullen = 4–8 ml
30–60 kg KG: 1 Ampulle = 4 ml
7,5–30 kg KG: 1ml/10 kg KG
< 7,5 kg KG: 1 ml
Glukokortikoide
Antiasthmatische und unspezifische membranstabilisierende Wirkung
Verzögerter Wirkeintritt, Gabe erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen
Zum Beispiel Prednisolon
Erwachsene > 60 kg KG: 500–1.000 mg
30–60 kg KG: 250 mg
7,5–30 kg KG: 100 mg
< 7,5 kg KG: 50 mg
Leitlinie: Notfallausstattung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen in der Praxis1
Stethoskop
Blutdruckmessgerät
Pulsoxymeter, evtl. Blutzuckermessgerät
Stauschlauch, Venenverweilkanülen (in verschiedenen Größen), Spritzen, Infusionsbesteck, Pflaster zur Fixierung der Kanülen
Sauerstoff und Verneblerset mit Sauerstoffmaske (verschiedene Größen)
Beatmungsbeutel mit Masken (verschiedene Größen)
Absaugvorrichtung ggf. Guedel-Tubus
Volumen (z. B. balancierte Vollelektrolytlösung)
Arzneistoffe zur Injektion: Adrenalin, Glukokortikoid, H1-Rezeptorantagonist, kurzwirksamer Beta-2-Adrenozeptoragonist, z. B. Salbutamol zur Inhalation (bevorzugt als Inhalationslösung zur Anwendung über Verneblerset mit Maske, ggf. alternativ als Dosieraerosol mit Inhalierhilfe/Spacer/Maske, Autohaler o. Ä.)
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council (GRC): Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt. Stand 2021. www.grc-org.de
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. AWMF-Nr. 061-025, Stand 2021. www.awmf.org
Ring J, Brockow K. Anaphylaxie-Leitlinie: Update 2021. Allergo Journal 2021; 30: 3. doi:10.1007/s15007-021-4757-1 DOI
Worm M, Eckermann O, Dölle S, et al. Triggers and treatment of anaphylaxis: an analysis of 4000 cases from Germany, Austria and Switzerland. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 367-375. doi:10.3238/arztebl.2014.0367 DOI
Beyer K, Eckermann O, Hompes S, et al. Anaphylaxis in an emergency setting - elicitors, therapy and incidence of severe allergic reactions. Allergy 2012; 67: 1451-1456. doi:10.1111/all.12012 DOI
Worm, Margitta. Anaphylaxie: Wie richtig handeln? Dtsch Arztebl 2018; 115: 10-14. doi:10.3238/PersPneumo.2018.03.09.02 DOI
Deutscher Rat für Wiederbelebung - German Resuscitation Council (GRC). Reanimation 2021 - Leitlinien kompakt. www.grc-org.de
Autor
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
BBB MK 13.12.2021 komplett umgeschrieben, an aktuelle LL angepasst.
Revision at 22.10.2015 21:04:37:
German Version, MK Therapie komplett überarbeitet, LL in Text
Akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist.1
Klinische Manifestation in einem oder mehreren der folgenden Bereiche: Allgemeinsymptome/Haut, Respiration, Herzkreislauf, Abdomen