Hintergrund
- Die schnelle Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen ist von entscheidender Bedeutung bei Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Stillstand.
- Nicht nur professionelle Kräfte, sondern auch Laien sollten daher in der Lage sein, umgehend Erstmaßnahmen durchzuführen.
- Die Ersthelferquote in Deutschland liegt allerdings nur bei 15 %.1
- Optimistischere Einschätzungen gehen von mittlerweile bis zu 40 % Ersthelferquote aus, durch Erhöhung der Hilfsquote auf 50 % wäre eine Rettung von 10.000 Leben/Jahr denkbar.2
- Initiativen wie Ein Leben retten. 100 Pro Reanimation von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)/Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) sollen die Bereitschaft zur Ergreifung von Sofortmaßnahmen weiter erhöhen.3
- Die Sensibilisierung von Laien für das Thema auch durch Hausärzt*innen wäre wünschenswert.4
- Leitlinien zur Reanimation werden veröffentlicht durch den ERC (European Resuscitation Council)5, Veröffentlichung auch in deutscher Sprache.6
- Neben der Weiterführung zentraler Aussagen zur Reanimation wurden in der letzten Neufassung der Leitlinien auch verschiedene lebensrettende Systeme vorgestellt: 6
- Training so vieler Menschen wie möglich in Laien-Reanimation
- u. a. Initiativen Kids save Lives (Wiederbelebungstraining ab Klasse 7) und World Restart a Heart Day (16. Oktober)
- Implementierung von Technologien zur Einbindung von in der Nähe befindlichen Ersthelfer*innen, z. B. Alarmierung durch Smartphone-Apps
- Telefonisch assistierte Laienreanimation durch die den Notruf entgegennehmende Leitstelle
- Einrichtung von Cardiac Arrest Zentren, die auf Versorgung von Patient*innen mit präklinischem Kreislaufstillstand spezialisiert sind (nur für erwachsene Patient*innen)
- Training so vieler Menschen wie möglich in Laien-Reanimation
Basisreanimation durch Laien (Basic Life Support = BLS)
- Laienreanimation kann die ersten 3 Glieder der Rettungskette abdecken.
- Rettungskette
- Erkennen des Kreislaufstillstands und Notruf
- frühe Wiederbelebung mit Herzdruckmassage (evtl. zusätzlich Beatmung)
- frühe Defibrillation (falls automatisierter externer Defibrillator = AED verfügbar)
- erweiterte Maßnahmen
- standardisierte Behandlung nach Reanimation
- Anleitung von Ersthelfer*innen auch über das Telefon, im Allgemeinen durch die Leitstelle (Telefonreanimation)
- Wichtig ist dabei das Zusammenspiel zwischen:
- Leitstellendisponent*in
- Ersthelfer*in
- frühzeitigem Einsatz eines AED.
- Leitstellendisponent*in
- Unterstützt die Ersthelfer*innen bei der Feststellung eines Herzkreislaufstillstands.
- Leitet sie bei der Reanimation an (Telefonreanimation).
- Leitet sie ggf. beim Einsatz eines AED an.
- Ersthelfer*in
- Soll nach Feststellung des Kreislaufstillstands auf jeden Fall zumindest Thoraxkompressionen durchführen.
- Wenn Ersthelfer*innen in der Lage und willens sind – in Kombination mit Beatmung (ggf. gemeinsam mit weiterer Person).
- AED
- frühzeitige Defibrillation durch Ersthelfer*in bei entsprechendem Herzrhythmus
- Defibrillation innerhalb von 3–5 min kann die Überlebensrate auf 50–70 % erhöhen.
Allgemeine Informationen
- Leitlinien gelten für alle Kinder im Alter von 0 bis 18 Jahren, mit Ausnahme von Neugeborenen bei der Geburt.6
- Patient*innen, die erwachsen aussehen, können als Erwachsene behandelt werden.
Durchführung BLS bei Kindern
ERC-Guideline: BLS bei Kindern5-6
- Für Sicherheit von Ersthelfer*in und Kind sorgen.
- Erkennen des Kreislaufstillstands
- Überprüfen, ob das Kind reagiert:
- Leicht an den Schultern schütteln
- Laute Frage: „Ist alles in Ordnung?"
- Überprüfen, ob das Kind normal atmet:
- Atemwege freimachen durch Überstreckung des Kopfes und Anheben des Kinns, ggf. Esmarch-Handgriff (Überstreckung des Kopfs, Unterkiefer nach vorne und oben ziehen)
- Ist normale Atmung erkennbar (sehbar, hörbar oder fühlbar, max. 10 sec zur Beurteilung)?
- Wichtig: Schnappatmung ist als Atemstillstand zu werten!
- Überprüfen, ob das Kind reagiert:
- Bei fehlender oder anomaler Atmung
- Notruf 112 (möglichst durch andere Ersthelfer*innen, sonst selbst über Lautsprecherfunktion am Handy)
- Falls ein AED (automatisierter externer Defibrillator) in der Nähe ist, durch Helfer*in holen lassen.
- Kardiopulmonale Reanimation einleiten.
- Beginn mit 5 Atemspenden
- anschließend 15 Thoraxkompressionen
- in der Folge abwechselnd 2 Atemspenden und 15 Thoraxkompressionen bis zum Eintreffen des Rettungsteams bzw. zu sicheren Lebenszeichen des Kindes mit regelhafter Atmung
Vorgehen bei fehlender Reaktion, aber erhaltener Atmung
- Patient*in in stabile Seitenlage bringen.
- Ständige Bereitschaft zum Beginn einer kardiopulmonalen Reanimation, falls Verschlechterung eintritt.
- Überprüfung der Atmung jede Minute neu
- Bei Unsicherheit über Atmung Beginn bzw. Wiederaufnahme der kardiopulmonalen Reanimation
Vorgehen bei einer Atemwegsverlegung durch Fremdkörper
- Bei sehr plötzlichem Symptombeginn und anamnestischen Hinweisen auf Fremdkörperverlegung der Atemwege
- Solange Kind effektiv hustet (voll ansprechbar, lauter Husten, vor dem Husten Luft holt, weint oder spricht), kein Eingreifen erforderlich.
- Kontinuierliche Überwachung und zum Husten ermuntern.
- Bei ineffektivem Husten (abnehmendes Bewusstsein, leiserer Husten, Unfähigkeit zu atmen oder zu sprechen, Zyanose) Schläge auf den Rücken
- Ziel ist, Hindernis mit einem einzelnen Stoß zu beseitigen, statt viele davon zu benötigen.
- Falls Schläge auf Rücken Fremdkörperverlegung nicht beseitigen, bei Säuglingen Thorax- und bei Kindern abdominelle Kompressionen durchführen.
- regelmäßiger Wechsel zwischen Schlägen auf Rücken und Kompressionen
- Bei Bewusstseinsverlust Fortfahren mit BLS
Technik der Thoraxkompression und Beatmung
Thoraxkompression – Technik
- Thoraxkompressionen6
- Kind flach auf harte Unterlage legen.
- Untere Sternumhälfte um 1/3 komprimieren (bei allen Kindern, unabhängig vom Alter).
- danach vollständige Entlastung des Brustkorbes
- Frequenz von 100–120/min
- Ausziehen der Kleidung nur, wenn sie Thoraxkompression stark behindert.
- Säugling (< 1 Jahr)
- Zwei Fingerspitzen (Zeige- und Mittelfinger oder beide Daumen) in Mitte des Brustkorbes legen.
- Kinder (> 1 Jahr)
- Handballen auf Brustbein in die Mitte des Brustkorbes legen (Finger dabei anheben).
- Einhandtechnik bei kleinen Kindern
-
Zweihandtechnik bei größeren Kindern (wie bei Erwachsenen)
- Handballen auf Brustbein in die Mitte des Brustkorbes legen (Finger dabei anheben).
Mund-zu-Mund-Beatmung – Technik
- Säuglinge (< 1 Jahr)
- Öffnen der Atemwege: Kopf in neutraler Position halten und Unterkiefer nach vorne ziehen (Kopf nicht nach hinten beugen).
- Mund sowohl über Mund als auch über Nase des Kindes legen.
- Kinder (> 1 Jahr)
- Öffnen der Atemwege: Vorsichtige Beugung des Kopfes nach Hinten und Anheben des Kinns.
- Nase des Kindes zuhalten und Mund auf Mund des Kindes legen.
- Beatmungen6
- Etwa 1 sec lang gleichmäßig in Mund des Kindes oder in Mund und Nase des Säuglings ausatmen, sodass sich Brust sichtbar hebt.
- Kompetente Anwender*innen sollen, wenn möglich, statt der Atemspende Beutel-Maske-Beatmung mit Sauerstoff durchführen.
- Wenn sich Brustkorb nicht bewegt, Anzeichen für Verlegung der Atemwege
- Säuberung der oberen Atemwege so gut wie möglich
Automatisierter externer Defibrillator (AED)
- Bei Säuglingen und Kindern unter 8 Jahren nach Möglichkeit AED mit Dosisanpassung verwenden.6
- Wenn nicht verfügbar ist, für alle Altersgruppen Standard-AED verwenden.
- Erweiterte Maßnahmen (ALS) zur Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Kindern
Illustrationen
Stabile Seitenlage
- Legen Sie die Person auf den Rücken.
- Der Ihnen nähere Arm wird im Ellbogengelenk um 90 Grad gebeugt.
- Der gegenüberliegende Arm wird über den Brustkorb gelegt.
- Beobachten Sie die Reaktionen der Person.
- Fassen Sie die Person an der Schulter, die weiter von Ihnen entfernt ist (blauer Pfeil), und ziehen Sie gleichzeitig das Knie hoch, das weiter von Ihnen entfernt ist (roter Pfeil).
- Beobachten Sie die Reaktionen der Person.
- Führen Sie die Bewegung der vorherigen Position weiter, und rollen Sie die Person auf die Seite, indem Sie an der Schulter (blauer Pfeil) und am Knie (roter Pfeil) ziehen.
- Nehmen Sie den Untergrund zu Hilfe, indem Sie Neigungen und Schrägen verwenden, wenn diese verfügbar sind und/oder wenn die Person schwer ist.
- Beobachten Sie die Reaktionen der Person.
- Legen Sie den oberen Arm unter den Kopf, und strecken Sie den Hals/beugen Sie den Kopf ein wenig nach hinten.
- Stellen Sie sicher, dass die Person atmet und freie Atemwege hat, bevor Sie Hilfe holen.
Beatmungstechnik
- Achten Sie auf freie/offene Atemwege. Patient*in wird auf den Rücken gelegt. Mit der einen Hand wird das Kiefer nach oben/vorne angehoben. Mit der anderen Hand auf der Stirn wird der Kopf weit nach hinten geneigt.
- Achten Sie auch darauf, dass die Luft zwischen jeder Beatmung hinaus gelangen muss, beobachten Sie die Bewegungen des Brustkorbs.
- Das Anheben des Kinns wird zum Offenhalten der Atemwege empfohlen. Durch das Anheben/Obenhalten des Kinns wird verhindert, dass die Zunge nach hinten gleitet und der Luftdurchfluss verschlossen wird.
- Vorgehensweise (Kind > 1 Jahr)
- Heben Sie den Kiefer an und beugen Sie den Kopf nach hinten.
- Entfernen Sie lose Gegenstände im Mund.
- Mit der Hand, die die Stirn stützt, wird die Nase mit zwei Fingern zusammengedrückt.
- Atmen Sie tief ein und legen Sie Ihre Lippen um den ganzen Mund des Kindes. Beatmen Sie dann ruhig, sodass sich der Brustkorb hebt.
- Entfernen Sie Ihren Mund und prüfen Sie, dass die Luft entweicht.
Besonderheit bei COVID-19
- Der Deutsche Rat für Wiederbelebung hat eine Stellungnahme zur Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen im Umfeld der COVID-19-Pandemie herausgegeben.
- Wesentliche Inhalte zum Eigenschutz:
- Mund und Nase der Patient*innen mit Tuch oder Kleidungsstück abdecken.
- Ggf. auf Beatmung verzichten.
- Siehe auch Artikel Respiratorische Erkrankung durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19).
Weitere Informationen
- Kurzfassung des BLS für Kinder als Poster
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinie
- European Resuscitation Council. Guidelines for Resuscitation. Stand 2021. www.cprguidelines.eu
Literatur
- Trappe H, Arntz H, Klein H, et al. DGK Pocket-Leitlinie Kardiopulmonale Reanimation. Stand 2015. leitlinien.dgk.org
- Deutsches Ärzteblatt. Nachrichten - Thema Reanimation: Anästhesisten sehen Fortschritte bei der Laienreanimation. 01.03.18. Zugriff 01.03.21. www.aerzteblatt.de
- Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Ein Leben retten. Zugriff 01.03.21. www.dgai.de
- Ahne T. Reanimation – eine „Teamsportart“. Allgemeinarzt online 21.03.2014. Zugriff 01.03.21. www.doctors.today
- European Resuscitation Council. Guidelines for Resuscitation. Stand 2021. cprguidelines.eu
- Perkins GD, Gräsner JT, Semeraro F, et al. Kurzfassung - Leitlinien des European Resuscitation Council 2021. Notfall + Rettungsmedizin 2021; 24: 274-345. link.springer.com
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).