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Univentrikuläres Herz

Zusammenfassung

  • Definition:Heterogene Gruppe verschiedener Malformationen, bei denen entweder der rechte oder linke Ventrikel fehlt oder der rechte oder linke Ventrikel hypoplastisch ist ohne Möglichkeit zur biventrikulären Korrektur.
  • Häufigkeit:Ca. 10 % aller angeborenen Herzfehler.
  • Symptome und Befunde: Bei niedrigem pulmonalem Fluss steht die Zyanose, bei hohem pulmonalem Fluss stehen Zeichen der Herzinsuffizienz im Vordergrund.
  • Diagnostik:Diagnosestellung durch Echokardiografie. 
  • Therapie:Mehrstufiges operatives Vorgehen mit letztlich Trennung der Kreisläufe.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Heterogene Gruppe angeborener Herzfehler1, Nomenklatur und Klassifikation waren in der Vergangenheit Gegenstand kontroverser Diskussionen.2
  • Gemäß Definition der European Society of Cardiology (ESC) handelt es sich um verschiedene Malformationen, bei denen3
    • entweder der rechte oder linke Ventrikel fehlt
    • oder der rechte oder linke Ventrikel hypoplastisch ist ohne Möglichkeit zur biventrikulären Korrektur.
  • Univentrikuläre Malformationen3
    • Trikuspidalatresie
    • Varianten des hypoplastischen rechten Herzens, z. B. Pulmonalalatresie mit intaktem Ventrikelseptum
    • hypoplastisches Linksherzsyndrom, einschließlich Mitralatresie
    • Double Inlet Left Ventricle
    • Double Inlet Right Ventricle
    • unbalancierter AVSD
    • einzelner Ventrikel mit undefinierter Morphologie
  • Univentrikuläre Malformationen sind assoziiert mit weiteren kardialen und extrakardialen Veränderungen, z. B.:3
    • Vorhofseptumdefekt (ASD), Ventrikelseptumdefekt (VSD), atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD), persistierender Ductus arteriosus (PDA)
    • Aortenstenose (valvulär, subvalvulär)
    • Aortenbogenanomalien (Hypoplasie, Unterbrechung, Aortenisthmusstenose)
    • Pulmonalstenose (valvulär, subvalvulär), Pulmonalatresie, Pulmonalarterienanomalien
    • Malposition der großen Arterien
    • Stenosen/Regurgitationen der AV-Klappen
    • Anomalien der systemischen oder pulmonalen Venen
    • aortopulmonale Kollateralarterien
    • Polysplenie oder Asplenie

Häufigkeit

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursache ist unbekannt.5

Pathogenese

  • Vermischung von systemvenösem und pulmonalvenösem Blut auf Vorhof- oder Ventrikelebene6
  • Univentrikuläre Versorgung sowohl des System- als auch des Lungenkreislaufs6
    • Parallelschaltung statt serieller Schaltung der Kreisläufe
  • Die Pathophysiologie bei Neugeborenen mit univentrikulärem Herzen hängt im Einzelnen von einigen anatomischen Schlüsselfaktoren ab:7
    • Obstruktion des systemischen oder pulmonalen Flusses 
    • Obstruktion von dem ventrikulären Einstrom und anomalen systemvenösen oder pulmonalvenösen Rückstrom
    • Fluss über das atriale Septum
    • Größe des pulmonalen Flusses und des pulmonalen Widerstands
    • AV-Klappeninsuffizienz
  • Besondere Bedeutung hat bei der spezifischen Ausprägung des Herzfehlers die Verteilung des Herzminutenvolumens auf Pulmonal- und Systemkreislauf (Q: Qs).6
  • Eine „optimale Physiologie“ eines univentrikulären Herzens benötigt:2
    • gute ventrikuläre Funktion ohne relevante Klappeninsuffizienz
    • nicht-restriktiven ASD
    • günstig balanciertes Verhältnis von Q: Qs

Prädisponierende Faktoren

  • Risiko für Geschwister von Betroffenen ca. 2–5 %2

ICPC-2

  • K73 Angebor. Anomalie Herz/Gefäßsystem

ICD-10

  • Q20 Angeborene Fehlbildungen der Herzhöhlen und verbindender Strukturen
    • Q20.4 Doppeleinstromventrikel [Double inlet ventricle]
      • Cor triloculare biatriatum
      • Gemeinsamer Ventrikel
      • Singulärer Ventrikel

ICD-10 Allgemeinmedizin

  • Q24-P Sonstige angeborene Fehlbildungen des Herzens

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose und Erfassung der morphologischen Subtypen durch sorgfältige Echokardiografie2
  • In diesem Zusammenhang auch6
    • Abschätzung der Prognose
    • Planung der Therapie

Differenzialdiagnosen

  • Pulmonalklappenstenosen oder komplexe Herzfehler mit Pulmonalklappenstenose als Komponente5
  • Obstruktion des Aortenbogens oder komplexe Herzfehler mit Aortenklappenstenose/Aortenbogenobstruktion als Komponente5
  • Neonatale Sepsis5

Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Klinische Symptome und Befunde abhängig vom Vorliegen oder Fehlen einer pulmonalen Ausflussobstruktion2,6
    • niedriger pulmonaler Fluss (Q: Q< 1): deutliche Zyanose bei hochgradiger Pulmonalklappenstenose oder subvalvulärer Stenose
    • balancierte Hämodynamik (Q= Qs): geringe Zyanose, Limitierung des pulmonalen Flusses durch Pulmonalklappenstenose oder restriktiven VSD
    • hoher pulmonaler Fluss (Q> Qs): Zeichen der Herzinsuffizienz im Vordergrund, v. a. bei linksseitigen Obstruktionen oder höhergradiger AV-Klappeninsuffizienz
  • Auskultation6
    • kein spezifischer Auskultationsbefund
    • Der Auskultationsbefund ist abhängig von den individuellen strukturellen und funktionellen Verhältnissen.

Diagnostik beim Spezialisten

Pränatale Diagnostik

  • Häufig Diagnosestellung bereits im Rahmen der fetalen Echokardiografie8
    • 20.–22. SSW optimal für Screeninguntersuchung8

Postpartale Diagnostik

  • Sauerstoffsättigung/BGA
    • Ausmaß einer Hypoxämie
    • Säure-Basen-Haushalt
  • EKG
    • aufgrund der Heterogenität des univentrikulären Herzens sehr unterschiedliche Befunde2 
  • Rö-Thorax
    • Herzgröße
    • Gefäßzeichnung
  • Echokardiografie
    • wichtigstes Untersuchungsverfahren
    • Größe und Funktion von Herzkammer/Vorhöfen
    • Morphologie und Funktion der Herzklappen
    • Erfassung von Shunts (ASD, VSD, Ductus arteriosus)
    • Beurteilung der großen zu- und abführenden Gefäße
  • MRT/CT
    • eErgänzende Informationen vor allem bei echokardiografisch nicht optimal darstellbaren Strukturen
  • Herzkatheteruntersuchung
    • zur Primärdiagnostik heutzutage selten erforderlich6
    • Bedeutung vor allem im Rahmen von Interventionen und zur Verlaufskontolle nach chirurgischen Eingriffen6

Indikation zur Krankenhauseinweisung

  • Zyanotische/und oder kardial dekompensierte Kinder
    • Zyanose bedarf in jedem Alter einer umgehenden Abklärung.9

Checkliste zur Überweisung

Herzgeräusche beim Kind

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Behandlung? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Gedeihstörung, Schwindel, Synkope, Atemnot, Atemwegsinfekte, Husten, Brustschmerz, Palpitationen
    • Familienanamnese: Herzfehler, plötzlicher Herztod
    • Schwangerschaft: Alkohol, teratogene Medikamente, Infektionen, Diabetes mellitus
    • Vor- und Begleiterkrankungen, die mit Herzfehlern assoziiert sind.
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand
    • Zyanose, Tachypnoe, Ödeme
    • Blutdruckdifferenz Arme/Beine
    • palpables Schwirren über Thorax, Lebervergrößerung
    • Herzgeräusch: zeitliches Auftreten innerhalb des Herzzyklus, Dauer, Frequenz, Klangcharakter, Punctum maximum, Fortleitung
  • Ergänzende Untersuchungen
    • EKG

Therapie

Therapieziel

  • Ziel der mehrstufigen Therapie ist eine definitive Palliation mit vollständiger Trennung der Kreisläufe.6

Medikamentöse Therapie

  • Bei duktusabhängiger Perfusion intravenöse Gabe von Prostaglandin E zum Offenhalten des Ductus arteriosus

Initiale chirurgische Maßnahmen

  • In Abhängigkeit von der Stärke der pulmonalen und systemischen Perfusion sind unterschiedliche Eingriffe erforderlich.6
    • verminderte oder fehlende pulmonale Perfusion (ductusabhängig): Shuntanlage
      • modifizierter Blalock-Taussig-Shunt vom Truncus brachiocephalicus zur ipsilateralen Pulmonalarterie
      • Ziel: ausreichende Lungenperfusion mit Vermeidung einer deutlichen Zyanose
    •  erhöhte pulmonale Perfusion
      • Absetzen der Pulmonalarterie mit Shuntanlage
      • in Ausnahmefällen Pulmonalisbanding
    • verminderte aortale Perfusion
      • Damus-Kaye-Stansel-Operation: Absetzen der Pulmonalarterie vor der Bifurkation, Anastomosierung des proximalen Pulmonalarterienstamms an die Aorta, dosierte Lungenperfusion durch aortopulmonalen Shunt

Weitere chirurgische Schritte

  • Partielle cavopulmonale Konnektion: Operation ab dem 6. Lebensmonat6
    • Verbindung zwischen der V. cava superior und der rechten Pulmonalarterie
    • Hierdurch Entlastung des volumenbelasteten Ventrikels, Zyanose bleibt bestehen.10
  • Totale cavopulmonale Konnektion (Fontan-Operation): Operation ab dem 1. Lebensjahr6
    • Verbindung beider Hohlvenen an die Pulmonalarterie
    • hierduch endgültige Trennung der Kreisläufe
    • Normalisierung der Sauerstoffsättigung

Prävention

  • Vor Eingriffen mit potenzieller Bakteriämie Durchführung einer Endokarditis-Prophylaxe
  • Jährliche Grippeschutzimpfung ab dem Alter von 6 Monaten6

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Im weiteren Verlauf sind nach einer Fontan-OP zahlreiche Komplikationen möglich:2,6
    • Stenosen an diversen Stellen des Fontan-Kreislaufs (Anastomosen, Hohlvenen, Pulmonalarterien, Pulmonalvenen)
    • Klappeninsuffizienzen
    • Myokardinsuffizienz
    • Arrhythmien
    • Thrombembolien
    • Zyanose
    • Leberfunktionsstörung
    • gastrointestinaler Eiweißverlust

Verlauf und Prognose

  • Ohne Operation ist die Prognose schlecht.
    • 70 % der Patienten mit morphologisch linkem Ventrikel sterben bis zum 16. Lebensjahr.2
    • Die Prognose bei Patienten mit morphologisch rechtem Ventrikel ist noch deutlich schlechter.2
    • Einzelfälle mit balancierter Hämodynamik können bis ins hohe Erwachsenenalter überleben.6
  • Durch die differenzierte operative Behandlung verbessert sich die Langzeitprognose deutlich.
    • 10-Jahres-Überlebensrate über 90 %2  
    • 20-Jahres-Überlebensrate nach Fontan-Operation 87 %6
  • Die körperliche Leistungsfähigkeit beträgt nur ca. 50–60 % der Leistungsfähigkeit von Gleichaltrigen.6
    • schnellere Abnahme der Leistungsfähigkeit im Langzeitverlauf als bei Herzgesunden6
    • Das Sterberisiko während körperlicher Belastung ist nicht erhöht.3

Verlaufskontrolle im Erwachsenenalter

  • Alle Patienten mit Fontan-Kreislauf sollten regelmäßig von einem spezialisierten Team kontrolliert werden.2
  • Verlaufskontrollen mindestens jährlich einschließlich:3
    • EKG
    • Echokardiografie
    • Belastungstest
    • Labor
    • Entscheid zu kardialem MRT und Ultraschall der Leber auf individueller Basis.
  • Eine gute Kommunikation zwischen Hausarzt, niedergelassenem Kardiologen und EMAH-Zentrum (EMAH = Erwachsene mit angeborenem Herzfehler) sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Erwachsenen-Kardiologen sind für die optimale Behandlung erforderlich.11

 Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Patientenorganisationen

Illustrationen

Herz_abb1.jpg
Herz, Lage und Anatomie.jpg

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Univentrikuläres Herz im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-039. S2k, Stand 2011. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie. Abklärung einer Zyanose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-002. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Frescura C , Thiene G. The new concept of univentricular heart. Front Pediatr 2014; 2: 62. doi:10.3389%2Ffped.2014.00062 www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Khairy P, Poirier N, Mercier L. Univentricular Heart. Circulation 2007; 115: 800-812. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.105.592378 DOI
  3. Baumgartner H, Bonhoeffer P, De Groot NMS, et al. ESC Guidelines for the management of grown-up congenital heart disease (new version 2010): the Task Force on the Management of Grown-up Congenital Heart Disease of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2010;31:2915–57. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Kaulitz R, Hofbeck M. Current treatment and prognosis in children with functionally univentricular hearts. Arch Dis Child 2005; 90: 757–762. doi:10.1136/adc.2003.034090 DOI
  5. Chin A. Single ventricle. Medscape, updated: Aug 09, 2018. Zugriff 13.08.18. emedicine.medscape.com
  6. Hager A, Ovroutski S, Cesnjevar R (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie). Univentrikuläres Herz im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-039. Stand 2011. www.awmf.org
  7. Krishnan U. Univentricular Heart: Management Options. Indian J Pediatr 2005; 72: 519-524. pmid:15985742 PubMed
  8. Berg C, Geipel A, Gembruch U. Der Vier-Kammerblick in der fetalen Echokardiografie. Ultraschall in Med 2007; 28: 132-157. doi:10.1055/s-2007-963085 DOI
  9. Kändler L, Haas N, Gorenflo M (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie). Abklärung einer Zyanose im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie 023-002. Stand 2017. www.awmf.org
  10. Jacobs ML, Rychik J, Rome JJ, Apostolopoulou S, Pizarro C. Early reduction of the volume work of the single ventricle: the hemi-Fontan operation. Ann Thorac Surg 1996; 62: 456-61. PubMed
  11. Diller GP, Breithardt G, Baumgartner H. Congenital heart defects in adulthood. Dtsch Arztebl Int 2011;108: 452-459. www.aerzteblatt.de

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg
  • Gudrun Björkhem, docent och överläkare, Barnhjärtcentrum, Skånes universitetssjukhus
  • Bjørnar Grenne, assistentläkare, Sørlandet sykehus HF Arendal
hjertefeilQ20; hjärtfel; Medfött hjärtfelQ204
hjertefeil; hjärtfel; Medfött hjärtfel
hjertefeil; hjärtfel; Medfött hjärtfelK73
Herzfehler; Angeborener Herzfehler; Univentrikuläres Herz; Fontan-Operation; EMAH; Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern; Zyanose
Univentrikuläres Herz
CCC MK 16.08.2018, komplett überarbeitet (Kardiologe)
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Definition:Heterogene Gruppe verschiedener Malformationen, bei denen entweder der rechte oder linke Ventrikel fehlt oder der rechte oder linke Ventrikel hypoplastisch ist ohne Möglichkeit zur biventrikulären Korrektur.
Pädiatrie
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