Definition:Eine vorzeitige Ejakulation (Ejaculatio praecox) ist charakterisiert durch eine verkürzte Latenzzeit < 1 min von der Penetration bis zur Ejakulation, den Verlust der willentlichen Ejakulationskontrolle und geprägt durch einen persönlichen Leidensdruck der Beteiligten.
Häufigkeit:Häufigste sexuelle Funktionsstörung von Männern unter 60 Jahren, mit einer Prävalenz von etwa 20 %.
Symptome:Vorzeitige Ejakulation mit minimaler sexueller Stimulation vor oder kurz nach der Penetration und bevor die Betroffenen es wünschen.
Befunde:Klinische Befunde fehlen in der Regel.
Diagnostik:Anamnese ausreichend zur Diagnosestellung.
Therapie:Es existieren verschiedene Therapieoptionen, die miteinander kombiniert werden können: Verhaltenstherapie, sexualtherapeutische Übungen, Lokalanästhetika sowie systemisch SSRI und als Medikament der 2. Wahl Tramadol.
Allgemeine Informationen
Definition
Definition der vorzeitigen Ejakulation nach der International Society of Sexual Medicine1
Ejakulation innerhalb der ersten Minute des Geschlechtsverkehrs oder noch vor der Penetration
Verlust der willentlichen Ejakulationsverzögerung
negative persönliche Konsequenzen, z. B. Frustration oder das Vermeiden von sexuellen Kontakten
Männliche Probanden machen teilweise falsch-negative (Scham, Stigmatisierung) oder auch falsch-positive Aussagen (Hoffnung auf aphrodisierende oder potenzsteigernde Medikamente).1
Von der Medizinindustrie gesponserte Studien geben häufig hohe Zahlen an (Verdacht auf „Disease Mongering = Pathologisierung“).4
Bei etwa 2/3 der Fälle handelt es sich um eine primäre vorzeitige Ejakulation, bei 1/3 um die sekundäre Form.8
Es konnte noch keiner der diskutierten auslösenden Faktoren für eine vorzeitige Ejakulation in großen, qualitativ hochwertigen Studien bestätigt werden.1
Physiologischer Ejakulationsreflex
Während die Erektion durch das parasympathische Nervensystem gesteuert wird, geschieht dies bei der Ejakulation durch das sympathische Nervensystem.
Erster Schritt ist die Reizung der afferenten Nervenendigungen am Penis, insbesondere der Eichel.
Weiterleitung der Reize über das Rückenmark in das Gehirn
Im Gehirn gibt es mehrere die Erektion und Ejakulation steuernde Kerne, deren absteigende neuralen Bahnen abhängig vom sexuellen Kontext inhibitorisch oder exzitatorisch wirken.9
Wird durch die Stimuli ein individuell unterschiedlicher Schwellenwert überschritten, der „Point of No Return", wird der Ejakulationsreflex ausgelöst.9
In der Emissionsphase erfolgen das Zusammenführen und der Transport der verschiedenen Bestandteile des Ejakulats in die posteriore (prostatische) Harnröhre.
In der Ejektionsphase kommt es zur Expulsion des Ejakulats aus der Harnröhre.
Unwillkürliche Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur, Mm. bulbospongiosi und ischiocavernosi zur Expulsion des Ejakulats sowie der Muskulatur des Harnblasenhalses zum Verschluss der Harnblase, um einen Reflux des Spermas in die Harnblase zu verhindern.
Mögliche Ursachen der vorzeitigen Ejakulation
Vermutlich Kombination aus psychologischen, somatischen und neurobiologischen Faktoren1
individuelle psychische Probleme, z. B. negatives eigenes Körperbild
Beziehungsprobleme
somatische Faktoren
Chronische Prostatitis geht in 26–77 % der Fälle mit einer vorzeitigen Ejakulation einher.
Erektile Dysfunktion führt bei vielen Patienten zu einer vorzeitigen Ejakulation, weil sie den Geschlechtsverkehr zu Ende bringen möchten, bevor die Erektion nachlässt.
Die Normalisierung der Schilddrüsenhormone kann bei der sekundären vorzeitigen Ejakulation bei einigen Männern mit Hyperthyreose die Symptomatik verbessern.
neurobiologische Faktoren
Serotonin scheint der wesentliche Neurotransmitter bei der Steuerung der Ejakulation zu sein.
Dabei verzögert Serotonin die Ejakulation, sodass Männer mit einer Hyposensitivität der Serotonin-Rezeptoren (5-HT2 C-Rezeptoren) und/oder niedrigen Serotoninspiegeln möglicherweise häufiger unter einer vorzeitigen Ejakulation leiden.
Insbesondere bei der primären vorzeitigen Ejakulation wird auch eine genetische Komponente angenommen.2
Polymorphismen der Serotonin-Transport-Proteine treten gehäuft bei Patienten mit primärer vorzeitiger Ejakulation auf.10
Per definitionem Ejakulation innerhalb der ersten Minute des Geschlechtsverkehrs oder noch vor der Penetration, ohne dass diese frühe Ejakulation vom Mann herausgezögert werden könnte. Zudem Vorliegen von negativen Gefühlen aufgrund der vorzeitigen Ejakulation.1
In der Praxis wird eine Ejaculatio praecox vor allem dann diagnostiziert, wenn die willentliche Kontrolle der Ejakulation versagt und die Partnerschaft hierunter leidet.
Kontraindikationen: u. a., kardiale Vorerkrankungen, Manie oder schwere Depression in Vorgeschichte, gleichzeitige Einnahme von Drogen, Alkohol, MAO-Hemmern oder starken CYP3A4-Hemmern
Systemische Therapie mit Tramadol
Anwendung: Einnahme 2–3 Stunden vor der sexuellen Aktivität15
Dosierung: 25–100 mg
Mechanismus: vermutlich antinozizeptiver, anästhetischer Effekt auf die taktilen Reize sowie verminderte Wiederaufnahme von Serotonin1
Effekt: dosisabhängige Verlängerung der Latenzzeit bis zu Ejakulation um bis das 12-Fache
Nebenwirkungen: u. a. Übelkeit, Abhängigkeit
Kontraindikationen: u. a. Kombination mit Dapoxetin oder anderen SSRI (Gefahr eines serotoninergen Syndroms)1
Cave: wegen möglicher Abhängigkeit nur Medikament der 2. Wahl!1
Systemische Therapie mit PDE-5-Hemmern
Bei gleichzeitigen Erektionsstörungen können diese erektionsfördernde Medikamente angewendet werden.16
Cave: keine Kombination mit Dapoxetin (cave: Hypotonie)!
Sexualtherapeutische Übungen
Die Wirkung von Übungen wie der Start-Stopp-Technik und der Squeeze-Technik hat keine guten wissenschaftlichen Beweise,7 aber die Methoden sind bei vielen Männern wirksam.
Zuerst soll der Patient über ein Sensualitätstraining seine Erregung bewusster wahrnehmen.
Danach erlernt er, den Zeitpunkt der ungewollten Ejakulation genauer wahrzunehmen und in einem weiteren Schritt zu beeinflussen.
Durch einen mit der Daumenspitze erzeugten Druck im Frenulumbereich wird hierbei der Ejakulationsreflex unterbrochen.
Vorbeugende Maßnahmen
Für viele Männer erhöht sich das Risiko für eine vorzeitige Ejakulation, wenn sie sich während des Geschlechtsverkehrs „unter Druck gesetzt“ fühlen.
Eine offene Kommunikation und die Bereitschaft, verschiedene Methoden zur Befriedigung sowohl der Betroffenen als auch ihrer Partner*innen auszuprobieren, können dazu beitragen, den Leistungsdruck einzudämmen.
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Eine vorzeitige Ejakulation (Ejaculatio praecox) ist charakterisiert durch eine verkürzte Latenzzeit < 1 min von der Penetration bis zur Ejakulation, den Verlust der willentlichen Ejakulationskontrolle und geprägt durch einen persönlichen Leidensdruck der Beteiligten.