Unter Gynäkomastie1-2 versteht man die von außen sichtbare Vergrößerung der Brustdrüsen beim männlichen Geschlecht.
Im Gegensatz zur Lipomastie, bei der lediglich eine Fettansammlung im Brustbereich besteht, liegt bei der Gynäkomastie eine Hypertrophie des Brustdrüsengewebes vor.
Man unterscheidet zwischen echter Gynäkomastie (ein- oder beidseitige, teils schmerzhafte Vermehrung des Drüsengewebes) und unechter (Pseudogynäkomastie durch Vermehrung des Fettanteils = Lipomastie oder einen benignen Tumor).
Von einer Pubertätsgynäkomastie darf nur gesprochen werden, wenn sie erstmalig in direktem zeitlichem Zusammenhang mit der Pubertät entsteht und sie eindeutig vom umgebenden Fett– und Bindegewebe abgegrenzt werden kann.2
Weiterhin kann zwischen einer asymptomatischen und einer symptomatischen Gynäkomastie unterschieden werden.
Eine Gynäkomastie stellt kein eigenständiges Krankheitsbild dar, sondern ist das Symptom einer Störung, die in einer Östrogen-Androgen-Imbalance des Organismus resultiert. Die möglichen Ursachen für diese endokrine Veränderung sind vielfältig.
Die männliche Brust enthält nur minimale Mengen an Fett- und Drüsengewebe, es besteht jedoch die Möglichkeit eines vermehrten Wachstums bei erhöhtem Östrogen- oder Progesteronspiegel.3
als Pubertätsgynäkomastie bei ca. 60 % aller Jungen mit einem Häufigkeitsgipfel von median 14 Jahren
Die Prävalenz bei Erwachsenen ist < 1 %.
Diagnostische Überlegungen
Bei den meisten Jungen in der Pubertät unbedenklich und zeitlich begrenzt.
Bei Erwachsenen kann eine Erkrankung zugrunde liegen.
Eine Gynäkomastie tritt dann auf, wenn das Östrogen-/Testosteron-Verhältnis gestört ist, was zu einer Vermehrung des Drüsengewebes in der Brust führt.4
Bei 25 % der Betroffenen kann keine Ursache identifiziert werden.5-6
Kommt bei Neugeborenen, bei Jugendlichen und bei Männern über 50 Jahren vor.
Bildet sich bei Neugeborenen spontan innerhalb von 4 Wochen zurück.
Gynäkomastie tritt bei ca. 60 % der Jungen während der Pubertät auf.2 Typischer Beginn mit ca. 13–14 Jahren.7-8 Sie ist entweder auf eine erhöhte Konzentration von Estradiol, eine verspätete Produktion von Testosteron oder eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber normalen Mengen an Östrogen zurückzuführen.
Es liegen keine weiteren Symptome oder Befunde vor, und in den meisten Fällen geht die Gynäkomastie spontan zurück, ohne dass eine Behandlung erforderlich ist.
Dauerhafte Gynäkomastie in der Pubertät
Die physiologische Gynäkomastie bei Jugendlichen bildet sich in der Regel innerhalb von 6 Monaten bis 2 Jahren von selbst zurück.
Besteht das Symptom länger als 2 Jahre oder über das 17. Lebensjahr hinaus, ist eine Untersuchung erforderlich.3
Die Einnahme von Arzneimitteln oder Drogen, die Gynäkomastie auslösen können, oder eine zugrunde liegende Erkrankung sind die häufigsten Ursachen für nicht-physiologische Gynäkomastie.
Wenn keine andere Ursache nachgewiesen wird und die Patienten eine Behandlung wünschen, können Mittel verschrieben werden, die Östrogenrezeptoren modifizieren; oder die Brustdrüsen werden operativ entfernt.
Nach der dauerhaften Gynäkomastie in der Pubertät ist die Einnahme von Medikamenten oder Drogen die zweithäufigste Ursache für nicht-physiologische Gynäkomastie.
Häufige Ursachen sind Neuroleptika, antiretrovirale Medikamente und Antiandrogene zur Behandlung von Prostatakrebs10 sowie Spironolacton.11-12 Wird die Einnahme dieser Arten von Arzneimitteln eingestellt, normalisiert sich das Brustgewebe innerhalb von 3 Monaten.3
Der Konsum von Marihuana, Heroin oder Amphetamin kann eine irreversible Gynäkomastie zur Folge haben.13
Verschiedene Substanzen können potenziell zu einer Gynäkomastie führen, und zwar über unterschiedliche Mechanismen:1
Steigerung der Östrogenspiegel oder -wirkung
Verminderung der Androgenspiegel oder -wirkung
multifaktoriell, z. B. über eine Erhöhung des Prolaktin- oder Wachstumshormonspiegels.
Erhöhte Östrogenspiegel oder -wirkung
Phytoöstrogene, systemisch oder lokal
Bier
Kosmetika (z. B. östrogenhaltiges Haarwasser)
Teebaumöl
Lavendelöl
Sojaprodukte: Können vermutlich nur in extrem großen Mengen konsumiert zu Gynäkomastie führen, die zudem reversibel ist.14
Androgene, die in Östrogene umgewandelt werden.
Die exzessive Gabe von Androgenen oder anabolen Steroiden, z. B. beim Bodybuilding, führt häufig zu einer irreversiblen Gynäkomastie.15
androgenhaltige Kontrazeptiva oder hCG-Präparate (bislang kein für Männer zugelassenes Arzneimittel, Stand Januar 2019)
Die häufigste Ursache ist übermäßiger Alkoholkonsum. Eine reduzierte Leberfunktion führt dazu, dass Östrogen schlechter abgebaut wird, wodurch es zu einem peripheren Östrogenanstieg kommt.3
wenn beim sonst gesunden Jungen jenseits eines chronologischen Alters von 14 Jahren noch keine Pubertätszeichen vorhanden sind.
wenn der Zeitbedarf für das Durchlaufen der Pubertät von den ersten Zeichen bis zum Erreichen eines Tanner-Stadiums P5 G5 mehr als 5,5 Jahre beträgt – oder –
wenn eine begonnene Pubertätsentwicklung länger als 18 Monate stillsteht.
Zum Beispiel beim Klinefelter-Syndrom, bei dem maximal 40–50 % der Betroffenen eine Gynäkomastie aufweisen.1,16
Kann zu einer reduzierten Androgen-Produktion führen. Leydig-Zell-Tumoren sondern Östradiol ab.
Meist Männer im Alter von 20–40 Jahren
Fester, meist nicht schmerzempfindlicher Knoten im Hoden. Ca. 10 % der Betroffenen haben nur eine Gynäkomastie.17-18
Kryptorchismus, Hydrozele und Orchitis sind prädisponierende Faktoren.
Tests auf Tumormarker wie hCG oder Alpha-Fetoprotein können positiv ausfallen. Ultraschalluntersuchungen haben eine hohe Sensitivität.
Nebennierentumor
Kann Östrogen und seine Präkursoren ausschütten und dadurch das Östrogen-Testosteron-Gleichgewicht stören.
Es handelt sich um eine seltene Erkrankung.
Verringerte Libido
Hodenatrophie, evtl. Gynäkomastie
Die Werte von DHEA/S und der 17-Ketosteroide im Urin können erhöht sein. Der hCG-Wert kann evtl. erhöht sein. Durch eine CT können Tumoren nachgewiesen werden.
Typische Symptome können Herzrasen, Hitzewallungen, Nervosität, Reizbarkeit, Angstzustände, Gewichtsabnahme trotz guten Appetits, Schweißausbrüche und Wärmeintoleranz sowie Augenschmerzen sein.
Typische Befunde können Tachykardie, Tremor, motorische Unruhe, Struma und Exophthalmus sein. Bei 10–40 % aller betroffenen Männer tritt Gynäkomastie auf.
Vermutlich überwiegend durch die verminderte Elimination von Prolaktin sowie durch den urämisch bedingten Appetitmangel und die dadurch verminderte Eiweißzufuhr kommt es zu einer verminderten Produktion von Testosteron, was einen relativen Anstieg von Östrogen bewirkt und zur Entwicklung von Gynäkomastie führen kann.19-20
Die hormonellen Verschiebungen bleiben oft lange asymptomatisch.
Mögliche Befunde reichen von leichter Hypertonie bis zu schweren Erkrankungen mit Hautveränderungen, Hautblutungen, kardiovaskulären Beschwerden, Nachlassen kognitiver Leistungen und Bewusstseinsstörungen.
Labordiagnostik: Nierenfunktionsparameter und Elektrolyte
Untersuchung in Rückenlage mit hinter dem Kopf verschränkten Armen1
Liegt eine Zunahme des Drüsengewebes vor oder handelt es sich nur um Fettgewebe?
Größe des Drüsenkörpers dokumentieren, auch als Ausgangswert für die Verlaufskontrolle.
Bei Jugendlichen kann man sich an den Tanner-Stadien der weiblichen Brust orientieren.2
Ist die Zunahme des Drüsengewebes ein- oder beidseitig?
Eine einseitige Veränderung liegt bei 1/3 der Betroffenen vor.
Berührungsempfindlichkeit tritt in 1/3 der Fälle auf.
In jedem unklaren Fall, besonders aber bei einseitiger Symptomatik und Hinweisen auf ein Malignom, ist die Achselhöhle sorgfältig auf Lymphknoten abzutasten.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
Blutuntersuchungen
In den meisten Fällen sind keine weiteren Untersuchungen notwendig.
Bei entsprechendem klinischen Verdacht Untersuchung auf Herzinsuffizienz, Lebererkrankungen oder Hyperthyreose, z. B. GOT, GPT, Kreatinin, TSH, T3 und T4
Bei Verdacht auf Tumor
Serum-Dehydroepiandrosteron, 17-Ketosteroide im Urin, Alpha-Fetoprotein
Männer mit Klinefelter-Syndrom haben im Vergleich zu anderen Männern ein 16- bis 30-mal höheres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, weshalb evtl. weitere bildgebende Untersuchungen notwendig sind.
Bei erhöhtem LH und FSH sowie klinischem Verdacht auf ein Klinefelter-Syndrom empfiehlt sich die Durchführung einer Chromosomenanalyse nach entsprechender genetischer Beratung.1
Biopsie der Brustdrüse
Bei Verdacht auf Malignom (Näheres siehe Artikel Mammakarzinom)
Maßnahmen und Empfehlungen
Kausale Faktoren (siehe Abschnitt Differenzialdiagnosen) nach Möglichkeit vermeiden oder behandeln, z. B.:
Absetzen von Medikamenten
Vermeiden von Östrogenexposition (Nahrung, Kosmetika etc.)
Lediglich bei einer Minderheit aller Männer mit Gynäkomastie ist eine Behandlung erforderlich oder eine kosmetische Operation erwünscht.23-24
Seit mehr als 6–12 Monate bestehende fibrosierte Gynäkomastien sollten einer chirurgischen Korrektur zugeführt werden.
Bei der physiologischen oder idiopathischen Gynäkomastie ist eine Behandlung in Erwägung zu ziehen, wenn Schmerzen auftreten oder ein erheblicher psychischer Leidensdruck aufgrund der kosmetischen Situation besteht.
Unterstützende und beratende Gespräche können bereits psychisch entlastend wirken.
Bei Pubertätsgynäkomastie ist eine abwartende Beobachtung zu empfehlen, da mit einer Spontanregression gerechnet werden kann.1
Zu medikamentösen Interventionen, etwa mit Antiöstrogenen oder Aromatasehemmern, ist die Datenlage unzureichend und es können keine allgemein gültigen Empfehlungen gegeben werden.1
Indikationen zur Überweisung
Ggf. zur weiteren endokrinologischen Abklärung, z. B. Bei auffälligem Laborbefund
Ggf. zur weiteren onkologischen Abklärung und Behandlung
Ggf. zur Beratung des weiteren Vorgehens bei Indikation für eine plastische Operation
Wenn aktuell keine Beseitigung kausaler Faktoren möglich ist und keine symptomatische Behandlung nötig ist, ist es am wichtigsten, die Patienten zu beruhigen.
Durch Arzneimittel ausgelöste Gynäkomastie bildet sich in der Regel innerhalb einiger Monate zurück, wenn die Medikamente abgesetzt werden.
Verlaufskontrolle
Bei physiologischer Gynäkomastie sollten mehrere Kontrollbesuche jährlich empfohlen werden.3
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AutorenAutor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
JanDie ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-ErikHandbuch DamberNorsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, Pofessor und Oberarzt, Abteilung für Urologi, Sahlgrenska universitetssjukhuset, Göteborg
Per Inge Lundmo, Professor und Oberarzt, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Kirurgisk klinikk, Urinveissykdommer, Regionsykehuset, Trondheimno/).
Klinefeltersyndrom; Prolaktin; Feminisierung; Hypogonadismus; Mammakarzinom beim Mann; Brustkrebs beim Mann; Mammakarzinom bei Männern; Brustkrebs bei Männern
Unter Gynäkomastie1-2 versteht man die von außen sichtbare Vergrößerung der Brustdrüsen beim männlichen Geschlecht. Im Gegensatz zur Lipomastie, bei der lediglich eine Fettansammlung im Brustbereich besteht, liegt bei der Gynäkomastie eine Hypertrophie des Brustdrüsengewebes vor.
Männergesundheit
Gynäkomastie
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