Allgemeine Informationen
Definition
- Eine Analfissur ist eine radiär verlaufende, häufig schmerzhafte Läsion im Anoderm distal der Linea dentata.1
- Die Fissur ist meist in der hinteren Kommissur lokalisiert.
- Einteilung in akute und chronische Fissuren
- akut: bis zu einer Dauer von 6 Wochen
- chronisch: Krankheitsdauer länger als 6 Wochen
Häufigkeit
- Häufige Erkrankung in allen Altersgruppen, tritt jedoch am häufigsten im Alter von 30–50 Jahren auf.2
- Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
- Lebenszeitrisiko bis zu 8 %1,3
- Peri- und postpartal gehäuftes Auftreten4
Ätiologie und Pathogenese
- Nicht sicher geklärt. Eine Hypertonie des M. sphincter ani internus mit folgender Ischämie wird angenommen; dadurch Schmerz-
und Entzündungsreiz mit reflektorisch weiter ansteigendem Sphinktertonus.1
Primäre Fissuren (ohne zugrunde liegende Erkrankung)
- Faktoren, die den Sphinktertonus erhöhen, werden als Ursache angenommen.
- Obstipation
- harter Stuhlgang
- faserarme Diät
- Adipositas
- Hypothyreose1
Sekundäre Fissuren (als Folge einer Grunderkrankung)
- Als Begleitfissuren bei entzündlichen Darmerkrankungen wie M. Crohn, Colitis ulcerosa
- Analkarzinom
- Nach Chemotherapie oder
- Systemischen Infekten (Lues, Tuberkulose) oder
- Bakteriellen, viralen, entzündlichen Erkrankungen
- Medikamentös-toxisch
- Traumatisch
- Iatrogen nach operativen analen Eingriffen1
- Der Riss beginnt in der Regel beim oder genau unterhalb vom anorektalen Übergang (Linea anorectalis) und verläuft weiter in distaler Richtung entlang des Analkanals.
Prädisponierende Faktoren
- Verstopfung, faserarme Diät
- Adipositas
- Hypothyreose
ICPC-2
- D95 Analfissur/perianaler Abszess
ICD-10
- K60 Fissur und Fistel in der Anal- und Rektalregion
- K60.0 Akute Analfissur
- K60.1 Chronische Analfissur
- K60.2 Analfissur, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese
- Fissuren im Analkanal
Differenzialdiagnosen
- Analfistel
- Abszess
- Analkarzinom
- Venerische Geschwüre
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Perianales Ekzem
- Hämorrhoiden
Anamnese
- Hauptsymptom sind sehr starke Schmerzen, die im Zusammenhang mit der Defäkation auftreten.1
- Typisch ist ein „Nachbrennen" am Ende der Defäkation, das mehrere Minuten, aber auch Stunden anhalten kann.5
- Blutungen in Form von frischem Blut auf dem Stuhl, meist geringer als bei Hämorrhoiden.
- Nässen, Juckreiz und lokale Schwellungen können auftreten.
- Nach Auslösern fragen: harter Stuhlgang.
- Zeitraum seit Symptombeginn zur Abgrenzung akute – chronische Analfissur
Klinische Untersuchung
- Bei der Untersuchung der Patient*innen in Steinschnittlage findet sich die Fissur in 90 % der Fälle bei 6 Uhr zwischen Haut und Schleimhaut.
- Eine digitale rektale Untersuchung ist wegen der Schmerzhaftigkeit oft nur nach Applikation einer lokalanästhetischen Salbe möglich.
- Multiple Fissuren und Fissuren in nicht typischer Lage sind verdächtig auf mögliche andere Grunderkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Tuberkulose, Syphilis oder maligne Erkrankungen.
- Bei der chronischen Analfissur zeigt sich häufig:
- hypertrophe Analpapille
- Vorpostenfalte bzw. Wächtermariske
- Ulkus mit Randwall
- freiliegende Fasern des M. sphincter internus.1
Weitere Diagnostik
- Bei atypischer Lokalisation: bei anamnestischen Hinweisen stufenweise Diagnostik
- serologische und mikrobiologische Untersuchungen
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Proktoskopie: bei Zweifel an der Verdachtsdiagnose oder Persistenz der Beschwerden über 6
-–8-Wochen1 - Koloskopie/Rektoskopie
- zum Ausschluss einer weiteren analen Blutungsquelle
- bei Verdacht auf entzündliche Darmerkrankungen1
- Endosonografie, MRT, Biopsie-Entnahme zur Differenzialdiagnose von kryptogenen Perianalabszessen und -Fisteln sowie
Malignomen1
Indikationen zur Überweisung
- Bei ausbleibender Abheilung unter konservativer Behandlung Überweisung zu Proktolog*in
Checkliste zur Überweisung
Analfissur
- Zweck der Überweisung
- Unterstützende Diagnostik? Behandlung? Operation?
- Anamnese
- Wann entstanden die Symptome? Verlauf? Wiederkehrend?
- Schmerzen: Art und Intensität? Zusammenhang mit dem Stuhlgang, Stuhlprobleme?
- Andere relevante Krankheiten? Aktuelle Medikamente?
- Welche Wirkung haben frühere Behandlungen gezeigt?
- Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Arbeit?
- Klinische Untersuchung
- Lokaler Status: Lokalisation?
- Rektaluntersuchung: Tumor, Blutung?
- Ergänzende Untersuchungen
- ggf. CRP, BSG, Leukozyten
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Abheilung der Fissur
- Vermeidung einer therapieinduzierten Inkontinenz
- Senkung des Ruhedruckes und Reduktion von Spasmen des internen Analsphinkters ist Ziel sowohl der konservativen als auch der operativen Behandlung.6-7
Allgemeines zur Therapie
- Die Therapie der akuten Analfissur unterscheidet sich von der der chronischen Analfissur.
- Unter konservativer Therapie Abheilung von 60–90 % der akuten Analfissuren1
- Abheilung der chronischen Analfissur unter konservativer Therapie in ca 50 % der Fälle1,8-9
- Wenn die chronische Analfissur nach 6 Wochen konservativer Therapie nicht ausheilt, sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden.
Medikamentöse Therapie
- Glyceroltrinitrat
- Bewirkt eine Relaxation der glatten Muskulatur des spastischen Spinkter ani internus.
- Beispielsweise Glyceroltrinitrat Rektalsalbe 4 mg/g 2 x tgl. lokal auftragen.
- Nebenwirkungen: Bei mindestens 30 % der Patient*innen treten Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Kann auch lokal brennen.
- Kann zulasten der GKV verordnet werden.
- Kalziumkanalblocker
- Lokale Salben mit Nifedipin und Diltiazem vergleichbar effektiv wie Glyceroltrinitrat, haben aber geringere Nebenwirkungen.1,8,10
- Orale Kalziumantagonisten: ebenfalls möglich, die topische Anwendung sollte wegen des günstigeren Nebenwirkunsgsprofils bevorzugt werden.1
- Rezeptur: Beispielsweise Rp. Hydrophiles Diltiazemhydrochlorid-Gel 2 % ad 50 g, 2 x tgl. eine kleine Menge in den unteren Anus einführen.11
- Anwendung 2 x tgl. für 3–8 Wochen
- Botulinumtoxin-Injektionen (Off-Label-Therapie)
- Lokalanästhetische Salbe
- nur Cinchocain als Monopräparat zulasten der GKV verordnungsfähig
- z. B. Cinchocain hydrochlorid 5 mg/g Creme, 2 x tgl.
- Analdilatatoren zur Senkung des Sphinkterdruckes
Empfehlungen für Patient*innen
- Warme Sitzbäder
- Mindestens 15 min, 3- bis 4-mal täglich und nach Darmentleerungen. Dadurch wird der Schließmuskel entspannt, und die Symptome werden gelindert.13
- Normalisierung der Stuhlkonsistenz durch ballaststoffreiche Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, evtl. Macrogol
- Auf gute Analhygiene achten.
Leitlinie: Therapie der akuten Analfissur1
- Es soll eine ballaststoffreiche Ernährung, ggf. Nahrungsergänzung mit z. B. zusätzlich Flohsamenschalen durchgeführt werden.
- Sitzbäder können durchgeführt werden und den Patientenkomfort erhöhen; sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Heilungsrate.
- Eine lokale Applikation von Kalziumantagonisten (wie z. B. Nifedipin) sollte für 3–8 Wochen erfolgen.
- Lokalanästhetika können zur Symptomlinderung appliziert werden. Die Heilungsrate wird hierdurch nicht beeinträchtigt.
- Der Einsatz von Steroiden sollte Patient*innen mit Nebenerkrankungen, wie einem lokalen Ekzem, vorbehalten bleiben.
- Eine Therapie mit Botulinum-Toxin soll bei akuten Fissuren nicht erfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf die hohe (Spontan-)Heilungsrate, die verursachten Kosten, Schmerzen durch die Applikation und die Applikationsrisiken.
Leitlinie: Therapie der chronischen Analfissur1
- Allen Patient*innen soll ein konservativer Therapieversuch über 6 Wochen angeboten werden, bevor eine operative Therapie eingeleitet wird.
- Lokal applizierte Kalziumantagonisten sollten die medikamentöse Erstlinientherapie bei chronischen Analfissuren sein. Ihre Wirksamkeit ist vergleichbar mit der von Nitraten, jedoch haben sie weniger systemische Nebenwirkungen.
- Orale Kalziumantagonisten können ebenfalls zur Therapie verwendet werden. Aufgrund des günstigeren Verhältnisses von Wirkung und Nebenwirkung sollte die topische Anwendung präferiert werden.
- Lokal applizierte Nitrate wie Gylceryltrinitrat GTN können zur Therapie der chronischen Analfissur verwendet werden. Sie haben eine ähnlich hohe Heilungsrate wie Kalziumantagonisten, aber häufiger Nebenwirkungen, insbesondere in ca. 30 % Kopfschmerzen.
- Botulinum-Toxin weist in Metaanalysen geringfügig, aber signifikant höhere Heilungsraten im Vergleich zu GTN und CCA auf. Es kann bei Therapieresistenz auf Kalziumantagonisten mit den Patient*innen als Zweitlinientherapie alternativ zu einem operativen Vorgehen besprochen werden.
- Anale Dilatatoren können zur alleinigen konservativen Behandlung oder in Kombination mit sphinkterrelaxierenden Medikamenten eingesetzt werden.
- Bei Therapieversagen nach 6–8 Wochen: chirurgische Therapie
Chirurgische Therapie
- Indikation
- chronische Analfissur mit ausbleibender Heilung nach 6–8 Wochen erfolgter konservativer Behandlung oder bei Nebenwirkungen der konservativen Behandlung1
- Fissurektomie nach Gabriel
- Botulinum-Toxin kann zusätzlich bei einem operativen Eingriff (Fissurektomie, Advancement-Flap) zur Sphinkterrelaxation appliziert werden.1
- Der Advancement-Flap: Deckung der Fissur mit analer Mukosa oder perianaler Haut
- Laterale interne Sphinkterotomie: Durchtrennung des internen Schließmuskels zur Senkung des Sphinktertonus
- hohe Heilungsrate, aber auch hohe Inkontinenzrate1,8,12
Prävention
StuhlregulierungStuhlreglulierung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Prognose
- In einem frühen Stadium heilt die Fissur bei guter Stuhlregulierung meist spontan.
- Je länger die Krankheitsdauer, desto weniger erfolgreich ist die konservative Therapie.9
- Bei medikamentöser Behandlung liegt die Rezidivrate höher als bei chirurgischer Therapie.2
Komplikationen
- Rezidiv
- Inkontinenz nach operativer Sphinkterotomie, häufiger bei Frauen2
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK). Analfissur. AWMF-Leitlinie Nr. 081-010. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK). Analfissur. AWMF-Leitlinie Nr. 081
/-010. S3, Stand 2019. www.awmf.org - Leske D, Hoffmann J. Häufige Erkrankungen des Anorektums. Harrisons Innere Medizin. 19. Auflage 2016. Thieme-Verlag. S.2428
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Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).