Japanische Enzephalitis Summary Zusammenfassung
Definition: Eine durch das Japan-Enzephalitis-Virus (JEV) verursachte und durch Stechmücken übertragene Virusenzephalitis, die in Südostasien weit verbreitet ist.
Häufigkeit: Endemisch in Südostasien und den asiatischen Pazifikstaaten. Laut WHO etwa 69.000 symptomatische Fälle pro Jahr, 10.000 davon mit tödlichem Ausgang.
Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, epileptische Anfälle, Bewusstseinsminderung und variable fokal-neurologische Defizite.
Befunde: Neurologische Ausfälle bei fieberhaftem Infekt.
Diagnostik: Labordiagnostik, Erregernachweis (z. B. PCR), Antikörperbestimmung, zerebrale Bildgebung.
Therapie: Es gibt keine spezifische Behandlung; supportive und symptomatische Therapie.
Content Allgemeine Informationen
Definition
Die Japanische Enzephalitis (JE), auch Japan-B-Enzephalitis, ist eine Viruserkrankung, die in der asiatisch-pazifischen Region weit verbreitet ist.
Das Japan-Enzephalitis-Virus (JEV) gehört zur Gattung der Flaviviren.1-3
Übertragung durch Stechmücken
Symptomatische Verläufe mit Enzephalitis bzw. Meningoenzephalitis selten (0,1–1 %)2 ,4
bei Enzephalitis jedoch hohe Sterblichkeitsrate von bis zu 50 %2
dauerhafte neurologische Schäden in 30–50 % der Fälle mit Enzephalitis2
Es existiert keine spezifische Behandlung, die Therapie erfolgt symptomorientiert.
Eine Schutzimpfung gegen das JEV steht zur Verfügung und wird in Endemiegebieten empfohlen.2
Häufigkeit
Weltweit die häufigste epidemische Enzephalitis2
Die Erkrankung ist insbesondere in Südasien, Südostasien, den asiatischen Pazifikstaaten und der Nordspitze von Australien verbreitet.1-3 ,5
In Europa gibt es bisher keine autochthonen Infektionen.1
Im Jahr 2017 wurde über einen autochthonen Fall aus Angola berichtet.6
Nach Schätzungen gibt es etwa 69.000 Fälle mit Erkrankungssymptomen in den Endemiegebieten pro Jahr.1-2 ,4
davon etwa 10.000 Todesfälle
vermutlich höhere Dunkelziffer
Die Inzidenz ist abhängig von der Impfquote der Region.
ca. 0,003 pro 100.000 Einw. pro Jahr (Japan, Korea)4
ca. 3,7 pro 100.000 Einw. pro Jahr (Kambodscha, Indonesien, Malaysia)4
Betroffen sind überwiegend Kinder.4
im Erwachsenenalter oft Immunität in endemischen Gebieten
Wiederholt regionale Ausbrüche (z. B. 2005 in Indien, 1997 in Nepal)
Gehäuftes Auftreten im ländlichen Raum sowie in der Nähe von Reisfeldern und in wasser- und sumpfreichen Gebieten1
Ätiologie und Pathogenese
Erreger
Der Japan-Enzephalitis-Virus (JEV) gehört zur Gattung der Flaviviren (Familie Flaviviridae).
behülltes Virus mit Einzelstrang-RNA1
5 verschiedene Genotypen mit unterschiedlicher regionaler Verteilung1 ,4
Verwandtschaft mit anderen Flaviviren1 ,4
hohe Ähnlichkeit zu Viren der Japan-Enzephalitis-Virus-Gruppe, z. B. Murray-Valley-Enzephalitis-Virus, St.-Louis-Enzephalitis-Virus und West-Nil-Virus
morphologische und genetische Ähnlichkeit mit dem Gelbfiebervirus 1
weitere zu der Gruppe der Flaviviren gehörende Viren:
Das hauptsächliche Erregerreservoir bilden Schweine und Wasservögel.
Übertragungszyklus zwischen diesem Reservoir und Transmission über Stechmücken (sylvatischer Zyklus)2
Menschen bieten zur Weiterverbreitung keine ausreichende Virämie.2 ,4
Transmission
Transmission über Stechmücken der Spezies Culex, hauptsächlich Culex tritaeniorhynchus (Reisfeldmücke)
Hauptsächliche Übertragungszeit sind die warmen Jahreszeiten.
Intensivierung durch Regenperioden und Erntezeiten in den Reisanbaugebieten2
Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung über Bluttransfusionen ist beschrieben.7
Pathogenese4
Periphere Inokulation und primäre Virusreplikation in den Lymphknoten
Nachweis von Virus-RNA in Monozyten und T-Zellen
Anschließend Virämie und Ausbreitung in das ZNS mit Replikation in den Neuronen
Der Mechanismus der ZNS-Infiltration ist nicht bekannt, jedoch ist eine hämatogene Ausbreitung anzunehmen.
Inkubationszeit etwa 5 Tage nach subkutaner Injektion und 7–10 Tage nach intranasaler Injektion
Das klinische Bild bei symptomatischen Fällen variiert von unspezifischem Fieber bis hin zu einer schweren Meningoenzephalitis .
manifeste Enzephalitis in etwa 0,1–1 % der JEV-Infektionen
Die überwiegende Zahl der Infektionen verläuft asymptomatisch oder mild.
Nach der Exposition kommt es zur Produktion neutralisierender Antikörper.
Die niedrige Inzidenz unter Erwachsenen in Endemiegebieten suggeriert eine lebenslange Immunität.
Nahezu alle Erwachsenen in endemischen Gebieten wurden seropositiv getestet.
Prädisponierende Faktoren
Aufenthalt in einem endemischen Gebiet ohne Schutzimpfung
Das Risiko für Reisende ist gering.
Inzidenz ca. 1/200.000 bis 1/1.000.000 bei Reiserückkehrer*innen
ICPC-2
N71 Meningitis/Enzephalitis
ICD-10
Nach ICD-10-GM Version 20218
A83.0 Japanische Enzephalitis (Japan-B-Enzephalitis)
Diagnostik
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4
Diagnostische Kriterien
Klinisches Bild einer infektiösen Enzephalitis
Aufenthalt in einem endemischen Risikogebiet
bisher keine autochthonen Infektionen in Europa
Diagnosesicherung durch einen serologischen oder direkten Erregernachweis
Differenzialdiagnosen
Anamnese
Vorangegangene Aufenthalte bzw. Reisen in Endemiegebiete (Südostasien)
erhöhtes Risiko bei gehäuften Insektenstichen
Die Inkubationszeit liegt bei 5–15 Tagen.
Die meisten Fälle verlaufen subklinisch oder milde unspezifisch.
Beginn mit unspezifischen Symptomen wie Fieber oder Schnupfen
meist 3–4 Tage vor den enzephalitischen Beschwerden
Klinische Symptome der (Meningo-)Enzephalitis
Mögliche Begleitsymptome bei JEV-Infektion
Klinische Untersuchung
Allgemeine körperliche Untersuchung
Vitalparameter (z. B. Fieber )
Organomegalie
Neurologische Untersuchung
Ergänzende Untersuchungen im Krankenhaus
Labordiagnostik – Routine-Labor
Lumbalpunktion und Liquordiagnostik
Liquorpleozytose mit erhöhter Zellzahl
initial oft Mischpleozytose mit Lympho-, Mono- und Granulozyten, im Verlauf lymphozytäre Pleozytose
Gesamtprotein und Laktat normal oder nur gering erhöht
Erregerdiagnostik des Japan-Enzephalitis-Virus (JEV) im Blut oder Liquor
JEV-spezifisches Immunoglobulin M (IgM)
im Liquor etwa an Tag 7 nachweisbar
JEV-Antikörper im Serum sind unspezifischer.
auch bei milder koinzidenteller Infektion, nach Impfung oder zurückliegender Erkrankung möglich
Kreuzreaktionen mit anderen Anti-Flavivirus-Antikörpern sind zu beachten (FSME , Gelbfieber , Dengue , West-Nil-Fieber , St.-Louis-Enzephalitis u. a.).
direkter Erregernachweis mittels Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR)
z. T. unzureichende Sensitivität, insbesondere aus Blut
Nachweis aus Urin möglich
Zerebrale Bildgebung (MRT, nur ersatzweise CCT)
MRT dient der Differenzialdiagnose.
Asymmetrische Läsionen der Stammganglien und Thalami sind typisch bei Arboviren (u. a. FSME , JEV).
Veränderungen im CT sind für die Diagnosestellung oft zu spät.
Im CT sind Hypodensitäten der Thalami typisch, jedoch unspezifisch, da sie auch bei anderen Flavivirus-Enzephalitiden vorkommen.
Neurologische Zusatzdiagnostik (z. B. EEG)
Diagnostik für JEV in Rücksprache mit Tropeninstituten und Speziallaboren
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Bei Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-5
Therapieziele
Stabilisierung der Vitalfunktionen
Vermeidung von Komplikationen wie Krampfanfälle und Hirndruck
Vermeidung von langfristigen neurologischen Schäden
Schutzimpfungen zur Prävention bei Reisen in endemische Gebiete
Allgemeines zur Therapie
Es ist keine spezifische Therapie gegen das JEV verfügbar.
Studien mit Interferon und Ribavirin ohne verbessertes Outcome
Falls eine bakterielle Meningoenzephalitis nicht auszuschließen ist, wird empfohlen, zunächst zusätzlich Antibiotika zu geben (z. B. Cephalosporine der Gruppe 3).
Symptomatische und supportive Therapie
Flüssigkeitssubstitution
optimales Temperaturmanagement
ausreichende Ernährung
Therapie vegetativer Entgleisungen und Atemstörungen
Analgetika und Sedativa nach Bedarf
Therapie von Komplikationen
bei epileptischen Anfällen oder auffälligem EEG Therapie mit einem Antikonvulsivum
bei erhöhtem Hirndruck Osmotherapeutika (z. B. Mannitol)
therapeutischer Effekt der Entlastungstrepanation nicht gesichert
Ausgleich von Elektrolytstörungen, z. B. Salzverlustsyndrom oder Diabetes insipidus
Prävention
Das Ansteckungsrisiko nimmt mit Schutzmaßnahmen gegen Mückenstiche ab:
Insektenschutzmittel
eng anliegende, langärmelige Bekleidung
nachts Moskitonetze, mit Insektiziden imprägniert
Mückenbekämpfung im Umfeld von Wohnstätten.
Schutzimpfung auf Reisen
Indikationen für eine Reiseimpfung
Aufenthalte in Endemiegebieten (Südostasien, weite Teile von Indien, Korea, Japan, China, West-Pazifik, Nordaustralien) während der Übertragungszeit
insbesondere bei:
Reisen in aktuelle Ausbruchsgebiete
Langzeitaufenthalt (> 4 Wochen)
wiederholten Kurzzeitaufenthalten
voraussehbarem Aufenthalt in der Nähe von Reisfeldern und Schweinezucht (nicht auf ländliche Gebiete begrenzt)
Für Kurzzeitreisende (unter 4 Wochen) außerhalb der Übertragungszeit ist eine JEV-Impfung nicht vorrangig empfohlen.
jedoch großzügige Indikationsstellungen bei Wunsch nach optimalem Schutz, da gute Verträglichkeit des Impfstoffes
In Deutschland ist derzeit nur ein inaktivierter Ganzvirusimpfstoff (IXIARO) zugelassen.
Grundimmunisierung für alle Altersklassen mit 2 Impfstoffdosen
reduzierte Dosis für Kinder im Alter von 2 Monaten bis 3 Jahren
Schnellimpfschema für Erwachsene im Alter von 18–65 Jahren
Grundimmunisierung mit beiden Dosen im Abstand von 1 Woche
Auffrischungsimpfung mit einer Impfstoffdosis
bei weiterhin bestehender oder wiederholter Exposition nach 12–24 Monaten eine weitere Impfstoffdosis (Auffrischimpfung)
Die Grundimmunisierung sollte ca. 1 Woche vor Aufenthalt in einem Endemiegebiet abgeschlossen sein.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4
Verlauf
In den meisten Fällen verläuft die Infektion asymptomatisch oder mit milden, unspezifischen Beschwerden.
Die JEV-Enzephalitis ist eine schwere Erkrankung mit hoher Mortalitätsrate und neurologischen Komplikationen und Folgeschäden.
Komplikationen
Prognose
Stark variierende Mortalitätsraten von 5–50 %
Hohe Rate an neurologischen Folgeschäden unter den Überlebenden (30–50 %)
schwere motorische Defizite (ca. 30 % der Überlebenden)
kognitive und sprachliche Defizite (ca. 20 %)
rezidivierende Krampfanfälle (ca. 20 %)
Studien mit langem Beobachtungszeitraum zeigen, dass viele Kinder nach JEV-Enzephalitis nicht das vorherige Bildungsniveau erreichen.
Nach durchgestandener Infektion besteht vermutlich lebenslange Immunität.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Virale Meningoenzephalitis. AWMF-Leitlinie Nr. 030-100. S1, Stand 2018. www.awmf.org
Literatur
Robert Koch-Institut (RKI). Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung zur Impfung gegen Japanische Enzephalitis bei Reisen in Endemiegebiete und für Laborpersonal in Epidemiologisches Bulletin 18/2020, 30. April 2020. www.rki.de World Health Organization (WHO). Fact Sheet: Japanese encephalitis. Stand 9. Mai 2019. abgerufen am 25.06.2021. www.who.int Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Virale Meningoenzephalitis. AWMF-Leitlinie Nr. 030-100. Stand 2018. www.awmf.org Turtle L, Solomon T. Japanese encephalitis - the prospects for new treatments. Nat Rev Neurol. 2018;14(5):298‐313. doi:10.1038/nrneurol.2018.30 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov Kling K, Bogdan C, Ledig T et al. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu Reiseimpfungen. Epid Bull 2021; 14: 1–182 www.rki.de Simon-Loriere E, Faye O, Prot M et al. Autochthonous Japanese Encephalitis with Yellow Fever Coinfection in Africa. N Engl J Med 2017; 376: 1483–5. DOI: 10.1056/NEJMc1701600 DOI Cheng VCC, Sridhar S, Wong SC et al. Japanese Encephalitis Virus Transmitted Via Blood Transfusion, Hong Kong, China. Emerg Infect Dis 2018; 24. DOI: 10.3201/eid2401.171297 DOI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 23.06.2021. www.dimdi.de
Autoren*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/ ).
Icd10 A830
Icd10Pc Japansk encefalitt; jpe; japansk encephalitt
Icpc2 N71
Keywords Japan-B-Enzephalitis; Virale Enzephalitis; Virusenzephalitis; Mückenstich; Mücken; Fieber; Nackensteife; Mentale Veränderungen; Zuckungen; Krampfanfälle; Hirnnervenausfälle; JEV; Erhöhter intrakranieller Druck; Japanische-Enzephalitis-Virus; Reisekrankheit; Virale Enzephalitis; Virale Meningoenzephalitis; Südostasien; Reiseimpfung
Title Japanische Enzephalitis
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