Definition:Brucellose ist eine durch Bakterien der Gattung Brucella ausgelöste Zoonose, die durch infizierte Tiere und Tierprodukte übertragen wird.
Häufigkeit:In West- und Nordeuropa ist die Erkrankung sehr selten und meist importiert; Endemiegebiete sind Mittelmeerraum, naher und mittlerer Osten, arabische Halbinsel, Lateinamerika, Afrika und Asien.
Symptome:Die Symptome sind unspezifisch und variabel mit undulierendem Fieber und grippeartiger Symptomatik. Je nach betroffenem Organsystem können diverse Lokalsymptome auftreten, z. B. Arthritis, Epididymo-Orchitis, Meningoenzephalitis.
Befunde:Die klinische Untersuchung kann weitgehend unauffällig sein, ggf. zeigt sich eine Hepatosplenomegalie oder Lymphadenopathie. Je nach betroffenem Organsystem können entsprechende Befunde hinzukommen.
Diagnostik:Zur Sicherung der Diagnose ist der direkte oder indirekte Erregernachweis mittel kultureller Anzucht, PCR oder Serologie erforderlich.
Therapie:Die Erkrankung wird mit einer mehrwöchigen Antibiotika-Kombinationstherapie behandelt.
Allgemeine Informationen
Definition
Brucellose ist eine Zoonose, die durch Bakterien der Gattung Brucella verursacht wird.1
Die Erkrankung wird auch als undulierendes Fieber, Maltafieber, Morbus Bang oder Mittelmeerfieber (NICHT: familiäres Mittelmeerfieber!) bezeichnet.
Die Krankheit wird durch infizierte Tiere, insbesondere infizierte Nutztiere, übertragen.1
Besonders verbreitet ist der Erreger im Nahen Osten, Afrika, Asien und Lateinamerika.1
In Deutschland ist die Erkrankung selten und meistens importiert.1
Brucellose äußert sich durch ein sehr unspezifisches, vielseitiges Krankheitsbild mit Krankheitsgefühl, undulierendem Fieber und diversen Organmanifestationen.1-3
Die Brucellose wurde auch als potenzielle biologische Waffe eingestuft.2,4
Häufigkeit
Endemiegebiete sind Mittelmeerraum, Naher und Mittlerer Osten, di Arabische Halbinsel, Lateinamerika, Afrika und Asien.1,3,5
in Europa: Portugal, Spanien, Süditalien, Griechenland und Türkei
Jährlich werden 500.000 Neuinfektionen weltweit registriert, wobei die Zahlen vermutlich unterschätzt werden.3
In Deutschland ist die Erkrankung selten, in den letzten Jahren wurden etwa 20–45 Fälle jährlich gemeldet (Inzidenz 0,03 pro 100.000 pro Jahr).1,3,6
Rinder-, Schaf- und Ziegenbestände in Deutschland gelten seit dem Jahr 2000 als brucellosefrei.1,5
Bei Schweinen treten gelegentlich Erkrankungen auf, meist durch Erreger, die nicht humanpathogen sind.
Die meisten Fälle in Deutschland treten bei infizierten importierten Tieren oder nach Übertragung durch Wildtiere, z. B. Wildschweine, auf.
Bei Patient*innen in Deutschland wird als häufigstes vermutetes Infektionsland die Türkei angegeben.1,6
Ätiologie und Pathogenese
Die Brucellose ist eine Zoonose, die durch Bakterien der Gattung Brucella hervorgerufen wird. Nur ein Teil der Bakterien dieser Gruppe können auch Menschen infizieren:1-2
B. melitensis (Maltafieber), bei Ziegen und Schafen
häufigster Erreger von Infektionen beim Menschen2,5
B. suis, bei Schweinen
B. abortus (Morbus Bang), bei Rindern
B. canis, bei Hunden (selten).
Es handelt sich um fakultativ intrazelluläre, aerobe, gramnegative kokkoide Stäbchen.1
Bei Umgebungstemperatur kann der Erreger mehrere Tage bis Wochen überleben, z. B. in Milch oder Wasser, aber auch in der Erde.
Desinfektionsmittel oder ein Erhitzen über 60 °C für 10 Minuten tötet den Erreger ab.1
Nach dem Bundesinstitut für Risikobewertung sollten verdächtige Lebensmittel für mindestens 2 min auf 72 °C erhitzt werden.5
Die Infektion des Menschen erfolgt durch infizierte Tiere, meist Nutztiere. Das Reservoir sind vor allem Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe.1-3
Auch eine Übertragung durch Haustiere (z. B. Hunde) oder Wildtiere, z. B. Füchse oder Rehwild, ist beschrieben.3
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten. Möglich ist sie z. B. beim Stillen, diaplazentar, durch Transplantationen, Transfusionen oder sehr selten auch Geschlechtsverkehr.
Infektiöse Körperflüssigkeiten sind u. a. Blut, Urin, Sperma, Fruchtwasser, Plazenta und Lochialsekret.2-3
Eine Infektion kann über den Gastrointestinaltrakt, Konjunktiven, Atemwege oder verletzte Haut erfolgen.1-2
Kontakt zu möglicherweise infizierten Tieren, insbesondere Berufsanamnese:
Tierzüchter*innen und -halter*innen
Tierärzt*innen
fleischverarbeitende Berufe.
Reisen in oder Herkunft aus Endemiegebieten
Genuss von Rohmilchprodukten oder anderen möglicherweise kontaminierten Tierprodukten (z. B. rohes Fleisch), insbesondere in Endemiegebieten oder wenn diese dort hergestellt wurden.
Mitarbeiter*innen in Laboratorien
ICPC-2
A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere
ICD-10
A23 Brucellose
A23.0 Brucellose durch Brucella melitensis
A23.1 Brucellose durch Brucella abortus
A23.2 Brucellose durch Brucella suis
A23.3 Brucellose durch Brucella canis
A23.8 Sonstige Brucellose
A23.9 Brucellose, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Da die Symptomatik der Brucellose sehr unspezifisch ist, kann die Erkrankung nur labordiagnostisch gesichert werden.1
Differenzialdiagnosen
Aufgrund der unspezifischen und vielfältigen Symptomatik kommt eine große Zahl von Differenzialdiagnosen infrage.
Hierzu gehören z. B. andere Infektionskrankheiten, Neoplasien, hämatologische, rheumatische, psychische oder orthopädische Erkrankungen.2
Klinisch kann die Erkrankung sehr unterschiedlich und uncharakteristisch sein, was die Diagnose erschwert. In der Mehrzahl der Fälle verläuft die Infektion asymptomatisch und ist nur serologisch nachweisbar.1
Wichtig ist die Erfassung möglicher Risikofaktoren, um an die Möglichkeit einer Brucellose zu denken.1,3
Kontakt zu möglicherweise infizierten Tieren, insbesondere Berufsanamnese:
Tierzüchter*innen und -halter*innen
Tierärzt*innen
fleischverarbeitende Berufe.
Reisen in oder Herkunft aus Endemiegebieten
Genuss von Rohmilchprodukten oder anderen möglicherweise kontaminierten Tierprodukten (z. B. rohes Fleisch), insbesondere wenn diese in Endemiegebieten hergestellt wurden.
Es kommen verschiedene serologische Nachweismethoden infrage.
Agglutinierende Antikörper sind etwa ab der 2. Krankheitswoche nachweisbar, sodass bei Verdacht auf eine akute Infektion Verlaufskontrollen erfolgen sollten.
Falsch positive Ergebnisse können durch Kreuzreaktionen mit z. B. Antikörpern gegen Salmonellen oder Yersinien vorkommen.
Als beweisend für eine akute Infektion gilt ein Titeranstieg über 2–3 Verdünnungsstufen innerhalb von 2–3 Wochen, ebenso kann eine Differenzierung in IgM- und IgG-Antikörper zur Beurteilung der Akuität erfolgen.
Die Antikörper können jahrelang nachweisbar bleiben.
Hierbei wird primär eine Kombination aus Doxycyclin mit Rifampicin, Streptomycin oder Gentamicin empfohlen.
Die Kombination aus Doxycyclin plus Streptomycin zeigt in Studien die besten Erfolge, allerdings hat die Kombination aus Doxycyclin und Rifampicin den Vorteil, dass sie oral gegeben werden kann.3,15-16
Die Therapie in der Regel für mindestens 6 Wochen erfolgen.
Mögliche empfohlene Therapieregime für Erwachsene3,16
Doxycyclin 100 mg oral 2 x tgl. für 6 Wochen
plus Rifampicin 600 mg oral 1 x tgl. für 6 Wochen (Anmerkung d. Red.: Die Behandlung der Brucellose gehört nicht zu den in der Fachinformation von Rifampicin angegebenen zugelassenen Anwendungsgebieten.)
oder plus Streptomycin 15 mg/kg KG i. m. 1 x tgl. für 2–3 Wochen (laut Fachinformation Dosisreduktion bei Erwachsenen über 50 Jahren)
oder plus Gentamicin 3–5 mg/kg KG i. v. 1 x tgl. für 1–2 Wochen (Fachinformation und WHO: 7–10 Tage) (Anmerkung d. Red.: Die Behandlung der Brucellose gehört nicht zu den in der Fachinformation von Gentamicin ausdrücklich angegebenen Anwendungsgebieten.)
Alternativen
Doxycyclin 100 mg oral 2 x tgl. für 8 Wochen plus Cotrimoxazol oral 160 + 800 mg 2 x tgl. für 8 Wochen
oder Rifampicin 600 mg oral 1 x tgl. für 6 Wochen plus Ciprofloxacin oral 750 mg 2 x tgl. für 6 Wochen (Anmerkung d. Red.: Die Behandlung der Brucellose gehört nicht zu den in der Fachinformation von Rifampicin und Ciprofloxacin angegebenen zugelassenen Anwendungsgebieten.)
Therapieregime für Kinder
Bei Kindern, bei denen Doxycyclin kontraindiziert ist, kommen z. B. Kombinationen aus Rifampicin plus Cotrimoxazol (ab 6 Jahre), Rifampicin plus Gentamicin oder Cotrimoxazol (ab 6 Jahre) plus Gentamicin infrage.1-3,16
Bei Komplikationen wie Endokarditis, Meningitis oder skelettalen Abszessen sollte eine Dreifachkombination z. B. aus Doxycylin plus Rifampicin plus Gentamicin oder plus Streptomycin und eine längere Therapiedauer erwogen werden. Cotrimoxazol oder Ciprofloxacin sind mögliche Alternativen zu Doxycyclin oder Rifampicin.1,3
Bei Endokarditis oder Knochenbefall können chirurgische Maßnahmen erforderlich sein.1
Der direkte oder indirekte Nachweis von Erregern der Gattung Brucella ist meldepflichtig, sofern der Verdacht auf eine akute Infektion besteht.
Bei Verdacht auf eine beruflich erworbene Infektion sollte eine Meldung an den Träger der Unfallversicherung oder an die für den Beschäftigungsort der versicherten Person zuständigen Stelle des medizinischen Arbeitsschutzes erfolgen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Die Inkubationszeit beträgt 5–60 Tage, aber auch wesentlich längere Zeiträume wurden beschrieben.1-3
Die Krankheit kann subklinisch (90 % der Fälle), akut bzw. subakut oder chronisch (5 % der akuten/subakuten Fälle) verlaufen.1
Rezidive sind relativ häufig, insbesondere bei unzureichender Therapie.1-3,17
Komplikationen
Im Prinzip kann jedes Organ und System des Körpers von der Brucellose und brucellosebedingten Komplikationen betroffen sein.2,7-14,18
kardiovaskuläres System
Urogenitaltrakt
zentrales Nervensystem
Knochenmark
Bewegungsapparat
Gastrointestinaltrakt, hepatobiliäres System
Lunge
Abszessbildung, z. B. Leber, Rückenmark, Milz oder Schilddrüse
Prognose
Die Prognose ist bei entsprechender Behandlung in der Regel gut.1-3
Die Letalität liegt bei unbehandelter Brucellose bei weniger als 2 %, wobei es sich in der Regel um Patient*innen mit Endokarditis durch Brucellose oder Neurobrucellose handelt.1,3
Verlaufskontrolle
Frequenz und Inhalte der Verlaufskontrollen hängen von Krankheitsverlauf und Organmanifestationen ab.
Regelmäßige Kontrollen sind u. a. wichtig, um Patient*innen zur Therapieadhärenz zu motivieren.1-3
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Autor*innen
Anneke Damberg, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Brucellose ist eine durch Bakterien der Gattung Brucella ausgelöste Zoonose, die durch infizierte Tiere und Tierprodukte übertragen wird. Häufigkeit:In West- und Nordeuropa ist die Erkrankung sehr selten und meist importiert; Endemiegebiete sind Mittelmeerraum, naher und mittlerer Osten, arabische Halbinsel, Lateinamerika, Afrika und Asien.