Definition:Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani, das ein Toxin mit der Bezeichnung Tetanospasmin produziert.
Häufigkeit:Weltweit etwa 20.000 Fälle jährlich, in Deutschland unter 15 Fälle pro Jahr.
Symptome:Anamnese mit Hautwunde und ggf. Kontamination. Im Verlauf Starre und Spasmen der Kau- und mimischen Muskulatur.
Befunde:Frühe Symptome sind Schmerzen und Kribbeln an der Eintrittspforte, gefolgt von Spasmen der umliegenden Muskulatur. Später oft generalisierte Muskelspasmen.
Diagnostik:Klinische Diagnose. In der Regel kein Erregernachweis aus Wunde möglich.
Therapie:Chirurgische Sanierung der Eintrittspforte und möglichst schnelle Verabreichung von humanem Tetanus-Immunglobulin und Impfstoff.
Allgemeine Informationen
Definition
Synonym: Wundstarrkrampf
Infektion über kontaminierte Hautverletzungen mit dem Bakterium Clostridium tetani, das Neurotoxin Tetanospasamin produziert. 1
Akustische, visuelle und taktile Reize können reflektorisch Spasmen auslösen und verstärken und zu einem lebensbedrohlichen Laryngospasmus führen.
Funktionsstörung des autonomen Nervensystems mit Tachykardie, Hypertonie und Schwitzen1
Meist normale Körpertemperatur
Die Patient*innen sind während des gesamten Krankheitsverlaufs wach und orientiert.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Eine Zellkultur aus Wundmaterial kann angelegt werden, aber ein negativer Test auf Clostridium tetani bedeutet keinen Ausschluss der Tetanusinfektion.2
Diagnostik bei Spezialist*innen
EMG: kontinuierliche, nicht unterdrückbare Muskelaktivität1
Weitere Untersuchungen dienen dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen, z. B.:1
Vitalfunktionen unterstützen, bis die Effekte des Toxins abklingen.
Allgemeines zur Therapie
Die Therapie des Tetanus beruht im Wesentlichen auf drei Aspekten:1
Identifizierung der Eintrittspforte und Wunddébridement
Neutralisierung des zirkulierenden Toxins und Immunisierung
Supportive/symptomatische Therapie unter Beachtung der möglichen Komplikationen.
Identifizierung der Eintrittspforte und Wunddébridement
Umgehende und gründliche chirurgische Sanierung der Eintrittspforte1
Insbesondere avitales Gewebe muss schnellstens aus dem Wundgebiet entfernt werden, da es das Wachstum der anaeroben Clostridien fördert.
Medikamentöse Therapie
Neutralisierung des zirkulierenden Toxins und Immunisierung1
Gabe von humanem Tetanus-Immunglobulin
Empfohlen wird die Einmalgabe von 500–3.000 IE i. m.
Aktive Immunisierung mit Tetanus-Toxoid
Empfohlen wird die einmalige Gabe von TTX-Td (z. B. Tetanol) i. m. in der Postakutphase.
Die aktive Immunisierung mit TTX-Td sollte zusätzlich zur hTIG-Gabe erfolgen, dabei jedoch nicht in dieselbe Extremität wie die Immunglobulingabe appliziert werden.
Benzodiazepine: Standardtherapie zur Behandlung der Muskelspasmen
Diazepam (z. B. Valium; Einzeldosen von 5–10 mg) oder Lorazepam (z. B. Tavor; Einzeldosen 1–2 mg) sind in oft sehr hohen Tagesdosen erforderlich (Diazepam bis zu 500 mg).
Baclofen (Lioresal) intrathekal: bei unzureichender Kontrolle der Spasmen
Botulinum-Toxin Typ A lokal: in mehreren Fallberichten erfolgreiche Behandlung der fokalen oro-laryngo-pharyngealen Spasmen durch lokale Injektion
Magnesium i. v.: Stabilisierung der Sympathikus-Überaktivität
Antibiotische Therapie
Metronidazol 500 mg i. v. alle 6 Stunden für die Dauer von 7–10 Tagen zur Eradizierung von Clostridium tetani
Atemwegsmanagement
Das Ausmaß der Spasmen, Dysphagie, Tachypnoe, Trismus oder Laryngospasmus erzwingt nicht selten eine rasche orotracheale Intubation und mechanische Ventilation.1
Maßnahmen für Patient*innen und Kontaktpersonen
Besondere Maßnahmen für Patient*innen und Kontaktpersonen sind nicht erforderlich, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch nicht möglich ist.2
Ein überstandener Tetanus hinterlässt keine Immunität, deshalb sollten auch Personen nach einer Erkrankung geimpft werden.2
Meldepflicht
In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.2
Es gibt in einigen Bundesländern Sonderregelungen über die Meldepflicht.2
In Sachsen besteht eine namentliche Meldepflicht über Erkrankung und Tod oder Virusnachweis im Labor an das Gesundheitsamt.
In Mecklenburg-Vorpommern besteht eine Arzt- und Labormeldepflicht nichtnamentlich an das Gesundheitsamt.
In Thüringen gibt es nur eine nichtnamentliche Arztmeldepflicht an das Gesundheitsamt.
Bei ungeimpften Personen oder unbekanntem Impfstatus ist eine aktive Impfung mit TDaP/Tdap und eine passive Immunisierung mit Tetanus-Immunglobulin erforderlich.
Bei nur 1 oder 2 Impfstoffdosen bisher ist eine aktive Impfung mit TDaP/Tdap erforderlich.
Bei 3 oder mehr Impfstoffdosen vor 10 oder mehr Jahren ist eine aktive Immunisierung aber keine passive Immunisierung erforderlich.
Bei 3 oder mehr Impfstoffdosen und wenn seit der letzten Impfung weniger als 10 Jahre vergangen sind, ist bei der Akutversorgung keine aktive oder passive Tetanusimmunisierung erforderlich.
Patient*innen mit allen anderen Wundarten (tiefe und/oder verschmutzte Wunden, Verletzungen mit Gewebszertrümmerung und reduzierter Sauerstoffversorgung oder Eindringen von Fremdkörpern) brauchen:
Wenn sie weniger als 3 Impfstoffdosen erhalten haben oder bei unbekanntem Impfstatus eine aktive und passive Immunisierung.
Auch wenn sie 3 oder mehr Tetanus-Impfstoffdosen erhalten haben, bereits nach mehr als 5 Jahren eine aktive Immunisierung.
Bei 3 oder mehr Impfstoffdosen und wenn seit der letzten Impfung weniger als 5 Jahre vergangen sind, ist bei der Akutversorgung keine aktive oder passive Tetanusimmunisierung erforderlich.
Aktive Immunisierung
Als Impfstoff werden Kombinationsimpfstoffe (Tetanus, Diphtherie, Pertussis, ggf. auch Polio) empfohlen.
Passive Immunisierung
Tetanus-Immunglobulin 250 IE, Applikation kontralateral zur Impfseite
Dosis-Erhöhung auf 500 IE u. a. bei tiefen, stark kontaminierten Wunden
Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.4-5
Empfehlung zum reduzierten 2+1-Schema (vorher 3+1-Schema) einer Sechsfach-Impfung mit den Zielen:
Den Impfplan zu vereinfachen.
Arzttermine für Säugling und Eltern einzusparen und
so die zeitgerechte und vollständige Umsetzung der Sechsfachimpfungen für Ärzt*innen und Eltern zu erleichtern.
Grundimmunisierung
reife Neugeborene
Beginn der Grundimmunisierung im Alter von 2 Monaten
Für die Sechsfach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B empfiehlt die STIKO ein 2+1-Schema mit Impfungen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten.
Um einen Langzeitschutz aufzubauen, ist es besonders wichtig, den Abstand von 6 Monaten zwischen der 2. und der 3. Impfung nicht zu unterschreiten.
Frühgeborene (vor der 37. Schwangerschaftswoche)
aufgrund des noch nicht ausgereiften Immunsystems 3+1-Impfschema, mit 4 Impfstoffdosen im Alter von 2, 3, 4 und 11 Monaten
Auffrischimpfungen im Alter von 5–6 Jahren und von 9–16 Jahren
Alle weiteren Auffrischimpfungen sollten in 10-jährigem Abstand zur vorangegangenen Impfung erfolgen.
Die Inkubationszeit bei Tetanus variiert zwischen 4–30 Tagen.1
Je weiter die Eintrittspforte/Wunde vom zentralen Nervensystem entfernt ist, desto länger ist die Inkubationszeit.
Typischerweise kommt es zu Muskelspasmen, die von kranial nach kaudal absteigen (von Kau- und mimischer Muskulatur über Nacken- zur Wirbelsäulenmuskulatur).1
Komplikationen
Nebenwirkung der Impfung
Schmerzen an der Injektionsstelle
Seltene, aber ernste Komplikationen einer Tetanus-Toxoid-Boosterimpfung1
Die Letalität liegt trotz moderner Intensivtherapie zwischen 10 % und 20 %. Todesursachen sind vor allem respiratorische Insuffizienz und kardiovaskuläre Komplikationen.2
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Tetanus. AWMF-Leitlinie Nr. 030-104. S1, Stand 2017. www.awmf.org
RKI-Ratgeber
Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber für Ärzte: Tetanus. Berlin, Stand 2017. www.rki.de
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Tetanus. AWMF-Leitlinie Nr. 030-104, Stand 2017. www.awmf.org
Robert Koch-Institut. RKI-Ratgeber für Ärzte: Tetanus. Berlin, Stand 2017. Zugriff 26.01.2018. www.rki.de
Harrisons Innere Medizin. – Dt. Ausg. der 19. Aufl./in Zusammenarbeit mit der Charité. Hrsg. der dt. Ausg. Vogtmann M, Suttorp N. Thieme Verlag 2017, S.1200ff
RKI. Epidemiologisches Bulletin. Januar 2022. Letzter Zugriff 13.04.22. www.rki.de
RKI. 2+1 statt 3+1: eine Impfstoffdosis weniger bei der Grundimmunisierung von Säuglingen. Stand 25.06.2020. Letzter Zugriff 17.07.2020. www.rki.de
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Wundstarrkrampf; Clostridium tentani; Kieferklemme; Trismus; Skelettmuskelkrämpfe; Muskelspasmen; Tetanus-Spasmen; Steifheit der Kaumuskulatur; Krämpfe der Gesichtsmuskulatur; Muskelsteifheit; Risus sardonicus; Muskelkrämpfe der Rückenmuskulatur; Opisthotonus; Impfung; Impfschutz
Tetanus
CCC MK 20.07.2020, neue STIKO-Empfehlungen.
TrainAMed-Video eingefügt 25.6.19 UB
MK 13.09.2017 STIKO-Empfehlung
MK 30.01.2018, neue LL und RKI-Ratgeber für Ärzte
DDD MK 17.09.2018 Epidemiologisches Bulletin, Postexpositionsprophylaxe
BBB MK 14.04.2022 revidiert, aktualisiert und umgeschrieben, neue STIKO-Empfehlungen.
Check GO nach Publ. DN 26.1., MK 06.06.17, STIKO und Meldepflicht ergänzt
Definition:Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani, das ein Toxin mit der Bezeichnung Tetanospasmin produziert. Häufigkeit:Weltweit etwa 20.000 Fälle jährlich, in Deutschland unter 15 Fälle pro Jahr.