Allgemeine Informationen
- Der folgende Abschnitt basiert, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf diesen Referenzen.1-4
Definition
- Necrobiosis lipoidica ist eine seltene, chronische, idiopathische, granulomatöse Kollagenerkrankung mit dem Risiko von Ulzerationen und häufig assoziiert mit Diabetes mellitus.2
- Die Ursache ist unbekannt und die Erkrankung für gewöhnlich an der Unterschenkelvorderseite lokalisiert.
- Die früher als Dermatitis atrophicans lipoidica diabetica geführte Erkrankung tritt nicht ausschließlich bei Patient*innen mit Diabetes auf.
Häufigkeit
- Prävalenz
- Alter und Geschlecht
Ätiologie und Pathogenese
- Bei einer Nekrobiose lösen degenerative Veränderungen des Kollagens granulomatöse Entzündungsreaktionen aus, die verdickte Gefäßwände und Fettablagerungen zur Folge haben.
- Vermutlich handelt es sich um autoimmunologische Prozesse.1-4
- Ätiologische Faktoren1-4
- diabetische Mikroangiopathie
- Gefäßschäden durch Immunglobuline, Komplement oder Fibrinogen
- Kollagenschädigung
- gestörte Wanderung neutrophiler Granulozyten
- im Rahmen rheumatologischer Erkrankungen
- Auftreten und Progression der Erkrankung scheinen nicht damit zusammenzuhängen, wie sorgfältig die Blutzuckerwerte kontrolliert werden.2
- Histologisch können in Kutis und Subkutis entzündliche Zellinfiltrate aus Lymphozyten, Plasmazellen, eosinophilen Granulozyten sowie mononukleären und polynukleären Histiozyten nachgewiesen werden.2
Prädisponierende Faktoren
- Diabetes mellitus
- Hypertonie
- Adipositas
- Dyslipidämie
- Schilddrüsenerkrankung
- Rheumatologische Erkrankungen
ICPC-2
- S97 Chronische Ulzeration Haut
- S99 Hautkrankheit, andere
ICD-10
- L92.- Granulomatöse Krankheiten der Haut und der Unterhaut
- L92.1 Nekrobiosis lipoidica, anderenorts nicht klassifiziert
Diagnostik
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Diagnostische Kriterien
- Kombination von Diabetes und typischen Hautläsionen an der Schienbeinvorderkante erhärtet den Verdacht auf die Erkrankung.
- Die Erkrankung ist ebenfalls mit weiteren Komponenten des metabolischen Syndroms (Adipositas, Dyslipidämie, Hypertonie) sowie Schilddrüsenerkrankungen assoziiert. 5
- Die Diagnosesicherung erfolgt mittels Biopsie.
Differenzialdiagnosen
- Akute Komplikationen einer Sarkoidose
- Granuloma anulare
- Ringförmige, gerötete Papeln, die häufig auf dem Hand- oder Fußrücken oder am Hals auftreten. Bei dieser Erkrankung fehlt die typische gelbliche Färbung.
- Hämatologische Neoplasien
- Paraproteinämie
- Rheumatoide Arthritis
- Ulzerierte Nekrobiose
- Xanthogranulom
- Xanthome
Anamnese
- Die Diagnosestellung ist im Frühstadium oft erschwert.
- Schmerzen sind selten.
- Erkrankung verläuft in einigen Fällen atypisch.
- Frühe klinische Zeichen umfassen glänzende Flecken auf der Haut, die im Laufe von Monaten und Jahren langsam an Größe zunehmen, ansonsten aber keine weiteren Symptome verursachen.
- Die anfangs braunroten Flecken entwickeln sich im weiteren Verlauf zu eingesunkenen Ablagerungen mit gelblicher Färbung und atrophischer Struktur.
- Nach Verletzungen können sich Ulzerationen bilden, die Schmerzen verursachen.
- Für die Patient*innen bedeutet die Erkrankung insbesondere ein ästhetisches Problem.
Klinische Untersuchung
- Hautläsionen sind anfangs als ca. 1–3 mm große und scharf abgegrenzte Papeln oder Knoten mit aktivem Randbereich sichtbar, die sich nach außen hin ausbreiten.
- Im Inneren der Läsion bilden sich runde oder ovale Areale von wachsartiger, atrophischer Beschaffenheit heraus.
- Im Verlauf nehmen die anfangs rotbraunen Läsionen eine immer stärker ausgeprägte gelbliche Färbung an und können mehrere cm groß werden.
- Typischerweise manifestiert sich eine Nekrobiose am Unterschenkel, häufig beidseitig.
- selten Symptome im Gesicht, im oberen Schädelbereich, am Rumpf oder an den Armen
- Bildung multipler Teleangiektasien auf der zunehmend atrophischen Haut möglich
- Verletzungen können zu Ulzerationen und Infektionen führen.
- Eine relativ häufige Begleiterscheinung ist das Köbner-Phänomen (isomorpher Reizeffekt): Auftreten von krankheitsspezifischen Hautveränderungen nach unspezifischer Reizung (mechanisch, thermisch, chemisch) an einer vorher nicht beeinträchtigten Stelle der Haut.
- Bei rund 75 % der Patient*innen verursachen die Läsionen aufgrund geschädigter Nerven keine Schmerzen.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Es gibt keine Laboruntersuchungen zur Erhärtung der Diagnose.
- Evtl. ist eine Kontrolle des Nüchtern-Blutzuckers (wenn dieser auffällig ist, zusätzlich Bestimmung des HbA1C) sinnvoll, falls kein Diabetes mellitus vorbekannt ist.
Diagnostik bei Dermatolog*in
- Biopsie der Haut
- Histologisch zeigen sich typische Veränderungen in Form von Granulomen in Dermis und Subkutis sowie verdickten Gefäßwänden.
Indikationen zur Überweisung
- Unsicherheit bezüglich Diagnose und Therapie
Therapie
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Therapieziel
- Das weitere Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Allgemeines zur Therapie
- Es existiert keine kausale Therapie.1,7
- Eine Behandlung sollte lediglich bei Ulzerationen oder Schmerzen begonnen werden.
- Bis zu 17 % der nichtulzerierten und schmerzlosen Verläufe sind spontan rückläufig.2
- Grundsätzlich und insbesondere bei Patient*innen mit Diabetes mellitus sind eine gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung, Nikotinverzicht und Behandlung einer Dyslipidämie sinnvolle Therapiebausteine.
- Eine leichte Kompressionstherapie kann die Heilung beschleunigen.
- Bei Ulzerationen2
- topische Kortikosteroid-Therapie
- intraläsionale Kortikosteroid-Injektion in die Randzonen aktiver Läsionen
- Bei inaktiven, atrophischen Läsionen Kortikosteroide vermeiden.
- lokale Wundversorgung und angemessene Schmerztherapie
Empfehlungen für Patient*innen
- Regelmäßige körperliche Betätigung (mindestens 3–4 x pro Woche für 30 min)
- Gute und regelmäßige Körperhygiene
- Hautpflege bei trockener Haut präventiv mit Fettcremes oder Salben
- Möglichst BMI im individuellen Normbereich anstreben.
- Gute Überwachung der Blutzucker-, Blutdruck- und Cholesterinwerte.
- Nikotinverzicht
- Ggf. Kompressionstherapie mit elastischen Stützstrümpfen der Klassen I–II.
Medikamentöse Therapie
- Topische Steroide1
- Können die entzündlichen Prozesse in noch jungen Läsionen mit hoher Aktivität bremsen.
- Bei bereits atrophischen Läsionen im Spätstadium erzielt die Maßnahme jedoch nur eine geringe oder sogar gegenteilige Wirkung.
- z. B. topisch mit Mometasonfuroat 1 mg/g Fettsalbe unter Okklusion (1 x täglich wechseln über 14 Tage)
- alternativ z. B. Tacrolimus-Salbe 0,1 %
- Intraläsionale Steroide, z. B. Triamcinolonacetonid kombiniert mit Lokalanästhetikum über 2–3 Monate (keine standardmäßige hausärztliche Therapie!)1
- Interne Therapie bei Ulzerationen oder stark entzündlicher Komponente1
- systemischer Therapieversuch mit Glukokortikoiden in mittlerer Dosierung wie Prednisolon 60–80 mg/d über eine Woche, dann 30 mg/d über 1 Monat
- Cave: Überwachung des Blutzuckerspiegels!
- nach Abheilung der Ulzera Übergang auf eine nichtsteroidale Alternativtherapie (z. B. Fumarsäureester oder TNF-alpha-Blocker)
- alternativ: Ciclosporin A systemisch (off label): initial 2,5–7,5 mg/kg KG/d p. o., nach 1 Monat schrittweise Reduktion auf eine Erhaltungsdosis von 1–2,5 mg/kg KG/d
- Durch Bestimmungen des Blutplasmaspiegels lässt sich ein optimaler Wirkspiegel von 100–200 ng/ml einstellen (Blutentnahme morgens, vor Einnahme des Präparates!).
- systemischer Therapieversuch mit Glukokortikoiden in mittlerer Dosierung wie Prednisolon 60–80 mg/d über eine Woche, dann 30 mg/d über 1 Monat
- Tacrolimus, Ciclosporin, Etanercept, Infliximab
- Erzielen eine gewisse Wirkung. Für alle Therapiemaßnahmen gilt, dass sie bisher nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sind.1-4
- Es gibt keine bekannten vorbeugenden medikamentösen Maßnahmen.
Operation
- Mit Exzision und Hauttransplantation wurden bereits gute Ergebnisse erzielt, aber die zugrunde liegende Gefäßschädigung kann auch nach einem solchen Eingriff zu Rezidiven führen.
- Relativ häufig kommt es zu einer schlechten Abheilung von Transplantaten.
- Auch mit Lasertherapie wurden bereits gute Ergebnisse erzielt.1,4
Verlauf, Komplikationen und Prognose
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Verlauf
- Die Erkrankung verläuft chronisch, Progression und Narbenbildung variieren.
Komplikationen
- Hauptkomplikation sind Ulzerationen, die infolge von Verletzungen auftreten können.
- Infektionen sind möglich, jedoch selten.
Prognose
- Die Therapie einer Nekrobiose erfolgt meist nicht vollständig zufriedenstellend.
- Die weitere Ausbreitung der Läsionen kann verlangsamt werden, ändert aber grundsätzlich nichts am chronischen Verlauf der Erkrankung.
- Berichten zufolge können in den Läsionen einer Nekrobiose Plattenepithelkarzinome entstehen.3-4
- In kosmetischer Hinsicht ist die Prognose ungünstig.
- häufig Narbenbildung
Patienteninformationen
Patienteninformation in Deximed
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Altmeyer P, Bacharach-Buhles M. Necrobiosis lipoidica. Online-Enzyklopädie Dermatologie, Mai 2021. (letzter Zugriff am 18.01.2022) www.altmeyers.org
- Lepe K, Riley CA, Salazar FJ. Necrobiosis Lipoidica. 2021 Aug 26. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 29083569. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Tong LX, Penn L, Meehan SA, Kim RH. Necrobiosis lipoidica. Dermatol Online J. 2018 Dec 15;24(12):13030/qt0qg3b3zw. PMID: 30677798. escholarship.org. escholarship.org
- Peckruhn M, Tittelbach J, Elsner P. Update: Treatment of necrobiosis lipoidica. J Dtsch Dermatol Ges. 2017 Feb;15(2):151-157. doi: 10.1111/ddg.13186. PMID: 28214312. onlinelibrary.wiley.com. onlinelibrary.wiley.com
- Hashemi DA, Brown-Joel ZO, Tkachenko E, et al. Clinical Features and Comorbidities of Patients With Necrobiosis Lipoidica With or Without Diabetes. JAMA Dermatol 2019; 155: 455-9.
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- Wanat K, Rosenbach M. Necrobiosis lipoidica. UpToDate, last updated Oct 2020. (letzter Zugriff am 18.01.2022) www.uptodate.com
- Lima AL, Illing T, Schliemann S, Elsner P. Cutaneous Manifestations of Diabetes Mellitus: A Review. Am J Clin Dermatol. 2017; 18: 541-53.
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- Reid SD, Ladizinski B, Lee K, et al. Update on necrobiosis lipoidica: a review of etiology, diagnosis, and treatment options. J Am Acad Dermatol 2013; 69:783. PubMed
Autor*innen
- Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).