Definition:Angeborene Ionenkanalerkrankung, die charakterisiert ist durch eine typische ST-Hebung in den rechtspräkordialen Ableitungen mit erhöhtem Risiko für plötzlichen Herztod.
Häufigkeit:Gehört zu den häufigeren Formen erblicher arrhythmogener Erkrankungen, Prävalenz in Europa ca. 10-–50/100.000.
Befunde:Bei strukturell normalem Herz keine spezifischen klinischen Untersuchungsbefunde.
Diagnostik:Die EKG-Anomalien können intermittierend auftreten. Diagnostisch ist das Typ-1-EKG mit ST-Hebung ≥ 2 mm in mindestens einer Ableitung (Ableitung V1 oder V2). Bei klinischem Verdacht und negativem Ruhe-EKG kann ein medikamentöser Provokationstest mit Ajmalin oder Flecainid zur Demaskierung eines Typ-1-EKG durchgeführt werden.
Therapie:AllgemeinmassnahmenAllgemeinmaßnahmen wie Vermeidung arrhythmieauslArrhythmie auslösender Medikamente und rasche antipyretische Therapie bei Fieber. ICD-Implantation bei symptomatischen Patienten zur Prävention des plötzlichen Herztods.
Allgemeine Informationen
Definition
Beim Brugada-Syndrom (BS) handelt es sich um eine angeborene Ionenkanalerkrankung, die charakterisiert ist durch1
typische ST-Hebung in den rechtspräkordialen Ableitungen
erhöhtes Risiko für plötzlichen Herztod
Fehlen einer relevanten strukturellen Herzerkrankung
Erstmals 1992 durch Brugada und Brugada beschrieben.2
Häufigkeit
Das BS gehört zu den häufigeren Formen erblicher arrhythmogener Erkrankungen3
Ursprungsort maligner Arrhythmien vor allem rechtsventrikulärer Ausflusstrakt/rechter Ventrikel3
Auftreten von Kammerflimmern überwiegend nachts oder in Ruhephasen mit erhöhtem Vagotonus3
Brugada-Syndrom verantwortlich für ca. 4-12% aller Fälle von plötzlichem Herztod und ca. 20% der Fälle bei Patienten ohne strukturelle Herzerkrankung9
Supraventrikuläre Arrhythmien (insbesondere Vorhofflimmern) bei ca. 15 bis 30 % der Patienten3
Prädisponierende Faktoren
Bei einem Teil der Patienten nur intermittierendes Auftreten eines Brugada-EKGs, bestimmte Umstände führen zur Demaskierung mit erhöhtem Risiko für maligne Rhythmusstörungen:6
Fieber
exzessiver Alkoholgenuss
große Mahlzeiten.
Eine Reihe von Medikamenten sind mit Arrhythmien bei Patienten mit BS assoziert, z. B. bestimmte Antidepressiva, Antiarrhythmika, Anästhetika, u.a (Medikamentenlisten siehe www.brugadadrugs.org)
Bei Patienten mit Schizophrenie als Grunderkrankung erhöhte Prävalenz eines BS10
Die diagnostischen Kriterien wurden zuletzt im Vergleich zu früheren Definitionen vereinfacht.11
Früher wurden 3 EKG-Muster unterschieden, nun gilt nur noch Typ I ("coved type") als diagnostisch
Brugada-Syndrom wird diagnostiziert, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:1
ST-Hebung Typ 1 (dachförmig deszendierende Hebung) ≥2 mm in mindestens einer Ableitung (Ableitung V1 oder V2)
Positionierung der Ableitungen dabei in Standardposition oder höher bis zum 2. Interkostalraum, letzteres erhöht bei einigen Patienten die Sensitivität
Auftreten spontan oder nach Provokation durch ein Klasse-I-Antiarrhythmikum
Mehrheit der Patienten (ca. 2/3) zum Zeitpunkt der Diagnose asymptomatisch9
Erstmanifestation grundsätzlich in allen Altersstufen möglich, meistens im mittleren Alter mit einer Häufung um 40–45 Jahre13
Tödliche Arrhythmien vor allem in Ruhe oder in der Nacht14
nur selten Symptome während körperlicher Belastung9
Klinische Untersuchung
Bei strukturell unauffälligem Herzen keine spezifischen Befunde in der körperlichen Untersuchung ausserhalb arrhythmischer Episoden
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Ruhe-EKG
Das EKG kann nur transient pathologisch verändert sein!13
Beispiel-EKG eines Brugada-Syndroms siehe EKG_Brugada.
Ein unauffälliges Ruhe-EKG schliesst ein Brugada-Syndrom daher nicht aus.
Platzierung der Ableitungen V1 und V2 weiter kranial (in 3. oder 2. Interkostalraum) erhöht die Sensitivität bei einigen Patienten.14
Evtl. Erfassung supraventrikulärer Arrhythmien (insbesondere Vorhofflimmern), Auftreten bei 15–30 % der Patienten mit BS3
Diagnostik beim Spezialisten
Pharmakologischer Test
Bei klinischem V. a. auf BS (z. B. Synkope, überlebter Herztod, Familienanamnese mit BS) ohne typischen EKG-Befund sollte ein pharmakologischer Provokationstest durchgeführt werden6
Verwendet werden Natriumkanalblocker (Ajmalin, Flecainid)
Durchführung unter kontinuierlichem Monitoring
Test gilt als positiv, wenn unter Infusion ein Brugada-EKG-Muster Typ 1 auftritt
Elektrophysiologische Untersuchung
Durch eine elektrophysiologische Untersuchung kann die Induzierbarkeit ventrikulärer Tachykardien erfasst werden15
Allerdings unterschiedliche Studienergebnisse über den prädiktiven Wert der programmierten Ventrikelstimulation16
Patienten ohne induzierbare Arrhythmien wahrscheinlich mit günstiger Prognose (guter negativ prädiktiver Wert)17
Derzeit keine klare Empfehlung für oder gegen elektrophysiologische Untersuchung6
Genetische Testung
Keine Beeinflussung von Prognose oder Therapie durch die Ergebnisse eines genetischen Screenings6
Routinemässiges Screening daher derzeit nicht empfohlen6
Risikostratifizierung
Schwierige und kontrovers diskutierte Risikostratifizierung bei Patienten mit BS14
Synkopen sind ein klinischer Risikofaktor mit hoher Ereignisrate in den folgenden Monaten und Jahren14
Spontanes Typ-1 EKG unabhängiger Prädiktor für das Auftreten von Kammerflimmern16
Kontroverse Studienlage zum Wert der elektrophysiologischen Untersuchung für die Risikostratifizierung
Derzeit kein eindeutiger prognostischer Wert genetischer Untersuchungen
Indikationen zur Überweisung
Bei Verdachtsdiagnose Überweisung zum Kardiologen
Therapie
Therapieziel
Vermeidung des plPlötzlichen Herztods Herztod vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
AllgemeinmassnahmenAllgemeinmaßnahmen können das Risiko für das Auftreten von malignen Rhythmusstörungen vermindern:
Lebensstilanpassungen
Vermeidung von Medikamenten, die Rhythmusstörungen bei BS begünstigen
Konsequente fiebersenkende Therapie
Es gibt derzeit keine medikamentöse Therapie mit einer nachgewiesenen Prognoseverbesserung
Invasive Massnahmen
Überwiegend ICD-Implantation zur sicheren Reduktion des Risikos für einen plötzlichen Herztod
Im Einzelfall Katheterablation als Option
AllgemeinmassnahmenAllgemeinmaßnahmen
Lebensstilanpassungen
Exzessiver Alkoholkonsum sollte vermieden werden
Auf die Einnahme großer Mahlzeiten sollte verzichtet werden.
Vermeidung gefährlicher Medikamente
Eine Reihe von Medikamenten und Drogen können bei BS proarrhythmisch wirken
Rasche medikamentöse Fiebersenkung beim BS erforderlich, da Provokation von ventrikulären Arrhythmien möglich17
Fiebersenkung mit antipyretischer Medikation (z.B. Paracetamol) und/oder physikalischen Massnahmen3,14
Medikamentöse Therapie
Bei "elektrischem Sturm" (definiert als 3 oder mehr Episoden von ventrikulären Tachykardien/Kammerflimmern in 24h) Einsatz von Isoproterenol oder Chinidin6
Möglicherweise günstige Wirkung von Chinidin auch zur Prävention18
Allerdings keine sichere Evidenz für Senkung des plötzlichen Herztods, daher derzeit nur zu erwägen bei6
Kontraindikation gegen ICD-Implantation
Ablehnung eines empfohlenen ICD
ICD-Implantation
Die einzige Therapieoption mit einer sicheren Reduktion des Risikos für plötzlichen Herztod ist derzeit die ICD-Implantation.6
Ein ICD ist indiziert bei symptomatischen Patienten, d.h.6
Überlebende eines Herzstillstandes
Patienten mit anhaltenden, dokumentierten ventrikulären Tachykardien
St.n. Synkope und mit spontanem Typ-1-EKG
Auch wenn die Bedeutung der elektrophysiologischen Untersuchung kontrovers diskutiert wird, kann sie bei asymptomatischen Patienten mit Typ-1-EKG zur Indikationsstellung herangezogen werden: bei induzierbarem Kammerflimmern kann eine ICD-Implantation erwogen werden6
Katheterablation
Möglicherweise kann in Zukunft die Behandlung des arrhythmogenen Substrats durch Katheterablation eine grössere Rolle im Vergleich zur ICD-Implantation spielen.18
Gemässß der derzeitigen Leitlinien kann eine Ablation bei St.n. elektrischem Sturm oder wiederholten ICD-Schocks erwogen werden.6
Das Auftreten von Kammerflimmern ist mit einem mittleren Alter von 41±15 Jahren, grundsätzlich aber in jedem Alter möglich.6
Symptomatische Patienten weisen ein hohes Rezidivrisiko für Arrhythmien auf.
Nach überlebtem Herztod ist das Rezidivrisiko für ventrikuläre Tachykardie/Kammerflimmern ca. 50 % in den nächsten fünf5 Jahren.3
Asymptomatische Patienten ohne spontanes Typ-1-EKG habehaben ein geringes Arrhythmierisiko.3,20
Verlaufskontrolle
Bei ICD-Trägern wird nach der initialen Einstellung im weiteren Verlauf üblicherweise alle 6 Monate die Funktion kontrolliert.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patienten informieren?
Patienten sollten über auslösende Faktoren und deren Vermeidung informiert werden (exzessiver Alkoholgenuss, grosse Mahlzeiten, bestimmte Medikamente und Drogen, Fieber)
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Autoren
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Per Blomström, docent och överläkare, Kardiologkliniken, Akademiska sjukhuset, Uppsala (Medibas)
Gottfried Greve, professor Institutt for klinisk medisin, Universitetet i Bergen. Overlege, Hjerteavdelingen, Haukeland Universitetssykehus
Definition:Angeborene Ionenkanalerkrankung, die charakterisiert ist durch einetypische ST-Hebung in den rechtspräkordialen Ableitungen mit erhöhtem Risiko für plötzlichen Herztod.