Compare with  
Legend:
inserted text deleted text

Amputationen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Verlust von Gliedmaßen (z. B. Arm, Bein, Finger usw.) – entweder angeboren oder erworben durch Trauma, Durchblutungsstörungen, Malignome, Infektionen oder Diabetes mellitus.
  • Amputationen werden durchgeführt, um ischämisches, infektiöses oder nekrotisches Gewebe bzw. lokal nicht resezierbare Tumoren zu entfernen. In vielen Fällen ist eine Amputation als lebensrettende Maßnahme unumgänglich.
  • Von einer Minor-Amputation spricht man, wenn Teile einer Extremität unterhalb des Knöchels entfernt werden, eine Major-Amputation umfasst alle Amputationen oberhalb des Knöchels. Die gleiche Klassifikation gilt für die obere Extremität (Handgelenk).
  • Dieser Artikel bezieht sich auf große Amputationen.
  • Amputationen auf Gelenkhöhe werden auch als Exartikulation bezeichnet.

Häufigkeit

  • Große Amputationen der oberen Extremitäten
    • In Deutschland wurden 2012 insgesamt 6.000 Amputationen oder Exartikulationen an der oberen Extremität durchgeführt, davon allerdings nur ca. 250 oberhalb des Handgelenkes.1
  • Amputationen der unteren Extremität
    • Von 2011–2015 betrug die  mediane jährliche Amputationsrate in Deutschland 67 Fälle pro 100.000 Einw.2
    • Etwa 50.000 Füße werden jährlich in Deutschland als Folge einer Diabetes-Erkrankung amputiert, wovon etwa die Hälfte oberhalb des Sprunggelenks (Major-Amputation) erfolgt.3
    • Der Anteil der Fälle mit einer Major-Amputation wegen Diabetes mellitus bezogen auf die Gesamtzahl der durchgeführten Major-Amputationen sank von 70,2 % im Jahr 2005 auf 63,7 % im Jahr 2014.4

Anatomie/Klassifizierung

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5

Untere Extremitäten

  • Hemipelvektomie
  • Hüftexartikulation
  • Transfemorale Amputation
  • Knieexartikulation
  • Transtibiale Amputation (Unterschenkelamputation)
  • Amputation nach Syme (Exartikulation im Sprunggelenk)
  • Fußamputationen: transmetatarsal, metatarsal, tarsal (über das Tarsometatarsalgelenk oder das Chopart-Gelenk)

Obere Extremitäten

  • Die Amputation der Scapula ohne die Möglichkeit, die Extremität zu erhalten (Vier-Quadranten-Amputation).
  • Exartikulation im Schultergelenk
  • Oberarmamputation
  • Ellenbogenexartikulation
  • Unterarmamputation
  • Amputation der ganzen oder von Teilen der Hand

ICD-10

  • S48 Traumatische Amputation an Schulter und Oberarm
  • S58 Traumatische Amputation am Unterarm
  • S68 Traumatische Amputation an Handgelenk und Hand
  • S78 Traumatische Amputation an Hüfte und Oberschenkel
  • S88 Traumatische Amputation am Unterschenkel
  • S98 Traumatische Amputation am oberen Sprunggelenk und Fuß
  • I70.2 Atherosklerose der Extremitätenarterien
  • Z44.0 Versorgen mit und Anpassen eines künstlichen Armes (komplett) (partiell)
  • Z44.1 Versorgen mit und Anpassen eines künstlichen Beins (komplett) (partiell)
  • G56.4 Kausalgie
  • T13.6 Traumatische Amputation der unteren Extremität, Höhe nicht näher bezeichnet
  • T87 Komplikationen, die für Replantation und Amputation bezeichnend sind
    • T87.3 Neurom des Amputationsstumpfes T87.4 Infektion des Amputationsstumpfes T87.5 Nekrose des Amputationsstumpfes T87.6 Sonstige und nicht näher bezeichnete Komplikationen am Amputationsstumpf
  • T93.6 Folgen einer Zerquetschung oder einer traumatischen Amputation der unteren Extremität

Was führt zu einer Amputation?

  • Durch ein entsprechendes Trauma (Motorradunfall, Schienen, Kriegsverletzungen etc.) kann es zu einer direkten Amputation von Gliedmaßen kommen.
  • Bei Traumatisierung größerer Weichteilareale an Extremitäten kann es zu einer progredienten Nekrosebildung kommen, sodass ein Versuch, die Extremität zu erhalten, u. U. für die Patient*innen gefährlicher sein kann als eine Amputation.5
  • Infektionen, die sich durch Antibiotika nicht mehr beherrschen lassen (MRSA, Osteomyelitis, nekrotisierende Fasziitis) können zu einer Amputation führen.
  • Bei primär malignen Knochen- und Weichteiltumoren (Sarkome) ist eine Amputation oft unumgänglich, um eine Entfernung des Tumors im Gesunden zu erreichen.6
  • Angeborene Amputationen entstehen durch teratogene Stoffe oder Abschnürung fetaler Extremitäten, die Kinder kommen ohne die betroffenen Gliedmaßen zur Welt (Dysmelie).
  • Der weitaus häufigste Grund für eine Amputation stellen diabetische Fußgeschwüre dar.
  • Indikationen für eine Major-Amputation bei Diabetes
    • eine bestehende, distale aufsteigende Infektion (aszendierende Sepsisquelle)
    • Eine verminderte Durchblutung, die zum Untergang von Muskelgewebe mit daraus folgender Bedrohung anderer Organfunktionen führt.
    • therapieresistente, von den Patient*innen nicht mehr tolerierbare Ruheschmerzen.7
  • Auch die periphere arterielle Verschlusskrankheit kann im Endstadium zu einer Amputation führen.

Notamputation/geplante Amputation

  • Eine Notamputation kann eingeklemmten Patient*innen das Leben retten, indem der eingeklemmte Körperteil zur Lebensrettung noch am Unfallort abgetrennt wird.8
  • Eine geplante Amputation sollte immer erst nach allen anderen möglichen Maßnahmen zum Extremitätenerhalt und Durchblutungsverbesserung durchgeführt werden.
  • Die Entscheidung sollte immer zusammen mit den Patient*innen und/oder ihren Angehörigen unter Berücksichtigung der individuellen und sozialen Situation erfolgen.5
  • Gerade bei Tumorpatient*innen ist auch immer die Einholung einer Zweitmeinung zu empfehlen.6
  • Um eine bestmögliche Rehabilitation zu ermöglichen, sollte die Amputationshöhe so peripher wie möglich sein, trotzdem ist die Amputationshöhe abhängig von der Grunderkrankung, der Klinik, dem intraoperativen Befund sowie ggf. von Doppler-, Duplex- sowie Angiografie-Befunden.

Phasen während des Verlaufs

  1. Vor der Amputation
    • präoperative Beurteilung und Informationen
  2. Akute Phase
    • Operation mit prä-, peri- und postoperativer Schmerzlinderung
  3. Frührehabilitation
  4. Rehabilitation mit Prothesenanpassung
  5. Weiterer Verlauf
    • Grundversorgung, Orthopädie, evtl. ambulante Kontrolle in einem spezialisierten Zentrum

Ergänzende Untersuchungen

  • Palpation des peripheren Pulses
  • Trophische Veränderungen
  • Geschwüre
  • Kontrolle der kapillaren Durchblutung

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Doppler-/Duplex-Untersuchung der peripheren Gefäße
  • Angiografie

Indikationen zur Überweisung

  • Schwer einstellbarer Diabetes: ggf. Überweisung an Diabetolog*innen
  • Diabetes mit schlechter Durchblutung in den unteren Extremitäten: Verordnung von Fußpflege bzw. angepasste orthopädische Schuhe
  • Diabetisches Fußsyndrom: schnelle Überweisung an Wund-/Diabetes-Spezialist*innen bzw. Gefäßchirurg*innen
  • Signifikante symptomatische arterielle Insuffizienz: Überweisung an Gefäßchirurgie

Therapie

Therapieziele

  • Das Therapieziel hängt vom Alter, dem Allgemeinzustand der Patient*innen und der Art der Amputation ab.
  • Wesentlich für die Auswahl der prothetischen Versorgung ist auch das prognostisch erreichbare Mobilitätsziel der Betroffenen: Die Bandbreite reicht von einem sog. Innenbereichsgeher (bessere Mobilität bei Pflege und zu Hause) bis zu einem unbeschränkten Außenbereichsgeher mit besonderen Anforderungen (mobile, jüngere Patient*innen, die im Arbeitsleben stehen oder sogar Sport treiben).5
  • Mindestziele
    • Das eigenständige An- und Ausziehen der Prothese (ggf. unter Mithilfe von zu schulenden Angehörigen)
    • ein formschlüssiger, schmerzfrei sitzender Prothesenschaft
    • Beherrschen der Umsetzvorgänge (Transfer)
    • eine sichere Mobilisation der Patient*innen mit entsprechenden Hilfsmitteln (z. B. Gehbock, Rollator, Unterarmgehstützen etc.)9
  • Individuelle Ziele
    • Fortschreiten der Gangrän verhindern und Schmerzen lindern.
    • Belastung der Extremität bei Bewegung
    • häusliche Selbstständigkeit
    • Gehen
    • Wiederaufnahme der Arbeit/Hobbys

Akute Phase

  • Präoperative Planung der richtigen Amputationshöhe
  • Ausformung des Amputationsstumpfes: Eine gute Hautbedeckung ist für eine gute Rehabilitation ausschlaggebend.
  • Optimale peri- und postoperative Schmerzlinderung: Epiduralanalgesie, Opiate

Rehabilitation

  • Die Rehabilitation beginnt bei planbaren Amputationen präoperativ.9
    • Training der Armkraft
    • Training der Kraft des verbleibenden Beines sowie Training Einbeinstand
    • Kontrakturvermeidung
    • Festlegung der Amputationshöhe
    • gute Aufklärung und psychologische Betreuung der Patient*innen

Frührehabilitation

  • Sie beginnt in der chirurgischen Abteilung und wird dann in einer Rehabilitationseinrichtung, in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung oder zu Hause mit ambulanter Therapie fortgesetzt.9
  • Wundheilung, Wundversorgung
  • Stumpfkompression: Stumpfkompressionsstrümpfe, Silikonschaft, Wickel
  • Erlernen der Pflege des Amputationsstumpfes: Kompression, Härten, Hygiene, Stumpfinspektion
  • Kontrakturenprophylaxe
  • Ödemprophylaxe
  • Rehabilitation
    • Gleichgewichtstraining, Stehtraining, Krafttraining und Koordination
    • allgemeines körperliches Training als Vorbereitung auf die Anwendung einer Prothese
  • Weitere Schmerztherapie
  • Optimale Ernährung, evtl. Eisenpräparate
  • Evtl. Training mit Interimsprothese (provisorische Prothese)

Prothesen

  • Häufigste Prothesenarten
    • suprakondyläre Unterschenkelprothese mit Aufhängung am Kondylus und Vakuumsystem
    • Femurprothese mit Vakuumsystem und Gewicht auf dem Sitzbeinhöcker (sowie vorderen Gegendruck)
  • Knie und Sprunggelenk
    • viele Varianten mit unterschiedlichen Eigenschaften
    • Individuelle Anforderungen an Aktivität/Stabilität sind für die Wahl ausschlaggebend.
  • Prothesen für die oberen Extremitäten
    • herkömmliche mechanische Prothese
    • myoelektrische Prothese
      • Steuerung mithilfe von myoelektrischen Signalen, mögliche Funktionen:
        • Öffnen und Schließen der Hand
        • Supination/Pronation des Unterarms
        • Beugen und Strecken des Ellenbogens.
    • kosmetische Prothese (passiver Schmuckarm)
      • ohne aktive Funktion der Prothese
    • ästhetische Prothese
      • Wie eine kosmetische Prothese, aber mit einer speziellen funktionsbezogenen Konstruktion, sodass die Prothese der entsprechenden Extremität entspricht (möglicherweise auch einsetzbar bei Amputationen der unteren Extremitäten).
    • Spezialprothesen
      • z. B. Greifer für schwere manuelle Arbeit, Skistockprothese, Ruderprothese usw.

Beitrag der verschiedenen Disziplinen des Rehabilitationsteams

  • Orthopädietechniker*in
    • Ein Gipsabguss für die Prothese wird in der Regel durchgeführt, wenn der Stumpf fast oder vollständig geheilt ist und über einen gewissen Zeitraum komprimiert wurde (ungefähr 6 Wochen).
    • Konstruktion und Anpassung von Prothese und Schaft in der frühen Phase
    • kosmetische Funktion der Prothese
    • weitere Anpassungen, Ersatzprothesen und Spezialprothesen, Bade-/Duschprothesen usw.
    • andere orthopädische Hilfsmittel
    • Armamputation: speziell angepasste Hilfsmittel für Arm- und Handfunktionen
  • Physiotherapeut*in
    • Prothesentraining und schrittweise Anpassung an die Prothese nach Zeitplan
    • Beurteilung und Schulung des Gangs
    • weiteres Training von Beweglichkeit, Fortbewegung, Kraft, Gleichgewicht, Kondition usw.
    • Schmerztherapie mit TENS, Wärme/Kälte, Entspannung usw.
    • Erlernen der Prothesenanwendung
    • evtl. andere Gehhilfen/Rollstuhl
    • Sporttherapie
  • Ergotherapeut*in
    • Beurteilung, Schulung und Beratung in Bezug auf Aktivitäten des täglichen Lebens: Wohnung, Arbeit, Freizeit
    • Anpassung der Wohnung
    • weitere Hilfsmittel
  • Sozialarbeiter*in
    • Hilfe bei psychosozialen Problemen
    • rechtliche Beratung
  • Ärztliches Personal
    • Wundversorgung
    • Pflege des Stumpfes/Hygiene
    • persönliche Unterstützung
  • Psychologische Betreuer*in
    • Umgang mit Verlust und Trauer

Schmerztherapie

  • Auch in der Schmerztherapie ist die Prophylaxe die wirksamste Therapie.9 
    • Wichtig ist ein lückenloses konsequentes Schmerzmanagment prä-, intra- und postoperativ, um die Entwicklung eines „Schmerzgedächtnisses" zu verhindern.
    • Auch hier kann eine Spiegeltherapie hilfreich sein.

Phantomschmerzen

  • Prävalenz
    • Bis zu 80 % der amputierten Patient*innen leiden unter Phantomschmerzen, d. h. starke Schmerzen in der abgenommenen Extremität.
    • Wird oft mit Phantomempfindungen verwechselt.
      • Gefühl, dass der verlorene Körperteil noch da ist, gekennzeichnet durch andere sensorische Merkmale als Schmerz.
      • Information und Beruhigung der Patient*innen, keine Therapie
  • Ursachen
    • Als Ursachen wird eine plötzliche Beendigung eines Afferenzmusters zum Rückenmark und zu höher gelegenen Strukturen beschrieben, das nach Amputation durch ein anderes ersetzt wird. Eine Großzahl von morphologischen, physiologischen und biochemischen Veränderungen findet daraufhin vor allem in kortikalen Arealen des Gehirns statt (neuronale Plastizität – „Schmerzgedächtnis“). Das Schmerzempfinden steigt mit dem Ausmaß an kortikaler Reorganisation.9
    • Die Patient*innen sollten möglichst rasch prothetisch versorgt und mobilisiert werden, da die Phantomschmerzausprägung mit aktivem Prothesengebrauch signifikant niedriger ist.9
  • Dauer über mehr als 6 Monate
    • in der Regel wenig Veränderung im späteren Verlauf
    • gekennzeichnet durch brennende, pochende, drückende, schneidende oder stechende Schmerzen, evtl. mit Parästhesien
    • Eine gute prä-, peri- und postoperative Schmerzlinderung (sowie in der frühen Rehabilitationsphase) kann wahrscheinlich die Entwicklung und den Grad des Phantomschmerzes beeinflussen.
  • Medikamentöse Behandlung
    • wie bei neurogenen Schmerzen
    • Am häufigsten verwendet werden Gabapentin, Amitriptylin oder Carbamazepin (jeweils einschleichender Therapiebeginn).
      • Gabapentin: 2 x 100 mg/d, steigern in 100-mg-Schritten bis zu max. 3.600 mg/d10
      • Amitriptylin: 25–75 mg/d
      • Carbamazepin: 100–200 mg retard bis zu 2 x 600–1.200 mg/d 
    • Opioidhaltige Analgetika können als eine Therapieoption für 4–12 Wochen angeboten werden.11
    • Bei Patient*innen, die gut auf die Therapie ansprechen, kann auch eine Langzeittherapie angeboten werden.11
      • z. B. Tramadol 50 mg alle 4–6 h oder Tramadol retard max. 400 mg/d10
      • z. B. Morphin retard 2–3 x 10–30 mg/d
    • Vor einer Opioidtherapie ist eine Aufklärung bezüglich der Risiken erforderlich.11
      • Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung
      • Nebenwirkungen wie Obstipation, Übelkeit, Schwindel
      • negative Auswirkungen auf Fahrsicherheit sowie Tätigkeiten am Arbeitsplatz (keine Fahrtüchtigkeit während der Dosisfindungsphase und bei Dosisänderung)
      • erhöhtes Sturzrisiko
      • sexuelle Funktionsstörungen
      • endokrine Funktionsstörungen
      • Atemstörungen
      • sichere Aufbewahrung der opioidhaltigen Medikamente
      • Verbot der Weitergabe opioidhaltiger Medikamente
    • Mögliche andere Medikamente: NSAR, Capsaicin und Calcitonin, Mexiletin, Betablocker, Clonazepam. Es gibt nur wenige aussagekräftige Studien zur Wirkung dieser Medikamente.12
      • NSAR sind wegen der möglichen Nebenwirkungen für eine Langzeittherapie eher nicht geeignet.9
  • Nichtmedikamentöse Behandlung
    • sensorische Stimulation
    • Spiegeltherapie: Der Spiegel vermittelt den Patient*innen den Eindruck, zwei intakte Extremitäten zu haben. Dies kann therapeutisch eingesetzt werden, um die zentralen Veränderungen der Körperrepräsentation zu beeinflussen und Phantomschmerzen in der nicht mehr vorhandenen Extremität zu reduzieren.13
    • Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für den Nutzen der TENS bei der Therapie von Phantomschmerzen.14
    • weitere Methoden ohne Nachweis einer Wirksamkeit: Schmerzmanagement, mentales Training, Hypnose, andere physiotherapeutische Maßnahmen
  • Bei hartnäckigen Schmerzen kann eine elektrische Rückenmarkstimulation in Erwägung gezogen werden.
  • Ein eindeutiges, den Phantomschmerz beherrschendes Therapieschema wurde bisher nicht nachgewiesen.
  • Die Betroffenen sollten möglichst rasch prothetisch versorgt und mobilisiert werden, da Patient*innen mit aktivem Prothesengebrauch eine signifikant niedrigere Phantomschmerzausprägung haben.9

Stumpfschmerzen

  • Schmerzen, die im verbliebenen Teil der Extremität lokalisiert sind.9
  • Werden oft mit Phantomschmerzen verwechselt.
  • Sie können folgende Gründe haben:
    • postoperativer Wundschmerz
    • Reiben der Prothese
    • Exostosen
    • heterotope Ossifikation
    • Narbengewebe
    • Neurom
    • Schmerz von benachbarten Gelenken
    • komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS/Reflexdystrophie)
    • Übertragungsschmerz
    • Wundschmerz
    • ischämische Schmerzen
    • Druckschmerzen
    • Allergien.
  • Therapie
    • Kausaltherapie, wenn möglich (Beseitigung operationstechnischer Mängel oder prothesentechnischer Mängel)
  • Medikamentöse Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema
    • Nicht-Opioide
    • niedrigpotente Opioide
    • hochpotente Opioide
      • Je nach individuellem Risikoprofil können auch primär Opioide sinnvoll sein.
      • Bei gleicher Wirksamkeit ist die nebenwirkungsärmere Therapie vorzuziehen.

Neurom

  • Kann Stumpf- und Phantomschmerzen verursachen.
  • Hoffmann-Tinel-Zeichen häufig positiv
  • Manchmal ertastbar
  • Injektion eines Lokalanästhetikums kann zur vorübergehenden Schmerzlinderung führen.
  • Ggf. kann eine chirurgische Revision durchgeführt werden, aber Rezidive treten häufig auf.

Weitere Schmerzen bei Amputationen

  • Häufig können auch Schmerzen aufgrund falscher/ungleichmäßiger Belastung und Überlastung auftreten.
  • Therapie wie andere Muskel-/Knochenschmerzen mit Schwerpunkt auf:
    • optimaler prothetischer Anpassung und Korrektur
    • individuellem Training (Prävention)
    • Entlastung, Anpassung von Aktivitäten.

Prävention

  • Allgemeine Vorbeugung der Arteriosklerose durch Raucherentwöhnung, Ernährungsberatung, Bewegung usw.
  • Kontrolle der Durchblutung in den Extremitäten
  • Gute Einstellung des Blutzuckerspiegels bei Menschen mit Diabetes
    • Aktuelle Studien zeigen, dass es unter SGLT2-Inhibitoren zu einem erhöhten Risiko von Amputationen kommen kann.15
  • Alle Möglichkeiten – ggf. auch fachübergreifende Behandlungsteams – zur Diagnostik und zur Therapie sollten insbesondere vor Minor- oder Major-Amputationen sorgfältig ausgeschöpft werden.7
  • Wundprophylaxe: orthopädische Schuhe, Fußpflege usw.
  • Rechtzeitige und angemessene Behandlung von Fußgeschwüren, insbes. bei Diabetes
  • Evtl. Gefäßchirurgie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen in der akuten Phase und Rehabilitationsphase

  • Wundinfektion
  • Gestörte Wundheilung
  • Thromboembolische Komplikationen und andere Komplikationen des Allgemeinzustandes
  • Schwer zu steuernde Schmerzen
  • Anämie, Nährstoffmangel
  • Entwicklung von Kontrakturen
  • Dekonditionierung und Muskelatrophie aufgrund von Inaktivität
  • Psychische Reaktion auf Verlust von Gliedmaßen und Funktionen, evtl. schwere Depression
  • Geschwüre, Hautreizung oder Schmerzen aufgrund des Reibens der Prothese
  • Veränderliche Stumpfgröße (große Ödeme im Stumpf)
  • Allergie gegen den Prothesenschaft
  • Bei Femuramputation: Adduktoreninsuffizienz aufgrund des fehlenden Ansatzes des Musculus adductor magnus
  • Ausgeprägtes Kältegefühl im Stumpf

Prognose

Welche Faktoren beeinflussen die Prognose hinsichtlich des Funktionsniveaus nach der Amputation?16-17

  • Hohes Alter
  • Vaskuläre Ursache der Amputation: Oft treten andere arteriosklerotische Komplikationen auf.
  • Andere erschwerende Erkrankungen
  • Geringes Funktionsniveau vor der Amputation
  • Komplexe Amputation
  • Stumpfschmerzen
  • Keine adäquate Rehabilitation
  • Nur 1/4 der Patient*innen überlebt nach einer Major-Amputation wegen eines diabetischen Fußsyndroms 5 Jahre, bei der Minor-Amputation unterhalb des Knöchels sind es dagegen 80 %.3

Verlaufskontrolle

  • Regelmäßige Kontrollen durch Orthopädietechniker*innen, um die Prothese und den Prothesenschaft anzupassen und bei Verschleiß auszutauschen usw.
  • Allen Personen mit Gefäßamputationen wird empfohlen – auch zum Erhalt des noch vorhandenen Beines – sich in regelmäßigen Abständen von 6–12 Monaten in ambulanten Gefäßsprechstunden zur Nachuntersuchung vorzustellen.18
  • Regelmäßige Reevaluation der Schmerzmedikation und ggf. Anpassung der Therapie

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Weitere Informationen

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Rehabilitation nach Majoramputation an der unteren Extremität (proximal des Fußes). AWMF-Leitlinie Nr. 033-044. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. AWMF-Leitlinie Nr. 065-003. S3, Stand 2015. www.awmf.org
  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL): Typ-2-Diabetes Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen. S3, Stand 2006 (in Überarbeitung) www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). S1-Leitlinie Chronischer Schmerz. AWMF-Leitlinie Nr. 053-036. S1, Stand 2013 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  • Deutsche Schmerzgesellschaft. Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS). AWMF-Leitlinie Nr. 145-003. S3, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

  1. Greitemann B. Brückner L. Schäfer M. Amputation und Prothesenversorgung. Thieme Verlag 4. Auflage 2016. S 32ff. www.ciando.com
  2. Spoden M. Amputationen der unteren Extremität in Deutschland. Regionale Analyse mit Krankenhausarbrechnungsdaten von 2011 bis 2015. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Versorgungsatlas- Bericht Nr. 19/03. Berlin 2019 www.versorgungsatlas.de
  3. Medizinreport: Diabetisches Fußsyndrom: Zu viele Amputationen. Dtsch Arztebl 2016; 113(8): A-332 / B-280 / C-280 www.aerzteblatt.de
  4. Kröger K, Berg C, Santosa F, Malyar N, Reinecke H: Lower limb amputation in Germany—an analysis of data from the German Federal Statistical Office between 2005 and 2014. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 130–6. www.aerzteblatt.de
  5. Mutschler, Kohn, Pohlemann. Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. 3., vollständig überarbeitete Auflage 2013 Thieme Verlag Stuttgart S. 144ff.
  6. Tunn P.−U. Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 2008 derma.klinikum.uni-muenster.de
  7. NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL): Typ-2-Diabetes Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen. 2006 (in Überarbeitung) www.awmf.org
  8. Hess T, Inden P, Seekamp A. Invasive Notfalltechniken – Notamputation Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(3): 186-195. www.researchgate.net
  9. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Rehabilitation nach Majoramputation an der unteren Extremität (proximal des Fußes). AWMF-Leitlinie Nr. 033-044, Stand 2019 www.awmf.org
  10. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). S1-Leitlinie Chronischer Schmerz. AWMF-Leitlinie Nr. 053-036, Stand 2013 (in Überarbeitung). www.awmf.org
  11. Deutsche Schmerzgesellschaft. Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS). AWMF-Leitlinie Nr. 145-003, Stand 2020. www.awmf.org
  12. Alviar MM, Hale T, Dungca M. Pharmacologic interventions for treating phantom limb pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 10. Art. No.: CD006380. www.cochrane.org
  13. Foell J, Bekrater-Bodmann R, Diers M, Flor H: Mirror therapy for phantom limb pain: Brain changes and the role of body representation. European journal of pain. 2013 www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Johnson MI, Mulvey MR, Bagnall AM. Transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) for phantom pain and stump pain following amputation in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Aug 18;8:CD007264. Cochrane (DOI)
  15. Tucker M. EMA: Amputation Warning With SGLT2 Inhibitors Must Be on Label. Medscape Medical News, Febr 2017 www.medscape.com
  16. Geertzem JHB. Martina JD, Rietman HS. Lower limb amputation part 2: Rehabilitation - a 10 year litterature review, Prosthetics and Orthotics International, 2001, 25, 14-20. journals.sagepub.com
  17. Hermodsson Y, Ekdal C, Persson BM. Outcome after trans-tibial amputation for vascular disease. Scand J Caring Sci. 1998;12(2):73-80. PubMed
  18. Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. AWMF-Leitlinie Nr. 065-003. Stand 2015. www.awmf.org

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
G564; I702; S48; S58; S68; S78; S88; S98; T136; T87; T873; T936; Z440; Z441
amputasjoner; amputasjon; Amputation
Traumatische Amputation; Verlust von Gliedmaßen; Minoramputation; Majoramputation; Exartikulation; Diabetes Mellitus; Arteriosklerose; Trauma; Prothese; Stumpf; Stumpfschmerzen; Phantomschmerz; Spiegeltherapie
Amputationen
Hinweis zur Fahreignung eingefügt TH 2.3.18
CCC MK 20.08.2020 neue LL. Check, Leitlinie und deutsche Epid. integriert. GO 21.1.16, MK 01.03.17 CCC MK 20.11.2018, überarbeitet, Schmerztherapie ausführlicher
document-disease document-nav document-tools document-theme
Verlust von Gliedmaßen (z. B. Arm, Bein, Finger usw.) – entweder angeboren oder erworben durch Trauma, Durchblutungsstörungen, Malignome, Infektionen oder Diabetes mellitus.
Physiotherapie/Sportmedizin
Amputationen
/link/5ce0cc826d31447a9e3f5585a39472ac.aspx
/link/5ce0cc826d31447a9e3f5585a39472ac.aspx
amputationen
SiteDisease
Amputationen
anders.skjeggestad@nhi.no
uanders@nhi.boos@gesinform.deno
de
de
de