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Testosteronbehandlung

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-4

Hintergrund

  • Eine Testosteronersatztherapie bei älteren Männern mit subnormalem Testosteronspiegel ohne gesicherte Ursache ist umstritten, in noch größerem Maße bei Frauen.
  • Für jüngere Patient*innen mit hypophysär bedingtem Hypogonadismus ist eine Testosteronsubstitution unproblematisch, doch die Wirksamkeit und Sicherheit einer Testosteronzufuhr bei älteren Männern ist nach wie vor nicht vollständig geklärt.
  • Bei Männern sollte die Diagnose eines Testosteronmangels nur bei persistierenden Symptomen, die einen Hypogonadismus nahelegen, gestellt werden (III/C).

Physiologie

  • Der Testosteronspiegel bei erwachsenen Männern sinkt um durchschnittlich 0,4–2 % pro Jahr.
    • Nur bei einem kleinen Teil aller alternder Männer liegt der Testosteronspiegel deutlich unter der untersten Grenze des Normalbereichs für gesunde, jüngere Männer.
    • Lebensstilbedingte Faktoren, z. B. abdominelle Adipositas, haben eine größere Wirkung auf den Testosteronspiegel als das Alter.
  • Late-onset-Hypogonadismus: Hypogonadismus einer Person, die eine unauffällige Pubertätsentwicklung durchlaufen und somit vollständig ausgeprägte männliche sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickelt hat.
    • niedriger Testosteronspiegel mit Symptomen eines Androgenmangels
    • Das klinische Bild variiert von Person zu Person, aber häufige Anzeichen von:
      • Hitzewallungen
      • Verlust von Körperbehaarung
      • Depressivität
      • verringerte Knochendichte
      • reduzierte Energie, Vitalität oder Allgemeinbefinden
      • reduzierte Muskelmasse und Kraft
      • kognitive Defizite
      • Müdigkeit
      • sexuelle Symptome wie verringerte Libido, erektile Dysfunktion, Probleme mit dem Erreichen des Orgasmus, geschwächte Intensität des Orgasmus, verminderte sexuelle Stimulierbarkeit des Penis.

Ursachen für Hypogonadismus

Hormonbestimmungen

  • In der Regel wird das Gesamttestosteron mit Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) bestimmt.
    • Gesamttestosteron
      • Normalbereich bei Männern: ca. 10–40 nmol/l (2.880–11.520 ng/l)
      • Variiert mit Analysemethode und Tageszeit.
      • zwei Probenentnahmen morgens zwischen 7 und 11 Uhr; bei mehr als 20 % Differenz: weitere Evaluation
      • Es gibt keine einheitlichen Richtlinien für das Niveau des Gesamttestosterons, die Hypogonadismus definieren. Niveaus unter 8,0–10,4 nmol/l (2.304–3.000 ng/l) werden vorgeschlagen.
      • Es besteht bislang auch kein Konsens über altersabgestufte Referenzbereiche.
    • Ggf. zusätzlich freies Testosteron bestimmen.
      • Ca. 98 % des zirkulierenden Testosterons sind an Sexualhormon-bindendes-Globulin (SHBG) oder – mit niedriger Affinität – an Albumin gebunden.
      • Die Menge an bioverfügbarem Testosteron ist die Summe des freien Testosterons und des albumingebundenen Testosterons.
      • Veränderungen des SHBG können die Bioverfügbarkeit von Testosteron beeinflussen.
      • Bei Gesamttestosteronspiegeln im unteren Normbereich (8–12 nmol/l [2.304–3.456 ng/l]) sollte zusätzlich der freie Testosteronspiegel gemessen werden (I/A).
      • Bei vermuteten oder bekannten anormalen SHBG-Spiegeln sollte das freie Testosteron ebenfalls berücksichtigt werden (I/A).
  • Gonadotropine (FSH und LH)
    • zur Unterscheidung primärer vs. sekundärer Hypogonadismus
    • für die Erkennung eines Hypogonadismus bei älteren Männern in der Regel nicht geeignet

Testosteronsubstitution bei Männern

Sexualfunktion

  • Verminderte Libido gehört zu den häufigsten Symptomen niedriger Testosteronspiegel. Auch eine erektile Dysfunktion kann darauf hinweisen.
  • Testosteronersatztherapie4-6
    • Kann unabhängig von der Applikationsform bei hypogonadalen Patienten die Libido und Sexualfunktion steigern.
    • Bei älteren Männern, bei denen niedrige Testosteronspiegeln mit einer verminderten Libido einhergehen, erhöhten sich in randomisiert kontrollierten Studien sexuelles Verlangen, sexuelle Aktivität und Erektionsfunktion unter der Testosteronsubstitution.
    • Bei Männern mit erektiler Dysfunktion und niedrigen Testosteronspiegeln ist eine Behandlung mit Phospodiesterasehemmern wirksam. Eine Testosteronbehandlung hat bei diesen Männern keinen zusätzlichen Effekt auf die Erektionsfunktion.

Knochenstabilität

  • Bei hypogonadalen Männern reduziert
    • Die Knochenmineraldichte bei hypogonadalen Männern verringert sich mit sinkendem Testosteronspiegel.
    • Das Niveau des bioverfügbaren Testosterons und Östrogens korreliert besser mit Veränderungen in der Knochenmineraldichte als das Gesamttestosteron.
  • Testosteronersatztherapie
    • Erhöht bei hypogonadalen Männern Knochenmineraldichte und geschätzte Knochenstärke.
    • Bei älteren hypogonadalen Männern ist das bislang für Oberschenkelhals und Wirbelsäule durch eine randomisiert kontrollierte Studie belegt.7
    • Die bisherigen Studien sind zu klein und die Beobachtungsdauer zu kurz, um daraus Aussagen über die Wirksamkeit der Testosteronersatztherapie auf das Frakturrisiko abzuleiten.
    • Möglicherweise reduziert die Testosteronersatztherapie durch Effekte auf Muskelstärke und Reaktionszeit das Sturzrisiko.

Muskulatur

  • Testosteronersatztherapie erhöht:
    • dosisabhängig
      • Muskelmasse
      • maximale Muskelstärke
      • Beinkraft
    • moderat
      • Kraft beim Treppensteigen
      • in 6 Minuten maximal erreichte Gehstrecke
      • Mobilität (Selbsteinschätzung)
      • aerobe Ausdauer.
  • Die anabolen Effekte der Testosteronbehandlung auf Muskelkraft und -masse können durch Krafttraining verstärkt werden.

 

Psyche

  • Bei hypogonadalen Männern, die nicht die Diagnosekriterien einer depressiven Episode erfüllen, hat Testosteron einen moderaten Effekt auf depressive Symptome.
  • Auf eine depressive Episode scheint die Testosterongabe keinen Einfluss zu haben.
  • Vorläufige Hinweise auf einen möglichen Effekt der Testosteronbehandlung auf eine anhaltende depressive Störung (Dysthymie), die bis ins fortgeschrittene Alter persistiert.8

Kognition

  • Begrenzte und widersprüchliche Daten aus randomisiert kontrollierten Studien
  • Bei älteren hypogonadalen Männern ohne kognitive Einschränkungen: kein Effekt der Testosteronbehandlung auf die Kognition
  • Hinweise aus Studien niedriger Qualität: möglicherweise moderate Effekte bei Männern mit Alzheimer-Demenz

Glukose- und Fettstoffwechsel

  • Testosteronbehandlung (messbare Effekte zusätzlich zu Lebensstilveränderungen)
    • Reduziert das viszerale und gesamte Körperfett.
    • Reduziert bei Männern mit Typ-2-Diabetes oder metabolischem Syndrom
      • die Insulinresistenz, allerdings ohne konsistent belegten Effekt auf die glykämische Kontrolle.
      • den Anteil der Männer mit Typ-2-Diabetes.

Blutbildung

COPD

  • Siehe Artikel Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD).
  • Männer mit mittelgradiger bis schwerer COPD haben im Durchschnitt einen niedrigeren Testosteronspiegel als gleichaltrige Gesunde.9
  • Die Testosteronspiegel korrelieren bei COPD-Patienten mit Lungenfunktion und Magermasse des Körpers (Lean Body Mass).10
  • Möglicherweise kann eine Testosteronersatztherapie bei Männern mit COPD Muskelmasse und Kraft steigern und erektile Dysfunktion reduzieren.9
  • Größere Studien sind notwendig, insbesondere was mögliche Effekte auf die Lungenfunktion angeht.
  • Eine evtl. Behandlung soll in Absprache mit Spezialist*innen für Lungenerkrankungen und Spezialist*innen für Endokrinologie durchgeführt werden.

Opioide

  • Unter der langfristigen Exposition gegenüber Opioiden kommt es häufig zu einem Absinken der Testosteronspiegel und Symptomen eines Hypogonadismus.
    • Hinweise, dass dieser Effekt unter einer Methadon-Substitutionsbehandlung stärker ist als unter anderen Opioiden, etwa Buprenorphin, haben sich in einer großen Metaanalyse nicht bestätigt.11
    • Das bedarf der Überprüfung in Studien mit höherer methodischer Qualität.

Applikationsformen 

  • Es sind verschiedene Präparate erhältlich, die sich in der Verabreichungsart und Pharmakokinetik unterscheiden.
    • Die Wahl sollte eine gemeinsame Entscheidung von Betroffenen und Ärzt*innen sein.
    • In der initialen Behandlungsphase können die kurzwirkenden Präparate vorgezogen werden, weil die Behandlung damit leichter steuerbar ist und ggf. schneller abgesetzt werden kann als bei den lang wirkenden Depot-Präparaten.
  • Die Wirksubstanz ist als orales Präparat, intramuskuläre Injektion und transdermale Gele oder Pflaster erhältlich.

Präparate 

  • Testosteronundecanoat
    • als orale Darreichungsform die am häufigsten angewandte und sicherste Substanz
    • Verursacht nur selten einen Anstieg der Testosteronspiegel über den mittleren Normbereich hinaus und ist daher auch selten mit Nebenwirkungen assoziiert.
    • Die Resorption hängt von der gleichzeitigen Aufnahme fetthaltiger Nahrung ab.
    • auch erhältlich als langwirkende intramuskuläre Injektion
      • Dosierungsintervalle bis zu 3 Monate
      • Stellt normale Testosteron-Serumkonzentration über das gesamte Intervall sicher.
      • Die lange Auswaschphase ist bei Komplikationen von Nachteil.
  • Testosteroncypionat und -enanthat
    • als kurzwirkende intramuskuläre Darreichungsform mit Intervallen von 2–3 Wochen
    • relativ starke Fluktuationen des Serum-Testosterons, evtl. mit vorübergehend subnormalen Werten und wiederkehrenden Beschwerden
  • Transdermales Testosteron
    • Hautpflaster oder Gel
    • Sorgt für einen gleichmäßigen normalen Serum-Testosteronspiegel für 24 Stunden (1 x tgl. Applikation).
    • häufige Nebenwirkungen
      • Hautirritationen an der Applikationsstelle (Pflaster)
      • Risiko einer Übertragung auf andere Personen, falls keine geeigneten Vorkehrungen getroffen werden (Gel).
  • Sublinguale und bukkale Testosterontabletten
    • tägliche Applikation
    • rasches Erreichen physiologischer und gleichmäßiger Testosteronspiegel
  • Subdermale Depots
    • Implantation alle 5–7 Monate
    • Bieten eine lange Wirkdauer ohne signifikante Serum-Fluktuationen des Testosteronspiegels.
    • Risiken: Infektionen und Extrusionen in bis zu 10 % der Fälle

Sicherheit und Nebenwirkungen

Leitlinie: Kontraindikationen und Monitoring1

Kontraindikationen einer Testosteronbehandlung beim Mann1

Sicherheitsrelevante Untersuchungen

  • Eine hämatologische und kardiovaskuläre Untersuchung sowie eine Mamma- und Prostatabeurteilung sollen vor Behandlungsbeginn durchgeführt werden.
  • Testosteron-, Hämatokrit- und Hämoglobinüberwachung sowie PSA-Bestimmung sollen unter Testosteronersatztherapie fortgeführt werden.
  • Bei symptomatisch hypogonadalen Patienten mit Zustand nach Operation eines lokal begrenzten Prostatakarzinoms und ohne Hinweise auf Krankheitsaktivität (z. B. messbarer PSA, auffällige digital rektale Untersuchung, Hinweise auf Fernmetastasen) ist die Indikation für eine Testosteronbehandlung sorgfältig abzuwägen.
    • Beschränkung auf Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko (z. B. Gleason-Score < 8, Stadium pT1–2, präoperativer PSA < 10 ng/ml)
    • Frühestens nach 1 Jahr Tumornachsorge beginnen.
  • Bei der Testosteronbehandlung von älteren Männern wurden in Studien von bis zu 3 Jahren keine schweren Nebenwirkungen gefunden, doch Langzeitstudien fehlen.

Vorsichtsmaßnahmen

  • Eine Substitutionsbehandlung mit Testosteron ist nur indiziert, wenn ein Testosteronmangel sowohl durch klinische Symptome als auch durch Laboruntersuchungen bestätigt wurde.
  • Bei Personen mit Hypertonie den Blutdruck unter einer Testosteronsubstitution fortlaufend kontrollieren.
  • Die Behandlung kann bei Patienten mit eingeschränkter Herz-, Leber- oder Nierenfunktion und bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung Ödeme verursachen.
  • Gewisse klinische Anzeichen (z. B. Reizbarkeit, Nervosität, Gewichtszunahme, verlängerte oder häufige Erektionen) können Hinweis auf eine übermäßige Androgenisierung sein und erfordern eine Dosisanpassung oder das Absetzen der Testosteronersatztherapie.

Polyglobulie

  • Testosteron stimuliert die Blutbildung (siehe Abschnitt Blutbildung).
  • Der Effekt auf die Erythrozytenbildung ist nach 3 Monaten bereits nachweisbar und erreicht einen Höchststand nach 12 Monaten.
  • Der Effekt scheint dosisabhängig zu sein.
  • Ein erhöhter Hämatokrit ist die häufigste Nebenwirkung einer Testosteronbehandlung.

Virilisierung

  • Beispielsweise Alopezie, Hirsutismus, Akne
  • Ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen abhängig von der Dosis und Dauer der Behandlung.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

  • Die Ergebnisse aus verschiedenen Studien, die das kardiovaskuläre Risiko unter Testosteronersatztherapie evaluierten, sind inkonsistent.
  • Ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse kann bislang besonders für ältere Patienten nicht ganz ausgeschlossen werden.
  • Besondere Vorsicht ist bei Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen angezeigt.

Prostataerkrankungen

  • Es wird angenommen, dass Testosteron die Proliferation von Prostatakarzinomen und -adenomen stimuliert.
    • Die Behandlung beider Erkrankungen schließt oft eine Androgensuppression ein.
    • Ein potenziell erhöhtes Risiko für diese Erkrankungen spricht daher möglicherweise gegen eine Testosteronbehandlung.
  • Die Testosteronersatztherapie führt bei Männern mit gesunder Prostata zu einem leichten Anstieg des PSA und des Prostatavolumens und erreicht nach 12 Monaten ein Plateau.
  • Frühere Befürchtungen, dass die Testosteronersatztherapie das Risiko für ein Prostatakarzinom erhöhen könnte, haben sich nicht bestätigt.
    • Es sind jedoch nur unzureichende Langzeitdaten verfügbar, um zu schlussfolgern, dass die Testosteronbehandlung im Hinblick auf ein Prostatakarzinom als absolut sicher einzustufen ist.
  • Benigne Prostatahyperplasie
    • kein Hinweis für ein erhöhtes Risiko unter einer Testosteronbehandlung

Testosteronsubstitution bei Frauen

Physiologie

  • Testosteron wird bei Frauen in den Eierstöcken und Nebennieren produziert und zu einem großen Teil zu Östrogen metabolisiert.
  • Es besteht ein stetiger Rückgang des Testosteronspiegels vom Alter von 20 Jahren bis hin zur Menopause.
  • Eine klare Untergrenze für Testosteron ist nicht definiert.
    • Eine Studie an der Universität Greifswald ermittelte in einer Bevölkerungsstichprobe von 985 Frauen im Alter von 20–80 Jahren mithilfe eines hoch sensitiven massenspektroskopischen Verfahrens einen 95-%-Referenzbereich von 0,35–1,97 nmol/l (101–567 ng/l) Gesamttestosteron.12
    • nach Altersgruppen stratifizierte Gesamttestosteron-Referenzbereiche (Perzentile 2,5–97,5 %):
      • 20–29: 0,42–2,12 nmol/l (121–611 ng/l)
      • 30–39: 0,39–2,06 nmol/l (112–593 ng/l)
      • 40–49: 0,37–2,00 nmol/l (107–576 ng/l)
      • 50–59: 0,34–1,94 nmol/l (98–559 ng/l)
      • 60–69: 0,31–1,88 nmol/l (89–518 ng/l)
      • 70–80: 0,29–1,82 nmol/l (83–524 ng/l).12
    • Standardmethoden für die Messung von Testosteron sind in Bezug auf die unteren Grenzwerte sehr unzuverlässig.

Testosteron und Libido

  • Ein verringertes Interesse an sexueller Aktivität geht bei Frauen häufig mit einem verminderten Testosteronspiegel einher.13
  • Bei Frauen mit Werten von 0,0–0,3 nmol/l (0–86 ng/l): deutlich verringerte Libido und Orgasmusfrequenz
  • Plasma-Werte für Testosteron scheinen positiv mit sexuellen Phantasien, Erregbarkeit und Aktivität zu korrelieren.2
  • Ein Kausalzusammenhang kann daraus nicht abgeleitet werden.
  • Entsprechende Studien bei postmenopausalen Frauen kommentierte Martin Reincke, einer der renommiertesten deutschen Endokrinologen:
    • „Diese Daten mögen wissenschaftlich interessant sein, haben aber klinisch wenig Bedeutung, da die maßgeblichen Dimensionen für Sexualität von Frauen und Männer in diesem Lebensabschnitt in einer erfüllenden Partnerschaft liegen dürfte.“14

Leitlinie: Androgentherapie bei Frauen2-3

  • Testosteronspiegel sollen bei gesunden Frauen nicht bestimmt werden.
  • Testosteron oder Dehydroepiandrosteron sollen bei Frauen nicht routinemäßig gegeben werden, auch nicht bei Nebenniereninsuffizienz.
  • Einzige Ausnahme: Die Praxisleitlinien europäischer endokrinologischer Fachgesellschaften2 empfehlen einen 3–6 Monate dauernden Therapieversuch mit Testosteron bei postmenopausalen Frauen, die wegen einer fachgerecht diagnostizierten Störung mit verminderter sexueller Appetenz (Hypoactive Sexual Desire Disorder; HSDD: DSM-IV 302.71) eine Behandlung wünschen und bei denen keine Kontraindikationen gegen Testosteron bestehen.
    • Dabei sollen Testosteronwerte in dem für prämenopausale Frauen angesetzten mittleren Normbereich angestrebt werden.
      • Die endogenen Testosteronspiegel der Frau sagen eine Libidosteigerung auf Testosterongabe nicht vorher.
    • Bei Frauen, die innerhalb von 6 Monaten nicht auf Testosteron ansprechen, sollte die Behandlung beendet werden.
    • Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Behandlungszeiträumen über 24 Monaten fehlen.
      • Insbesondere die Frage, ob die Behandlung mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko einhergeht, ist ungeklärt.
      • Die Patientin sollte vor Beginn der Behandlung entsprechend aufgeklärt werden.
    • Nach Absetzen der Behandlung kehren die Symptome oft zurück.
    • Die Empfehlung erstreckt sich weder auf andere Formen der sexuellen Dysfunktion noch auf andere Indikationen.
    • Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie stimmt mit diesen Empfehlungen im Wesentlichen überein.15
    • Unter der Substitution sind regelmäßige Testosteronbestimmungen erforderlich (siehe Abschnitt Verlaufskontrolle).
  • Empfehlung nach den Leitlinien „Peri- und Postmenopause –Diagnostik und Interventionen“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)3
    • Bei Frauen mit Libidoverlust in der Peri- und Postmenopause kann nach psychosexueller Exploration ggf. eine Testosterontherapie erwogen werden, wenn eine Hormonersatztherapie nicht wirksam ist (Anm. der Red.: Hier ist eine herkömmliche Hormonersatztherapie mit Östrogenen oder einer Östrogen-Gestagen-Kombination gemeint). Auf den Off-Label-Use soll hingewiesen werden (Ib/C).
      • Testosteronhaltige Fertigarzneimittel in adäquater Dosierung für die Behandlung von Frauen stehen in Deutschland nicht zur Verfügung. Es ist daher auf Magistralrezepturen zurückzugreifen, z. B. ein Gel mit mikronisiertem Testosteron zur transdermalen Applikation, mit einem Dosierspender, der die Portionierung von 3 mg Testosteron pro Hub erlaubt.

Weitere mögliche Indikationen

  • Testosteronsubstitution bei Frauen, ggf. in Kombination mit anderen Hormonen, kann auch in folgenden Situationen angezeigt sein:
    • prämature Ovarialinsuffizienz
    • Turner-Syndrom
    • zur Behandlung hypogonadaler Nebenwirkungen unter einer Dauerbehandlung mit Kortikosteroiden.

Anabolika und Testosteron-Vorläufer

  • Anabolika sind Testosteronabkömmlinge, die von Sportler*innen zur Leistungssteigerung verwendet werden können und daher im Rahmen der Anti-Doping-Regularien verboten sind.
  • Auch als illegale Lifestyle-Drogen, z. B. zur Stimmungsaufhellung, sind Androgene im Umlauf.
  • Dehydroepiandrosteron (DHEAS) ist ein Testosteronvorläufer und kann den Testosteronspiegel anheben.
  • Eindeutige Beweise für eine leistungssteigernde Wirkung dieser Präparate liegen nicht vor.
  • Pharmakologisch wirksame Dosierungen können Nebenwirkungen wie Gynäkomastie, Akne oder reduziertes HDL-Cholesterin induzieren und gehen mit einem schwer abzuschätzenden Gesundheitsrisiko einher.

Verlaufskontrolle

  • Bei Männern und Frauen sind unter einer Testosteronbehandlung folgende Kontrolluntersuchungen erforderlich:
    • fortlaufende Kontrolle von Wirkung und Nebenwirkungen
    • Brustuntersuchung
    • Testosteron
    • Hämatokrit
    • Hämoglobin
    • Lipide.
  • Bei Männern zusätzlich:
    • PSA 3, 6 und 12 Monate nach Beginn, danach jährlich
  • Bei Frauen zusätzlich:2
    • Mammografie
    • Ultraschall des Endometriums
    • Ein supraphysiologischer Testosteronspiegel sollte vermieden werden.
      • Die Testosteronspiegel sollten vor Beginn einer Substitutionstherapie, nach 3–6 Wochen und bei fortgeführter Therapie alle 6 Monate bestimmt werden.

Leitlinie: Verlaufskontrolle1

Verlaufskontrolle unter Testosteronersatztherapie bei Männern

  • Das Ansprechen auf die Behandlung sollte 3, 6 und 12 Monate nach Behandlungsbeginn beurteilt werden, danach jährlich.
  • Bei Männern mit anomaler Knochenmineraldichte sollte diese 6 und 12 Monate nach Therapiebeginn und danach jährlich wiederholt werden.
  • Testosteron und Hämatokrit sollte nach 3, 6 und 12 Monaten überwacht werden, danach jährlich.
    • Falls der Hämatokrit sich über 54 % hinaus erhöht, soll die Testosterondosis verringert werden oder von einer intramuskulären zu einer topischen Applikationsform gewechselt oder ein Aderlass durchgeführt werden.
    • Wenn der Hämatokrit weiter erhöht ist, soll die Testosteronbehandlung beendet werden. Sie kann mit einer niedrigeren Dosis fortgeführt werden, sobald sich der Hämatokrit normalisiert hat.
  • Die Prostata-Gesundheit sollte durch digitale Rektaluntersuchung und PSA-Bestimmung vor Therapiebeginn beurteilt werden. PSA-Verlaufskontrollen sollten nach 3, 6 und 12 Monaten und danach jährlich erfolgen.
  • Männer mit kardiovaskulärer Komorbidität sollen vor Therapieeinleitung kardiologisch beurteilt und unter der Testosteronersatztherapie engmaschig kardiovaskulär überwacht werden.
    • Das trifft u. a. zu auf Patienten mit:
    • sorgfältiges Monitoring von:
      • klinischem Status
      • Hämatokrit (s. o.)
      • Testosteronspiegel (sollten im mittleren Normbereich liegen).

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • European Association of Urology. Guidelines on Male Hypogonadism, Stand 2019. uroweb.org
  • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. AWMF-Leitlinien Nr. 015-062. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  • Endocrine Society. Androgen Therapy in Women: A Reappraisal: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2014; 91: 3697-710. academic.oup.com

Literatur

  1. European Association of Urology. Guidelines on Male Hypogonadism. Stand 2019. uroweb.org
  2. Wierman ME, Arlt W, Basson R, Davis SR, Miller KK, Murad MH, Rosner W, Santoro N. Androgen therapy in women: a reappraisal: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2014 Oct;99(10):3489-510. doi: 10.1210/jc.2014-2260. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. AWMF-Leitlinien Nr. 015-062. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  4. Bhasin S. Testosterone replacement in aging men: an evidence-based patient-centric perspective. J Clin Invest 2021; 131:e146607. PMID: 33586676 PubMed
  5. Corona G, Rastrelli G, Morgentaler A, et al. Meta-analysis of Results of Testosterone Therapy on Sexual Function Based on International Index of Erectile Function Scores. Eur Urol 2017. pmid:28434676 PubMed
  6. Rosen RC, Wu F, Behre HM, et al. Quality of Life and Sexual Function Benefits of Long-Term Testosterone Treatment: Longitudinal Results From the Registry of Hypogonadism in Men (RHYME). J Sex Med 2017; 14: 1104-15. PMID: 28781213 PubMed
  7. Snyder PJ, Kopperdahl DL, Stephens-Shields AJ, et al. Effect of Testosterone Treatment on Volumetric Bone Density and Strength in Older Men With Low Testosterone: A Controlled Clinical Trial. JAMA Intern Med 2017; 177: 471-79. PMID: 28241231 PubMed
  8. Bhasin S, Seidman S. Testosterone Treatment of Depressive Disorders in Men: Too Much Smoke, Not Enough High-Quality Evidence. JAMA Psychiatry 2019; 76: 9-10. PMID: 30428087 PubMed
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  14. Reincke M. Kommentar zu M. Schatz: "Testosterongabe bei Frauen: Empfehlungen der Endocrine Society". München 2015. blog.endokrinologie.net
  15. Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE): Pressemitteilung „Männliches Hormon könnte weibliche Libido nach Eintritt des Wechsels fördern“, 2. Februar 2015. www.endokrinologie.net

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
androgener; Testosteron; testosteronbehandling, utvidet indikasjon?; Testosteronbehandling
Behandlung mit Testosteron; Testosteronersatztherapie; Testosteronsubstitution; Subnormaler Testosteronspiegel; Hypogonadismus; Testosteronmangel; Late-onset-Hypgonadismus; Sexuelle Dysfunktion; Virilisierung; Prostataerkrankungen; Androgentherapie
Testosteronbehandlung
CCC MK 03.08.2020, aktuelle LL. U-MK 19.11.2019 U-NH 11.10.17
BBB MK 15.03.2022 umfassend revidiert, Literaturverzeichnis und Text gekürzt. chck go 9.9., MK 24.04.17, LL in Text
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Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-4 Eine Testosteronersatztherapie bei älteren Männern mit subnormalem Testosteronspiegel ohne gesicherte Ursache ist umstritten, in noch größerem Maße bei Frauen.
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