Diagnostik:Klinische Verdachtsdiagnose Allergie. Identifizierung des Allergens über Allergietests.
Therapie:Kausal für einige Allergene allergenspezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) möglich. Symptomatisch Medikamente zur Unterdrückung der überschießenden Immunreaktion.
Allgemeine Informationen
Definition
Begriff „Allergie“ (griechisch allos = anders, ergon = Tätigkeit, Werk) 1906 erstmals vom Wiener Kinderarzt Clemens von Pirquet verwendet zur Beschreibung einer „andersartigen“ Reaktivität des Immunsystems.1
Heutige Definition: spezifische, immunologisch vermittelte, krank machende Überempfindlichkeit gegen eine eigentlich ungefährliche Substanz (Allergen)2-3
Allergien gehören zu den „Non-communicable Diseases (NCD)“ (nichtübertragbare Erkrankungen).3
NCD werden von der WHO als Erkrankungsgruppe angesehen, die größte medizinische Herausforderung aktuell und in nächsten Jahren darstellt.
NCD umfassen kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, Diabetes, Asthma und Allergien.
allen gemeinsam: Beeinflussbarkeit durch Umweltfaktoren und chronische Entzündung
Einteilung
Typ I: IgE-vermittelte Soforttyp-Reaktion
Typ II: Zytotoxischer Typ
Typ III: Immunkomplex Typ
Typ IV: T‑Zell-vermittelte Spättyp-Reaktion (Kontaktallergie)
Höchste sozioökonomische Relevanz haben Typ I und IV3
Häufigkeit
Deutschland
Mindestens 20–30 % der Bevölkerung sind von Allergie betroffen.1
Die allergische Reaktion besteht immer aus einer Sensibilisierungs- und einer Entzündungsphase.
Das Immunsystem identifiziert einen an sich harmlosen Umweltfaktor bei Kontakt als schädliche Substanz, entwickelt eine spezifische Reaktion und löst bei jedem weiteren Kontakt mit dem entsprechenden Umweltfaktor eine Entzündungskaskade aus.
Durch die natürliche Rekombinationsfähigkeit von B‑ und T‑Zell-Rezeptoren ist grundsätzlich auf jedes erdenkliche Umweltallergen eine spezifische Reaktion möglich.
Die Frage, was Allergen zum Allergen macht, nicht abschließend geklärt.
Es gibt 2 Hypothesen für die Zunahme von Allergien in der Bevölkerung:
fehlende oder mangelhafte Stimulation des Immunsystems in der frühen Kindheit („Hygiene"- oder „Urwald"-Hypothese)
Einfluss anthropogener Schadstoffe, insbesondere feiner partikulärer Luftschadstoffe („Schadstoff-Hypothese").
Auf Mastzellen gebundene IgE-AK werden über Antigen vernetzt.
Die Vernetzung initiiert Degranulation der Mastzellen und damit Ausschüttung zahlreicher Mediatoren, insbesondere Histamin.
Wirkung von Histamin: u. a. Erhöhung der Gefäßpermeabilität und somit verbesserte Durchlässigkeit für Lymphozyten, Dilatation der Kapillargefäße und dadurch Durchblutungsförderung, Verengung der Bronchien (soll physiologisch Abwehr inhalativer Erreger unterstützen)5
Frühphase innerhalb von Minuten kann von leichten klinischen Erscheinungen wie Juckreiz oder Hautrötung bis zu Kreislaufreaktion und Anaphylaxie reichen.
Spätphase, deren pathophysiologische Grundlagen noch nicht eindeutig geklärt sind, kann sich innerhalb von 3–8 Stunden (max. bis 24 Stunden) post expositionem entwickeln.
Beispielhafte Krankheitsbilder: Atopie (Asthma, Heuschnupfen), diverse Formen der Medikamenten- und Insektengiftallergie
Typ II: Zytotoxischer Typ
durch spezifische Antikörper vom Typ IgM und IgG vermittelt
Bindung von IgM und IgG an Antigen aktiviert das Komplementsystem mit konsekutiver Lyse der Zellen.
Auslösende Antigene nicht nur Fremdantigene, sondern auch körpereigene Antigene (Autoimmunerkrankungen)
Die Reaktion läuft in Zeitraum von 3–8 Stunden ab.
Beispielhafte Krankheitsbilder: Autoimmunerkrankungen wie autoimmunhämolytische Anämie, Goodpasture-Syndrom oder Myasthenia gravis, aber auch Rhesusunverträglichkeit bei Zweittransfusion blutgruppenfremder Konserven
Typ III: Immunkomplex-Typ
Lösliche Immunkomplexe aus Antikörpern und Antigen lagern sich bei Überschreiten der Phagozytosekapazität der Makrophagen im Gefäßendothel ab.
dort Aktivierung des Komplementsystems und Lyse umgebender Zellen
Typ IV: T‑Zell-vermittelte Spättyp-Reaktion (Kontaktallergie)
Sensibilisierung von T-Zellen über Antigene, die von antigenpräsentierenden Zellen (z. B. Langerhans-Zellen der Haut) an der Zelloberfläche präsentiert werden.
Bei erneutem Antigenkontakt Freisetzung von Zytokinen durch sensibilisierte T-Zellen, die eine Entzündungsreaktion induzieren.
Die Verdachtsdiagnose Allergie ist durch die typische Symptomatik meist einfach zu stellen. Schwieriger ist die Identifizierung des verursachenden Allergens.5
Eine genaue Anamneseerhebung und Allergietests sind hilfreich (siehe Abschnitt Ergänzende Untersuchungen).
Häufige Fehlerquelle: Unterscheidung zwischen „Sensibilisierung" und „Allergie"1
Etwa 40–50 % der Bevölkerung haben IgE-Antikörper gegen Allergene, die sich im Hauttest oder Blut nachweisen lassen, jedoch leidet nur die Hälfte tatsächlich an einer allergischen Erkrankung.
Sensibilisierung allein, also Laborbefund mit Nachweis von spezifischem IgE, darf nicht als Allergie diagnostiziert werden.
Die Sensibilisierung stellt nur in Kombination mit den entsprechenden Symptomen eine allergische Erkrankung dar.
Klinik
Allergische Reaktionen sind je nach Allergietyp und Individuum unterschiedlich.
Auswahl typischer allergischer Reaktionen nach Kuhnke et al.5
Inhalative Allergien, z. B. Pollen-, Tierhaar- oder Hausstaubmilbenallergie
z. B. bei Insektengiftanaphylaxie in > 90 % erfolgreich1
Symptomatische Therapie
Medikamente zur Unterdrückung der überschießenden Immunreaktion mit verschiedenen Angriffspunkten, z. B. Antihistaminika, Kortikosteroide, anti-IgE-Antikörper oder bei anaphylaktischem Schock Adrenalin
Quellen
Literatur
Ring J. Allergie als Volkskrankheit. Allergo Journal 2019; 28: 50-53. link.springer.com
Bergmann KC, Ring J. History of Allergy. Basel: Karger, 2014. books.google.de
Traidl-Hoffmann C. Allergie – eine Umwelterkrankung!. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2017; 60: 584-91. link.springer.com
Renz H, Gierten B. Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik. Berlin, Heidelberg: Springer, 2019. link.springer.com
Kuhnke R, Braun S. Wenn der Körper überreagiert - Pathophysiologie der Allergie. retten! 2014; 3(2): 96-103. www.thieme-connect.com
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Allergi som systemisk sjukdom
Allergische Reaktion; Typ I; Typ II; Typ III; Typ IV; Zytotoxisch; Immunkomplex; Überempfindlichkeitsreaktion; IgE-vermittelte Allergie; Allergenexposition; IgE-Antikörper; Allergische Überempfindlichkeit; Allergosches Asthma; Rhinokonjunktivitis; Heuschnupfen; Nahrungsmittelallergie; Nahrungsmittelüberempfindlichkeit; Insektengiftallergie; Arzneimittelüberempfindlichkeit; Medikamentenallergie; United Airways; Nasale Allergenprovokation
Definition:Spezifische, immunologisch vermittelte, krank machende Überempfindlichkeit gegen eigentlich ungefährliche Substanz (Allergen). Häufigkeit:Mindestens 20–30 % der deutschen Bevölkerung sind von Allergie betroffen.