Aktuelle Informationen zur Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine
Aufenthaltsstatus und Krankenversicherung in Deutschland
Informationen zur Einreise, zur Anmeldung im Ankunftszentrum und zur medizinischen Versorgung: medwatch.de
Lokale Beratungsstellen für Geflüchtete vor Ort (Flüchtlingsräte oder andere Organisationen) unter proasyl.de und Informationen zum Aufenthaltsstatus und weitere praktische Informationen unter proasyl.de
Weitere Informationen beim Informationsverbund Asyl & Migration (asyl.net), beim Bundesinnenministerium (germany4ukraine.de) und beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (bamf.de)
Informationen und Materialien zu COVID-19, zur Impfung gegen COVID-19 und zu Impfungen allgemein
In der Ukraine werden die Impfstoffe CoronaVac (Sinovac) und Sputnik V eingesetzt.
Die STIKO empfiehlt nach Grundimmunisierung (auch mit Auffrischimpfung) mit CoronaVac oder Sputnik V eine einmalige Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff im Abstand von mindestens 3 Monaten.
Bei laborchemisch gesicherter Infektion, aufgetreten nach der Grundimmunisierung mit CoronaVac oder Sputnik V: Auffrischung mit mRNA-Impfstoff frühestens 3 Monate nach der Infektion.
Ist bisher nur eine Dosis CoronaVac oder Sputnik V verabreicht worden: neue Impfserie mit Grundimmunisierung laut STIKO-Empfehlungen frühestens nach 3 Wochen
Aufklärungsmerkblatt zur Impfung gegen COVID-19 mit einem mRNA-Impfstoff auf Ukrainisch: rki.de
Impfempfehlungen für Geflüchtete aus der Ukraine: rki.de
Weitere Informationen in der RKI-Dokumentensammlung: Flucht und Impfen
Aufklärungsmerkblatt zur Impfung gegen COVID-19 auf Ukrainisch: rki.de
Es gibt immer wieder Hinweise, dass vorgeblich hilfsbereite Männer versuchen, die Notlage von aus der Ukraine geflüchteten Frauen und Mädchen auszunutzen.
Internationaler DRK-Suchdienst für Familienangehörige: Tel. +49 89 680 77 3 - 111 (Deutsch und Englisch, Montag bis Freitag 09:00h00 h bis 16:30h30 h) odertracing@drkOnline-suchdienst.deKontaktformular
Informationen und Hilfe für psychisch traumatisierte Personen
Telefonsprechstunde bei „Zentrum Überleben“ (Sprachangebot nicht bekannt; UnterstützungAngebote für traumatisierteukrainische Geflüchtete, die therapeutische und medizinische Hilfe benötigenHelfende): ueberleben.org
Suche nach qualifizierten Trauma-Therapeut*innen auf der Seite der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie: TherapeutInnen-SucheHilfe für Betroffene
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.: Krisenhotline zur Unterstützung von Betroffenen und Helfenden BDP Ukrainekrieg Hotline 0800 777 22 44 (tgl. von 16:00 bis 20:00 Uhr)
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK): Ratgeber für geflüchtete Eltern mit traumatisierten Kindern (auf Ukrainisch und Russisch) elternratgeber-fluechtlinge.de
Max-Planck-Institut (MPI) für Psychiatrie: Kurzfilme über körperliche und psychische Erkrankungen und Möglichkeiten der Selbsthilfe für Geflüchtete mit ukrainischen und russischen Untertiteln psych.mpg.de/refpsych
Informationen für Geflüchtete mit Diabetes mellitus und ihre Angehörigen
Nationales Diabetesinformationsportal stellt unter diabinfo.de folgende Informationsmaterialien auf Ukrainisch zur Verfügung (auf Russisch unter diabinfo.de/ru):
Mehrsprachigemehrsprachige Materialien zu Diabetes
Allgemeines zur Diabetes-Versorgung geflüchteter Menschen
Diabetes Typ 1 in Kindergarten und Schule
Ausbildung und Beruf: Was muss bei Diabetes beachtet werden?
Diabetes-Fachkräfte: Kommunikation mit Geflüchteten aus der Ukraine.
Informationen für Geflüchtete mit Behinderungen/Pflegebedarf
Bundeskontaktstelle des Deutschen Roten Kreuzes: Kostenlosekostenlose Hotline für Geflüchtete aus der Ukraine mit Behinderungen und/oder Pflegebedarf drk-wohlfahrt.de/bundeskontaktstelle, Tel. +49 30 85 404 789.
Informationen zum Dolmetschen bei der ärztlichen Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine
Grundsätzlich ist es empfehlenswert, einen Dolmetscherdienst, ehrenamtlich dolmetschendes medizinisches Personal oder ehrenamtliche Dolmetscher*innen hinzuzuziehen.
Dolmetschen durch Begleitpersonen in einem Arzt-Patienten-Gespräch sollte nur eine Notlösung sein (Schweigepflicht!).
Telefonische Dolmetsch-Nothilfe bei Triaphon: (finanziertZusammenarbeit übermit ein FundingKliniken und zunächstPraxen bis 30möglich.09.2022 kostenlos für medizinisches Personal):dolmetsch-nothilfetriaphon.org
für Ärzt*innen und Praxisteams in Bayern: Ukraine-Hilfetelefon (089 54 49 71 99 oder ukraine-hotline@freie-wohlfahrtspflege-bayern.de), die Mitarbeiter*innen sprechen Ukrainisch, Russisch, Englisch und Deutsch.
Nach dem AsylbLG haben Geflüchtete die Möglichkeit, die Kostenübernahme von Dolmetscherleistungen bei der zuständigen Sozialbehörde zu beantragen.
Smartphone-Apps zur Übersetzung
Unsicher, ob ein sicherer Datenschutz bei diesen Anbietern gewährleistet ist, deswegen die untenstehenden Apps eher zur Klärung organisatorischer Fragen als für Arzt-Patienten-Gespräche heranziehen.
Android und iPhone
„Google Übersetzer“ (Ukrainisch und Russisch): über Funktion „Unterhaltung“ simultane Übersetzung mit Sprachausgabe möglich
„Microsoft Translator“ (Ukrainisch nur mit Texteingabe und Russisch mit Simultanübersetzung)
„Sofortige Sprachübersetzung“ (Ukrainisch und Russisch, gratis): simultane Übersetzung mit Sprachausgabe möglich
„Say Hi“ (Ukrainisch und Russisch, gratis): noch keine automatische Spracherkennung für Ukrainisch
iPhone
„Apple Übersetzen“ (nur Russisch): über Funktion „Konversation“ simultane Übersetzung mit Sprachausgabe möglich
Online-Übersetzer für schriftliche Texte (nurUkrainisch und Russisch, bis zu einem gewissen Umfang gratis): deepl.com
Initiativen zur Vernetzung von Ärzt*innen in der Geflüchteten-Hilfe
Berlin: Initiative „Ärzt*innen für Geflüchtete“, contact@docsforrefugees.com
Allgemeine Informationen
Definition
Definition der Vereinten Nationen
Geflüchtete sind Personen, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen wollen“.1
Wir verwenden generell den Begriff „Geflüchtete“; sofern der Aufenthaltsstatus relevant ist, „Asylsuchende“, „Asylantragsteller*in“ oder „Asylbewerber*in“. Der Begriff „Flüchtlinge“ wird nur verwendet, wenn er in juristischen oder anderen Texten, die wir als Quelle verwenden, so vorkommt, z. B. „anerkannter Flüchtling“.
Häufigkeit
2015Ende 2022 waren weltweit mehrlaut alsdem 65Global Trends Report des UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) 108,4 Mio. Menschen zurauf der Flucht gezwungen – die höchste jemals verzeichnete Zahl.2
Diese Zahl umfasst Geflüchtete, Asylsuchende, Binnenvertriebene und andere Menschen, die internationalen Schutz benötigen.
Die Zahl der Menschen auf der Flucht ist von Ende 2021 bis Ende 2022 um 21 % angestiegen, der höchste, jemals vom INHCR verzeichnete Anstieg.
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden 2015von 441Januar bis Juni 2023 162.899271 Asylanträge gestellt, nach rückläufigen Zahlen in den Folgejahren, im Jahr 2018 185.853. In den Monaten Januar bis Mai 2019 waren es 63.703 Asylerstantr(Erstanträge und Folgeanträge) gestellt.3
Zunahme der Erst-Antragszahlen um 77,5 % im Vergleich zum Vorjahr
Im bisherigenZeitraum BerichtsjahrJanuar 2019bis Juni 2023 waren 13.28971,6 % der Asylerstantragstellendeneinen (20Asylerstantrag stellenden Personen jünger als 30 Jahre, 31,6 % waren minderjährig. 71,6 % aller Erstantragstellenden waren männlich.
7,9 % %)der Antragstellenden waren in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem1 Jahr.
Die Mehrheit der Antragsstellenden 2019 war unter 30 Jahren (73,5 %), 48,2 % unter 18 Jahren.
Die Mehrheit der Asylantragsteller*innen von Januar bis September 2019 war männlich (57,4 %).
2016 haben 35.939 unbegleitete Minderjährige einen Asylantrag gestellt.4
Die meisten Asylantragsteller*innen in Deutschland kamen 20192023 aus Syrien, Irak,Afghanistan Nigeria,und Türkei,.
2022 Iranwurden in Deutschland 244.132 Asylanträge gestellt und Afghanistanaußerdem 1.045.185 Geflüchtete aus der Ukraine registriert.34
Ca. 80 % der in Deutschland Schutzsuchenden sind aus der Ukraine geflohen.
Geflüchtete aus der Ukraine stellen keinen Asylantrag. Sie können sich nach der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung auch ohne Aufenthaltstitel legal in Deutschland aufhalten.5
Rechtliche Grundlagen
Informationen zu rechtlichen Hintergründen des Asylverfahrens
Asylrecht für politisch Verfolgte ist ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht.
Verweisung an die nächstgelegene Erstaufnahme-EinrichtungAufnahmeeinrichtung, wenn eine Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit gegenüber deutschen Behörden (z. B. Grenzbehörden, Ausländerbehörden) den Wunsch äußert, in Deutschland Asyl zu beantragen.
Die Erstaufnahme-EinrichtungAufnahmeeinrichtung kist fümmertr sichUnterkunft umund dieVersorgung Unterbringungzuständig und informiert die nächstgelegene Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
Asylsuchende müssen bei dieser Außenstelle persönlich einen Asylantrag stellen (bzw. der Antrag wird direkt im AnkER-Zentrum gestellt).
Nach Stellung ihres Asylantrags erhalten Antragstellende eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung.
Unbegleitete Minderjährige (unter 18 Jahre) nimmt das zuständige Jugendamt in Obhut und stellt sie unter Vormundschaft.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet über jeden Asylantrag (nach einer inhaltlichen Prüfung und einer persönlichen Anhörung). Mögliche Sachentscheidungen (in Klammern die Zahlen von Januar bis SeptemberJuni 20182023):3
Anerkennung als Asylberechtigte (10,3 7 %)
Aufenthaltserlaubnis für 3 Jahre, danach in der Regel Niederlassungserlaubnis mit unbefristetem Aufenthalt
Anerkennung als Flüchtling (17 15,4 %)
Aufenthaltserlaubnis für 3 Jahre, danach in der Regel Niederlassungserlaubnis mit unbefristetem Aufenthalt
Gewährung von subsidiärem Schutz, nicht als Flüchtling anerkannt, aber im Herkunftsland droht ernsthafter Schaden (1126,4 5 %).
Aufenthaltserlaubnis für 1 Jahr, kann verlängert werden.
Ablehnung des Asylantrags
Abschiebungsverbot, wenn im Herkunftsland konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht (49,6 0 %).
Ausreisaufforderung mit Abschiebungsandrohung (3520,2 7 %)
Möglichkeit des Einspruchs gegen die Entscheidung
Medizinische Versorgung von Flüchtlingen und AsylbewerbernAsylbewerber*innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
Eingangsuntersuchung in der Erstaufnahmeeinrichtung
Kostenträger: Gesundheitsamt (GOÄ)
Asylbewerber*innen, die eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) besitzen und deren Ehegatten, Lebenspartner*innen oder minderjährige Kinder.
In einigen, aber nicht allen, Bundesländern (Bremen, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Thüringen) erhalten Asylsuchende schon vor Ablauf der 15 Monate eine elektronische Gesundheitskarte.
UnbegleiteteGeflüchtete Kinderaus der Ukraine erhalten reguläre Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch und Jugendlichehaben (Flüchtlinge)
BehandlungsscheinAufnahme oderin eine gesetzliche Krankenversicherung und können beim Arztbesuch somit ihre elektronische Gesundheitskarte nach(oder Einzelfallentscheidungeine durchvorläufige denBescheinigung Jugendhilfeträger
Überweisungüber nachihren VorlageVersichertenstatus) des Original-Krankenscheins bei den Ärzt*innen
Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach dem AsylbLG
Ärztliche und zahnärztliche Behandlung „akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“
Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten
Zahnersatz nur, wenn aus medizinischen Gründen nicht aufschiebbar
Ärztliche und pflegerische Hilfe sowie Hebammenhilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen
Personen, die „Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische Hilfe gewährt“.
Wesentlicher Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme von Psychotherapien ist die unzureichend geregelte Kostenübernahme von Leistungen der Sprachmittlung.
Frühzeitige Behandlung von oft schwer traumatisierten Menschen erschwert, da psychosoziale Beratungszentren mehr Asylsuchende ablehnen müssen, als aufgenommen werden können. Es gibt lange Wartelisten.
Problematisch ist das Fehlen kulturell validierter Screeninginstrumente.
Relevante Erkrankungen
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.48
Gefährdung Asylsuchender grundsätzlich durch dieselben Infektionskrankheiten wie bei der in Deutschland lebenden Bevölkerung
Ansteckung mit meldepflichtigen Infektionskrankheiten in den meisten Fällen in Deutschland. D.Das h.heißt, Asylsuchende sind eher eine gefährdete Gruppe als eine Gruppe, von der für andere eine Gefahr ausgeht.
Besondere Vulnerabilität für Infektionskrankheiten durch schwierige Lebensbedingungen auf der Flucht, möglicherweise unvollständigen Impfschutz, Aufenthalt in Massenunterkünften:
am häufigsten Erkältungskrankheiten und Magen-Darm-Infekte
Aufgrund des häufigeren Vorkommens in Heimatländern tritt Tuberkulose bei Asylsuchenden häufiger auf.
Die Prävalenz einzelner Infektionskrankheiten ist bei Asylsuchenden höher als in der Allgemeinbevölkerung: Tuberkulose, Hepatitis B und C.6
Laut RKI besteht keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende.
Bei Mitarbeiter*innen und ehrenamtlichen Helfer*innen in Einrichtungen und Unterkünften für Asylsuchende ist, wie generell bei engem Kontakt mit vielen Menschen, von einem etwas erhöhten Infektionsrisiko auszugehen.
Deswegen sollte bei Helfer*innen der Impfschutz sichergestellt werden (Standardimpfungen nach STIKO-Empfehlungen und Hepatitis A, B, saisonale Influenza-Impfungen und Auffrischung gegen Polio).
Infolge traumatischer Erfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht (Verlust von Angehörigen, Augenzeuge vom Tod anderer Flüchtender, Folter, Überfälle, sexuelle Übergriffe) ist das Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen, Depression, Angststörungen, chronische Schmerzen und somatoforme Störungen erhöht.
Die Prävalenzen für psychische Erkrankungen schwanken je nach Erhebung sehr stark, sind aber bei Asylsuchenden im Vergleich zur deutschen Bevölkerung um ein Vielfaches höher.
Besonders viele unbegleitete Minderjährige haben traumatische Ereignisse erlebt.
Andere nicht-übertragbare Krankheiten
Die Datenlage zu den Prävalenzen ist noch sehr unzureichend und hängt vom Herkunftsland ab.
91 % der Todesfälle sind in der Ukraine auf nicht-übertragbare Erkrankungen zurückzuführen (wie Krebs, Diabetes mellitus, Lungen-, Nieren- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen).
In der Ukraine ist die Wahrscheinlichkeit, vorzeitig im Alter zwischen 30 und 70 Jahren an diesen Erkrankungen zu versterben, doppelt so hoch wie in Deutschland (Frauen 16 %, Männer 35 %).
Die allgemeine Lebenserwartung liegt in der Ukraine bei 77 Jahren für Frauen und bei 68 Jahren für Männer.
Medizinische Versorgung von Geflüchteten
In der Erstaufnahmeeinrichtung
Laut Asylgesetz sind „Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen haben, verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden. [...] Das Ergebnis der Untersuchung ist der für die Unterbringung zuständigen Behörde mitzuteilen“.
Die Festlegung des Umfangs der Untersuchung liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer.
Der Umfang der Basisuntersuchung ist gesetzlich nicht vorgegeben.7
Röntgenthoraxntgen-Thorax für Asylsuchende ab einem Alter von 15 Jahren
bei Schwangeren primär immunologische Diagnostik bzw. bei Symptomen Sputumuntersuchung
bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren immundiagnostisches Tuberkulosescreening mittels Tuberkulin-Hauttest (THT) oder Interferon-gamma Release Assay (IGRA)710
Für die Erstaufnahmeuntersuchung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen gibt es weitergehende Empfehlungen: gemäß S1-Leitlinie.710
Empfehlung „Welche Impfungen sollten Geflüchtete (bzwz. B. aus der Ukraine) jetzt erhalten, um ihre Gesundheit zu schützen und Ausbrüche zu verhindern?“
Wenn eine Umsetzung der STIKO-Empfehlungen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften aus organisatorischen Gründen (z. B. kurze Verweildauer) nicht möglich ist, soll eine Priorisierung der Impfungen erfolgen.
Es gelten die STIKO-Empfehlungen zur Impfung gegen COVID-19 und es besteht Anspruch auf ein kostenloses Impfangebot. Siehe RKI-Dokument: Empfehlungen für Gesundheitsämter zu Prävention und Management von COVID-19-Erkrankungen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Schutzsuchende (im Sinne von §§ 44, 53 AsylG)
In der Hausarztpraxis
Vorbereitung
Für die erste Untersuchung sollten Sie sich ausreichend Zeit nehmen und sichere Rahmenbedingungen schaffen.
Da traumatisierte Patient*innen häufig nur schwer Vertrauen fassen, sollte die vertrauensbildende Arbeit Vorrang haben.
Dolmetscher*in
Häufig besteht Bedarf an Dolmetscher*innen. Wichtig ist, dass die Dolmetscher*innen alles übersetzen, was gesagt wird, und die Regeln und ethischen Richtlinien für Dolmetscherdienste beachtetbeachten.
Die Behandlung und soziale Betreuung der Patient*innen erfordern häufig die Zusammenarbeit mehrerer ParteienBerufsgruppen (z. B. Sozialarbeiter*innen, Beratungsstellen für Flüchtlinge und Migrant*innen).
Diese sollten so früh wie möglich einbezogen werden, um eine gute Koordination zu gewährleisten.
Beratungsanlässe
Daten aus einem deutschem Gesundheitsprogramm zur Versorgung Asylsuchender deuten darauf hin, dass sich Beratungsanlässe bei Asylsuchenden nicht wesentlich von denen in der Allgemeinbevölkerung unterscheiden.1014
Am häufigsten sind Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems, Erkrankungen der Atemwege und ärztliche Leistungen ohne Krankheitssymptome, z. B. Impfungen, Gesundheits- und Vorsorgeuntersuchungen.
Die Anzahl von Patient*innen mit einer Diagnose aus dem Bereich psychische und Verhaltensstörungen lag in dieser Untersuchung unter der Rate in der Allgemeinbevölkerung, wobei vermutet wird, dass diese Diagnosen bei Asylsuchenden unterdiagnostiziert waren.
Hier gibt es auch Studienergebnisse aus anderen Stichproben, die darauf hindeuten, dass eine posttraumatische Belastungsstörung bei Asylsuchenden stark gehäuft auftritt.
Auch die Daten zu Depressivität sind widersprüchlich, teilweise werden hohe Prävalenzen berichtet.
Zahnkaries trat bei Asylsuchenden häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
Angst vor Abschiebung kann einen erheblichen Leidensdruck mit sich bringen.1115
Bei der Feststellung und Attestierung von gesundheitlichen Abschiebehindernissen sollte eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Sozialbehörden und Beratungsstellen gesucht werden.
Personen mit besonderem Schutz- und/oder Versorgungsbedarf
Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.11
Frauen und (unbegleitete) Kinder
besonders gefährdet für sexualisierte Gewalt und Menschenhandel
Kinder und Jugendliche
besonders vulnerabel für
psychische Belastungen
Infektionserkrankungen
Versorgungsbedarfe durch Wachstum und Entwicklung, z. B. Orthopädie, Zahnmedizin
Schwangere
zeitnahe Information zu Schwangerenvorsorge, Früherkennung, Entbindungsmöglichkeiten, Anlaufstellen bei Schwangerschaftskomplikationen
Mütter mit Neugeborenen
Still- und Ernährungsberatung kann notwendig sein.
LGBTQ+-Personen
besonders vulnerabel für Diskriminierung, psychische und physische Gewalt
Transpersonen: Gesundheitsgefährdung evtl. durch fluchtbedingte Unterbrechung der Hormontherapie
Ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder gesundheitsbedingten Einschränkungen
evtl. spezifische Pflegebedarfe
Informationen für Angehörige und Begleitpersonen über Versorgungs- und Pflegeangebote
Menschen mit eingeschränktem Hör- und Sehvermögen und chronischen seltenen Erkrankungen
Expertise von Fachverbänden und Unterstützungsnetzwerken kann hilfreich sein.
Anamnese
Das Vorgehen unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem bei anderen Patient*innen, auf einige gesundheitliche Probleme sollte im hausärztlichen Setting aber besonders geachtet werden:
Laut kanadischen Leitlinien wird für Geflüchtete ein Screening auf Depression empfohlen, mit dem PHQ-91216 oder, besser realisierbar, mit dem 2-Fragen-Test.1115
Von einem Screening auf posttraumatische Belastungsstörung wird zur Vermeidung einer Retraumatisierung ebenso abgeraten wie von einem Routine-Screening auf Gewalterfahrungen bei Kindern.1216
Frauen im reproduktionsfähigen Alter sollen nach ihrem Bedarf für ein Verhütungsmittel gefragt werden.1216
Untersuchung
Laut kanadischer Leitlinien soll bei Geflüchteten aus Regionen mit hohem Diabetesrisiko (Südasien, Lateinamerika, Afrika) die Nüchternglukose bestimmt werden.1216
Bei geflüchteten Frauen im reproduktionsfähigen Alter und bei Kindern zwischen 1 und 4 Jahren soll der Hämoglobinwert kontrolliert werden, um eine Eisenmangelanämie auszuschließen. 1216
Alle Geflüchteten sollen einen Sehtest erhalten.1216
BeiLaut S1-Leitlinie ist bei allen minderjährigen Geflüchteten ist, sofern nicht in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt, baldmöglich nach Ankunft in Deutschland, ein Blutbild (Infektanämie? Leukozytose?) mit Differenzialblutbild (Eosinophilie?) als Basisdiagnostik empfohlen.710
Nur bei Herkunft aus bestimmten Hochprävalenzgebieten sindsollten weitere routinemäßige Blutentnahmen empfohlen:
HIV1/2-SerologieSuchtest (derzeit nur Länder in Sub-SaharaSubsahara-Afrika, Osteuropa)
HBs-Antigen (derzeitalle nurminderjährigen Länder in Sub-Sahara-AfrikaGeflüchteten)
Hepatitis C (östlicheAfrika, MittelmeerregionNaher und Mittlerer Osten).
Grundsätzlich soll bei der körperlichen Untersuchung auf Folgen von Kriegsverletzungen und Spuren von Folter sowie auf das Vorliegen einer Sucht- oder anderen schwerwiegenden Erkrankung geachtet werden.1115
Dokumentation
Es wichtig, alle Symptome und Auffälligkeiten in der Krankenakte so zu dokumentieren, dass die Informationen als Grundlage für Atteste und Gutachten (in Verbindung mit Asylanträgen, Anträgen auf Sozialleistungen usw.) und in evtl. Gerichtsverfahren verwendet werden können.
Die Ärzt*innen tragen die Verantwortung dafür, dass die Patient*innen die Aufklärung zu ihrer Erkrankung verstanden haben und rechtssicher einwilligen können.
Vor Gericht wird auch das Dolmetschen durch Laien akzeptiert, wenn sich die Ärzt*innen vergewissert haben, dass eine adäquate Aufklärung gewährleistet ist.
Die Kostenübernahme für professionelle Dolmetscherdienste ist nicht geregelt.
Grundsätzlich tragen die Patient*innen die Kosten.
Nach dem AsylbLG haben Geflüchtete die Möglichkeit, die Kostenübernahme von Dolmetscherleistungen bei der zuständigen Sozialbehörde zu beantragen.
Gesetzlich Krankenversicherte müssen die Kosten in der Regel selbst aufbringen.
Vorbereitung
Dolmetschen durch Laien kann nicht empfohlen werden.
Fehler durch Gefälligkeitsdolmetscher*innen aus dem Patientenumfeld sind zu vermeiden.
Durch Hinzuziehen von professionellen Dolmetscherdiensten wird die medizinische Versorgung nachweislich verbessert.
Dolmetscher*innen sollten mit der medizinischen Fachsprache in beiden Sprachen vertraut sein.
Falls Dolmetscher*innen lokal nicht verfügbar sind, kommen telefonische Anbieter oder Videodolmetschen infrage.
Dolmetscher*innen sollen besonders bei wichtigen, planbaren Gesprächen hinzugezogen werden:
Aufklärungsgespräche mit Einholen einer Einverständniserklärung
Einbeziehung in laufenden Behandlungsprozess
medizinische Begutachtungen
Herstellen eines Arbeitsbündnisses (Psychologie, Psychiatrie).
Die Dolmetscher*innen sollen vor dem Gespräch mitteilen, ob Besonderheiten, z. B. persönliche Bekanntschaft mit den Patient*innen oder politische oder religiöse Konflikte, bestehen.
Die Dolmetscher*innen müssen über die Einhaltung der Schweigepflicht informiert werden.
Während der Konsultation
Die Dolmetscher*innen sollen Redebeiträge unverändert weitergeben, auch unpassende, schambesetzte oder unlogische Aussagen.
Sie sollten in der ersten Person sprechen.
Zwischen Ärzt*in und Patient*in soll Blickkontakt bestehen, auch wenn die übersetzende Person spricht. Am leichtesten ist dies, wenn die Beteiligten in einem Dreieck sitzen.
Die Patient*innen sollten darum gebeten werden, sich kurz zu fassen, um das Dolmetschen zu erleichtern.
Weitere Informationen
Mehrsprachiges Informationsmaterial für Geflüchtete und Ärzt*innen bei der BZgA
Impfaufklärungsbögen in mehreren Sprachen stellt das RKI zur Verfügung.
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). S1-Leitlinie Infektiologische Versorgung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter in Deutschland. AWMF-Leitlinie Nr. 048-017, Stand 2022. register.awmf.org
Literatur
United Nations High Commissioner for Refugees. UNHCR: the 1951 refugee convention. Accessed May 2, 2016. www.unhcr.org
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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Aktuelle Zahlen zu Asyl. Ausgabe: MaiJuni 20192023. Tabellen, Diagramme, Erläuterungen. www.bamf.de
Bundesministerium des Innern und für Heimat. Pressemitteilung vom 11.01.2023: Acht von zehn Schutzsuchenden kommen aus der Ukraine (letzter Zugriff am 12.07.2023). www.bmi.bund.de
Pro Asyl. Hinweise für Geflüchtete aus der Ukraine. Stand 10.01.2023 (letzter Zugriff am 12.07.2023). www.proasyl.de
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Asyl und Flüchtlingsschutz (letzter Zugriff am 12.07.2023). www.bamf.de
Gesundheit für Geflüchtete. Informationsportal von Medibüros/Medinetzen. Gesundheitskarte (letzter Zugriff am 12.07.2023). gesundheit-gefluechtete.info
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Robert Koch-Institut (RKI): Bericht über meldepflichtige Infektionskrankheiten bei Asylsuchenden in Deutschland (17.1.20182023). www.rki.de
PfeilDeutsche JGesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), KobbeDeutsche R,Gesellschaft Trappfür SKinder- etund al.Jugendmedizin (DGKJ). EmpfehlungenS1-Leitlinie zur infektiologischenInfektiologische Versorgung von Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter in Deutschland. AWMF-Leitlinie StellungnahmeNr. der048-017, DeutschenStand Gesellschaft2022. fregister.awmf.org
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Holtel M, Weber H. Kommunikation - Falsche Gefälligkeiten. Deut Ärztebl 2018; 115;23.: A1138-39. www.aerzteblatt.de
Autorin
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
CCC MK 22.02.2023 Links aktualisiert. Triaphonangebot gibt es nicht mehr.
CCC MK 12.12.2022 Links überprüft und aktualisiert.
CCC MK 10.10.2022 Triaphon bis Ende Januar 23 kostenlos.
CCC MK 10.05.2022 DRK Suchdienst, Hilfetelefon, bdue.
CCC MK 04.05.2022 Infos für Geflüchtete mit Behinderungen.
CCC MK 02.05.2022 Link zu Kurzfilmen des MPI
CCC MK 28.04.2022 neuer Link zum BMI
CCC MK 27.04.2022 Infos zu diabinfo.de
CCC MK 07.04.2022 Eltern-Ratgeber BPtK.
CCC MK 04.04.2022 neue STIKO-Empfehlung zur Auffrischung nach CoronaVac.
CCC MK 30.03.2022 Übersetzung mit Smartphone Apps und DeepL, Traumaberatung..
CCC MK 28.03.2022 neuer Link zur KBV.
CCC MK 23.03.2022 Link zu KOK.
CCC MK 22.03.2022 Ukrainischer Impfkalender.
CCC MK 21.03.2022 Kontakt docsforrefugees.com, Triaphon.
CCC MK 16.03.2022 Informationen zur Versorgung Geflüchteter aus der Ukraine.
CCC MK 04.03.2022 Impfempfehlung COVID.
DDD MK 27.6.2019, aktuelle Asylzahlen für D
BBB MK 12.07.2023 umfassend revidiert, aktualisiert und stellenweise umgeschrieben.
CCC MK 17.10.2018, komplett umgeschrieben und an deutsche Verhältnisse angepasst
Informationen zur Einreise, zur Anmeldung im Ankunftszentrum und zur medizinischen Versorgung: medwatch.de Lokale Beratungsstellen für Geflüchtete vor Ort (Flüchtlingsräte oder andere Organisationen) unter proasyl.de und Informationen zum Aufenthaltsstatus und weitere praktische Informationen unter proasyl.de