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Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)

Zusammenfassung

  • Definition:Ein Syndrom, das mit einem schwerwiegenden und anhaltenden Gefühl der Erschöpfung sowie verschiedenen Zusatzsymptomen einhergeht. Es existieren viele Synonyme bzw. ähnliche Gesundheitsstörungen, z. B. chronisches Müdigkeitssyndrom, ME/CFS/ME, systemische Belastungsintoleranzerkrankung (SEID). oderInzwischen Post-Exertionalgibt Malaisees (einen internationalen Konsens, dass PEM) ein obligates, aber nicht das alleinige Symptom bei den Betroffenen ist. Die Ätiologie ist ungeklärt und möglicherweise heterogen. DerAuch der Verlauf ist heterogen und immer individuell zu erheben. Die ExistenzEinordnung und Nomenklatur des CFS als eigene Krankheitsentität ist kontrovers. International ist die Bezeichnung ME/CFS, was für myalgische Enzephalomyelitis (oder Enzephalopathie)/chronisches Fatigue-Syndrom steht, am ehesten etabliert mit ICD Code G 93.3.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz liegt je nach Diagnosekriterien und Altersgruppe bei 0,002–2,5 % der Bevölkerung. Bei Vorliegen von PEM dürfte die Häufigkeit um 0,1 % liegen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Auch ethnische Minderheiten, sozial Benachteiligte und Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko.
  • Symptome:Das Hauptsymptom ist eine anhaltende Erschöpfung nach Anstrengung, die zu einer wesentlichen funktionellen Einschränkung führt und sich nicht auf normale Weise durch Ruhe bessert mit nicht erholsamem Schlaf. Charakteristisch ist die Post-Exertional Malaise (PEM). Darunter versteht man eine langanhaltende Symptomverschlechterung nach leichter Anstrengung (geringfügiger Alltagsbelastung). Für das Kriterium PEM wird eine Symptomverschlechterung gefordert, die mindestens noch am Folgetag nach der Belastung oder länger besteht. Die Symptome haben zu einem konkreten Zeitpunkt begonnen, bestehen seit mindestens 6 Monaten und führen zu erheblichen funktionellen Beeinträchtigungen.
  • Untersuchung:Es können folgende Zusatzbefunde vorliegen: Gedächtnis- und/oder Konzentrationsstörungen, Halsschmerzen, druckschmerzhafte Lymphknoten, orthostatische Dysregulation, Muskelschmerzen, Schmerzen in mehreren Gelenken, neu aufgetretener Kopfschmerz, fehlendes Gefühl der Erholung nach dem Schlaf sowie mindestens 24 Stunden lang nach Anstrengung ein verstärktes Krankheitsgefühl.
  • Diagnostik:Die Diagnose kann nur gestellt werden, wenn es keine andere Erklärung für die Beschwerden gibt. Somit ist es eine Ausschlussdiagnose, die in der Regel aufgrund der Anamnese und körperlichen Untersuchung gestelltvermutet werden kann, ggf. flankiert durch einen CSF-spezifischen Fragebogen. Organmedizinische und Labor- sowie apparative Untersuchungen dienen vor allem der Abgrenzung von Differenzialdiagnosen. Hier gibt es bisher keine spezifischen Befunde für die Erkrankung.
  • Therapie:Bisher gibt es keine gute Evidenz für die Wirksamkeit verschiedener Therapieformen. Kognitive Verhaltenstherapie undkann individuelleinsbesondere Bewegungstherapiezur Behandlung von Begleitsymptomen angeboten werden. Es soll keine körperlichen Aktivierungen auf Basis des Dekonditionierungskonzeptes mit stufenweiserdem AktivierungZiel einer raschen Belastungssteigerung angeboten werden, da es hierbei zu anhaltenden Symptomverschlechterungen kommen kann. Vielmehr empfiehlt sich eine Beratung zur körperlichen Aktivität, die solche Überlastungen konsequent vermeidet (Pacing).

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1-64

 Definition 

  • Müdigkeit (Fatigue) ist eine Empfindung, die von den betroffenen Personen unterschiedlich erlebt und benannt wird: Schlappheit, Mangel an Energie, Erschöpfung, Ermüdung, frühe Ermüdbarkeit, (Tages-)Schläfrigkeit, Einschlafneigung tagsüber etc.
  • DavonAuslöser abzugrenzenkann eine Vielzahl von Erkrankungen und Belastungen sein.
  • Eine Entität, die solchen Beschwerden zugrunde liegen kann, ist das chronische Müdigkeitssyndrom (CFS, Chronic Fatigue Syndrome).
    • Es ist umstritten, obfür esdas sich dabei überhaupt um eine eigene Entität handelt.
    • Es existieren international zahlreicheinzwischen Definitionen, vondie denenBezeichnung jedochME/CS keinedurchgesetzt allgemein akzeptiert wird oder eine höhere Validität als andere beanspruchen kannhat.

Neu konsentierte Definition

Leitlinie: Müdigkeit1

  • Bei mindestens seit 3 Monaten anhaltender bisher ungeklärter Müdigkeit sollten die ME-/CFS-Kriterien nach Institute of Medicine (IOM)2 eruiert werden, um eine Verdachtsdiagnose zu stellen, die nach 6 Monaten zu reevaluieren wäre.

Definition desnach CFSIOM 2015

  • DasNach engdieser definierteDefinition chronischeliegt Müdigkeitssyndromein ME/CFS vor, wenn die folgenden drei Symptome dauerhaft bestehen (CFSmindestens die Hälfte der Zeit):1-2
    1. Eine im Vergleich zur Zeit vor der Erkrankung substanzielle Einschränkung der Fähigkeit zu beruflichen, dasschulischen, teilweise auch als chronisches Erschöpfungssyndromsozialen oder chronischespersönlichen Fatigue-Syndrom bezeichnet wirdAktivitäten, ist ein seltenes Beratungsergebnis.
    2. Für das chronische Müdigkeitssyndrom (CFS) existieren verschiedene Definitionen.die
      • Gemeinsamlänger als 6 Monate besteht
      • von Fatigue begleitet ist diesen
      • tiefgreifend, Definitionenneu dasaufgetreten, neuealso nicht lebenslang bestehend, nicht das Resultat von übermäßiger Anstrengung ist und sich durch
        Ruhe andereund Erkrankungen,Erholung Substanzennicht odersubstanziell Belastung erklärbare Auftreten der Müdigkeitverbessert.
    3. An diagnostischen Kriterien werden zudem gefordert:
      • ein definierter BeginnVerschlechterung der SymptomatikSymptome nach körperlicher und
      • eine starke Beeinträchtigung durch die Müdigkeit im privaten, beruflichen /oder sozialenkognitiver Bereich sowie
      • das Vorhandensein weiterer Zusatzsymptome bzw. -befunde (Minor Criteria).
    4. In den meisten Definitionen zudem folgende Elemente:
      • Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung bestehen seit längerer Zeit (meist > 6 Monate).
      • Belastung (körperliche,Post-Exertional aberMalaise: auch mentale oder emotionalePEM) verschlechtert die Symptomatik.
    5. Die Definitionen unterscheiden sich in Bezug auf die zusätzlich geforderten Symptome bzw. Befunde. Hier werden in unterschiedlicher Kombination genannt:
      • orthostatische Beschwerden
      • muskuloskelettale Schmerzen
      • nicht erholsamer Schlaf.
  • neurokognitiveObligat ist außerdem das Vorliegen mindestens eines der beiden folgenden Symptome:
    1. kognitive Einschränkungen („Brain Fog“)
      • Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit, der Informations- und Reizverarbeitung (Verlangsamung) und der psychomotorischen Funktion
    2. immunologischeorthostatische AbweichungenIntoleranz
      • Eine Form der Dysautonomie: in aufrechter Position
        treten vermehrt Symptome wie Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen, Tachykardie, Palpitationen, Schwäche und Blässe auf; dies bessert sich im Liegen.
  • Außerdem: Es handeltgibt sichkeine umandere eineErklärung reinfür deskriptivedie Symptome.

In dem Kapitel ME/CFS der Leitlinie Müdigkeit gibt es im Hintergrundtext ein Sondervotum von DKPM, DGPM, DGIM, DGPPN1

  • Zwar werden die Kernempfehlungen nicht beanstandet, aber es werden Bedenken geäußert u. a. wegen der Verknüpfung des Begriffes ME mit CFS sowie der Betonung von PEM, weil dieses auch bei anderen Erkrankungen vorliegen könne. Dadurch könnten ggf. erfolgversprechende Therapieansätze, insbesondere hinsichtlich Verhaltenstherapie und sehrkörperlicher selten erfüllte diagnostische Kategorie.
  • Die BetroffenenAktivierung, diezu diewenig Kriterienoder desnicht CFSgenutzt erfüllen, scheinen in Bezug auf Ätiologie, Pathogenese und Prognose eine heterogene Gruppe darzustellenwerden.

Verwendung der verschiedenen Bezeichnungen

  • Synonyme
    • Chronic Fatigue Syndrome (CFS)
    • chronisches Müdigkeitssyndrom
    • chronisches Erschöpfungssyndrom
    • systemische Belastungs-Intoleranz-Erkrankung (Systemic Exertion Intolerance Disease – SEID)
    • Post-Exertionalmyalgische Malaise (PEM)
    • Neurasthenie (heute nur noch selten verwendet)
    • Begriffe, die auf der unbestätigten Hypothese einer chronisch entzündlichenEnzephalomyelitis oder viralenEnzephalopathie/Chronic GeneseFatigue beruhen:
      • myalgischeSyndrom Enzephalopathie
      • myalgische Enzephalomyelitis
      • postvirales Müdigkeitssyndrom
      • postvirales Erschöpfungssyndrom.
      (ME/CFS)
  • In der Fachliteratur werdenwird inneben derden Regel dierein deskriptiven und ursachenneutralen Bezeichnungen CFS, und SEID oderzunehmend PEMauch die Doppelbezeichnung ME/CFS verwendet, die auch von den Patientenorganisationen präferiert wird.

Häufigkeit

  • Chronische Müdigkeit ist in hausärztlichen Praxen in 1–3 % der Fälle der Grund für die Konsultation.
    • Dies ist jedoch nicht mit dem selteneren ME/CFS gleichzusetzen.
    • Je nach Studienmethodik und Altersgruppe liegt die Häufigkeit von mindestens moderater Müdigkeit in Deutschland bei 20–60 %. 
    • Müdigkeit als Konsultationsanlass in der Hausarztpraxis findet sich bei 10–20 % der Konsultationen, wenn auch aktiv geklagte Nebenbeschwerden einbezogen werden.
  • Prävalenz des ME/CFS
    • Variiert je nach diagnostischen Kriterien zwischen 0,002  % und 2,5  %.
    • Die Prävalenz fällt nach Selbsteinschätzung der Betroffenen erheblich höher aus als nach ärztlicher Diagnose (3,3  % vs. 0,8  %).
    • FrauenVorliegen von chronischer Fatigue mit PEM wurden in England bei 0,1 % der hausärztlichen Praxisklientel dokumentiert.5
  • Geschlecht und Alter
    • Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
    • ME/CFS ist auch bei Kindern und Jugendlichen beschrieben. Die Prävalenz ist in dieser Gruppe jedoch noch niedriger als bei Erwachsenen.
    • Das Durchschnittsalter bei Krankheitsbeginn liegt zwischen 29 und 35 Jahren.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ätiopathogenese des ME/CFS ist trotz zahlreicher Studien bis heute ungeklärt.
  • Virologische, myogene, immunologische, autonom-neurologische, umweltmedizinische und psychophysiologische Hypothesen wurden diskutiert.
  • Möglicherweise multifaktorielle Genese, bei der biologische, psychische und soziale Faktoren eine Rolle spielen.
  • Häufig berichten die Betroffenen von begleitenden Ereignissen, wie Stress, psychische Belastung, Operationen oder einemein Unfall.

Postinfektiöse Erkrankung?

  • Einige Studien deuten darauf hin, dass ME/CFS durch Infektionskrankheiten ausgelöst werden kann und dass eine Immundysregulation ein wichtiges Element des Krankheitsmechanismus darstellt.
  • Vielfach berichten Betroffene von einer Infektion vor Beginn ihrer Erkrankung, häufig unspezifischen Atemwegsinfekten.
  • Ein gehäuftes Auftreten chronischer Fatigue-Symptome ist u.  a. während oder nach folgenden Infektionskrankheiten beschrieben:
  • Die Hypothese, dass CFS auf einer Infektion mit dem Retrovirus XMRV beruht, ist zweifelsfrei widerlegt.7

Weitere Krankheitshypothesen

  • Hinweise auf Dysregulation im zentralen und autonomen Nervensystem
    • autonome Dysfunktionen, z.  B. Störungen der Thermoregulation, der Durchblutung und des Blutdrucks
    • Störungen stressphysiologischer Systeme, an denen die HPA-Achse beteiligt ist.
    • Welche Faktoren im biopsychosozialen Zusammenspiel dafür von pathogenetischer Bedeutung sind, ist allerdings weiterhin unklar (gestörte Stressverarbeitung auf psychischer und/oder biologischer Ebene?).
  • Psychische Faktoren
    • ME/CFS ist mit aktuellen oder früheren psychischen Erkrankungen assoziiert, und die psychischen und sozialen Gegebenheiten können bei der Krankheitsentwicklung eine Rolle spielen.
    • Dies bedeutet nicht, dass das chronische Erschöpfungssyndrom als rein psychische Erkrankung aufzufassen ist.
    • Antidepressiva kommen nur bei Betroffenen mit psychischer Komorbidität zur Behandlung depressiver Symptome oder von Angstsymptomen infrage. Auf die Fatigue-Symptomatik scheinen sie keine nennenswerte Wirkung zu haben.
  • Genetische Faktoren?
    • Familien mit gehäuftem Auftreten von ME/CFS sind beschrieben, wurden aber bislang nicht systematisch und anhand ausreichend großer Stichproben untersucht auf Gentransmission, geschlechterspezifische Penetranz oder in Studien zur genomweiten Assoziation.
    • Bei monozygoten Zwillingsmädchen liegt die Heritabilität bei 38  %, die Konkordanzraten bei heterozygoten Zwillingen beträgt 11  %.
    • Das relative Risiko von Verwandten CFS-Betroffener beträgt laut einer US-amerikanischen Studie:8
      • für Verwandte 1. Grades: 2,70 (95 % KI: 1,56–4,66)
      • für Verwandte 2. Grades: 2,34 (95 % KI: 1,31–4,19)
      • für Verwandte 3. Grades: 1,93 (95 % KI: 1,21–3,07).

Prädisponierende Faktoren

Risikofaktoren

  • Besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen
    • Frauen
    • ethnische Minderheiten
    • sozial Benachteiligte
    • niedriger Bildungsstand
    • niedriger sozioökonomischer Status
  • Die Persönlichkeit und der Lebensstil scheinen einen Einfluss auf die Vulnerabilität gegenüber dem chronischen Erschöpfungssyndrom zu haben.
    • Bestimmte Charakterzüge wie etwa Perfektionismus scheinen das Risiko der Entwicklung eines CFS zu erhöhen.
    • Es bestehen jedoch zahlreiche methodische Probleme im Zusammenhang mit der Beurteilung von Charakterzügen und ihrer Kausalität.
  • Genetische Faktoren spielen möglicherweise eine Rolle.

Auslösende Faktoren

Aufrechterhaltende Faktoren

  • Psychische Belastungen
    • So können z.  B. die feste Überzeugung, dass die Erkrankung auf eine körperliche Ursache zurückzuführen ist, sowie ungünstige Bewältigungsstrategien zu einer Verstärkung der Beschwerden und funktionellen Beeinträchtigungen führen.

ICPC-2

  • A04 Schwäche / allg. Müdigkeit (CFS)
  • N99 Neurologische Erkrankung, andere 

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 2021202396
    • G93.3 Chronisches Müdigkeitssyndrom [Chronic fatigue syndrome]
    • Inkl. Chronisches Fatigue-Syndrom bei Immundysfunktion
      • myalgische Enzephalomyelitis
      • postvirales (chronisches) Müdigkeitssyndrom

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1,64
  • BeiDiese dendiagnostische derzeit noch bestehenden Unsicherheiten über die Definition, die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten des CFS empfiehlt sich die strikte Beschränkung dieser diagnostischen Kategorie aufgilt nur für Personen, die die o.im g.Abschnitt Definition genannten Kriterien  erfüllen.
  • Die Diagnose ME/CFS ist eine Syndromdiagnose, die auf definierten Kriterien, die jedoch alle nicht ausreichend valide sind, basiert.
  • Die Sie Diagnoseist wirdnur aufzu Grundlage der Anamnesestellen, derwenn klinischenes Untersuchungkeine sowieandere ergErklänzendenrung Untersuchungen gestellt, die zum Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen durchgeführt wird, die das Krankheitsbild evtl. erklären könnten.10
  • Ffür die Ausschlussdiagnostik erscheint der bei komplexen Beschwerdebildern generell angezeigte ärztliche Untersuchungsgang geeignetSymptomatik (Anamnese,z. B. körperlicherMultiple undSklerose) mentaler Status, Basisscreening von Blut/Urin)gibt.

Leitlinie: Müdigkeit1

  • International existieren verschiedene Klassifizierungssysteme, die DEGAM empfiehlt die Diagnosestellung beim Vorliegen folgender Kriterien:
    • Müdigkeit bzw. Erschöpfungsneigung bestehen seit längerer Zeit (meist > 6 Monate).
    • Es lässt sich ein Beginn der Symptomatik definieren, d. h. das Problem besteht nicht lebenslang.
    • Das Symptom ist so stark ausgeprägt, dass eine signifikante Störung von körperlicher, seelischer und sozialer Funktion sowie Lebensqualität resultiert.
    • Belastung (körperliche, aber auch mentale oder emotionale) verschlechtert die Symptomatik.
    • Es fehlt eine alternative Erklärung (körperliche oder seelische Störung).
  • Zusätzlich geforderte Symptome bzw. Befunde, die in unterschiedlichen Kombinationen vorliegen können, sind:
    • orthostatische Beschwerden
    • muskuloskelettale Schmerzen
    • nicht erholsamer Schlaf
    • neurokognitive Störungen
    • immunologische Abweichungen.

Bei Kindern und Jugendlichen

  • Unzureichende Datenlage mit teilweise widersprüchlichen Ergebnissen
  • Ergebnisse einer Metaanalyse britischer und niederländischer Studien an CFS-Betroffenen im Kindes- und Jugendalter117
    • Im frühen Kindesalter scheint die Geschlechterdifferenz (w  >  m) weniger stark ausgeprägt zu sein als in der AdolenszenzAdoleszenz und im Erwachsenenalter.
    • Beeinträchtigung und Fatigue sind weniger stark ausgeprägt als bei Erwachsenen.
    • Die Krankheitsdauer vor Diagnose scheint niedriger zu sein als bei Erwachsenen.
    • Im frühen Kindesalter sind kognitive Störungen seltener und Halsschmerzen häufiger.
    • In der Adoleszenz ist ME/CFS häufiger mit Kopfschmerzen und Depression sowie seltener mit druckschmerzhaften Lymphknoten, Palpitationen, Schwindel, allgemeinem Krankheitsgefühl, Schmerzen und Angstsymptomen assoziiert als bei Erwachsenen.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Haupt- und Zusatzsymptome (siehe Abschnitt Definition)
  • Definierter Beginn der Symptomatik
  • Schwankende Intensität
    • Die Symptomlast ist oft unvorhersehbar, folgt einem schwankenden Verlauf und steht in keinem angemessenen Verhältnis zu der Anstrengung, die die Symptome auslöst.
    • Bei manchen Betroffenen ist der Schweregrad der Symptome relativ konstant, bei vielen – auch den am schwersten Erkrankten – schwankt er jedoch, was zu einer unterschiedlich guten oder schlechten Tagesform führt.
    • Veränderungen der Lebensqualität, des Alltags und des SelbstbildsSelbstbildes seit Erkrankungsbeginn
  • Zur Beurteilung der funktionellen Einschränkung kann der Bell-Score angewendet werden. Dieser kann ebenso wie ein Fragebogen zur Erfassung von PEM und viele weitere Informationen herunterladen werden vom Fatigue Centrum der Charité.
    • zum Erkennen anderer definierter Ursachen: ausführliche Anamnese, z. B. unter Zuhilfenahme des Fragebogens zur Anamnese (Link zur entsprechenden Seite bei Leitlinie Müdigkeit)
  • Konsequenzen
    • Die Symptome können soziale und wirtschaftliche Folgen haben und im Lauf der Zeit zu einer Vernachlässigung des sozialen Umfelds und des Freundeskreises führen.
    • Als Reaktion auf die Veränderungen, die die Beschwerden mit sich bringen können, entstehen häufig Gefühle von Verlust, Trauer und Vereinsamung.
    • Die Erkrankung bedeutet auch eine große Belastung für die nächsten Angehörigen, die im Alltag häufig viele zusätzliche Aufgaben übernehmen.
  • Funktionsfähigkeit
    • erhebliche Einschränkungen mit Fluktuationen
    • krankheitsbedingte Fehlzeiten bei der Arbeit oder in der Schule
    • Die am schwersten Erkrankten sind dauerhaft bettlägerig und haben evtl. Probleme, Nahrung zu sich zu nehmen und die persönliche Hygiene zu gewährleisten.
    • Die Lebensqualität insgesamt ist oft erheblich eingeschränkt.

Klinische Untersuchung

  • Keine spezifischen pathologischen Befunde
  • Sorgfältige klinischenklinische Untersuchung entsprechend der Empfehlung zur Leitlinie Müdigkeit (Kernempfehlung 5.2.1) und ggf. Zusatzuntersuchungen zum Ausschluss anderer Grunderkrankungen (siehe Abschnitt Differenzialdiagnosen)
  • Puls und Blutdruck
  • Orientierende neurologische Untersuchung
  • Beurteilung der kognitiven Funktionen
    • Häufig sind Abbrüche des Arbeitsgedächtnisses. Störungen des Langzeitgedächtnisses sind dagegen selten.
    • evtl. zusätzlich:
      • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
      • Wortfindungsstörungen
      • Verlangsamung der Informationsverarbeitung.
    • Anders als bei der leichten kognitiven Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment) oder bei einer Demenz halten die Gedächtnisstörungen weder kontinuierlich an, noch verschlimmern sie sich im Lauf der Zeit.
  • Psychische Exploration zum Ausschluss einer psychischen Störung
  • Ggf. Fragebogen zur CFS-Diagnostik

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Indikationen zur Überweisung

  • Eine routinemäßige Überweisung an andere Fachärzt*innen zur klinischen Beurteilung ist in typischen Fällen nicht erforderlich, als Element der zielgerichteten Ausschlussdiagnostik dagegen häufig indiziert, insbesondere zur Abklärung definierter zusätzlicher Beschwerden oder Befunde.
  • Bei akut schwer erkrankten Patient*innen ist eine schnelle und gründliche Diagnostik gefordert, für die in der Regel eine Krankenhauseinweisung notwendig ist.
  • KinderBei undVerdacht Jugendlicheauf sollteneine vonBerufskrankheit Poder schädiater*innendigende untersuchtUmgebungsexposition werdenan eine arbeits-/umweltmedizinische Spezialpraxis oder -einrichtung, undsofern zurnicht Beurteilungausreichende dereigene relevantenKompetenz Differenzialdiagnosenauf diesem Gebiet besteht.
  • Zum Management definierter Erkrankungen, dersofern Komorbiditätnicht undausreichende dereigene psychosozialenKompetenz Belastungauf solltendiesem Fachärzt*innenGebiet für Kinder- und Jugendpsychiatrie hinzugezogen werdenbesteht.

Checkliste zur Überweisung

Chronisches Erschöpfungssyndrom

  • Zweck der Überweisung
  • Anamnese
    • Beginn und Dauer? Entwicklung? Trauma/Krankheit als Auslöser?
    • Symptomatik? Bettlägerigkeit? Besserung durch Ruhe oder Schlaf? Reaktion auf körperliche Anstrengung? Konzentrationsschwierigkeiten? Gedächtnisprobleme?
    • Andere relevante Krankheiten? Psychische Erkrankung? Essstörung?
    • Prädisponierende und/oder aufrechterhaltende Faktoren?
    • Therapie? Wirkung?
    • Auswirkungen der Beschwerden auf alltägliche Aktivitäten? Lebensqualität? Soziale Beziehungen? Arbeitsfähigkeit? Funktionsfähigkeit?
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand? Allgemeiner Organstatus?
    • Kann eine psychische Erkrankung ausgeschlossen werden?
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1,6

Leitlinien: Müdigkeit (DEGAM)1

Therapie

  • Mehrere Studien ergaben Verbesserungen unter aerobem Training.
    • Dies wird bestätigt durch ein Cochrane-Review.124
    • DabeiFür die kausale Behandlung des ME/CFS sind bislang keine Medikamente zugelassen. Nach Expertenmeinung von EUROMENE, der CDC und NICE ist eineein Überlastungkonsequentes Energiemanagement durch Pacing ein wichtiger Baustein der Betroffenen zu vermeidenBehandlung.
  • Ebenfalls wirksam sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren.
    • Kognitive Verhaltenstherapie wie auch schrittweise körperliche Aktivierung zusätzlich zur spezialistischen Betreuung führten zu moderaten Verbesserungen, nicht hingegen die von Selbsthilfegruppen favorisierte adaptive Anpassungstherapie.13
      • Letztere wurde subjektiv von den Studienteilnehmer*innen gleich gut wie die beiden anderen und objektiv wirksamen Therapieformen eingeschätzt.
  • Die positiven Ergebnisse einer angepassten Bewegungstherapie (GET) und einer unterstützenden Verhaltenstherapie (CBT), die die Selbstwirksamkeit stärkt und Ängste gegenüber Aktivität abbaut, sind ermutigend.
    • Sie können aber nur durch Akzeptanz und aktive Mithilfe der Betroffenen zum Erfolg führen.
  • Für die Praxis ist es wesentlich, die Art und das Ausmaß der anzustrebenden Aktivität in  Abstimmung mit den Bedürfnissen und, Fähigkeiten und Belastungsgrenzen der betroffenen Person Patient*innen festzulegen; ein individualisierendesindividualisiertes Vorgehen ist hier angezeigt.
  • BegleitendeAuch das Erfragen und ggf. die Behandlung von begleitenden, häufig belastendesehr Symptomebelastenden Symptomen wie Schmerzen, kardiovaskulare Beschwerden und Schlafstörungen erfragenist undTeil ggf.des mitbehandelnBehandlungskonzeptes.
  • ZusammenfassendAufgrund sinnvollder unterschiedlichen Diagnosekriterien und methodischer Mängel in bisherigen Studien sind keine gut gesicherten Aussagen zu Therapie und Prognose möglich. In diesem Bereich besteht ein erheblicher Forschungsbedarf.
  • Sinnvoll sind:
    • ein positives Akzeptieren der Person und Verständnis für die Beeinträchtigung durch das SymptomSyndrom
    • eine integrierte psychosoziale und somatische Betreuung
    • kKörperliche Aktivität unter Vermeidung einer Überlastung im Sinne von Pacing. Eine körperliche Aktivierung auf Basis des Dekonditionierungskonzeptes soll bei diesen Patient*innen nicht angeboten werden.
    • kognitiv-behavioraleZu Verfahrenbeachten ist die Belastungsintoleranz mit unterschiedlicher Latenz.
    • dieDie Behandlung weiterer Symptome (z.  B. Schlafstörungen, Schmerzen). Insbesondere hierzu können kognitiv-behaviorale Verfahren angeboten werden.
    • Das Sondervotum von DKPM, DGPM, DGIM, DGPPN weist darauf hin, dass die strikte Vermeidung körperlicher Aktivitäten kontraproduktiv sein kann.
    • Die Patientenvertretungen wiesen dieses Sondervotum insgesamt zurück und begründen dies ausführlich (Kapitel 4.3 im Leitlinienreport).

Leitlinien: Müdigkeit1

Therapie

  • Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und u. a. auch die am Leitlinienprozess beteiligten Patientenverbände haben sich auf folgende Empfehlungen geeinigt (IIa–IV, A):
    • Bei ME/CFS sollen keine körperlichen Aktivierungen auf Basis des Dekonditionierungskonzeptes angeboten werden.
    • Zu beachten ist die Belastungsintoleranz mit unterschiedlicher Latenz.
    • Eine Verhaltenstherapie kann angeboten werden, insbesondere zur Therapie von Begleitsymptomen.

Therapieziele

  • Subjektive Besserung der Symptome
  • Steigerung des Aktivitätsniveaus
  • Verbesserung der Funktionsfähigkeit
  • Verbesserung der Lebensqualität

Kognitive Verhaltenstherapie (kVT)

  • Die kVT wird bei vielen chronischen und schweren Erkrankungen als Bewältigungsstrategie eingesetzt, ohne dass damit die Auffassung verbunden ist, dass psychologische Faktoren ursächlich für die Erkrankung sind.
  • Die Therapie kombiniert folgende Elemente:
    • Rehabilitation in Form individuell abgestimmter körperlicher Aktivität
    • Psychotherapie, die auf die Genesung behindernde Gedanken und Vorstellungen ausgerichtet ist, und den Betroffenen Methoden aufzeigt, um die Symptome unter Kontrolle bringen.
    • Planung der Rehabilitation, der Wiederaufnahme der Arbeit/des Schulbesuchs und anderer persönlicher Aktivitäten.
  • In einer systematischen Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit der kVT bei CFS wurden 11 randomisiert kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 1.043 Teilnehmenden berücksichtigt.149
    • DieFür kVT kanngibt es laut IQWIG-Vorbericht einen Hinweis für einen geringen Zusatznutzen, jedoch keine nachgewiesenen Langzeiteffekte. Allerdings waren bei diesen Studien keine Betroffenen mit schwerer Erkrankung (an das Haus gebunden) einbezogen.
    • Laut NICE-Leitlinie ist Verhaltenstherapie im Wesentlichen zur Therapie von Begleitsymptomen bei ME/CFS den Schweregrad der Erschöpfung reduzieren, die Lebensqualität verbessern und zu einer gewissen Verbesserung der Arbeitsfähigkeit führenindiziert.
  • Ein internetgestütztes Programm zur kVT von AdolenszentenAdoleszenten mit chronischer Erschöpfung (FITNET) hat viel versprechendevielversprechende Ergebnisse erbracht (Ib).1510
    • Die Therapie wurde mit einer herkömmlichen Therapie bestehend aus individueller kVT und stufenweiser Aktivierung verglichen.
    • Nach 6 Monaten nahmen 75 % bzw. 16 % der Betroffenen vollständig am Schulunterricht teil, 85 % bzw. 27 % litten nicht mehr unter ausgeprägter Erschöpfung und 78 % bzw. 20 % gaben an, dass ihre körperliche Funktionsfähigkeit normal sei.

IndividuelleAktivierung Bewegungstherapienach dem Dekonditionierungskonzept (Graded Exercise, GE)

  • Die individuelle BewegungstherapieGE ist ein strukturiertes und angeleitetes Bewegungsprogramm, dessen Ziel darin besteht, Menschendie mitkörperliche CFSBelastbarkeit einen besseren Alltagsukzessive zu ermöglichen, die Kondition aufrechtzuerhalten und die Symptomlast zu mindernsteigern.
  • Zur individuellen Bewegungstherapie können alle Arten körperlicher Aktivität eingesetzt werden, auch alltägliche Tätigkeiten.
  • Das Therapieprogramm beginnt mit einer Beurteilung des Ausgangszustands.
    • Begonnen wird mit kurzen Übungseinheiten, z.  B. 10  min täglich.
    • Danach erfolgt eine langsam dosierte Steigerung: zunächst der Frequenz, dann der Dauer der Übungseinheiten und schließlich, wenn ein stabiler Allgemeinzustand erreicht ist, eine Steigerung der Intensität.
  • In einerseinem systematischenVorbericht Metaanalysebescheinigte überdas IQWIG diesem Therapieverfahren einen Hinweis auf einen geringen kurzfristigen Zusatznutzen, was von Patientenvertretungen heftig kritisiert wurde: Bei PEM muss bei der Belastungssteigerung mit erheblicher Verschlechterung des Befindens gerechnet werden, wozu es viele einschlägige Patientenberichte gibt, die Wirksamkeitvon derFachexpert*innen Bewegungstherapiebestätigt beiwerden. CFSAußerdem wurden8gibt RCTes mitkeinen insgesamt 1.518 Teilnehmenden berücksichtigt.12
    • Die BewegungstherapieHinweishrter zulängerfristige einerpositive signifikanten Besserung der Erschöpfung.
    • Die Bewegungstherapie führte außerdem zu einer Besserung des SchlafsEffekte, der Funktionsfähigkeit und desdie subjektivzugrunde eingeschliegenden Studien wiesen erhebliche methodische Mätzten Gesundheitszustands der Betroffenen.
    • Es liegen keine ausreichenden Belege vor, umngel auf eine Wirksamkeit der Bewegungstherapie auf Schmerzen, Lebensqualität, Angst oder Depression schließen zu können.
  • Bei einer Bewegungstherapie mit einer Intensität von mehr als 70 % der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) kam es zu einer hohen Abbruchquote. Außerdem waren keine Personen mit schwerer Symptomatik einbezogen.
  • Aus einerdiesen großenGründen britischen RCT geht hervor, dasswarnt die BewegungstherapieDEGAM-Leitlinie verglichenMüdigkeit vor einer körperlichen Aktivierung nach dem Dekonditionierungskonzept bei Menschen mit derME/CFS.

Pacing

  • Unter herkömmlichenPacing Betreuungwird das Einhalten eines individuell passenden Belastungsniveaus verstanden, sodass eine Überlastung und Verschlechterung der Symptome durch PEM vermieden wird. Gleichzeitig soll damit die noch tolerable Belastung ermöglicht werden.
  • Dieses Vorgehen wurde als „Energy Envelope“ oder „Energy Management“ bezeichnet. Dabei wird ausgelotet, welche Belastung von Patient*innen ohne Symptomverschlechterung toleriert wird und die Aktivitätsanpassungt zunächst auf dieses Niveau beschränkt.
  • Es gilt „Flare Ups“ der Symptome, induziert durch Überlastung, zu vermeiden. Sobald ein „Flare Up“ auftritt, soll die Aktivität reduziert werden.
  • Im Idealfall kann durch konsequentes Pacing eine signifikanteVerbesserung Wirksamkeiterreicht aufwerden. ErschöpfungWichtig ist hierbei eine engmaschige und Bewegungsfunktionenempathische hatBegleitung der Betroffenen, auch mit Unterstützung durch in ME/CFS geschulte Physiotherapeut*innen.
  • Bisher gibt es keine ausreichenden Nutzenbeleg für dieses Konzept.1311 

Empfehlungen für Patient*innen

  • Lediglich zu Ruhe zu raten, wirkt sich – wie bei den meisten anderen Erkrankungen auch – ungünstig auf den Allgemeinzustand der Betroffenen aus.
  • Individuelle BewegungstherapieBelastungsgestaltung (s.  o.)
    • Beginn mitunter kurzen,Beachtung leichtender Übungseinheiten,aktuellen danach langsame Steigerung
    • Überlastung vermeiden.
    Belastungsgrenzen

Medikamentöse Therapie

  • Es gibt bisher keine gesicherte Grundlage dafür, eine medikamentöse Therapie zu empfehlen, wenn nicht gleichzeitig eine weitere Erkrankung vorliegt, die medikamentös behandelt werden kann.

Qualität der Arzt-Patienten-Beziehung

  • In qualitativen Studien wurde dargestellt, wie sich die Interaktion zwischen Behandelnden und Behandelten komplizieren kann, wenn diese sich in Bezug auf die Ursache und die Therapie nicht einig sind.
  • Viele Betroffene nehmen den Kontakt mit Ärzt*innen und dem Gesundheitswesen als negativ wahr.
  • Die Untersuchung und die Therapie sollten in Begleitung eines offenen Dialogs mit den Betroffenen erfolgen.
  • Hausärzt*innen kommt hier primär die Rolle zu, die betroffene Person und ihre Beschwerden ernst zu nehmen, sie wertzuschätzen und zu begleiten sowie die erforderlichen Therapieschritte zu koordinieren und auf soziale Hilfsangebote hinzuweisen.
  • Es sollen feste Folgetermine angeboten werden, um den Verlauf zu beobachten und angepasste weitere Schritte einzuleiten.
  • Dabei kann ein Symptomtagebuch hilfreich sein.
  • Die Erwartung der Betroffenen, mit ihren Beschwerden ernstgenommen und medizinisch wie sozial unterstützt zu werden, ist berechtigt.
    • Eine „Psychiatrisierung" erscheint ebenso kontraproduktiv wie die Entwicklung weiterer Fallkriterien.
    • Vielmehr sollte an den jeweils individuell im Vordergrund stehenden Symptomen angesetzt und therapeutischdie deraktuelle AbwärtsspiraleBelastbarkeit aus Krankheitsstress, veränderter Wahrnehmung und Verschlechterung entgegengewirktausgelotet werden.

DEGAM-Leitlinie Müdigkeit – Zusatzmodule für Ärzt*innen und MFA

Verlauf, Komplikationen und Prognose

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf diesen Referenzen.1,64

Verlauf

  • In manchen Fällen ist der Schweregrad der Symptome relativ konstant, bei vielen – auch den am schwersten Erkrankten – schwankt er jedoch, was zu einer unterschiedlich guten oder schlechten Tagesform führen kann.
  • Der Verlauf ist individuell unterschiedlich und starken Schwankungen unterworfen. Schwer Erkrankte sind über längere Phasen bettlägerig und mehr oder weniger stark pflegebedürftig.
  • Bei manchen hält die Erkrankung weniger als 2 Jahre an, bei anderen wiederum gestaltet sich der Verlauf sehr langwierig.
  • Derzeit kann mit keinem Therapieverfahren eine Heilung mit ausreichender Sicherheit erwartet werden.
  • Die kVT ist bei geringer oder mittelschwerer Symptomausprägung wirksamer als andere Interventionen, und es ist von entscheidender Bedeutung, die Betroffenen davon zu überzeugen, dass eine Genesung möglich ist.

Komplikationen

  • Hinweise auf eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität sind vorläufig.
  • Eine große retrospektive Kohortenstudie zeigte eine erhöhte Suizidrate.1612

Prognose

  • InKeine 17–64generelle %Prognose der Fälle Verbesserung unter der Behandlungmöglich
  • Weniger als 10  % erreichen eine volle Remission.
  • Bis zu 20  % der zunächst erfolgreich Behandelten erleben im weiteren Verlauf eine erneute Zunahme ihrer Beschwerden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Bei den meisten Patient*innen kommt es im Laufe der Zeit zu einer Besserung.
  • Es sollte ein vorsichtiges körperliches Training mit stufenweise zunehmender Belastung angestrebt werden, dies setzt jedoch einen angemessenen Plan für die Handhabung von Rückfällen voraus.

Patienteninformationen in Deximed

DEGAM-Leitlinie Müdigkeit

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Müdigkeit. AWMF-Leitlinie Nr. 053-002. S3, Stand 20172022. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Müdigkeit. DEGAM-Leitlinie Nr. 2 und AWMF-Leitlinie Nr. 053-002. S3. Stand 20172022. www.degam.de
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Autor*innen

  • ThomasErika MBaum, Prof. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Caroline Beier, Dr. med., FachärztinProfessorin für Allgemeinmedizin, HamburgBiebertal (DEGAM-Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
G933
A04; N99
Fatigue; Depression; Müdigkeitssyndrom; Schlafstörung; Chronic Fatigue Syndrom; ME/CFS; CFS/ME; ME; myalgische Enzephalitis; Myalgische Enzephalopathie; Müdigkeit; Erschöpfung; kognitive Therapie; kognitive Verhaltenstherapie; Bewegungstherapie; Individuelle Bewegungstherapie; Systemic Exertion Intolerance Disease; SEID; Neurasthenie; myalgische Enzephalopathie; myalgische Enzephalomyelitis; postvirales Müdigkeitssyndrom; chronisches Müdigkeitssyndrom; chronisches Erschöpfungssyndrom; postvirales Erschöpfungssyndrom; Myalgic Encephalomyelitis; Systemische Belastungs-Intoleranz-Erkrankung; Post-Exertional Malaise; PEM
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)
U-NH 18.10.17
DEGAM Rev. Frau Baum 06.02.23 BBB MK 02.02.2023 revidiert und an neue DEGAM-LL angepasst. BBB MK 16.09.2021 umfassend gekürzt und aktualisiert. chck go 9.6. DDD MK 21.10.2018, komplett überarbeitet, DEGAM-LL
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Definition:Ein Syndrom, das mit einem schwerwiegenden und anhaltenden Gefühl der Erschöpfung sowie verschiedenen Zusatzsymptomen einhergeht. Es existieren viele Synonyme bzw. ähnliche Gesundheitsstörungen, z. B. chronisches Müdigkeitssyndrom, ME/CFS/ME, systemische Belastungsintoleranzerkrankung (SEID). oderInzwischen Post-Exertionalgibt Malaisees (einen internationalen Konsens, dass PEM) ein obligates, aber nicht das alleinige Symptom bei den Betroffenen ist. Die Ätiologie ist ungeklärt und möglicherweise heterogen. DerAuch der Verlauf ist heterogen und immer individuell zu erheben. Die ExistenzEinordnung und Nomenklatur des CFS als eigene Krankheitsentität ist kontrovers. International ist die Bezeichnung ME/CFS, was für myalgische Enzephalomyelitis (oder Enzephalopathie)/chronisches Fatigue-Syndrom steht, am ehesten etabliert mit ICD Code G 93.3.
Neurologie
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)
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SiteDisease
Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)
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