Definition: Die Mastoiditis ist eine Entzündung in der Schleimhaut des Processus mastoideus und tritt als seltene, aber potenziell vital bedrohliche Komplikation einer akuten Mittelohrentzündung auf.
Diagnostik: Die Diagnose kann klinisch und anamnestisch gestellt werden. Bildgebende Verfahren tragen zur Diagnosesicherung von Komplikationen bei.
Therapie: Antibiose, systemische Analgesie; ggf. chirurgische Sanierung durch einen HNO-Facharzt.
Allgemeine Informationen
Definition
Entzündung der Schleimhaut des Processus mastoideus
Lokale Ausbreitung einer Infektion auf die mit Schleimhaut ausgekleideten Zellen des Temporalknochens, die langfristig zu einer Zerstörung des Knochens führen kann.1
Häufigkeit
Im Verhältnis zur großen Anzahl der Kinder mit akuter Otitis media kommt es relativ selten zur Komplikation Mastoiditis, am häufigsten – aufgrund der anatomischen Gegebenheiten – bei Kleinkindern.
Bei rezidivierenden Mittelohrentzündungen tritt eine Mastoiditis häufiger auf.2
Klinische Anatomie
Der Warzenfortsatz ist ein Teil des Temporalknochens. Im Rahmen der Entwicklung entstehen lufthaltige Hohlräume, die mit Schleimhaut ausgekleidet sind.
Die Nähe zur Eustach'schen Röhre und dem Mittelohr ist von entscheidender Bedeutung für die Pathogenese der Mastoiditis.
Komplikationen der Mastoiditis sind der Nähe zum N. facialis, zum Gleichgewichtsorgan, zum M. sternocleidomastoideus, zur V. jugularis, zur A. carotis interna, zum Sinus sigmoideus, zu Gehirn und Hirnhäuten geschuldet.
Ätiologie und Pathogenese
Die Erkrankung tritt in der Regel als fortgeleitete Entzündung nach einer akuten Mittelohrentzündung auf3, wobei eine zwischenzeitliche Besserung nicht unüblich ist.
In Studien wird der Einfluss einer grundsätzlichen antibiotischen Therapie einer akuten Otitis media zur Vermeidung der Mastoiditis als seltene Komplikation kontrovers diskutiert. Wenn man Entwicklungen von Resistenzen, Nebenwirkungen und Kosten in Betracht zieht, ist dies nicht zu verantworten.3
Bei jüngeren Kindern ist das Risiko einer Mastoiditis aufgrund der anatomischen Gegebenheiten höher.
Pathophysiologie
Eine Mastoiditis entsteht meist durch eine vom Mittelohr fortgeleitete Infektion.3
Das Erregerspektrum der Mastoiditis deckt sich folglich mit dem des Primärinfekts:
Streptococcus pneumoniae
Streptococcus pyogenes
Haemophilus influenzae
Staphylococcus aureus
Pseudomonas aeruginosa
Escherichia coli
Proteus mirabilis.
Durch Einschmelzung der Mastoidzellen kommt es zu einer Knochendestruktion.
Bei Ausbreitung des entzündlichen Prozesses in die Felsenbeinpyramide mit Trigeminus-Schmerzen und Abduzensparese spricht man von einem Gradenigo-Syndrom.
Die Progression der lokalen Erkrankung kann mit einer erheblichen Morbidität verbunden sein und sich zu einer lebensbedrohlichen Krankheit entwickeln.
ICPC-2
H71 Akute Mittelohrentzündung
H74 Chronische Mittelohrentzündung
ICD-10
H70 Mastoiditis und verwandte Zustände
H70.0 Akute Mastoiditis
H70.1 Chronische Mastoiditis
H70.2 Petrositis
H70.8 Sonstige Mastoiditis und verwandte Zustände
H70.9 Mastoiditis, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose basiert auf einer typischen Anamnese und klinischen Befunden.
Eine Bestätigung durch eine HNO-Ärztin/einen HNO-Facharzt, der/dem auch die weitere Behandlung obliegt, ist unumgänglich.
Bei Verdacht auf Komplikationen werden ein Felsenbein-CT oder ein Schädel-MRT durchgeführt.
Retroaurikuläre Lymphadenopathie im Rahmen einer lokalen Infektion
Anamnese
Die Erkrankung kann sich aus einer akuten Mittelohrentzündung entwickeln, aber auch nach einer symptomfreien Periode auftreten.
Sie tritt aufgrund der anatomischen Gegebenheiten am häufigsten bei Kleinkindern auf.
Klinische Untersuchung
Typische Symptome sind Fieber, stark reduzierter Allgemeinzustand, Ohrenschmerzen und retroaurikuläre Schwellung (abstehendes Ohr), Druckschmerzhaftigkeit sowie Hörminderung.
Eine Zielaufnahme des Felsenbeines kann eine Verschattung der Mastoidzellen als Ausdruck eines osteodestruktiven Prozesses darstellen.
MRT
Die Schädel-MRT weist eine höhere Sensitivität im Nachweis vaskulärer Komplikationen oder Abszessen in den Weichteilen auf.
Indikationen zur Überweisung
Eine Bestätigung der Diagnose durch eine HNO-Fachärztin/einen HNO-Facharzt ist unumgänglich. Dieser/diesem obliegt auch die Entscheidung über die weitere Diagnostik und Therapie.
Therapie
Therapieziele
Die Erkrankung heilen.
Komplikationen vermeiden.
Allgemeines zur Therapie
Die Behandlung schließt die Gabe von Antibiotika und Schmerzmitteln und oft auch eine chirurgische Sanierung ein.
Vor allem bei Kindern ist ein stationärer Aufenthalt mit intravenöser Antibiotika-Gabe erforderlich.
Medikamentöse Therapie
Für die Primärtherapie wird eine Abdeckung sowohl gegen gramnegative als auch gegen grampositive Bakterien empfohlen.
Nach erfolgtem Erregernachweis und Antibiogramm kann auf eine weniger breite Therapie umgestellt werden.
Eine ausreichende systemische Analgesie ist ebenso eberforderlich.
Operative Therapie
Parazentese
Der Trommelfellschnitt dient der Druckentlastung des Mittelohres, Sekret kann abfließen. Aus diesem kann ein Erregernachweis erfolgen.
Die Indikation wird durch eine HNO-Fachärztin/einen HNO-Facharzt gestellt.
Mastoidektomie
Intrakranielle Affektion, ein Druchbruch der Eiterung nach außen (subperiostaler Abszess, Bezold-Abszess), ein Gradenigo-Syndrom und andere Komplikationen können eine Mastoidektomie notwendig machen.5
Die Indikation wird durch eine HNO-Fachärztin/einen HNO-Facharzt gestellt.
Prävention
Es wird kontrovers diskutiert, ob die Inzidenz der Mastoiditis als Komplikation einer akuten Otitis media durch frühzeitige bzw. grundsätzliche Gabe von Antibiotika des Primärinfektes verringert werden kann. 3
Hinzu kommt, dass die Resistenzlage und das Nebenwirkungsprofil bei einer prinzipiellen antibiotischen Therapie in Betracht gezogen werden müssen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
In der Regel erfolg ein stationärer Aufenthalt mit intravenöser Antibiose und systemischer Analgesie. Bei chirurgischer Sanierung kommt das übliche postoperative Vorgehen zum Tragen.
Nussinovitch M, Yoeli R, Elishkevitz K, Varsano I. Acute mastoiditis in children: epidemiologic, clinical, microbiologic, and therapeutic aspects over past years. Clin Pediatr (Phila) 2004; 43: 261-7. PubMed
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Ohrenschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-009, Stand 2014. awmf.org
Vazquez E, Castellote A, Piqueras J, et al. Imaging of complications of acute mastoiditis in children. Radiographics 2003; 23: 359-72. PubMed
Taylor MF, Berkowitz RG. Indications for mastoidectomy in acute mastoiditis in children. Ann Otol Rhinol Laryngol 2004; 113: 69-72. PubMed
Oestreicher-Kedem Y, Raveh E, Kornreich L, et al. Complications of mastoiditis in children at the onset of a new millennium. Ann Otol Rhinol Laryngol 2005; 114: 147-52. PubMed
Autoren
Miriam Spitaler, Dr. med. univ., Ärztin für Allgemeinmedizin, Innsbruck, Österreich
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Per Møller, spesialist i øre/nese/hals, overlege ØNH-avdelingen Haukeland sykehus og professor ved Universitetet i Bergen
MastoidittH70; H700; H701; H702; H708; H709
Mastoiditt
MastoidittH71; H74
Infektion der Mastoidzellen; Infektion im pneumatischen System des Felsenbeines; Komplikation der akuten Mittelohrentzündung; Komplikation der akuten Otitis media
Definition: Die Mastoiditis ist eine Entzündung in der Schleimhaut des Processus mastoideus und tritt als seltene, aber potenziell vital bedrohliche Komplikation einer akuten Mittelohrentzündung auf.