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Verletzungen der Hand

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Hand verfügt über eine komplizierte Anatomie und hat viele Funktionen.
    • Verletzungen an der Hand können daher erhebliche Funktionseinschränkungen nach sich ziehen.1
  • Auch bei leichten Verletzungen sollte eine gründliche medizinische Untersuchung erfolgen, um das Risiko bleibender Beschwerden zu minimieren.
  • Verletzungen der Hand können in 5 Hauptgruppen unterteilt werden:
    1. Schnittverletzungen
    2. Frakturen und Luxationen
    3. Weichteilschäden und Amputationen
    4. Infektionen
    5. Verbrennungen.

Häufigkeit

  • Verletzungen der Hand sind für 5–10 % aller Fälle in der Notaufnahme verantwortlich.1
  • Zu den häufigsten Verletzungen zählen Schnittverletzungen, Quetschverletzungen, Frakturen, Verbrennungen und Infektionen.

ICPC-2

  • L81 Verletzung muskuloskelettär NNB
  • S14 Verbrennung/Verbrühung
  • S16 Prellung/Kontusion
  • S18 Risswunde/Schnittverletzung
  • S19 Hautverletzung, andere

ICD-10

  • S60 Oberflächliche Verletzung des Handgelenkes und der Hand
    • S60.0 Prellung eines oder mehrerer Finger ohne Schädigung des Nagels
    • S60.1 Prellung eines oder mehrerer Finger mit Schädigung des Nagels
    • S60.2 Prellung sonstiger Teile des Handgelenkes und der Hand
    • S60.7 Multiple oberflächliche Verletzungen des Handgelenkes und der Hand
    • S60.8 Sonstige oberflächliche Verletzungen des Handgelenkes und der Hand
    • S60.9 Oberflächliche Verletzung des Handgelenkes und der Hand, nicht näher bezeichnet
  • S61 Offene Wunde des Handgelenkes und der Hand
    • S61.0 Offene Wunde eines oder mehrerer Finger ohne Schädigung des Nagels
    • S61.1 Offene Wunde eines oder mehrerer Finger mit Schädigung des Nagels
    • S61.7 Multiple offene Wunden des Handgelenkes und der Hand
    • S61.8 Offene Wunde sonstiger Teile des Handgelenkes und der Hand
    • S61.9 Offene Wunde des Handgelenkes und der Hand, Teil nicht näher bezeichnet
  • S62 Fraktur im Bereich des Handgelenkes und der Hand
    • S62.0 Fraktur des Os scaphoideum der Hand
    • S62.1 Fraktur eines oder mehrerer sonstiger Handwurzelknochen
    • S62.2 Fraktur des 1. Mittelhandknochens
    • S62.3 Fraktur eines sonstigen Mittelhandknochens
    • S62.4 Multiple Frakturen der Mittelhandknochen
    • S62.5 Fraktur des Daumens
    • S62.6 Fraktur eines sonstigen Fingers
    • S62.7 Multiple Frakturen der Finger
    • S62.8 Fraktur sonstiger und nicht näher bezeichneter Teile des Handgelenkes und der Hand
  • S63 Luxation, Verstauchung und Zerrung von Gelenken und Bändern in Höhe des Handgelenkes und der Hand
  • S64 Verletzung von Nerven in Höhe des Handgelenkes und der Hand
  • S65 Verletzung von Blutgefäßen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
  • S66 Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
  • S67 Zerquetschung des Handgelenkes und der Hand
  • S68 Traumatische Amputation an Handgelenk und Hand
  • S69 Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des Handgelenkes und der Hand

Differenzialdiagnosen

Wunden

  • Untersuchung
    • Blutzirkulation und kapilläre Füllungszeit (> 3 sec pathologisch)
    • Sensitivität bei Berührung und Vergleich mit unverletztem Finger bzw. unverletzter Hand
    • passive und aktive Beweglichkeit im Seitenvergleich
  • Überweisung
    • Bei gestörter Zirkulation sowie bei sensorischen und motorischen Ausfällen sollte eine Handchirurgin/ein Handchirurg konsultiert werden.
    • Wunde mit Kochsalzkompressen möglichst steril bedecken und nicht nähen.
    • Beginnen Sie keine korrigierenden Behandlungsmaßnahmen, die Sie nicht beenden können.
      • Dies erschwert die Arbeit der weiterbehandelnden Spezialisten.
  • Therapie
    • Wunden ohne distale neurologische Ausfallssymptome werden nach den geltenden Vorschriften genäht.
    • abhängig von Verschmutzung und Tiefe der Wunde Tetanusimpfung sowie prophylaktische Antibiose
    • Praktisch alle Blutungen werden mittels Kompressionsbehandlung gestoppt.
      • Ligatur von Fingerarterien ist in der Regel nicht indiziert und kann neurologische Schäden verursachen.

Sehnenverletzungen

  • Entstehen häufig im Zusammenhang mit tiefen Schnittwunden.2
  • Sehnenverletzungen auf der Palmarseite des Handgelenks oder der Hand sollten von einer Handchirurgin/einem Handchirurgen behandelt werden.
  • Strecksehnenverletzungen am distalen Interphalangealgelenk ohne Abrissfraktur können konservativ mittels Stack-Schiene behandelt werden.
    • Die Schiene Tag und Nacht für 6–8 Wochen tragen.

Nervenschäden

  • Stumpfe, penetrierende und Quetschverletzungen können zu Nervenschädigungen führen, die in 3 Formen unterteilt werden:
    1. Neurapraxie (mildeste Form)
      • passagere Funktionsstörung durch Dehnung oder Druck
      • Nerv bleibt intakt.
    2. Axonotmesis
      • Schädigung des Axons bei erhaltenden Myelinscheiden
      • in der Regel Regeneration des Nervens 
    3. Neurotmesis
      • komplette Kontinuitätsunterbrechung von Axonen und Myelinscheiden
      • Zur Heilung bedarf es der Nervenrekonstruktion.

Frakturen

  • Fingerfraktur, Metakarpalfraktur, Skaphoidfraktur, Handwurzelfraktur
  • Offene und/oder instabile Frakturen
    • Sollten mit bewegungsstabiler Osteosynthese reponiert werden.
    • Bei starker Kontamination oder ausgeprägtem Weichteilschaden kann eine externe Fixierung nötig sein.
  • Intraartikuläre Fraktur
    • Operation mit anatomischer Reposition und Fixation
    • Man kann sich nicht darauf verlassen, dass intraartikuläre Frakturen ohne Fehlstellung allein durch Eingipsen in Position bleiben.
    • frühe und regelmäßige Kontrollen 
  • Diaphysäre Fraktur ohne spezielle Fehlstellung
    • Kann konservativ mit Gipsverband behandelt werden.
  • Bei einer Winkelfehlstellung von mehr als 5–10 Grad
    • Reposition oder Operation erwägen.
  • Auf mögliche Rotationsfehler bei Metakarpal- und Fingerfrakturen achten.
  • Eingipsen
    • Stets mindestens 2 Finger zusammen gipsen.
    • Gefahr der Kontraktur bei unphysiologischer Gelenkstellung
      • In Funktionsstellung eingipsen:
        • leichte Dorsalextension im Handgelenk
        • Flexion der Fingergrundgelenken, 70–90 Grad
        • Daumen in Opposition zum gestreckten Grundgelenk und Endgelenk; Daumen und Zeigefinger können sich berühren.
      • Auf diese Weise ist eine schnelle Mobilisierung möglich.

Amputationsverletzungen

  • Entfernung von Schmuck am abgetrennten Finger
    • Zum späteren Zeitpunkt ist er durch Schwellung/Ödem schwieriger zu entfernen.
  • Abgetrennten Finger in feuchte Kochsalzkompressen einwickeln und in wasserdichten Plastikbeutel geben.
  • Kühlung sollte nur erfolgen, wenn der Transport mehrere Stunden in Anspruch nimmt.
    • Kein direkter Kontakt des Amputats mit Eis: Größeren Beutel mit kaltem Wasser und ggf. Eiswürfel füllen. Amputat in verschlossenem Plastikbeutel in den größeren Beutel geben.
  • Größere Amputate mit Muskeln werden ebenfalls in feuchte Kochsalzkompressen eingewickelt und in einen wasserdichten Plastikbeutel gegeben.
  • Amputationsstumpf mit feuchter Kompressionsbandage verbinden.
  • Amputat und Patient sollten umgehend zur Handchirurgie transportiert werden.

Verbrennungen

  • Siehe die Artikel über Verbrennungen: Leichte Verbrennungen und Schwere Verbrennungen.
  • Meist sind Hand und Unterarm von einer Verbrennung betroffen, und die Verbrennung ist oftmals oberflächlich.
  • Stets überprüfen, wie tief die Verletzung geht.
  • Schlechte Behandlungsergebnisse bei tiefen Verbrennungen beruhen häufig mehr auf unzureichender Behandlung als auf ursprünglicher Verletzung.

Anamnese

Wichtige Fragen

  • Immer prüfen: Status der Tetanus-Impfung!

Schnittverletzungen

  • Schnittwerkzeug
    • Kontamination durch z. B. Fleisch oder Fisch bei Küchenmesser
  • Schmerzen?
  • Blutung?
  • Taubheitsgefühle?
  • Bewegungseinschränkung?
  • Schwäche?
  • Blässe?

Frakturen und Dislokationen

  • Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen?
  • Deformation?
  • Rotationsfehler?
  • Schwellung und Verfärbung der Haut?
  • Bewegungseinschränkung?
  • Taubheitsgefühle?
  • Schwäche?
  • Blutung?

Weichteilschäden und Amputationen

  • Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen?
  • Deformation?
  • Schwellung und Verfärbung der Haut?
  • Blutung?
  • Schwäche?
  • Taubheitsgefühle?

Infektionen

  • Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen?
  • Lokale Überwärmung?
  • Rötung?
  • Schwellung?
  • Fieber? (selten bei Infektionen der Hand)
  • Deformation?
  • Bewegungseinschränkung?

Verbrennung

  • Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen oder komplette Taubheit?
  • Deformation?
  • Verfärbung der Haut?
  • Gewebeverlust?
  • Veränderungen der Hautbeschaffenheit?
  • Rötung?
  • Blasenbildung?

Weitere Informationen

  • Wie ist es zu der Verletzung gekommen?
  • Rechts- oder Linkshänder?
  • Berufe und relevante Hobbys?

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
  • Sensibilität
  • Durchblutung
  • Muskel- und Sehnenuntersuchung im Seitenvergleich
    • Beweglichkeit
    • Kraft
  • Untersuchung des Skeletts
    • Fraktur?
    • Dislokation?
    • Rotationsfehler?

Ergänzende Untersuchungen

  • Evtl. Röntgen

Maßnahmen und Empfehlungen

Erste Hilfe

Schnittverletzungen

  • Üben Sie Druck auf die Wunde aus, um die Blutung zu stoppen.
  • Spülen Sie die Wunde und reinigen Sie von Schmutz und Fremdpartikeln, sofern dies möglich ist.
  • Bedecken Sie die Wunde, um weitere Verunreinigungen oder Verletzungen zu verhindern.
  • Größere Fremdkörper wie Nägel, Haken, Messer sollten keinesfalls entfernt werden.

Frakturen und Dislokationen

  • Immobilisieren oder schienen Sie die Hand, sofern dies möglich ist.
  • Bei einer offenen Fraktur (sichtbarer Knochen) sollte die Wunde vorsichtig mit einem sauberen Tuch, Kleidungsstück oder einer Mullbinde bedeckt werden.
  • Durch adäquate Kühlung können die Schmerzen gelindert werden.
    • Kühlen Sie möglichst nicht länger als 20 Minuten.
      • Gefahr der Minderperfusion durch Vasokonstriktion
    • Kühlen Sie niemals direkt auf der Haut.
      • Gefahr von Kältenekrosen

Weichteilschäden und Amputationen

  • Üben Sie Druck auf die Wunde aus, um die Blutung zu stoppen.
  • Bedecken Sie die Wunde nach Möglichkeit mit einer feuchten Bandage.
  • Heben Sie die Hand an, sodass sie sich oberhalb des Herzens befindet.
  • Mitnahme amputierter Körperteile
    • Bedecken Sie das Amputat, und halten Sie es feucht.

Infektion

  • Halten Sie die Wunde sauber und trocken.

Verbrennungen

  • Thermische Verbrennung: Kühlen Sie die Wunde mit Wasser (nicht kontinuierlich bei Verbrennung von mehr als 15 % der Körperoberfläche, nicht bei Kleinkindern, nicht bei Bewusstlosen, nicht mit Eis), und bedecken Sie sie anschließend.
  • Chemische Verbrennung: Spülen Sie die Wunde mit reichlich Wasser und bedecken Sie sie anschließend.
  • Erfrierung: Wärmen Sie die Hand im lauwarmen Wasserbad (40–41 °C), und bedecken Sie sie anschließend.

Indikationen zur Klinikeinweisung

  • Bei folgenden Symptomen und Beschwerdebildern sollten die Patienten in die Notaufnahme/ins Krankenhaus eingewiesen werden:
    • nicht stillbare Blutungen
    • Taubheitsgefühle
    • Verlust der Beweglichkeit oder Kraft
    • starke Schmerzen
    • Deformation oder Amputation
    • Anzeichen einer Infektion wie Berührungsempfindlichkeit, lokale Überwärmung, Rötung, Schwellung, Eiter, Fieber
    • sichtbare Strukturen wie Sehnen, Knochen, Gelenke, Arterien, Venen, Nerven.

Quellen

Literatur

  1. Lese AB. Soft tissue hand injury. Medscape, last updated Sep 29, 2015. emedicine.medscape.com
  2. Lalonde DH, Kozin S. Tendon disorders of the hand. Plast Reconstr Surg. 2011 Jul. 128(1):1e-14e. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt a. M.
  • Björn Salomonsson, med dr och överläkare, Ortopedkliniken, Danderyds sjukhus
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
s64 skada på nerver på handleds- och handnivå; s60.0 kontusion på finger utan skada på nagel; s60.1 kontusion på finger med skada på nagel; s60.2 kontusion på andra delar av handled och hand; s60.7 multipla ytliga skador på handled och hand; s60.8 andra specificerade ytliga skador på handled och hand; s60.9 ytlig skada på handled och hand, ospecificerad; s61.0 sårskada på finger utan skada på nagel; s61.1 sårskada på finger med skada på nagel; s61.7 multipla sårskador på handled och hand; s61.8 sårskada på andra specificerade delar av handled och hand; s61.9 sårskada på handled och hand med icke specificerad lokalisation; s68 traumatisk amputation av handled och hand; s62 fraktur på handled och hand; s62.0 fraktur på os scaphoideum; s62.1 fraktur på andra karpalben; s62.2 fraktur på första metakarpalbenet; s62.3 fraktur på annat metakarpalben; s62.4 multipla frakturer på metakarpalben; s62.5 fraktur på tumme; s62.6 fraktur på annat finger; s62.7 multipla frakturer på fingrar; s62.8 fraktur på andra och icke specificerade delar av handled och hand; s65 skada på blodkärl på handleds- och handnivå; s67 klämskada på handled och hand; s60 ytlig skada på handled och hand:; s61 sårskada på handled och hand:; s62 fraktur i handled och hand:; s63 luxation, distorsion, sträckning eller ruptur av led och ledband på handleds- och handnivå; s69 andra och icke specificerade skador i handled och hand
r298p; andra symtom och sjukdomstecken från nervsystem och muskuloskeletala systemet; t05-p; traumatisk amputation; s635; distorsion i handled; s627p; fraktur på finger eller tumme; s624p; fraktur på metakarpalben; s620; skafoideumfraktur i hand; m700; kronisk krepiterande synovit i hand och handled; m654; radial handledstenosynovit
Handverletzung; Schnittverletzungen der Hand; Handfraktur; Fraktur der Hand; Handluxation; Luxation der Hand; Fingerfraktur; Fingergliedamputation; Quetschverletzung; Metakarpalfraktur; Scaphoidfraktur; Handgelenksfraktur; Handsehnenverletzung; Amputationsverletzung der Finger; Handverbrennungen
Verletzungen der Hand
U-NH 08.11.17
CCC MK 24.04.2019, revidiert (AiW Ortho). chck go 12.4.
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Die Hand verfügt über eine komplizierte Anatomie und hat viele Funktionen. Verletzungen an der Hand können daher erhebliche Funktionseinschränkungen nach sich ziehen.1
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