DefinitionAllgemeine Informationen
Tierbissverletzungensind häufige Verletzungen, insbesondere bei Kindern.160–80 % werden durch Hunde verursacht, 20–30 % durch Katzen. Bissverletzungen durch andere Tiere sind deutlich seltener.Bissverletzungen durch Menschen können in Städten bis zu 20 % der Bissverletzungen ausmachen.
Besonders bei Katzenbissen besteht das Risiko einer schweren Infektion,Tetanus,Tollwut,Tularämie,Leptospirosensowie seltene Zoonosen können übertragen werden.Auch bei Menschenbissen besteht eine hohe Infektionsgefahr, hier muss auch an eine mögliche Übertragung vonHepatitis BundCsowieHIVgedacht werden.
Häufigkeit
- In
EuropadiesemtretenArtikeljährlichwerdenzwischen 175 und 740 Bissverletzungen pro 100.000 Einwohner auf.2 Mehr alsnur dieHälfteempfohlenen Erste-Hilfe-Maßnahmen in derBetroffenenHausarztpraxissindbeiKinder,einemJungenTier-mehroderalsMenschenbissMädchengenannt.DieFürmeistenausführlichereBissverletzungenInformationenbetreffensieheHändeArtikel Tier- undHandgelenke, besonders gefährlich sind Bissverletzungen im GesichtMenschenbiss.
Therapie
Therapieziele
AkuteBeiNotfallversorgungschweren Bissverletzungen mit massiven Blutungen Sicherung der Vitalfunktionen (siehe auch Hypovolämischer Schock).- sehr selten
- Infektionen vermeiden.
- Gute Abheilung der Wunden
Allgemeines zur Therapie
EinteilungDieinTherapieSchweregradesetztvonsichBissverletzungen3GradzusammenI:ausoberflächliche Hautläsion, Risswunde, Kratzwunde, Bisskanal, Quetschwunde,Grad II: Hautwunde, bisAllgemeinmaßnahmen zurFaszie/Muskulatur/KnorpelLokalbehandlungreichendGrad III:der Wundemit Gewebsnekrose oder Substanzdefekt
Einteilung für offene Hundebissverletzungen im Gesichtsbereich3Stadium I: oberflächliche Verletzung ohne Beteiligungsowie derMuskulaturStadium II: tiefe Verletzung mit Beteiligung der MuskulaturStadium III: tiefe Verletzung mit Beteiligung der Muskulatur und SubstanzdefektStadium IVA: Stadium III und Gefäß- und NervenverletzungStadium IVB: Stadium III und Knochenbeteiligung
Risikogruppe einschätzen; hohes bzw. erhöhtes Risiko für Infektionen bei:Infektionsprophylaxe41mittel-bis schwergradigen Verletzungen, insbesondere an Händen, Füßen, Genitalien oder im Gesichtpräexistenten oder sich entwickelnden Ödemen im betroffenen BereichGelenkbeteiligungimmunsupprimierten Patient*innenentfernter Milzfortgeschrittenen LebererkrankungenMissbrauch von Rauschmitteln oder geschwächtem Allgemeinzustand aus anderen Ursachen.
Empfehlungen für Patient*innen
DieWunde mit Leitungswasser spülen und reinigen.52DieWunde verbinden und möglichst ruhig halten bis zum Arztbesuch.
ErsteAllgemeinmaßnahmen Hilfezur in der HausarztpraxisLokalbehandlung
BlutungSämtlichestoppenAngabendurchbeziehen sich auf diese Referenz.1- Säuberung (z. B. 1 % Organojodlösung)
- Spülung mit nur geringem Druck
auf(z. B.diemitWundeKnopflochkanüle und NaCl 0,9 %) - Débridement von avitalem Gewebe
- Primärer Wundverschluss wird nicht empfohlen, eine mögliche Ausnahme stellen Bisswunden im Gesicht dar.3
- Ruhigstellung und Hochlagerung betroffener Extremitäten
Infektionsprophylaxe
BeiEmpfehlungenarteriellen Blutungen soll ggf. frühzeitig eine Reparatur bzw. Ligierunggemäß derBlutgefäßeLeitliniedurchgeführtdeswerden.
Wichtig ist eine korrekte Nekrosektomie, eine mechanische Reduktion der Keimzahl und die Optimierung der Mikrozirkulation im Wundbereich.Erkrankungen3
Prophylaktische unterantibiotische Druck sollte wegen der Gefahr einer toxischen Reaktion und der Gefahr der aseptischen Nekrose unbedingt vermieden werden und sind nach einem fachgerechten Debridement meist nicht notwendig.7Therapie
InsbesondereIndikationen- mäßige
solltenbiskeineschwereSpülungenundmittiefeOcteniseptBisswunden - Bisswunden
erfolgender Hand und im Gesicht - Bisswunden,
wenn,diedannmöglicherweisenurbismit NaCl 0,9 %Periost oderPolyhexanid-haltigenGelenkkapselLösungenreichen.7 - Immunsuppression/Immundefizienz
- Leberinsuffizienz
- Z. n. Milzexstirpation
- Ödeme im betroffenen Gebiet
- mäßige
Ruhigstellung und Hochlagerung der betroffenen ExtremitPrätparat
DerAminopenicillinTetanusschutz+sollteBeta-Laktamase-Inhibitor füberprüftrund3–5ggfTage- bei Menschenbiss alternativ auch Ertapenem 1 x 1 g/d i. v.
ergänztfür 3–5werden. TäglicherTageVerbandwechsel, bis die Wunde trocken ist. Bei Infektionszeichen der Wunde (Schmerz, Rmötung, Überwärmung, Schwellung, Sekretion, anomaler Geruch,FieberoderLymphknotenschwellung) sollte ein Abstrich genommen werden.glich
Primärnaht- bei Menschenbiss alternativ auch Ertapenem 1 x 1 g/d i. v.
EinigeBeispielAutor*innen(Anmerkungsagender Redaktion,dass eine Primärnaht grundsätzlichnichtzu empfehlen ist.3Andere erwägen eine Primärnaht, wenn die Wunde weniger als 12 Stunden alt ist.Verschiedene Studien zeigen, dass Wundinfektionen bei primär genähten Bisswunden nicht häufiger auftreten als bei einer Sekundärheilung.6Wunden anaus derHandLeitlinie):solltenAmoxicillin/Clavulansäurenicht875/125 mgprimärp. o.vernäht werden.Auch bei Bisswunden im Gesicht herrscht Uneinigkeit.Manche fordern aus kosmetischen Gründen die Primärnaht auch noch nach 12 Stunden und legen dar, dass auch ein späterer primärer Wundverschluss nicht zu einer höheren Rate an Infektionen1–1–1 führt.6Andererempfehlen im Gesicht die Wunde 23–35 Tagezu spülen und offen zu lassen und erst dann zu schließen, um das Risiko einer Infektion zu mindern und meinen, dass der sekundäre Wundverschluss immer noch ein guteskosmetisches Ergebnis ermöglicht.3
IndikationenAntibiotische zurTherapie Überweisung/Klinikeinweisung
bei infizierten Wunden
EineKalkulierteRöntgenuntersuchung ist erforderlich, wenn Knochen oder Gelenke penetriert oder infiziert sind oder bei Fraktur- oder Fremdkörperverdacht.TherapieWunden an HPränden, Füßen, im Gesicht, an den Genitalien und im Bereich von Knochen, Gelenken und Sehnen sollten immer einer chirurgischen Behandlung zugeführt werden.Die Indikation für ein primäres chirurgisches Debridement sollte großzügig gestellt werden.Unverzügliche Einweisung ins Krankenhaus bei Verdacht aufSepsis
Antibiotikatherapie
EineAntibiotikagabewird nicht zwingend empfohlen8, ist aber sinnvoll je nach Art und Lokalisation der Verletzung und nach dem individuellen Infektionsrisiko der Patient*innen.Für eine Antibiotikagabe sprechen:mittel-bis schwergradigen Verletzungen, insbesondere an Händen, Füßen, Genitalien oder im Gesichtpräexistente oder sich entwickelnde Ödeme im betroffenen BereichGelenkbeteiligungimmunsupprimierte Patient*innenentfernte Milzfortgeschrittene LebererkrankungenMissbrauch von Rauschmitteln oder geschwächtem Allgemeinzustand aus anderen Ursachen.Folgende Antibiotika können zum Einsatz kommen:parat- Aminopenicillin +
BetalaktamaseBeta-Laktamase-Inhibitor(oral,füri.5–10v.)Tageoralbeizinfiziertem Menschenbiss alternativ auch Ertapenem 1 x 1 g/d i. v.B.fürAmoxiclav 2-5–10bisTage3-mal tgl. 500/125 oder 875/125möglich
Piperacillin-TazobactamBeispiel (iAnmerkung der Redaktion, nicht aus der Leitlinie): Amoxicillin/Clavulansäure 875/125 mg p.v.)Carbapenem (i. v.)Cefotaxim (oral2 x tglo. 1–2 g) + Metronidazol (0,21–2 g/d verteilt auf 2–3 Einzeldosen)evtl. Ciprofloxacin (oral 500–750 mg 2 x tgl.) oder Moxifloxacin (oral1xfür4005–10mg/d) + Clindamycin (oral 0,6–1,8 g/d in 4 Einzeldosen) (bei Penicillin-Allergie)keine Monotherapie mit Flucloxacillin, Cephalosporin (1. Generation), Erythromycin, Clindamycin6Tage
- Aminopenicillin +
FBei schweren Infektionen oder immunsupprimierten Patient*innen- Piperacillin/Tazobactam i. v. 4,5 g 1–1–1 für 5–10
Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen:Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.9Tage
- Piperacillin/Tazobactam i. v. 4,5 g 1–1–1 für 5–10
Impfungen
DieBeiDauerunzureichendemderTetanusschutzTherapieAuffrischungsimpfung- Siehe
richtet sich nach der Schwere der Erkrankung, der Infektionsausbreitung, dem Erreger und dem Ansprechen auf dieArtikelAntibiotikatherapieTetanus.
- Siehe
Besonderheiten
Hundebisse
tollwutverdächtigem Tier Postexpositionsprophylaxe
InSiehe90Artikel% ist der eigene oder ein bekannter Hund verantwortlich.6TollwutDer Grund ist meist eine gestörte Interaktion zwischen Mensch und Tier.Schwere oder sogar tödliche Verletzungen betreffen meist Kinder, da bei ihnen häufig der Kopf betroffen ist.
Katzenbisse
Besonders bei Katzenbissen besteht das Risiko einer schweren Infektion, die langen Zähne der Katzen verursachen oft nur geringe oberflächliche Verletzungen, durch die Speichelinokulation gelangen die Keime aber tief ins Gewebe. Darüber hinaus können die Zähne auch die Kortikalis der Knochen durchdringen.2Von außen lässt sich manchmal nicht unterscheiden, ob es sich bloß um Kratzwunden oder Bissverletzungen einer Katze handelt.Aber auch Kratzwunden können die sog. Katzenkratzkrankheit (Bartonellose) verursachen.
MenschenbisseSonderfall Schlangen- und Gifttierbisse
Bissverletzungen durch Menschen können in Städten bis zu 20 % der Bissverletzungen ausmachen.Bei Faustschlägen gegen die Zähne kann es zu sog. indirekten Bissverletzungen kommen, deren Schwere durch Grundgelenksbeteiligungen unterschätzt werden kann.2
Schlangenbisse
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10- In Deutschland gibt es nur wenige Giftschlangen (Kreuzotter, Aspisviper), aber bei als Haustiere
gehaltenegehaltenen Exoten kann es bei Bissverletzungendurchaus zusätzlichzur Einbringung von Giften kommen. DieIdentifizierung des Tieresist hierbesonders wichtig, da nur so das notwendige Antiserum gespritzt werden kann. Diese Antiseren stehen in Deutschland nur in einigen wenigen Standorten zur Verfügung.SchlangenbissverletzungenEmpfohleneführenMaßnahmenzubei Bissunfall durch Giftschlange:4- Ruhe bewahren.
- Tiere bzw. Terrarien sichern.
- Notruf 112 verständigen.
- Beengende Gegenstände entfernen (z. B. Ring).
- Auf einem Blatt Papier folgende Angaben festhalten:
ÖdemenBissverursacher:anmöglichstderlateinischerBissstelleArtnameneurotoxischeBisszeitpunktWirkungenund -stelleMuskulaturschädigungNotrufnummer aus Deutschland bei Gifttierbissen: 0700 112 0 7323- Papier mit
KreatinkinaseanstiegdiesenundAngabenNierenversagen Verbrauchskoagulopathie.11
ErstmaßnahmenNotärzt*inbei SchlangenbissenRuhigstellung der betroffenen ExtremitaushätKreislaufstabilisierungBissstelle nicht ausschneiden, keine Giftextraktionndigen.
Notfallnummer bei Gifttierbissen: 0700 112 0 732310
Nagetierbisse
Nagetierbisse könnenTollwut,Tularämie, undRattenbissfieber(Streptobacillus moniliformis oder Spirillum minus) übertragen.6
Affenbisse
InsbesondereSonderfalldurch Makakenbisse kann es zu einer Übertragung von Herpes-B-Viren (Herpesvirus simiae) kommen.Eine Herpes-B-Virusinfektion kann schwerenEnzephalitidenverursachen, die unbehandelt häufig letal enden.Deswegen wird eine Postexpositionsprophylaxe mit Valaciclovir oder Aciclovir für 14 Tage empfohlen.8
Spinnenbisse
- Spinnenbisse sind für den Menschen nur sehr selten wirklich gefährlich, können aber eine sich bis zu 24 Stunden hinziehende schwer zu kontrollierende Schmerzsituation auslösen.
115
- analgetische symptomatische Therapie, z. B. mit Ibuprofen 600 mg 1–0–1 und Novalgin 500 mg 1–1–1–1
Tollwut
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.12Siehe ArtikelTollwut.Tollwut wird durch Bisse infizierter Tiere oder durch Kontakt zu infiziertem Speichel auf den Menschen übertragen.Der Biss von Fledermäusen sowie bereits der Kontakt von Schleimhäuten mit Fledermäusen sollte mit einer Tollwutimpfung behandelt werden.Auch bei Bissen von illegal importierten Tieren bzw. Tiere unbekannter Herkunft sollte immer an Tollwut gedacht werden.Für in Deutschland lebende Menschen besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko fast ausschließlich bei Reisen in Länder mit endemischen Vorkommen der Tollwut.Die InkubationszeitMeldepflicht bei Tollwutkann in Einzelfällen aber bis zu mehreren Jahren betragen.- Nach § 6 IfSG besteht eine namentliche Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Tollwut, für die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers.
121
Postexpositionsprophylaxe
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
DieÜberweisungWirksamkeitanist am ehesten sichergestellt, wenn eine Behandlung innerhalb von 48 Stunden erfolgt.Nicht geimpfte PersonenSpezialist*inGabeinfizierte Wunden- in die Tiefe gehende Wunden im Gesicht, an den Genitalien und an den Händen
- bei Beteiligung von
(1)KnochenRabies-Immunglobulinoderund (2) Impfstoff. Dies sollte sehr zeitnah durchgeführt werden, da das Virus innerhalb weniger Tage die zentralen Nervenbahnen erreichen kann. Da der Impfstoff erst nach gut 10 Tagen wirkt, ist es wichtig, so schnell wie möglich Immunglobulin zu geben.
Tollwut-Immunglobulin, Humanserum 20 IE/kgDie Dosis wird vollständig rund um die Wunde injiziert, falls möglich. Andernfalls wird die Hälfte rund um die Wunde, der Rest intramuskulär injiziert.Sehnen
ImpfungUnverzüglichemitEinweisungeineminsImpfstoff, injiziert i. m. in den M. deltoideusKrankenhausInj.bei0,Verdacht3,auf7, 14 und 28 Tage nach dersystemische Infektionmit 1 ml(= 1 AmpulleSepsis)bei älteren Patient*innen ggf. eine 7. Dosis nach 90 Tagen
Bereits geimpfte PersonenBenötigen kein Rabies-Immunglobulin. Der Impfstoff zeigt aufgrund des immunologischen Gedächtnisses eine sofortige Booster-Wirkung der Antikörper.Tollwut-Impfstoff: an Tag 0 und 3 eine Injektion i. m.