Häufigkeit:Weltweit 6–30 % der Bevölkerung, inkl. Kindern, sind betroffen.
Symptome:Bilateraler Juckreiz der Augen mit Rötung und vermehrter Tränensekretion.
Befunde:Lidödeme, Chemosis und Hyperämie der Konjunktiven bds.
Diagnostik:Klinische Diagnose durch Anamnese und klinische Untersuchung.; Ggfggf. Identifizierung des Allergens über Hauttest oder inIn-vitro-Diagnostik vor geplanter allergenspezifischer Immuntherapie (ASIT).
Therapie:Allergenkarenz. Stufentherapie: Allgemeinmaßnahmen wie künstliche Tränenflüssigkeit zum Ausspülen der Allergene und kalte Kompressen. Medikamentöser Therapiebeginn mit Antihistaminika und/oder Mastzell-Stabilisatoren. Falls nicht ausreichend, Überweisung an Spezialist*in für Verschreibung topischer Glukokortikoide oder Einleitung ASIT.
Allgemeine Informationen
Definition
Durch Allergen ausgelöste Bindehautentzündung.
Während akute Formen oft auch in Hausarztpraxis behandelt werden können, sollten chronische Formen wegen potenzieller Visusbedrohung opthalmologisch (mit)betreut werden.1
Hauptaugenmerk dieses Artikels liegt daher auf akuten Formen.
Global sind 6–30 % der Bevölkerung, inklusive KindernKinder, von allergischerder allergischen Konjunktivitis in unterschiedlicher Ausprägung betroffen.
AllergischeDie allergische Reaktion besteht immer aus einer Sensibilisierungs- und einer Entzündungsphase.6
Das Immunsystem identifiziert einen an sich harmlosen Umweltfaktor bei Kontakt als schädliche Substanz, entwickelt eine spezifische Reaktion und löst bei jedem weiteren Kontakt mit dem entsprechendem Umweltfaktor eine Entzündungskaskade aus.6
Saisonale und perenniale allergischenallergische Konjunktivitis gehören zum Allergie-Typ 1 mit Freisetzung von Histamin nach IgE-vermittelter Mastzell-Degranulation.4
Saisonale allergische Konjunktivitis
Typische Auslöser sind Gräser‑, Baum- und Getreidepollen sowie in der Natur vorkommende Schimmelsporen.2
Beibei 1/3 der Patient*innen jedoch Nachweis von spezifischem IgE lediglich lokal in Tränenflüssigkeit und nicht systemisch. 8
Perenniale allergische Konjunktivitis
Typische Auslöser sind Hausstaubmilben, Tierschuppen, Insekten sowie häuslicher Schimmel.2
Bei andauernder Allergenbelastung Entstehungentsteht chronischereine chronische Entzündung durch ständige Mastzell-Degranulation, und eine verstärkte Rekrutierung von Eosinophilen ist möglich.9
Pathogenese chronischer Formen
Chronische Formen können im Gegensatz zu akuten Formen Hornhautbeteiligung zeigen und sind somit potenziell visusbedrohend.2
caveCave: purulentePurulente Sekretion spricht für eine bakterielle Infektion!14
Immer auch Oberlid umklappen (z. B. mit Wattestäbchen) und tarsale Konjunktiven beurteilen.
caveCave: subtarsale Papillenbildung typisch für chronische Formen. !4
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
In der Regel nicht erforderlich; klinische Diagnose durch typische Anamnese und klinischen Befund.
Diagnostik bei Spezialist*innen
In schwereren Fällen Tests auf immunologische Sensibilisierung möglich, um Allergen zu identifizieren und ggf. allergenspezifische Immuntherapie einzuleiten.14
Pricktest
Beibei negativem Pricktest spezifisches IgE im Serum. 2
caveCave: oft negative oder unklare Ergebnisse. !
IgE in Tränenfilm kann in einigen Fällen Klarheit bringen.
Indikationen zur Überweisung
Bei folgenden Alarmsymptomen ("redRed flags"Flags) Überweisung an eine augenärztliche Praxis:15
Photophobie
Zzäher Ausfluss
Schwereschwere Symptomatik
Einseitigeeinseitige Rötung
Langzeitigelangzeitige Anwendung von Topika
Schmerzen
Beeintrbeeinträchtigtes Sehvermögen.
Bei schwerer Symptomatik mit Bedarf von topischen Glukokortikoiden. 14
Sollten nur von Augenärzt*innen verschrieben werden.
Bei chronischen Formen.
Zur Einleitung einer allergenspezifischen Immuntherapie.
Beibei inadäquatem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie. 14
Medikamente der Wahl sind topische Antihistaminika und/oder Mastzell-Stabilisatoren bzw. Präparate mit sowohl antihistaminerger und mastzellstabilisierender Wirkung (s.siehe Kombipräparate).
Ggfggf. kurzzeitiger Einsatz von oralen Antihistaminika.
Sollten nur von Augenärzt*innen in schweren Fällen verschrieben werden.14
Gute Wirksamkeit, aber auch schwerwiegende Nebenwirkungen wie Erhöhung des intraokulären Drucks (cave: Glaukom!) und Ausbildung Katarakt. eines Kataraktes14
So lange die Allergenexposition besteht, sollte auch die medikamentöse Therapie erfolgen.
Ausnahme: bei 48–72 Stunden Symptomfreiheit kann eine Dosisreduktion oder ein Auslassversuch erwogen werden.
Sofern Allergenkarenz möglich ist (z. B. Urlaub an Küste, Ende der Pollensaison), kann die medikamentöse Therapie ebenfalls beendet bzw. pausiert werden.
Nachweis Immunglobulin-E-vermittelter Sensibilisierung (vorzugsweise mit Hauttest und/oder inIn-vitro-Diagnostik) und eindeutiger Zusammenhang mit klinischerder klinischen Symptomatik (ggf. Provokationstestung)
Verfügbarkeit von standardisierten bzw. qualitativ hochwertigen Allergenextrakten
Wirksamkeitsnachweis der geplanten ASIT für die jeweilige Indikation und Altersgruppe
Allergenkarenz nicht möglich oder nicht ausreichend
Alter der Patient*innen ≥ 5 Jahre
Durchführung
Subkutane oder sublinguale Immuntherapie mit Gabe von Allergenextrakten in aufsteigender Dosierung über einen längeren Zeitraum.
Subkutane Immuntherapie (SCIT)
Wirksamkeit bei allergischer Rhinokonjunktivitis bei Pollenallergie im Erwachsenenalter durch zahlreiche Studien sehr gut und im Kindes- und Jugendalter durch wenige Studien belegt.
Wirksamkeit bei Hausstaubmilbenallergie im Erwachsenenalter durch einige und im Kindesalter durch wenige kontrollierte Studien belegt.
Sublinguale Immuntherapie (SLIT)
SLIT zeigt im Hinblick auf anaphylaktische und andere schwere systemische Reaktionen ein besseres Sicherheitsprofil als SCIT.
Wirksamkeit bei allergischer Rhinokonjunktivitis durch Gräser- und Baumpollen und bei Hausstaubmilbenallergie belegt.
Schwangere und stillende Frauen
Topische Antihistaminika21, Mastzell-Stabilisatoren22 und Glukokortikoide23 können wegen geringer systemischer Resorptionsmenge eingenommen werden.
Loratadin kann auch als systemisches Antihistaminikum eingenommen werden.24
Ketotifen sollte (auch in topischer Form) nicht eingesetzt werden.25
Stillen scheint gegen Entwicklung von atopischen Krankheiten zu schützen, jedoch nur Kinder, bei denen erbliche Prädisposition vorliegt.
Beikost sollte nach vollendetemdem vollendeten 4. Lebensmonat eingeführt werden.
Mütter von Kindern mit Allergieveranlagung sollten in ersten Monaten der Stillzeit starke Allergene wie Kuhmilch, Eier und Fisch nicht aus ihrer Ernährung entfernen.26
Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollten keine Katzen anschaffen.
InnenraumklinmaInnenraumklima, das Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation) sollte vermieden werden.
Empfehlung zur Gabe von Probiotika kann aufgrund der Studienlage nicht gegeben werden.
Bei Kindern besteht direkter Zusammenhang zwischen Passivrauchen und späterer Entwicklung von allergischen Erkrankungen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Allergien können sich in jedem Alter entwickeln, in der Regel im Alter > 20 JahrenJahre.
Die Mehrzahl der Patient*innen spricht gut auf medikamentöse Therapie an.14
Verlaufskontrolle
Bei Beschwerdepersistenz trotz medikamentöser Therapie (bei Antihistaminika nach 72 Stunden, bei Mastzell-Stabilisatoren nach 1 Woche) Wiedervorstellung zur Anpassung der Therapie.
Vernale Konjunktivitis: Papillen auf der Innenseite des oberen Augenlids.
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Leitlinie zur (allergen-)spezifischen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 061-004. S2k, Stand 2014. (abgelaufen). www.awmf.org
Literatur
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