Epiphyseolysis capitis femoris (Epiphysenlösung des Femurkopfs)
Zusammenfassung
Definition:Beruht auf einer Verschiebung in der Epiphyse (Wachstumsfuge) zwischen dem Caput femoris und der Metaphyse.
Häufigkeit:Die Inzidenz beträgt etwa 2–10 auf 100.000 Personen pro Jahr.
Symptome:Klinisch entwickelt sich die Symptomatik häufig über mehrere Wochen mit Hüft-, Oberschenkel- und/oder Knieschmerzen, die Erkrankung kann jedoch auch akut auftreten.
Befunde:Klinisch ist die betroffene Extremität oft nach außen gedreht und leicht verkürzt. Die Beweglichkeit des Hüftgelenks ist beeinträchtigt.
Diagnostik:Röntgen bestätigt die Diagnose.
Therapie:Die Behandlung umfasst Immobilisierung und subakute Operation, bei der die Epiphyse/der Gelenkkopf mit einem Stift/einer Schraube fixiert wird.
Allgemeine Informationen
Definition
Die Epiphyseolysis capitis femoris (ECF) beruht auf einer Verschiebung in der Epiphyse (Wachstumsfuge) zwischen dem Caput femoris und der Metaphyse. Bei Schmerzen in Hüfte, Oberschenkel und Knien soll bei Kindern in der Vorpubertät und Pubertät eine Epiphysiolyse ausgeschlossen werden.1-2
Das Caput verbleibt im Azetabulum, während die Metaphyse und der Rest des Femurs sich ventral/proximal verschieben. Der Grad der Verschiebung ist unterschiedlich und hängt u. a. von der Symptomdauer ab.
Die zugrunde liegende Ursache ist multifaktoriell, aber das Ergebnis ist eine Instabilität in der proximalen Wachstumsfuge des Femurs (Epiphyse).3
Klinisch entwickelt sich die Erkrankung schleichend mit Hüft-, Oberschenkel- und/oder Knieschmerzen, in der Regel mit eingeschränkter Mobilität, in Einzelfällen kann die Erkrankung beim ersten Mal akut auftreten.
Die Behandlung sollte zur Vermeidung schwerwiegender Komplikationen schnell erfolgen und besteht aus einer Operation mit interner Fixierung.
Epiphyseolysis capitis femoris wurde erstmals 1572 von Ambroise Paré beschrieben.
Häufigkeit
Inzidenz
Auf 100.000 Kinder treten 2–10 Fälle pro Jahr auf.4-5
Die Erkrankung tritt bei Kindern afrikanischer Abstammung etwa 4 x häufiger als bei Kindern europäischer Abstammung auf.4
Geschlecht
Das Verhältnis Jungen zu Mädchen beträgt etwa 2–3:1.4-5
Alter
Die Erkrankung tritt bei Jungen gehäuft im Alter von 8–16 Jahren (13,5 Jahre) und bei Mädchen im Alter von 9–14 Jahren (12 Jahre) auf.1,6
Der Trend der letzten Jahrzehnte deutet darauf hin, dass Kinder zunehmend jünger erkranken, möglicherweise aufgrund einer früheren Entwicklungsreife.7
In 1 von 4 Fällen tritt die Erkrankung in beiden Hüftgelenken gleichzeitig auf.1
Tritt die Erkrankung einseitig auf, besteht ein Risiko von 20–80 %, dass später auch die andere Hüfte betroffen ist.8-9
Falls die Gegenseite erkrankt, geschieht dies in der Regel in den nächsten 18 Monaten. Je jünger die Kinder bei der Erkrankung sind, desto größer ist das Risiko für eine Epiphysiolyse der Gegenseite.8
Ätiologie und Pathogenese
Es wird angenommen, dass die Ursache multifaktoriell ist und Übergewicht, zu schnelles Wachstum und seltenere endokrine Störungen umfassen kann.10-12
Bei Jugendlichen mit ECF ist die Wachstumsfuge (Epiphyse) ungewöhnlich breit, vor allem durch eine Verbreiterung der Hypertrophiezone.
Die Hypertrophiezone macht 15–30 % der normalen Wachstumsfuge aus, bei PatientenPatient*innen mit ECF kann sie bis zu 80 % der Breite ausmachen.3
Histologisch liegen anomale Knorpelreifung, enchondrale Ossifikation und Instabilität des perichondralen Rings vor.3
Die Verschiebung tritt im geschwächten Bereich auf.
Bei Kindern, die an einer Epiphysiolyse leiden, weist die Epiphyse häufig eine vertikalere Ausrichtung als normal auf, was die Scherkräfte erhöht.15
Andere gleichzeitig auftretende Befunde können entzündliche Synovitis und qualitative Veränderungen der Wachstumszone sein, jedoch ist unklar, ob das eine Ursache oder eine Folge der Krankheit ist.3
Die Symptome sind in der Regel zu Beginn vage.19-20
Beginn
Die Erkrankung kann akut auftreten, aber eine Entwicklung über Wochen und Monate hinweg kommt häufiger vor.
Schmerzen
Variierende Lokalisierung, jedoch meist an Hüfte, der Innenseite der Oberschenkel und/oder Knien; nehmen bei Belastung zu.
Führen dazu, dass das Kind zu humpeln beginnt und Probleme mit zusätzlichen Gewichtsbelastungen hat. Häufig nimmt die Beweglichkeit der Hüfte ab.
Man sollte die ECF bei Kindern in der typischen Altersgruppe in Betracht ziehen, die beginnen, zu humpeln und über Schmerzen in Hüfte, Leiste, Oberschenkeln oder Knien klagen.19,21-22
Stabilität
Wenn die PatientenPatient*innen in der Lage sind, sich mit oder ohne Krücken fortzubewegen, wird der Zustand als stabil angesehen; das macht 90 % der Fälle aus.23
Bei einer instabilen Epiphyseolyse ist das Komplikationsrisiko deutlich erhöht.18
Familienanamnese
gehäuftes Auftreten bei positiver Familienanamnese9
In welchem Ausmaß kann das Kind die Hüfte belasten?
Ist eine Belastung trotz Anwendung von Gehstützen nicht möglich, wird der Zustand als instabil bezeichnet.
Gangbild des Kindes beurteilen:
Humpeln
Trendelenburg-Zeichen: Aufgrund der Schwäche des M. gluteus medius kannkönnen derdie Patient*innen das Becken nicht im Gleichgewicht halten, sondern das Becken kippt nach unten in Richtung der gesunden Seite.
Die betroffene Extremität wird häufig nach außen gedreht und ist leicht verkürzt.
Beweglichkeit in Hüft- und Kniegelenken
Passive und aktive Beweglichkeit testen und die beiden Seiten vergleichen.
Operative Fixierung des Caput, bis sich die Epiphyse geschlossen hat.
Das Ausmaß der Verschiebung beeinflusst das Risiko künftiger Bewegungseinschränkungen und Arthroseentwicklung.
Allgemeines zur Therapie
Entlastung bis zur Operation, die innerhalb von 24 Stunden erfolgen sollte.
Bei stabiler/chronischer ECF besteht die Standardtherapie aus einer Fixierung mit Stift/Schraube.20,28
Nach 24 Stunden steigt das Risiko für eine Hüftkopfnekrose stark an.29
Oft wird auch die gesunde Hüfte prophylaktisch fixiert (s. u.).
Medikamentöse Therapie
Evtl. Schmerzlinderung durch leichte Analgetika, evtl. NSAR
Operation
Stabile Epiphyseolysis capitis femoris
Das Caput femoris wird perkutan mit einer kanülierten Schraube oder einem Nagel fixiert.
Dadurch wird eine weitere Verschiebung verhindert und eine schnelle Linderung der Schmerzen erreicht. Die Bewegungseinschränkung wird in der Regel nach der Operation zunächst nicht beeinflusst.
1 oder 2 Nägel/Schrauben?
Im Vergleich zu mehreren Stiften oder mehreren Schrauben sorgt eine einzige Schraube für ausreichende Stabilität, wenn sie richtig platziert wird.1
Darüber hinaus nimmt eine Schraube weniger Platz in der Epiphyse ein, und es besteht ein geringeres Risiko, dass die Schraube in Bereichen der Epiphyse platziert wird, wo sie die Blutversorgung des Caput beeinträchtigen kann.
Es gibt alternative Operationsmethoden bei ausgeprägter Epiphysiolyse mit korrigierender subkapitaler Osteotomie. Eine solche Operation kann bei sehr großen Verschiebungen indiziert sein, birgt aber auch ein hohes Risiko für eine Hüftkopfnekrose.3
Instabile Epiphyseolysis capitis femoris
Dies ist ein deutlich ernsterer Zustand, da die Häufigkeit von Hüftkopfnekrosen bei hohen 20–60 % liegt.28,30
Die Ziele der Therapie sind die gleichen wie für die stabilen Epiphysiolysen mit In-situ-Fixation, aber es herrschen geteilte Meinungen über die Einzelheiten der Behandlung, z. B. wann der Eingriff erfolgen soll, der Wert einer Reposition und ob Traktion verwendet werden soll.28
Wie wird die Fehlstellung korrigiert?
Das wichtigste Ziel der Behandlung ist es, ein weiteres Verschieben zu verhindern.
Die Voraussetzungen für eine Korrektur der Fehlstellung sind am besten, wenn die Fixation das kontinuierliche Wachstum in der Epiphyse zulässt.31 Dadurch wird auch zu einem gewissen Grad der Unterschied der Beinlängen reduziert.
Daher werden nach Möglichkeit Schrauben oder Nägel verwendet, die weiteres Wachstum ermöglichen.
Prävention
Vorbeugende operative Therapie einer asymptomatischen Hüfte ist umstritten und sollte individuell entschieden werden.2
Die Indikation für eine prophylaktische Fixation ist stärker, je jünger das Kind ist, und in Fällen, bei denen eine zugrunde liegende Stoffwechselstörung besteht.3
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Entwickelt sich meist schleichend über mehrere Wochen und Monate, in Ausnahmefällen kann das erstmalige Auftreten akut verlaufen.
Komplikationen
Avaskuläre Nekrose des Hüftkopfes
Tritt bei bis zu 60 % der PatientenPatient*innen mit instabiler ECF auf.28 Kann auch eine Komplikation der chirurgischen Behandlung darstellen.
Führt oft zu ausgeprägter und vorzeitiger Arthrose und macht die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks nötig.32
ChrondrolyseChondrolyse (Knorpelnekrose)
Akuter Verlust von Gelenkknorpel, was zu Gelenksteife und Schmerzen führt.
Diese Komplikation ist heutzutage selten und wird wahrscheinlich verursacht, wenn ein Bohrer oder eine Führung den Gelenkknorpel penetriert hat.
Verbesserte Operationstechniken haben die Inzidenz dieser Komplikation von 5–7 % auf 1–2 % reduziert.25
Unterschiedliche Beinlänge
Kann auf unvollständiger Korrektur der Verschiebung, einem kompletten Verschluss der Wachstumsfuge mittels Schraube/Nagel, avaskulärer Nekrose, Chondrolyse oder sekundärer Hüftgelenksdysplasie beruhen.
Arthrose
Kann auf avaskulärer Nekrose, Chondrolyse oder Änderungen der Biomechanik in der Hüfte durch die Verschiebung beruhen.
Ist eine späte Komplikation.
Sich lösende Nägel/Schrauben und Infektionen sind andere mögliche, aber seltene Komplikationen.
Prognose
Die Prognose hängt vom Grad der Fehlstellung bei der Fixation ab, das wiederum hängt davon ab, wie schnell die Erkrankung diagnostiziert wurde.19,33
Die Prognose der instabilen Epiphysiolyse ist wegen der hohen Inzidenz von avaskulären Nekrosen schlechter.4
Die meisten mit perkutanen Nägeln/Schrauben behandelten PatientenPatient*innen haben eine gute Prognose, wenn die initiale Verschiebung gering ausfällt.23
Oft entstehen leicht unterschiedliche Beinlängen mit einem kürzeren Bein auf der Seite der Epiphysiolyse. In der Regel beträgt dieser Beinlängenunterschied weniger als 2 cm und erfordert keine Maßnahmen.
In Fällen von großen Verschiebungen und der Entwicklung von avaskulärer Nekrose ist die Gefahr einer dauerhaften Behinderung und vorzeitiger Arthroseentwicklung hoch.21-22
Verlaufskontrolle
Nach der Fixierung sollten die PatientenPatient*innen Gehstützen benutzen und 6 Wochen lang Belastungen des kranken Beines vermeiden.
Nach 6 Wochen kann das Bein in der Regel wieder voll belastet werden. Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten soll im Einzelfall beurteilt werden. In der Regel kann das Kind etwa 3 Monate nach dem Nageln einer leichten oder mittelschweren ECF wieder am Schulsport teilnehmen.3
Follow-up-Röntgen erfolgt meist, bis die Epiphysen geschlossen sind, um weitere Verschiebungen, sich lockernde Nägel und Zeichen für Hüftkopfnekrose auszuschließen.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die PatientenPatient*innen informieren?
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AutorenAutor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Orthopädie und Unfallchirurgie, Münster
CarlDie Johanursprüngliche TideriusVersion dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, docent och överläkare, Barnortopediska enheten, Ortopediska kliniken, Skånes universitetssjukhus
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheimhttps://legehandboka.no/).
epifysiolyse; hoftesmerter
epifysiolyse; hoftesmerter
epifysiolyse; hoftesmerter
Verschiebung der Wachstumsfuge; Abrutschen der Wachstumsfuge; Abrutschen des Femurkopfs; ECF; Caput femoris; Metaphyse; Epiphysiolyse; Physiolyse; Hüftschmerzen; Oberschenkelschmerzen; Knieschmerzen; Übergewicht; Humpeln; Trendelenburg-Zeichen; Drehmann-Zeichen; Avaskuläre Hüftkopfnekrose; Chondrolyse; Knorpelnekrose; Hinken
Epiphyseolysis capitis femoris (Epiphysenlösung des Femurkopfs)
CCC MK 25.01.2021 neue LL.
U-NH 04.04.18
CCC MK 09.01.2018, komplett überarbeitet (AiW Orthopädie)
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Definition:Beruht auf einer Verschiebung in der Epiphyse (Wachstumsfuge) zwischen dem Caput femoris und der Metaphyse. Häufigkeit:Die Inzidenz beträgt etwa 2–10 auf 100.000 Personen pro Jahr.