Definition:Embyonale Fehlbildung, bei der die Urethra-Anlage nicht zu einem tubulären Organ geschlossen ist, sondern als Urethralplatte in einer spaltförmigen Öffnung sichtbar ist. Bei Jungen mündet die Harnröhre an der Dorsalseite des Penis oder proximal davon, bei Mädchen zwischen den Teilen einer gespaltenen Klitoris.
Häufigkeit:Bei Jungen: 1/100.000–120.000 Lebendgeburten, bei Mädchen: 1/150.000–300.000 Lebendgeburten.
Befunde:Bei Jungen: Spaltung der dorsalen Urethra mit Öffnung zur Dorsalseite von Eichel (glanduär), Eichelrand (koronar), Penisschaft (penil) oder proximal am Übergang von Penis zum Schambein (penopubisch). Dorsale Penisdeviation, kurzer Penis. Bei Mädchen: Unvollständig ausgebildete Labia minora, spaltförmig eweiterter Harnröhrenausgang, gespaltene Klitoris (Clitoris bifida), flacher Mons pubis. Bei beiden Geschlechtern: Evtl. Verlust des Blasenhalsschließmuskels, evtl. offene Symphyse, auseinanderklaffende Schambeine.
Therapie:Chirurgische Rekonstruktion der Urethra und ggf. des Blasenhalssphinkters zur Erhaltung von Kontinenz- und Sexualfunktion. Ggf. Osteotomie zur Anpassung der Beckenanatomie. Die Behandlung sollte multidisziplinär an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
Allgemeine Informationen
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4
Definition
Fehlbildung, die durch fehlende oder unvollständige dosale Tubularisierung der Urethralplatte während der Embryonalentwicklung gekennzeichnet ist.
Mildeste Form des Ekstrophie-Epispadie-Komplexes (EEC)
Spaltung der dorsalen Urethra mit Öffnung zur Dorsalseite von Eichel (glanduär), Eichelrand (koronar), Penisschaft (penil) oder proximal am Übergang von Penis zum Schambein (penopubisch).
Je weiter proximal der Defekt liegt, desto höher ist das Risiko für eine Inkontinenz.
Durch die spaltförmige Öffnung ist die urethrale Schleimhautplatte sichtbar, die bei zusätzlicher Blasenekstrophie (s. dort) in die Blasenplatte übergeht.
Präputium oft nur ventralseitig und dort überschüssig ausgebildet
Seltene Variante: Beim „Buried penis“ ist eine glanduläre Fehlbildung unter einer voll ausgebildeten Vorhaut versteckt und wird im Falle einer Phimose erst nach Zirkumzision entdeckt.
Vermutlich beruhen EEC auf einer gestörten Bildung der dorsalen Kloakalmebran in der frühen Embyonalentwicklung.
Dem scheinen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren zugrunde zu liegen, die bislang jedoch nicht im Einzelnen identifiziert werden konnten.
Bei Geschwistern von EEC-Betroffenen beträgt das Risiko, ebenfalls zu erkranken 0,3–2,3%.
Die Konkordanzrate ist bei eineiigen Zwillingen 5,6-mal höher als bei zweieiigen.
EEC war in Einzelfallberichten mit verschiedenen klinisch relevanten Aberrationen von Auto- oder Gonosomen assoziiert, ohne dass man daraus eine Kausalität ableiten könnte.
Hinweise darauf, dass bestimmte Gensignaturen eine Rolle spielen, gekennzeichnet durch eine Überexpression inflammatorischer Gene und Unterexpression von Entwicklungsgenen – u. a. für die Bildung glatter Muskulatur – bedürfen der Überprüfung.
Die isolierte Epispadie wird bei Mädchen im Neugeborenenalter nicht selten übersehen und erst im Vorschul- oder Schulalter aufgrund persistierender Inkontinenz diagnostiziert.4
Bei isolierter Epispadie erfolgt die chirurgische Korrektur in der Regel in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres.
Bei Jungen mit penopubischen Epispadien und bei Mädchen ist häufig eine Blasenhalsrekonstruktion erforderlich, um die Kontinenz im weiteren Verlauf zu gewährleisten.
Ebert AK, Adamczyk K. Epispadie und Harnröhrenduplikatur. Urologe A 2015; 54: 634-40. PMID: 25987327 PubMed
Frimberger D. Diagnosis and management of epispadias. Semin Pediatr Surg 2011; 20: 85-90. PMID: 21453851 PubMed
Ebert AK, Reutter H, Ludwig M, Rösch WH. The exstrophy-epispadias complex. Orphanet J Rare Dis 2009;4:23. PMID: 19878548 PubMed
Rösch WH, Stein R. Epispadie und Blasenekstrophie. In: Stein, Beetz, Thüroff (Hrsg) Kinderurologie in Klinik und Praxis, 3. Auflage S. 377 ff. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2011. books.google.de
Ebert AK, Bals-Pratsch M, Seifert B et al. Genital and reproductive function in males after functional reconstruction of the exstrophy-epispadias complex – long-term results. Urology 2008; 72:566–569. PMID: 18585763 PubMed
AutorenAutor
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Fehlerhafter Verschluss der Harnröhre; Fehlerhafter Harnröhrenverschluss; Spaltung der oberen Harnröhre; Glanduläre Epispadie; Penile Epispadie; Proximale Epispadie; Spaltung der Klitoris; Klitorisspaltung; Genitalhypoplasie; Peniskrümmung; Krümmung des Penis; Clitoris bifida
Epispadie
Revision at 25.08.2015 11:51:45:
German Version
BBB MK 08.06.2018, komplett überarbeitet
Definition:Embyonale Fehlbildung, bei der die Urethra-Anlage nicht zu einem tubulären Organ geschlossen ist, sondern als Urethralplatte in einer spaltförmigen Öffnung sichtbar ist. Bei Jungen mündet die Harnröhre an der Dorsalseite des Penis oder proximal davon, bei Mädchen zwischen den Teilen einer gespaltenen Klitoris.