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Toxische epidermale Nekrolyse

Zusammenfassung

  • Definition:Die toxische epidermale Nekrolyse (TEN) ist eine akute, lebensbedrohliche Hautkrankheit, die sich durch ausgedehnte Erythrodermie, eine Ablösung der Epidermis und der Schleimhaut, begleitet von Fieber und unterschiedlichen Graden der Organbeteiligung, manifestiert. Die TEN ist die Maximalvariante einer kutanen Reaktion auf Arzneimittel, das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) hat die gleiche Ätiologie, jedoch eine geringere Ausprägung der Hautbeteiligung (maximal 10 % der Hautoberfläche betroffen). 
  • Häufigkeit:Die Häufigkeit (einschließlich Stevens-Johnson-Syndrom) wird mit ca. 4–7 Fällen je 1 Mio. Einwohner pro Jahr angegeben. Häufigster Auslöser in Europa ist Allopurinol.
  • Symptome:Die Krankheit beginnt häufig mit Prodromi in Form von Fieber und grippeähnlichen Symptomen und Beschwerden an den Schleimhäuten und den Augen.
  • Befunde:Nach 1–3 Tagen kommt ein Ausschlag im Gesicht, am Hals und am Stamm mit einem roten und masernartigen Hautausschlag dazu, der sich schnell über die Extremitäten ausbreitet und zu Blasenbildung und stellenweiser Ablösung der Haut führt.
  • Diagnostik:Klinische Diagnose. Eine Hautstanzbiopsie kann die Diagnose bestätigen.
  • Therapie:Die Behandlung besteht im Absetzen des auslösenden Medikaments und in einer umgehenden allgemeinen Intensivbehandlung. Glukokortikoide, IVIG und Ciclosporin werden kontrovers diskutiert.
  • Prognose:Hohe Letalität (bis 50 %). Bei Überleben meist Abheilung ohne Narben. Opthalmologische Komplikationen bis hin zur Erblindung häufig. 

Allgemeine Informationen

Definition

  • Schwere Maximalvariante einer Arzneimittelreaktion an der Haut1
    • gekennzeichnet durch eine großflächige Ablösung der Haut sowie der Schleimhäute
    • teils schwere systemische Begleiterscheinungen
    • hohe Mortalität (20–50 %).
  • Synonyme: medikamentöses Lyell-Syndrom, Epidermolysis necroticans combustiformis, Syndrom der verbrühten Haut, TEN1
  • Das Risiko einer TEN ist zwischem dem 4. und 28. Tag nach Beginn einer medikamentösen Therapie am höchsten.
  • Die Erkrankung wird als Maximalvariante des SJS-Syndroms (Sevens-Johnson-Syndrom) mit einem Mindestbefall von > 30 % der Körperoberfläche aufgefasst.
    • Das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxische epidermale Nekrolyse (TEN) werden als verschiedene Entwicklungsstadien der gleichen Krankheit angesehen.
    • Beim SJS sind jedoch nur max. 10 % der Haut betroffen.
    • Es gibt Übergangsformen mit Beteiligung zwischen 10 und 30 % der Hautoberfläche.
  • SJS und TEN sind akute, potenziell lebensbedrohliche Haut- und Schleimhauterkrankungen mit verbreitetem Erythem, Blasenbildung und schließlich der Ablösung der Epidermis.
  • Die Erkrankung ist fast ausschließlich durch Arzneimittel induziert.
    • In Deutschland gilt Allopurinol als häufigster Auslöser.2
  • Siehe auch Artikel Arzneimittelinduzierte Hautreaktionen.

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: SJS/TEN2

  • Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit.
  • Sie können dafür den Berichtsbogen verwenden, der regelmäßig im Deutschen Ärzteblatt abgedruckt wird oder über die Homepage der AkdÄ abrufbar ist.
  • Es besteht auch die Möglichkeit, über www.akdae.de direkt online einen UAW-Verdachtsfall zu melden.
  • Bei Verdacht auf das akute Vorliegen von SJS oder TEN sollten sich behandelnde Ärzte rasch mit dem Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen (dZh) an der Universitäts-Hautklinik Freiburg in Verbindung setzen (Telefon: 0761/270-6723, E-Mail: dzh@uniklinik-freiburg.de).

Häufigkeit

  • Die Inzidenz des Stevens-Johnson-Syndroms und der toxischen epidermalen Nekrolyse (plus Übergangsformen) macht ca. 4–7 Fälle je 1 Mio. Einwohner pro Jahr aus.3
    • Das SJS als eine mildere Verlaufsform ist ca. 3-mal häufiger als eine TEN.
  • Neuere Daten sprechen von einer Inzidenz der toxischen epidermalen Nekrolyse (TEN) von etwa 1,5–1,8/1.000.000 Einwohner/Jahr.1
  • Eine TEN tritt bei Patienten mit manifestem AIDS deutlich häufiger auf: Die Inzidenz liegt bei HIV-Infizierten bei bis zu 1.000/1.000.000 pro Jahr.1
  • Die Erkrankung kann in allen Altersgruppen auftreten, ist jedoch am häufigsten bei älteren Menschen (das Durchschnittsalter liegt bei 60–70 LJ), bei knochenmarktransplantierten Personen und bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes oder einer HIV-Infektion zu beobachten.4
  • Vorwiegend sind Frauen betroffen (bis zu 10-mal häufiger als Männer).1
  • Die TEN ist eine Erkrankung von älteren Menschen, auch da ältere Menschen in der Regel mehr Medikamente einnehmen, häufiger Begleiterkrankungen aufweisen und sich im Alter die Reaktionen des Immunsystems verändern.
    • Kinder und Jugendliche sind sehr selten betroffen.

Ätiologie und Pathogenese

  • SJS, TEN und Erythema (exsudativum) multiforme weisen Ähnlichkeiten auf, lange war die Beziehung zwischen diesen 3 blasenbildenden Hauterkrankungen unklar.
  • Nach aktuellem Wissenstand wird das Erythema multiforme als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet, während das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse dieselbe Erkrankung in unterschiedlichen Schweregraden sind.

Umfangreicher Verlust der Epidermis

  • Die Folgen des umfangreichen Verlusts der Epidermis sind ein großer Flüssigkeitsverlust, eine Beeinträchtigung der Thermoregulation, ein erhöhter Energieverlust, eine immunologische Beeinträchtigung und eine beschädigte mechanische Barriere, was diese Patienten anfälliger für Infektionen macht.
  • Eine Sepsis ist die Hauptursache für den Tod durch die toxisch epidermale Nekrolyse.

Pathophysiologie

  • Die Erkrankung wird als T-Lymphozyten-vermittelte zytotoxische Reaktion gegen die Epidermis aufgefasst, was zum programmierten Zelltod (Apoptose) der Keratinozyten führt.4-7
  • Die Erkrankung wird fast ausschließlich durch Medikamente ausgelöst, doch es sind Einzelfälle beschrieben, bei denen angenommen wird, dass die Krankheit durch mikrobielle Antigene wie Impfungen, Infektionen oder toxische Expositionen ausgelöst wird.
  • Mehr als 100 verschiedene Medikamente werden als mögliche Auslöser von toxisch epidermaler Nekrolyse beschrieben. Die am häufigsten assoziierten sind Allopurinol, Antiepileptika, Sulfonamide, Nevirapin, NSAR und Kortikosteroide.8-9
  • Beginn der Medikation typischerweise 2–4 Wochen vor dem Einsetzen der Symptome, aber eine kürzere Latenzzeit kann beobachtet werden, insbesondere bei wiederholter Exposition.
  • Einige Patienten haben einen langsameren oder veränderten Arzneimittelstoffwechsel, was zu erhöhten Wirkstoffkonzentrationen und einer Überproduktion von reaktiven Metaboliten führen kann, die die Keratinozytenstruktur verändern und für eine pathologische Immunreaktion prädisponieren können.4-5
  • Apoptose ist das Ergebnis und führt zu Zelltod der Keratinozyten und nachfolgener epidermaler Nekrolyse.
  • Die Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen verursacht hohes Fieber, die Synthese von Akutphasenproteinen, eine Hypoalbuminämie und Leukopenie und führt zu Allgemeinsymptomen.
  • Die Folgen des massiven Verlusts der Epidermis sind ein großer Flüssigkeitsverlust, eine Beeinträchtigung der Thermoregulation, ein erhöhter Energieverlust, eine immunologische Beeinträchtigung und eine beschädigte mechanische Barriere, was diese Patienten anfälliger für Infektionen macht.10

Prädisponierende Faktoren

  • Einnahme von Arzneimitteln – folgende Gruppen sind die häufigste Ursache:
    • Allopurinol
      • Erhöhtes Risiko bei bestehenden Herz- oder Nierenerkrankungen, Alter >70, weibl. Geschlecht, asiatischer Herkunft11
    • Antibiotika (Sulfonamide, Penicilline, Cephalosporine)
    • Antipsychotika und Antiepileptika (Carbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital)
    • Analgetika und NSAR
    • sonstige: Pantoprazol, Tramadol, Sertralin.
  • Erhöhtes Risiko bei:
    • bestehende Herz- und Nierenerkrankungen11
    • HIV-Infektion
    • gleichzeitig weitere Virusinfektion
    • genetische Faktoren11
    • zugrunde liegende immunologische Erkrankungen.

ICPC-2

  • A85 Unerwünschte Wirk. e. Medikaments
  • S07 Rötung / Ausschlag, generalisiert

ICD-10

  • L51.2 Toxische epidermale Nekrolyse [Lyell-Syndrom]
  • T88.7 Unerwünschte Arzneimittelreaktion eines indikationsgerecht eingesetzten Medikaments

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Erythrodermie, Blasenbildung, Epidermolyse und Fieber sowie schlechter Allgemeinzustand
  • Die Diagnose kann häufig durch eine klinische Untersuchung gestellt und durch eine Hautstanzbiopsie bestätigt werden.
  • Biopsie: intra- und vor allem subepidermale Blasen; Blasendecke wird von der gesamten Epidermis gebildet.
  • Die Diagnose Stevens-Johnson-Syndrom erfordert bis zu 10 % Epidermolyse, für die Diagnose toxische epidermale Nekrolyse wird gefordert, dass mehr als 30 % der Körperoberfläche betroffen sind.

Differenzialdiagnosen

Anamnese und klinische Untersuchung

  • Prodrome sind häufig.
    • häufig Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Gelenk- und Muskelschmerzen (Grippesymptome), Kopfschmerzen, Schmerzen beim Schlucken, Husten und Konjunktivitis 1–3 Tage vor dem Befall der Haut- und der Schleimhäute.5
    • gleichzeitig häufig Schmerzen in der Haut, Photophobie, Augenreizung und Juckreiz
  • Ausschlag
    • Meist sind Gesicht, Rumpf und die Streckseiten der Extremitäten betroffen.1
    • zusammenfließender Rubor (Erythrodermie), Rötung und Schwellung des Gesichts, Schmerzen, Nekrose der Haut, Blasen und Ablösung der Haut
    • Blasen und Schorfbildung auf den Schleimhäuten
  • Der Beginn der Einnahme des auslösenden Medikaments hat typischerweise 2–4 Wochen vor dem Einsetzen von Symptome begonnen, aber eine kürzere Latenzzeit kann beobachtet werden, insbesondere bei wiederholter Exposition mit dem betreffenden Medikament.
  • Die Erkrankung wird in eine Progressionsphase, eine Stabilisierungsphase und eine Regenerationsphase eingeteilt.

Progressionsphase

  • Verlauf
    • Die Erkrankung entwickelt sich häufig stufenweise über 3–4 Tage (Progressionsphase), bis die max. Involvierung der Haut erreicht ist.
    • Die Patienten haben eine empfindliche, brennende Haut, und es entstehen Blasen, die schnell aufplatzen und zu schmerzhaften Erosionen führen, die von nekrotischen Epithelbestandteilen, Fibrin oder hämorrhagischem Schorf bedeckt werden.
  • Stevens-Johnson-Syndrom.
    Stevens-Johnson-Syndrom
    Toxische epidermale Nekrolyse
    Toxische epidermale Nekrolyse
    Hautveränderungen
    • Nach 1–3 Tagen kommt ein Ausschlag auf dem Gesicht, am Hals und am Stamm mit einem roten und masernartigen Erscheinungsbild, der sich schnell über die Extremitäten ausbreitet.
    • Die häufig empfindlichen, gräulichen, fahlen Hauteffloreszenzen fließen zusammen und werden ödematös.
    • Bei SJS sind „Blitzläsionen“ zu sehen, aber diese können auch vollständig fehlen.
    • Das Nikolski-Zeichen ist positiv: durch leichtes Reiben gegen die Haut kann sich die Epidermis fleckenweise ablösen und nässende Erosionen hinterlassen.
    • Die Erkrankung erinnert an ausgedehnte Verbrennungen 2. Grades. Durchschnittlich sind bis zu 70 % der Haut betroffen, während ein 100%iger Verlust der Epidermis innerhalb von 24 Stunden auftreten kann.
    • Es besteht meist rasche Intensivpflichtigkeit!
  • Schleimhautveränderungen in mehr als 90 % der Fälle
    • Die Schleimhaut werden in einem frühen Stadium einbezogen.
    • Augensymptome sind häufig mit erosiver pseudomembranöser Konjunktivitis, Korneaerosionen und Synechien.12
      • Erblindungen drohen.
    • Verbreitete Schleimhautveränderungen im Verdauungstrakt können zu Durchfall, Blutungen oder in seltenen Fällen einer Darmperforation führen.
    • Das Atemwegsepithel kann in einigen Fällen ebenfalls angegriffen werden (Cave: Dyspnoe und bronchiale Hypersekretion!).13
  • Sonstige Veränderungen
    • Bei 30 % der Patienten findet sich ein interstitielles Lungenödem, evtl. ARDS.
    • Beeinträchtigung der Leber, Pankreatitis und Befall der Nieren sind seltenere Komplikationen.14

 

Stabilisierungsphase und Regenerationsphase

  • Nach der Progressionsphase („der nassen Phase“) folgt die Stabilisierungsphase („die trockene Phase“) mit Reepithelialisierung, in der Regel über einen Zeitraum von 1–3 Wochen hinweg.
  • Normalerweise Heilung ohne Narben, aber evtl. mit Pigmentveränderungen, Milien, Alopezie und Nageldystrophie.
  • Die Heilung der Schleimhautläsionen kann mehrere Monate dauern und Synechien hinterlassen.
  • Ophthalmologische Komplikationen sind häufig und umfassen alle Befunde von trockenen Augen bis hin zur chronischen Konjunktivitis, Ulzerationen, Vaskularisation der Hornhaut und Symblepharonbildung, die zur Erblindung führen kann.12

Ergänzende Untersuchungen (in der Regel nicht ambulant)

  • Die Patienten müssen bei Verdacht auf die Erkrankung umgehend in ein Krankenhaus mit einer Intensivstation eingewiesen werden.
    • Eine verzögerte Einweisung wegen Durchführung eines Bluttests ist nicht indiziert.
    • Bei großflächiger Ablösung ist die Verlegung in ein Zentrum zur Behandlung von Brandopfern günstig.
  • Typischerweise erhöhte BSG, Leukozytose, Thrombozytopenie und normochrome, normozytäre Anämie
  • Auch eine Leukopenie (meist Lymphopenie) kann beobachtet werden und ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen.10
  • Eine unspezifische Erhöhung der Lebertransaminasen (GOT, GPT) bis hin zum 2- bis 3-Fachen des oberen Normalwerts
  • Eine deutliche Erniedrigung des Serum-Albumins wird durch den Verlust von proteinreicher Flüssigkeit aus der Haut verursacht, evtl. als proteinreicher Durchfall.

Diagnostik beim Spezialisten

  • Hautstanzbiopsie
    • Ein Gefrierschnitt kann die Diagnose bestätigen.
    • Direkte Immunfluoreszenz des Präparats zum Ausschluss autoimmuner bullöser Hauterkrankungen.
    • Histologisch liegt eine epidermale Nekrose gleichzeitig mit einem spärlichen entzündlichen Infiltrat in der Dermis vor. Es ist eine subepidermale Ablösung von nekrotischer Epidermis zu beobachten, was zur Spaltung und Blasenbildung zwischen der Epidermis und der Dermis führt.
  • Identifizierung des auslösenden Medikaments?
    • Es gibt keinen zuverlässigen In-vitro-Test, mit dem man das auslösende Medikament identifizieren kann.
    • Prick-Test, Intrakutantest und Patch-Tests sind unzuverlässig.
    • Die Provokation kann eine neue Krankheitsepisode auslösen und wird deshalb nicht durchgeführt.

Indikation zur Klinikeinweisung

  • Einweisung sofort bei Diagnoseverdacht
  • Die Behandlung erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der dermatologischen Abteilung, evtl. der Abteilung für Verbrennungen, der plastischen Chirurgie und der Intensivstation.

Therapie

Therapieziel

  • Überleben.
  • Komplikationen verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Verdacht auf Stevens-Johnson-Syndrom oder toxisch epidermale Nekrolyse müssen alle nicht lebenswichtigen Medikamenten sofort abgesetzt werden. Besonderer Verdacht richtet sich gegenüber Arzneimitteln, die innerhalb der letzten 4 Wochen in Verwendung genommen wurden.15
  • Eine supportive Therapie ist von zentraler Bedeutung im Umgang mit der Erkrankung: Wundversorgung, Flüssigkeits- und Elektrolyttherapie, Ernährung, Kontrolle von Schmerzen und Temperatur, Infektionskontrolle.
  • Evtl. eine die Krankheit modifizierende Behandlung
  • Schmerztherapie
  • Frühzeitige Diagnose und Behandlung von Infektionen

Unterstützende Behandlung (stationär)

Flüssigkeits- und Ernährungstherapie

  • Intensivmedizinische Maßnahmen
  • Flüssigkeitsausgleich intravenös
  • Eine erhöhte Nahrungszufuhr, z. B. mit einer Magensonde, ist notwendig, um das Absinken des Albumins zu verhindern.

Lokale Behandlung der Haut

  • Die Patienten sollten auf Aluminiumfolie und einer druckentlastenden Matratze liegen, z. B. einem Bett mit Luftpolster.
  • Die Patienten werden in einem Wärmeraum mit einer Raumtemperatur von 30–33 °C, die den Stoffwechsel dämpft, behandelt.
  • Eine aseptische Handhabung (Schutzkleidung) verringert das Infektionsrisiko.
  • Zum Waschen und evtl. Eincremen der Haut werden lokale antiseptische Mittel verwendet.
  • Hydrogel und mit Silber imprägnierte Verbände können ebenfalls für die lokale Behandlung verwendet werden.
  • Bereiche mit denudierter Haut und exponierter Dermis sollten geschützt werden, um die Wärmekontrolle zu verbessern und den Flüssigkeitsverlust, die Schmerzen und das Risiko von einer Bakterienkontamination zu reduzieren.
  • Eine nicht haftende Bandage wird empfohlen.
  • Bereiche mit Epidermisoberfläche werden gegen Trauma geschützt, und intakte Epidermis wird möglichst bewahrt, falls rasch eine Reepithelialisierung von unten stattfindet.
  • Abgelöste und nekrotische Epidermis sollte vorsichtig mit in steriler Kochsalzlösung getränkten Tüchern entfernt werden.
  • Schorf in Ohren, Nase und Mund wird täglich entfernt, um eine Superinfektion zu verhindern.
  • Zur Mundpflege können antiseptische und lokalanästhetische Mittel verwendet werden.
  • Die Schleimhautläsionen in den Augen erfordern besondere Aufmerksamkeit mit täglicher Betreuung von einem Augenarzt.

Medikamentöse Behandlung

Erkrankungsmodifizierende Behandlung?

  • Es gibt noch keine evidenzbasierten Leitlinien, da aufgrund der Seltenheit der Erkrankung größere Studien fehlen.
  • Das therapeutische Fenster erstreckt sich über 2–4 Tage.
  • Indizierte Präparate können Glukokortikoide, Ciclosporin und intravenöses Immunglobulin (IVIG) sein, aber die Anwendungen werden jeweils kontrovers diskutiert.1,16-18
  • Glukokortikoide
    • Können einerseits die Progression dämpfen, doch sie erhöhten gleichzeitig das Risiko von Komplikationen wie Sepsis, gastrointestinalen Blutungen und verlängerter Reepithelialisierung.14,19
    • Eine kurzfristige Stoßtherapie wird dennoch immer noch empfohlen (1000-250-100-20 mg Prednisolon am 1. bis 4. Tag i. v.).1
    • Langfristige Behandlungen werden nicht empfohlen.
  • Intravenöses Immunglobulin (IVIG)20-29
    • Hat nach positiven Ergebnissen aus offenen Studien eine verbreitete Verwendung gefunden.
    • Eine Metaanalyse von Beobachtungsdaten aus 2012 kam jedoch zu dem Schluss, dass die Behandlung wahrscheinlich nicht die erhoffte Wirkung hat (Ib).30
  • Ciclosporin
    • In einer spanischen Studie aus 2017 (n = 26 Patienten) konnte gegenüber einem nicht mit Ciclosporin A-behandelten Kollektiv (IVIG-Therapie) eine signifikante Absenkung des Mortalitätsrisikos nachgewiesen werden.1
    • Dennoch bleibt auch die Behandlung mit Ciclosporin weiterhin kontrovers diskutiert.
  • Infliximab und Etanercept (TNF-alpha-Inhibitoren)
    • Sind in Einzelfällen vielversprechend, aber nicht ausreichend für den breiten Einsatz evaluiert.31-32

Andere mögliche Behandlungen

  • Antibiotika?
    • nur bei Superinfektion1
    • Im Zusammenhang mit dokumentierten Infektionen oder klinischen Anzeichen einer Sepsis werden Antibiotika je nach Kulturergebnis verabreicht.16
  • Plasmapherese?
    • Kann initial verwendet werden, um das auslösende Arzneimittel, seine Metaboliten und reaktive Zytokine aus dem Kreislauf zu entfernen.33
  • Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (G-CSF)?
    • Kann verwendet werden, insbesondere bei Patienten mit Leukopenie.16
    • Er kann auch die Reepithelialisierung fördern.34

Weitere Behandlungsformen

  • Unterstützung der psychischen Verarbeitung

Prävention

  • Das als Auslösers identifizierte Medikament meiden.
    • Die Patienten sollen diese Information stets schriftlich mit sich führen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Erkrankung verläuft mit einer Progressionsphase, einer Stabilisierungsphase und einer Regenerationsphase.
  • Die Restitution verläuft langsam und dauert ca. 3–6 Wochen.

Komplikationen

  • Akut
    • Sepsis
    • gastrointestinale Blutung
    • Lungenkomplikationen
  • Folgeschäden
    • Ophthalmologische Komplikationen sind häufig und umfassen alle Befunde von trockenen Augen bis hin zur chronischen Konjunktivitis, Ulzerationen, Vaskularisation der Hornhaut und Symblepharonbildung, die zur Erblindung führen kann.12
    • Hautläsionen, die nicht superinfiziert sind, heilen häufig ohne Narbenbildung ab.

Prognose

  • Die toxische epidermale Nekrolyse ist eine schwere Erkrankung mit hoher Mortalität, die vom Alter der Patienten und der Ausprägung des Hautbefalls abhängt.
  • Die Prognose ist schlechter als für Verbrennungspatienten mit der gleichen Ausprägung an Hautläsionen.
  • Eine Sepsis ist die Hauptursache für Todesfälle bei toxischer epidermaler Nekrolyse.
  • Todesfälle treten zudem auch häufig nach der Regeneration der Haut und nicht in der akuten Phase auf.
  • Ein validiertes Score-System (SCORTEN = Severity-of-Illness Score for Toxic Epidermal Necrolysis) kann das Mortalitätsrisiko unter Intensivtherapie abschätzen helfen.1,35
  • Die Sterblichkeit bei Erwachsenen beträgt 25–50 %.19,36

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Das Stevens-Johnson-Syndrom ist gekennzeichnet durch schwere Krankheitsauswirkungen mit Erythrodermie und Epidermolysis sowie Beteiligung der Schleimhäute.
Das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse sind gekennzeichnet durch schwere Krankheitsauswirkungen mit Erythrodermie und Epidermolysis sowie Beteiligung der Schleimhäute.
Das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse sind verschiedene Entwicklungsstadien der gleichen Erkrankung. Beides sind akute, potenziell lebensbedrohliche Haut- und Schleimhauterkrankungen mit verbreitetem Erythem, Blasenbildung und schließlich einer Ablösung der Epidermis. Bei TEN ist eine Ablösung der Haut auf mehr als 30 % der Körperoberfläche, bei SJS ist eine Hautablösung auf bis zu 10 % der Hautoberfläche zu beobachten.
Das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse sind verschiedene Entwicklungsstadien der gleichen Erkrankung. SJS/TEN sind akute, potenziell lebensbedrohliche Haut- und Schleimhauterkrankungen mit ausgeprägtem Erythem, Blasenbildung und schließlich einer Ablösung der Epidermis. Bei der TEN ist eine Ablösung der Haut auf mehr als 30 % der Körperoberfläche, beim SJS ist eine Hautablösung auf bis zu 10 % der Hautoberfläche zu beobachten.

Quellen

Literatur

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Autoren

  • Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Tore Särnhult, överläkare, Hudmottagningen, Kungsbacka (Medibas)
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, redaktør NEL
ToksiskL512; epidermal nekrolyseT887
Toksisk epidermal nekrolyse
ToksiskA85; epidermal nekrolyseS07
Arzneimittelnebenwirkung; Medikamentennebenwirkung; Medikamenteninduzierte Hautreaktion; Arzneimittelexanthem; DRESS-Syndrom; Allergische Sofortreaktion; Urtikaria; Angioödem; Anaphylaxie; Akute generalisierte exanthematische Pustulose; Vaskulitis; Thromboytopenische Purpura; Erythema multiforme; Erythema exsudativum multiforme; Toxische epidermale Nekrolyse; Lyell-Syndrom; TEN; SJS; Kontaktdermatitis bei Hautkontakt; Stevens-Johnson-Syndrom; Allergietest; Patch-Test; Prick-Test; Epidermolysis necroticans combustiformis; Syndrom der verbrühten Haut; TEN
Toxische epidermale Nekrolyse
BBB MK 08.10.2019: Zusatzinformationen zu Allopurinol.
chck go 9.8. CCC MK 30.10.2018, komplett überarbeitet, neue Definitionen beachtet
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Definition:Die toxische epidermale Nekrolyse (TEN) ist eine akute, lebensbedrohliche Hautkrankheit, die sich durch ausgedehnte Erythrodermie, eine Ablösung der Epidermis und der Schleimhaut, begleitet von Fieber und unterschiedlichen Graden der Organbeteiligung, manifestiert. Die TEN ist die Maximalvariante einer kutanen Reaktion auf Arzneimittel, das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) hat die gleiche Ätiologie, jedoch eine geringere Ausprägung der Hautbeteiligung (maximal 10 % der Hautoberfläche betroffen). 
Haut
Toxische epidermale Nekrolyse
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Toxische epidermale Nekrolyse
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