Als Tendinitis wird traditionell die Entzündung einer Sehne oder eines Sehnenansatzes bezeichnet. Neue Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Entzündungskomponente weniger dominant ist als bisher angenommen.
Die wichtigsten entzündlichen Sehnenbeschwerden in der Schulter (die bis auf eine Tendinitis der Bizepssehne alle die Rotatorenmanschette betreffen) sind:
Nach der Tendinitis der Supraspinatussehne ist die Tendinitis der Infraspinatussehne die zweithäufigste Sehnenerkrankung der Schulter.
Klinische Anatomie
Der Musculus infraspinatus hat seinen Ursprung an der Fossa infraspinata an der dorsalen Seite des Schulterblatts und seinen Ansatz in der Mitte des Tuberculum majus.
Die Innervation des Muskels erfolgt durch den Nervus suprascapularis aus den Segmenten C5 und C6 (vorwiegend C5).
Zusammen mit dem Musculus teres minor bewirkt er die Außenrotation des Arms. Darüber hinaus hält er wie auch die anderen Muskeln der Rotatorenmanschette den Kopf des Oberarmknochens in der Gelenkpfanne.
Ätiologie und Pathogenese
Eine Tendinitis kann durch akute Überlastung, zu große Belastung über einen längeren Zeitraum oder ein Trauma (z. B. Sturz auf die Schulter) verursacht werden. Manchmal bildet sich eine Tendinitis auch ohne erkennbare Ursache heraus.
Eine Tendinitis kann infolge einer Verletzung auftreten und im Verlauf an Schwere zunehmen oder sich so schleichend und langsam herausbilden, dass Patienten sich nicht an einen bestimmten Vorfall als Ursache erinnern.1
Der Pathogenese liegt vermutlich ein Zusammenspiel mikrovaskulärer, degenerativer, anatomischer und mechanischer Faktoren vor.
Jüngeren Studien zufolge kommt der Entzündungskomponente eine weniger dominante Rolle zu als bisher angenommen. Als wichtiger Faktor wird die Neovaskularisation vermutet, bei der Nervenenden in die entzündete Sehne hineinwachsen.
Bei einem Impingement im Schultergelenk ist zwischen Oberarmknochen und dem darüber befindlichen Schulterdach nicht ausreichend Platz für die Sehnenstrukturen. Insbesondere beim Heben kann es zu einer Reizung der Sehnenansätze kommen.
In den meisten Fällen ist die Infraspinatussehne an ihrem Ansatz am Tuberculum majus geschädigt.
Prädisponierende Faktoren
Ungünstige Arbeitsgewohnheiten, schwere Arbeiten, bei denen die Hände über den Kopf geführt werden oder Tätigkeiten, bei denen viel gehoben und getragen wird.
Frühere Verletzung der Schulter
ICPC-2
L92 Schultersyndrom
ICD-10
M75 Schulterläsionen
M75.1 Läsionen der Rotatorenmanschette
M75.3 Tendinitis calcarea im Schulterbereich
M75.4 Impingement-Syndrom der Schulter
M75.8 Sonstige Schulterläsionen
M75.9 Schulterläsion, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Das wichtigste klinische Zeichen einer Tendinitis der Infraspinatussehne besteht im positiven Test der isometrischen Außenrotation.
Häufig tritt in Verbindung mit einer Tendinitis auch eine Schleimbeutelentzündung an der Schulter auf (akut oder chronisch); dieser Zusammenhang ist allerdings umstritten.
Andere Ursachen, Tumoren der Lunge, Gallensteine, Herzerkrankungen
Anamnese
Bei einigen Patienten traten die Schmerzen erstmals nach bestimmten Aktivitäten bei der Arbeit oder in der Freizeit auf, insbesondere nach ungewohnt hohen Belastungen.
Die Schmerzen treten in der Regel seitlich am Oberarm auf. Bei Benutzung des Arms nehmen die Schmerzen zu. Die Symptome treten häufig beim Heben und Abspreizen auf.
Akut können die Schmerzen bei einem Teil der Patienten in die radiale Seite des Unterarms ausstrahlen. In diesem Fall tritt wahrscheinlich auch Ruheschmerz auf.
Wichtige Punkte im Anamnesegespräch
Lokalisation, Beginn, Dauer und Entwicklung der Schmerzen? Bei Ruhe- oder Nachtschmerz: Bei welchen Aktivitäten nehmen die Schmerzen zu? Inwiefern wirken sich die Schmerzen auf Alltagsaktivitäten aus, und wurden bereits Behandlungsmaßnahmen ausprobiert?
Die Beweglichkeit des Gelenks ist stets vollständig gegeben. Das wichtigste Zeichen ist der positive Test der isometrischen Außenrotation.
Aktives und passives Heben
Bei aktivem und passivem Heben tritt der Schmerz als Schmerzbogen oder bei vollständig angehobenem Arm auf. Manchmal treten beide Ausprägungen auf.
Das Auftreten eines Schmerzbogens ist ein Hinweis darauf, dass der obere Teil des Sehnenansatzes im Bereich des Schulterdachs komprimiert wird.
Wenn kein Schmerzbogen auftritt, sondern der Schmerz erst bei vollständig angehobenem Arm einsetzt, betrifft die Kompression wahrscheinlich den unteren Teil des Sehnenansatzes am Rand der Schultergelenkspfanne.
Wenn ein Schmerzbogen auftritt und der Schmerz bei vollständig angehobenem Arm einsetzt, sind wahrscheinlich oberer und unterer Teil des Sehnenansatzes geschädigt.
In sehr seltenen Fällen lässt sich die Schädigung am Muskel-Sehnen-Übergang lokalisieren. In diesem Fall tritt weder ein Schmerzbogen noch ein Schmerz bei vollständig angehobenem Arm auf. Schmerzen bei isometrischer Außenrotation sind dann der einzige Befund.
Passive Innen- und Außenrotation
In Endstellung können sowohl passive Innen- als auch passive Außenrotation schmerzhaft sein. Die Schmerzen treten manchmal bei beiden, manchmal aber auch nur bei einer dieser Bewegungen auf.
Isometrische Außenrotation
Nur die isometrische Außenrotation löst Schmerzen aus.
Bei einer unkomplizierten Tendinitis zeigt sich ein guter Kraftgrad. Eine deutliche Kraftminderung in Verbindung mit Schmerzen kann auf eine partielle Ruptur hinweisen. Eine erhebliche Kraftminderung ohne starke Schmerzen kann auf eine vollständige Ruptur hinweisen.
Eine erhebliche Kraftminderung bei isometrischer Außenrotation liegt auch bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen vor. Sehr selten wird eine Herabsetzung der Kraft bei isometrischer Außenrotation durch eine Neuropathie des Nervus suprascapularis oder einen Bandscheibenvorfall verursacht, der die Nervenwurzel C5 schädigt.
Palpation des Sehnenansatzes
Ist bei einer Schädigung der Infraspinatussehne wahrscheinlich von höherem diagnostischen Wert als bei einer Schädigung der Supraspinatussehne.
Wenn die Palpation des Sehnenansatzes unauffällig ist, der Funktionstest aber Hinweise auf eine Tendinitis der Infraspinatussehne liefert, ist die Therapie auf die Infraspinatussehne auszurichten.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Blutproben sind von niedrigem diagnostischen Wert.
Diagnostik beim Spezialisten
Röntgen
Im Frühstadium der Erkrankung meist nicht erforderlich.
Ultraschall
Eignet sich gut zur Abklärung von Sehnen- oder Muskelläsionen sowie Bursitis.
MRT
Kommt bei ausbleibendem Therapieerfolg, unsicherer Diagnose und Verdacht auf Riss in der Rotatorenmanschette oder im Labrum infrage.
Indikationen zur Überweisung
Bei anhaltenden Beschwerden und ausbleibendem Therapieerfolg
Checkliste zur Überweisung
Subakromiales Impingement-Syndrom, Schmerzen in der Schulter
Zweck der Überweisung
Sicherung der Diagnose? Injektionstherapie? Operation? Sonstiges?
Anamnese
Dauer und Beginn? Trauma? Überlastung?
Schmerzen? Ruheschmerz? Nachtschmerz? Anhaltende Beschwerden? Schwierigkeiten beim Anheben oder Drehen des Arms? Schmerzauslösende Aktivitäten?
Verlauf und Entwicklung? Bewährte Behandlung – Wirkung?
Andere relevante Erkrankungen?
Derzeitig eingenommene Medikamente?
Folgen? Funktionseinbußen? Arbeitsfähigkeit?
Klinische Untersuchung
Passive und aktive Beweglichkeit? Schmerzbogen bei Abduktion? Kraftgrad bei Durchführung der isometrischen Tests? Schmerzreaktion bei Durchführung der isometrischen Tests?
Ergänzende Untersuchungen
MRT?
Evtl. Röntgen? Sonstiges?
Therapie
Therapieziel
Schmerzen lindern.
Physiologische Schulterfunktion wiederherstellen.
Allgemeines zur Therapie
Es ist wichtig, Patienten über die Bedeutung der eigenen Mitarbeit in Verbindung mit einer geeigneten medikamentösen Behandlung zu informieren.
Der mangelnde Konsens bezüglich der Diagnose von Schulterbeschwerden führt auch bei den Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen Therapieansätze zu einer erheblichen Heterogenität, sodass diese nur unzureichend belegt ist.2
So liegen zur Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze unterschiedliche Ergebnisse vor.2
Empfehlungen für Patienten
Tätigkeiten und Aktivitäten vermeiden, bei denen die Schmerzen zunehmen.
Das Training sollte über 3 Monate 1 x täglich durchgeführt werden. Wenn die Schmerzen dies zulassen, sollte die Intensität des Krafttrainings erhöht werden; ein gewisser Schmerz ist bei der Kräftigungsübung allerdings ohnehin unvermeidlich.
Medikamentöse Therapie
Allgemeines
Im akuten oder subakuten Stadium können NSAR bei einigen Patienten eine gute Wirkung erzielen.
Wenn die Schmerzen jedoch bereits seit mehreren Wochen oder Monaten anhalten, empfiehlt sich eine spezifischere Behandlung.
Die Kombination aus Kortikosteroid-Injektionen mit Bewegungstherapie und manueller Therapie kann zur Anwendung kommen.
Infiltration an den Ansatzes der Infraspinatussehne/subakromiale Infiltration
Sollte in der Regel von einem Orthopäden durchgeführt werden.
Die behandelte Person stützt sich in Bauchlage auf die um 90 Grad angewinkelten und am Körper anliegenden Ellbogen; die Unterarme sind leicht nach außen gedreht, sodass sie sich am Rand der Liege festhalten kann.
Zunächst wird das Akromion lokalisiert. Der Sehnenansatz befindet sich kurz darunter am Tuberculum majus des Humerus.
Die Injektion erfolgt verteilt in 5–10 kleinen Dosen an den gesamten Sehnenansatz in Richtung Knochenhaut.
Cave: Eine intratendinöse Infiltration mit Kortison soll vermieden werden!
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Bei Bedarf Krankschreibung; bei einigen Patienten ist eine längere Krankschreibung erforderlich.
Eine Entlastung durch Vermeidung schmerzverstärkender Aktivitäten ist allgemein zu empfehlen, bei chronischen Tendopathien jedoch von begrenztem Nutzen.
Exzentrisches Krafttraining, Skapulakontrolle und korrekte physiologische Bewegungsmuster führen zur Schmerzreduktion und verbesserter Funktion.3
Abgesehen von der medikamentösen Behandlung ist die Wirkung verschiedener Therapieansätze nur sehr unzureichend wissenschaftlich belegt.
Eine Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern oder deren Arbeitsschutzbeauftragten/den Betriebsärzten bezüglich einer Anpassung der Tätigkeit, Versetzung oder einer Krankschreibung bei Teilnahme an genesungsfördernden Maßnahmen kann sehr nützlich sein und dazu beitragen, dass Patienten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.
Eine Ruhigstellung der Schulter ist zu vermeiden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Ohne Therapie kann eine chronische Tendinitis über viele Jahre unterschiedlich starke Beschwerden verursachen und bei ungewohnter Belastung häufig an Schwere zunehmen.
Bei einer akuten Tendinitis ist die Prognose gut, und die meisten Patienten können ihre früheren Aktivitäten nach 1–2 Wochen wieder in vollem Umfang ausüben.
Komplikationen
Eine Injektion in die Sehne kann zu einer Schädigung und Ruptur der Sehne führen.
Prognose
Viele Patienten sind nach 1–3 Kortison-Injektionen beschwerdefrei.
Anderenfalls lässt sich eine gute Prognose meistens durch ein angepasstes Training und Entlastung sicherstellen.
Verlaufskontrolle
Im Verlauf sollten die Patienten zur Bewertung des Behandlungserfolgs und Durchführung erneuter Tests erneut vorstellig werden.
Bei manchen Patienten ist eine längere Krankschreibung erforderlich.
Eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber/Arbeitsschutzbeauftragten bezüglich einer Anpassung der Tätigkeit, Versetzung oder einer Krankschreibung bei Teilnahme an genesungsfördernden Maßnahmen kann dazu beitragen, dass Patienten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.
Therapieerfolg, Wiederholung der durchgeführten Tests
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patienten informieren?
Informieren Sie über die zugrunde liegenden Kausalzusammenhänge und empfehlen Sie, Tätigkeiten und Aktivitäten zu meiden, die Schmerzen auslösen oder verstärken (Bewegungen/Tätigkeiten mit erhobenem/außenrotiertem Arm).
Knochen des Schultergelenks, schematische Darstellung
Infraspinatus, schematische Darstellung
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC). Rotatorenmanschette. AWMF-Leitlinie Nr. 033-041. S2e, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
Arroyo JS, Hershon SJ, Bigliani LU. Special considerations in the athletic throwing shoulder. Orthop Clin North Am 1997; 28: 69–78. www.ncbi.nlm.nih.gov
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC). Rotatorenmanschette. AWMF-Leitlinie Nr. 033 - 041, Stand 2017. www.awmf.org
Bernhardsson S, Klintberg IH, Wendt GK. Evaluation of an exercise concept focusing on eccentric strength training of the rotator cuff for patients with subacromial impingement syndrome. Clin Rehabil. 2011; 65(1): 69-78. pmid:20713438 PubMed
Autoren
Sandra Krüger, Dr. med., Fachärztin für Orthopädie, Berlin
Tomas Lihagen, leg sjukgymnast, Örebro Rehabcenter
Pål Kristensen, specialist i allmänmedicin, Ranheim legesenter, Trondheim
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Infraspinatus-Tendinitis; Entzündung der Infraspinatussehne; Entzündung des Infraspinatussehnenansatzes; Sehnenerkrankung der Schulter; Infraspinatussehenentzündung; Schulter-Tendinitis; Isometrische Außenrotation; Tendopathie der Infraspinatus-Sehne; Tendopathie Infraspinatus; Infraspinatus-Tendopathie
Tendinitis der Infraspinatussehne
Check GO 30.1.
CCC MK 25.05.2018, komplett überarbeitet
Definition: Entzündung der Infraspinatussehne oder ihres Ansatzes. Häufigkeit:Ist nach der Tendinitis der Supraspinatussehne die zweithäufigste Sehnenerkrankung der Schulter.