Definition:Schmerzen am Epicondylus lateralis oder medialis des Ellenbogens.
Häufigkeit:Die Epicondylitis lateralis ist die häufigste Tendinopathie des Menschen.
Symptome:Durch Überbelastung ausgelöste Schmerzen an der Seite des Ellbogens, die oft in den Unterarm Richtung Handgelenk ausstrahlen.
Befunde:Die laterale Epikondylitis verursacht Schmerzen bei isometrischer Extension des Handgelenks, die mediale Epikondylitis bei isometrischer Flexion.
Diagnostik:Zusätzliche Untersuchungen sind in der Regel nicht erforderlich.
Therapie:Die Behandlung erfolgt bei hohem Selbstheilungspotenzial konservativ mit Schonung,u. Kühlung,a. OrtheseVerzicht auf schmerzauslösende Aktivitäten und weiteren Maßnahmen wie Bewegungstherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
Schmerzen am lateralen oder medialen EpicondylusEpikondylus des Ellbogens während oder nach Belastung1
Bis zu 7 % der handwerklich arbeitenden Bevölkerung sind betroffen.45
höchste Prävalenz in der Altersgruppe von 45–54 Jahren45
Tennisspieler*innen machen nur etwa 10 % der betroffenen PatientenPatient*innen aus.2
Mediale Epikondylitis
seltener als die laterale Epikondylitis
jährliche Inzidenz 3–4 Fälle auf 10.000 Personen57
Ätiologie und Pathogenese
RepetitiveEntstehung aufgrund eines kumulativen Effektes von mechanischer Überbelastung, neurologischer Irritation und metabolischen Veränderungen.4
Aktuell geht man als Hauptursache von einer degenerativen Komponente bedingt durch Mikrotraumata aus.4
Im Rahmen einer ausbleibenden Sehnenheilung – bedingt durch Überbelastung der Handgelenksextensoren bzw. -flexoren6repetitive Mikrotraumata – kommt es zu einer Hyperplasie von Fibroblasten mit Ausbildung ungeordneter Kollagenfasern und einer Neovaskularisation (angiofibrotische Hyperplasie).
Diese Einsprossung von Gefäßen und Nervenzellen mitführt zur Bildung von Narbengewebe und erhöhter Schmerzempfindlichkeit.78
Aktivitäten mit repetitiver Extension und Supination des Handgelenks910
Tennis ist die am häufigsten mit der Epicondylitis lateralis assoziierte Aktivität: Spielen von > 2 Stunden/Woche erhöht das Risiko um das 2- bis 3-Fache.910
Die klinische Diagnostik umfasst folgende Untersuchungspunkte:
Inspektion
Palpation
Bewegungsprüfung
spezielle Provokationstests (resistive Prüfung der Handgelenksfunktion)
Beurteilung der peripheren Durchblutung, Sensibilität, Motorik, Nervenengpasszeichen
Die maximale Schmerzprovokation wird erzielt, wenn Ursprung und Ansatz eines Muskels maximal voneinander entfernt werden (Dehnungsschmerz) und zusätzlich isometrischer Widerstand gegeben wird (Belastungsschmerz).4
Laterale Epikondylitis
Druckschmerz über dem lateralen EpicondylusEpikondylus
Reproduktion der Schmerzen
Ellenbogen extendiert
Hand geöffnet
isometrische Extension und radiale Deviation des Handgelenks
Supination gegen Widerstand ist ebenfalls häufig schmerzhaft.
„Chair Test“: Schmerzen beim Anheben eines Stuhls mit proniertem Unterarm4
Mediale Epikondylitis
Druckschmerz über dem medialen EpicondylusEpikondylus
Reproduktion der Schmerzen
Ellenbogen extendiert
Hand geöffnet
isometrische Flexion des Handgelenks
Pronation gegen Widerstand ist ebenfalls häufig schmerzhaft.
Allgemeines
Inin der Regel gibt es keine Entzündungszeichen und der Ellenbogen ist frei beweglich.
Im Rahmen der Differenzialdiagnostik sollte auch eine orientierende neuroorthopädische Untersuchung der HalswirbelsäuleHWS, zumder AusschlussBWS, einerder zervikalenipsilateralen RadikulopathieSchulter und des ipsilateralen Handgelenkes erfolgen.4
Überprüfung der Aufklappbarkeit des Ellenbogengelenks zum Ausschluss einer Verletzung der Kollateralbänder
ApparativeWeitere Diagnostik in der Hausarztpraxis
KeineIm indiziertEinzelfall kann bei dem Verdacht auf eine entzündliche Ursache die Notwendigkeit für eine zusätzliche Labordiagnostik geprüft werden.4
Empfehlungen zur Bildgebung gemäß der deutschen Leitlinie4
Eine Ultraschalldiagnostik kann sinnvoll sind.
Bei Erstvorstellung kann eine Röntgendiagnostik in Ergänzung zur klinischen Untersuchung sinnvoll sein und sollte bei chronischen Verläufen (> 6 Monaten) durchgeführt werden.
Eine präzise Dokumentation des Extensorenzustandes mittels MRT sollte bei chronischer Epicondylitis radialis (> 6 Monate) durchgeführt werden.
Anm. d. Red.: Ähnliches gilt für die Epicondylitis ulnaris.
Bei anamnestischem Trauma und Verdacht auf knöcherne Verletzung Röntgen in 2 Ebenen
InIm therapieresistentenEinzelfall Fkann bei dem Verdacht auf eine fortgeleitete oder periphere neurogene Lällension könnendie dynamischeNotwendigkeit für zusätzliche neurophysiologische UntersuchungenUntersuchung – wieinkl. EMG und die Bestimmung der /Nervenleitgeschwindigkeit – zum Ausschluss von Nervenkompressionssyndromen eingesetztgeprüft werden.4
Indikationen zur Überweisung
Bei persistierenden Beschwerden trotz konservativer Therapie über 3–6 Monate910
Therapie
Therapieziele
Schmerzen lindern.
Eine Chronifizierung verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Die Therapie der akuten Epikondylitis soll nichtoperativ erfolgen. Das hohe Selbstheilungspotenzial soll ausgeschöpft werden.4
> 90–95 % der PatientenPatient*innen unter konservativer Therapie sind nach 1 Jahr beschwerdefrei.910
Es gibt eine Vielzahl möglicher Therapieoptionen, von denen bisher keine ihre Überlegenheit demonstrieren konnte.89
z. B. NSAR, Physiotherapie, Orthesen, Infiltrationen mit verschiedenen Substanzen
kein Wirkungsnachweis für Kryo- oder Wärmetherapie4
Steroidinjektionen sollen nicht durchgeführt werden.4
Empfehlungen für PatientenPatient*innen
Entlastung, Ruhigstellung
Schmerzprovozierende Aktivitäten vermeiden.
Kühlung
MehrmalsIm täglichArbeitsleben fürkann 15–20durch minbestimmte dieMaßnahmen schmerzhafteder StelleArbeitsplatzoptimierung kühlen(erhöhte Tastaturen, Vertikalmaus) eine Änderung der Belastung erreicht werden.
KönnenGerade Schmerzenfür ineine kurzzeitige Besserung der AkutphaseBeschwerden (Schmerzlinderung lindernund Verbesserung der Funktion) sind NSAR hilfreich.134
Die ESWT kann bei therapieresistenter Epikondylitis angewendet werden.
In der überwiegenden Zahl der genannten Studien wurden 3 x im Wochenabstand jeweils 2.000 Impulse appliziert.
Radiale und fokussierte Stoßwelle sind als gleichwertig anzusehen.
Es überwiegen Studien, in denen die Stoßwelle in Bezug auf Schmerz, Griffstärke und in den Scores signifikant besser oder zumindest gleichwertig im Vergleich zu anderen Behandlungen bzw. der Sham-Stoßwelle (d. h. quasi dem Spontanverlauf) abschneidet.
Off-Label-Use
Laut Leitlinie nicht genügend wissenschaftliche Evidenz für oder gegen Infiltration von Platelet Rich Plasma (PRP) und Botulinumtoxin A und somit abschließende Beurteilung nicht möglich4
Infiltration von thrombozytenreichem Plasma (Platelet Rich Plasma, PRP)
Stimulation einer akuten Entzündungsreaktion mit Anhäufung von Wachstumsfaktoren3
optimale Anzahl der Infiltrationen sowie Dosierung noch nicht klar89
Eine Metaanalyse zeigt, dass Injektionen mit PRP einen deutlich besseren Langzeiteffekt haben als Steroidinjektionen.2122
Infiltration von Botulinumtoxin A
nach 2, 6 und 18 Wochen signifikante Schmerzlinderung im Vergleich zu Placebo2223
Bei Infiltration in die Strecksehnen initial Schwäche der Fingerstrecker, die nach 18 Wochen jedoch regredient ist.2223
bisher nur Off-Label-Use bei wenig verfügbaren Studien.2324
Topische Nitroglycerin-Pflaster
Ziel ist die erhöhte Perfusion der Sehne durch Gefäßerweiterung zur schnelleren Heilung.
in einer Metaanalyse signifikante Schmerzlinderung im Vergleich zu Placebo2425
Nicht zu empfehlen
Steroidinjektion
auf kurze Sicht (0–12 Wochen) symptomlindernde Wirkung, mit Wirkung auf gleichem Niveau wie Naproxen2526-2627
mittelfristig (13–26 Wochen) und langfristig gesehen (≥ 52 Wochen) keine bis sogar negative Wirkung auf Schmerzen und Funktion im Vergleich zu keiner Behandlung, NSAR, Placeboinjektionen und Physiotherapie1315,2728-2930
Extrakorporale
Widersprüchliche Stoßwellen-TherapieEmpfehlungen
Strahlentherapie
Unter Berücksichtigung des nicht placebokontrollierten Designs, der ausgeprägten Inhomogenität der Kollektive sowie der nur sehrrelativ kleinerkurzen bzwFollow-up-Zeiten der verfügbaren Studien, kann, gemäß den Kriterien der evidenzbasierten Medizin, die Strahlentherapie bei Epicondylitis radialis aktuell nicht empfohlen werden. kein Benefit im Vergleich zu Placebo30-334
Cave: In einzelner Studie, die nach Veröffentlichung der Leitlinie publiziert wurde, Wirkungsnachweis!6
typischerweise 6 Sitzungen à 1 Gray (totale Dosis 6 Gray)
signifikante, langfristige Schmerzlinderung
Medianwerte auf VAS (0–10): vor Bestrahlung 7, 6 Wochen danach 4, 12 Wochen danach 2, nach 12 Monaten 0 und nach 24 Monaten 1
Physiotherapie
Beispielhafter Behandlungsplan für exzentrisches Training der Extensoren bei Epicondylitis lateralis
Woche 0–2
tägliche Übungen mit aktiver Handgelenksextension, Flexion, Pronation, Supination und Handgriffen ohne Widerstand
jeweils 100 Wiederholungen
erst bei Schmerzfreiheit Übergang zu Woche 2–4
Woche 2–4
Einführung exzentrischer Übungen für die Extensormuskeln des Handgelenks
langsame Handgelenksflexion gegen Widerstand
4-mal 12 Wiederholungen täglich
Geringe Schmerzen werden akzeptiert.
Woche 4–6
zusätzlich schnelle konzentrische Kontraktionen der Extensorenmuskeln ohne Widerstand
In allen Phasen zusätzlich Stretching
Stretching der Extensorgruppen 2-maltäglichx tgl. für 15–20 sec
Kühlung
Nach Kräftigungs- bzw. Dehnungseinheit jeweils für 15–20 min kühlen.
Operative Therapie
Indikation
VersagenChirurgische derInterventionen konservativensollen nur Patient*innen angeboten werden, die auf eine konsequente konservative Therapie nachvon 3–≥ 6 Monaten nicht angesprochen haben und bei denen ein strukturell-morphologisches Korrelat objektivierbar ist.94
ProzedereProcedere
Tenotomie mit Ablösung der betroffenen Sehne vom jeweiligen EpicondylusEpikondylus sowie Exzision des pathologisch veränderten Gewebes
offenesEine sowieabschließende arthroskopischesEmpfehlung Vorgehenfür möglichein Verfahren (offen vs. arthroskopisch) kann aktuell nicht ausgesprochen werden.4
arthroskopisch vergleichbare Ergebnisse, jedoch weniger Komplikationen3431
Prognose
gute Ergebnisse bei > 80 % der PatientenPatient*innen3
Prävention
AktivitWichtigste prätenventive oderMaßnahme Belastungen vermeiden,ist die früherVermeidung Auslöservon fürrepetitiver ähnlicheÜberbelastung Beschwerden(Sport, warenArbeit, Freizeit) bzw. rechtzeitige Belastungsmodifikation bei Auftreten erster Symptome.4
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
InDie denErkrankung meistenist Fällenmeist gehenselbstlimitierend in einem Zeitraum bis zu 2 Jahren, wobei die Symptomeakute spontanSchmerzphase zurück6–12 Wochen andauern kann.4
Nach 1 Jahr sind > 90 % der PatientenPatient*innen beschwerdefrei.910
In Einzelfällen bestehen die Beschwerden über mehrere Jahre.
Komplikationen
Chronifizierung
In bis zu 50 % der Fälle einer Epicondylitis medialis kommt es zu einer Reizung des N. ulnaris.2324
Prognose
Die Prognose ist in der Regel gut.
besonders bei akuten Fällen mit klaren Ursachen und einer schnellen Therapie
Die Erkrankung neigt zur Chronifizierung.
vor allem bei spätem Behandlungsbeginn und Fortführung der schmerzhaften Aktivitäten
Bei konservativ therapierefraktären PatientenPatient*innen kann mit einer Operation in 85 > 80 % der Fälle eine Schmerzfreiheit erzielt werden.93,10
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AutorenAutor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Frankfurt a. M.ünster
BendikDie Johannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, fysioterapeut, Trondheim
Stig Fossum, fysioterapeut, spesialkompetanse på muskel- og skjelettsykdommer, Moholt Fysioterapi, Trondheim
Pål Kristensen, spesialist i allmennmedisin, Ranheim legesenter, Trondheim
BBBBB MK 11.10.2022 revidiert und aktualisiert, Therapie und Diagnostik teilweise umgeschrieben. LL berücksichtigt. Stellungnahme zur Schmerzbestrahlung nach Leseranfrage.
BBB MK 24.06.19, umfassend überarbeitet (AiW Ortho)
Check GO 15.2.
Definition:Schmerzen am Epicondylus lateralis oder medialis des Ellenbogens. Häufigkeit:Die Epicondylitis lateralis ist die häufigste Tendinopathie des Menschen.