Insgesamt erklären primärer Hyperparathyreoidismus und Tumorleiden 90 % der Fälle.4
Der Großteil der restlichen 10 % wird durch Medikamente (z. B. Thiazide, Lithium, Theophyllin, Vitamin-D-Präparate und Teriparatid), längerfristige Immobilisation („Immobilisationsosteoporose"), das Kalzium-Alkali-Syndrom oder seltene angeborene Erkrankungen (z. B. familiäre hypokalziurische Hyperkalzämie) verursacht.4
Weitere seltene Ursachen sind granulomatöse Erkrankungen (z.B. Tuberkulose oder Sarkoidose).
Hyperkalzämie in Zusammenhang mit Malignomen typisch bei:
Insbesondere bei Mamma- und Lungenkarzinomen wird die Hyperkalzämie auch durch die Produktion eines Parathormon-verwandten Proteins (PTHrP) verursacht.9
Diagnostisches Vorgehen
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Bestätigung der Hyperkalzämie durch Bestimmung des ionisierten Kalziums und des albuminkorrigierten Kalziums
Anamnese
auslösende Medikamente, u. a.:
hochdosierte Vitamin-D-Präparate (sehr häufig Einnahme ohne ärztliche Verordnung!)
Thiazide
Lithium
Theophyllin
Teriparatid
Krebserkrankung bekannt?
B-Symptomatik?
Laborchemische Bestimmung des intakten Parathormons, Vitamin-D-Spiegels und TSH
Physiologisch wird das Parathormon über Feedback-Mechanismus bei einer Hyperkalzämie supprimiert.
beim primären Hyperparathyreoidismus meist massiv erhöht, bei sekundärem Hyperparathyreoidismus oft nur moderat erhöht
Vitamin-D-Intoxikation als Ursache für Hyperkalzämie?
Vitamin-D-Mangel als Ursache für sekundären Hyperparathyreoidismus?
Hyperthyreose als Ursache für Hyperkalzämie?
Tumorsuche inklusive Serum- und Urinelektrophorese
Elektrophorese zum Nachweis eines möglichen multiplen Myeloms
Bei normalem oder erhöhtem Parathormon und jungen Patient*innen:2
Bestimmung der Urin-Kalzium-Ausscheidung
bei familiärer hypokalziurische Hyperkalzämie niedrig (Verhältnis Kalzium:Kreatinin-Clearance < 0,01, beide Parameter müssen hierfür simultan in Blut und Urin bestimmt und in mmol/l verwendet werden)
beim primären Hyperparathyreoidismus hoch (Verhältnis > 0,02)
Differenzialdiagnosen
Hyperparathyreoidismus, primär (pHPT)
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.7
Ursachen für einen primären Hyperparathyreoidismus:
Nebenschilddrüsenadenom (80 %)
Nebenschilddrüsenhyperplasie (15–20 %)
Nebenschilddrüsenkarzinom (ca. 1 %).
Der primäre Hyperparathyreoidismus ist eine sporadisch auftretende Erkrankung, eine Minderheit der Fälle beruht auf einem MEN-Syndrom. Die Inzidenz liegt bei 1 Neuerkrankung auf 1.000 Einw. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Der Hyperparathyreoidismus ruft eine verstärkte Mobilisation von Kalzium aus den Knochen, eine Hyperkalzämie und eine vermehrte Rückresorption von Kalzium und Phosphat in den Nieren hervor, was zur Bildung von Nierensteinen führen kann.
Beim sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) kommt es dagegen zu einem erniedrigten Kalzium-Spiegel mit adäquatem Anstieg des Parathormons. Häufigste Ursache des sekundären Hyperparathyreoidismus ist eine verminderte Produktion von aktiviertem Vitamin D aufgrund einer chronischen Niereninsuffizienz.
paraneoplastische Sekretion vom Parathormon-related-Peptid
osteolytische Metastasen
Parallel oft allgemeine Anzeichen für maligne Erkrankungen wie B-Symptomatik, Abgeschlagenheit oder Anämie.
Häufigkeit einzelner Malignome als Ursache der tumorbedingten Hyperkalzämie: 11
Lungenkarzinome 25 %
Mammakarzinome 20 %
Multiples Myelom 10 %
Kopf-Hals-Tumoren 8 %
Urogenitale Tumoren 8 %
Ösophaguskarzinome 6 %
Gynäkologische Tumoren 5 %
Maligne Lymphome 5 %
Sonstige 13 %
Kalzium-Alkali-Syndrom
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.12
Kann bei langanhaltender oraler Einnahme von gleichzeitig Kalzium und basischen Präparaten (z. B. Antazida oder Bikarbonat bei Niereninsuffizienz) auftreten.
am häufigsten durch unsachgemäße Einnahme von nicht-verschreibungspflichtigen Vitamin-D- und Kalziumpräparaten
Führt zu Hyperkalzämie und Alkalose und kann in Niereninsuffizienz münden.
Dritthäufigste Ursache für Hyperkalzämie
häufigste Ursache bei postmenopausalen Frauen (wegen gehäufter Einnahme von Kalzium-Präparaten zur Osteoporose-Prophylaxe)
Therapie: Pausieren der auslösenden Medikamente und Flüssigkeitsgabe zum Ausgleich der Hyperkalzämie
Vorbeugung: tägliche Gesamtzufuhr von Kalzium von max. 1,2–1,5 g
Familiäre hypokalzurische Hyperkalzämie
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
Genmutation des Kalzium-Sensing-Rezeptors (CaSR) in der Nebenschilddrüse sowie des Nephrons der Niere
Gestörte Signaltransduktion am Rezeptor führt zu unzureichender PTH-Suppression und verminderter Kalziumausscheidung über die Niere.
Hyperkalzämie von Kindesalter an
Befunde: Hyperkalzämie, erhöhtes PTH und Hypokalziurie
Medikamenteneinnahme
Für Medikamente, die eine Hyperkalzämie auslösen können, siehe den Punkt Anamnese unter Diagnostisches Vorgehen.
Insbesondere ist nach Vitamin D-Präparaten zu fragen, da diese zunehmend auch ohne ärztliche Anordnung von Patient*innen eingenommen werden.
Granulomatöse Erkrankungen
Vermutlich vermehrte Expression des Enzyms 1-Hydroxylase in den Granulomzellen, durch welches die Konversion von Vitamin D in die aktive Form erfolgt. 11
Laborbefund: intaktes Parathormon erniedrigt, bei osteolytischen Metastasen oft alkalische Phosphatase erhöht
Breite Tumorsuche, u. a. mit Röntgen Thorax, Sono Abdomen, Serum- und Urinelektrophorese, Koloskopie, Gastroskopie, gynäkologischer Untersuchung bzw. Bestimmung PSA
Indikationen zur Überweisung/EinweisungKlinikeinweisung
Alle Patient*innen mit bestätigtem primärem Hyperparathyreoidismus (hohes Kalzium und hohes PTH) sollten an eine endokrinologische Praxis überwiesen werden.
Bei V. a. sekundären Hyperparathyreoidismus aufgrund Vitamin-D-Mangels kann zuerst eine Supplementierung erwogen werden.
Ambulante Therapie nur bei milder Hyperkalzämie (< 3,0 mmol/l) vertretbar, stärkere Hyperkalzämien sollten stationär behandelt werden.4
Insbesondere die hyperkalzämische Krise mit einem Kalzium > 3,5 mmol/l erfordert eine notfallmäßige Krankenhauseinweisung.
Checkliste zur Überweisung
Hyperkalzämie/Hyperparathyreoidismus
Zweck der Überweisung
Bestätigende Diagnostik? Operation?
Anamnese
Bei nachgewiesener Hyperkalzämie? Entwicklung, evtl. Progression?
Langanhaltende Hyperkalzämie kann zu Niereninsuffizienz und zu Ablagerungen von Kalk in der Haut, kutane Kalzinose, führen.
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie- und diabetologie (DGKED). Primärer Hyperparathyreoidismus. AWMF-Leitlinie Nr. 174-006. S1, Stand 2016. www.awmf.org
Literatur
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Kasperk C. Hyperkalzämische Krise und hypokalzämische Tetanie. Der Internist 2017; 58: 1029-36. link.springer.com
Suttmann Y, Fischereder M. Hyperkalzämie: Häufig steckt eine Tumorerkrankung dahinter. MMW - Fortschritte der Medizin 2020; 162: 35-38. link.springer.com
Miedlich S, Koch C, Paschke R. Primärer Hyperparathyreoidismus. Heute meist ein asymptomatisches Krankheitsbild. Deutsches Ärzteblatt 2002; 99(49): A-3340. www.aerzteblatt.de
Silverberg SJ, Bilezikian JP. The diagnosis and management of asymptomatic primary hyperparathyroidism. Nat Clin Pract Endocrinol Metab. 2006;2(9):494–503. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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Patel AM, Goldfarb S. Got Calcium? Welcome to the Calcium-Alkali Syndrome. JASN 2010; 21(9): 1440-43. jasn.asnjournals.org
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
E8359 Störungen
t29 andre symptomerplager fra det endokrinemetabolske systemkostholdA91; t29 andre symptomer/plager fra det endokrine/metabolske system/kosthold; t99 endokrin/metabolsk/ernæringssykdom ika; a91 unormalt resultat ved undersøkelse ika; t99 endokrin/metabolsk/ernæringssykdom ikaT99
Kalziumverteilung1
Die Knochen enthalten etwa 98 % des körpereigenen Kalziums, die restlichen 2 % zirkulieren im Körper.
Nur die Hälfte des zirkulierenden Kalziums ist freies (ionisiertes) Kalzium, das biologisch aktiv ist.
Der Rest ist gebunden an Albumin, Globulin sowie anorganische Moleküle.