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Transiente globale Amnesie

Zusammenfassung

  • Definition:Plötzlich auftretende  Amnesie.
  • Häufigkeit:Inzidenz 3–8 Betroffene pro 100.000 Einw.
  • Symptome:Die Person kann keine neue Information aufnehmen, wirkt verwirrt und versteht die Situation nicht.
  • Befunde:Verwirrtheit, wiederholtes Stellen der gleichen Fragen. Ansonsten keine Zeichen einer neu aufgetretenen neurologischen Erkrankung, keine Bewusstseinstrübung.
  • Diagnostik:Die Diagnose kann anhand des typischen klinischen Bildes gestellt werden. Zum Ausschluss anderer Ursachen ggf. MRT oder ein EEG.
  • Therapie:Unterstützende  Beobachtung, bis die Symptome verschwinden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die transiente globale Amnesie (TGA), auch amnestische Episode genannt, ist eine akut einsetzende Störung aller Gedächtnisinhalte (visuell, taktil, verbal).1
  • Die Gedächtnisstörung mit antero- und manchmal auch retrograder Amnesie kann bis zu 24 Stunden (im Mittel 6–8 Stunden) dauern.
  • Es bestehen keine Bewusstseinsminderung oder weitere neurologische Ausfälle.2

Häufigkeit

  • Die Inzidenz einer TGA beträgt 3–8 Betroffene pro 100.000 Einw. pro Jahr.1
  • Am häufigsten tritt die TGA in der Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen auf, bei unter 30-Jährigen ist sie bislang nicht beschrieben.
  • Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.
  • In den Wintermonaten ist die TGA häufiger.

Ätiologie und Pathogenese

  • Es wird von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen, ohne dass die Pathophysiologie vollständig verstanden ist.
  • Bildgebende Befunde sprechen für eine passagere Funktionsstörung mediobasaler Temporallappenanteile unter Einschluss der beiden Hippocampi.1

Prädisponierende Faktoren

  • Emotional-psychische Belastungen
  • Körperliche Anstrengungen
  • Sprung ins kalte Wasser
  • Geschlechtsverkehr
  • Ängstliche Persönlichkeitsstruktur
  • Migräne3

ICPC-2

  • K89 Transiente zerebrale Ischämie/TIA
    • Schließt transiente globale Amnesie ein.

ICD-10

  • G45.4 Transiente globale Amnesie

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • Plötzlicher anterograder Gedächtnisverlust
    • Manchmal ist auch der Zugriff auf kurz vor der TGA erworbene Gedächtnisinhalte gestört (retrograde Amnesie).
  • Es bestehen keine neurologischen Ausfälle oder andere Zeichen körperlicher oder psychischer Erkrankungen (insbesondere keine Zeichen epileptischer Anfälle).
  • Es besteht keine Bewusstseinsstörung oder Desorientierung zur Person.
  • Die Episode muss beobachtet worden sein.
  • Die Symptome verschwinden spontan, meist im Laufe von 2–12 Stunden, immer jedoch innerhalb von 24 Stunden.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Plötzlich auftretende Verwirrtheit im Sinne einer anterograde Amnesie, d. h. neue Eindrücke werden nicht mehr aufgenommen und erinnert.
    • Betroffene stellen wiederholt die gleichen Fragen und verstehen die Situation nicht, in der sie sich befinden.
  • Das Bewusstsein ist nicht gestört, und die Person weiß, wer sie ist.
  • Die übrigen kognitiven Funktionen sind intakt.
    • Die Person erinnert sich an ihre Personalien und kann z. B. Rechenaufgaben lösen oder vor der Episode erlernte Tätigkeiten ausführen.
  • Manche Patient*innen haben auch eine retrograde Amnesie, die einen mehr oder weniger langen Zeitraum betrifft.
  • Typisch ist, dass die TGA nach oder während starker körperlicher Anstrengung oder emotionaler Belastung auftritt.
  • Manche Betroffene haben in der akuten Phase leichte vegetative Symptome wie Kopfschmerz, Übelkeit oder Schwindel.
  • Nach der TGA erinnert sich die Person nicht an die Episode.

Klinische Untersuchung

Ergänzende Untersuchungen

  • Die Störung der Orientierung zu Zeit, Ort und Situation lässt sich mit Tests wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder MoCa  nachweisen.2
  • Bei typischer Klinik sind keine ergänzenden Untersuchungen erforderlich.
  • Bei anhaltenden Symptomen oder Verdacht auf eine andere Ursache der Amnesie können EEG, MRT oder CCT indiziert sein.
    • In während oder kurz nach einer TGA-Episode angefertigten zerebralen MRT sind kleinere, aber typische Veränderungen im Hippocampus beschrieben.5
      • Die Veränderungen sind reversibel und kein diagnostisches Kriterium.
  • Evtl. ist auch eine Gefäßdiagnostik des vertebrobasilären Stromgebietes hilfreich.1

Indikationen zur Überweisung

  • Bei unklarem Krankheitsbild an eine neurologische Praxis überweisen.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Betreuung und Beruhigung der Betroffenen, solange die Funktionsstörung anhält.

Medikamentöse Therapie

  • Nicht indiziert

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die TGA manifestiert sich akut in Form von Verwirrtheit und Unfähigkeit zur Aufnahme neuer Informationen (anterograder Gedächtnisverlust).
  • Die Symptome verschwinden meist innerhalb von 2–12 Stunden und halten nicht mehr als 24 Stunden an.
    • Trotzdem lassen sich in einigen Fällen Tage bis Monate nach dem Ereignis Einschränkungen des nonverbalen Langzeitgedächtnisses nachweisen.1

Komplikationen

  • Komplikationen sind nicht bekannt.

Prognose

  • Die Prognose ist gut.
  • Rezidive sind häufiger bei Migräne-Patient*innen oder bei Auftreten der TGA in jüngeren Jahren.6
  • Kein erhöhtes Risiko für andere Erkrankungen wie z. B. Schlaganfälle oder eine spätere psychische Erkrankung7

Verlaufskontrolle

  • Bei sicherer Diagnose sind keine Kontrollen erforderlich.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Die Ursache der TGA ist unbekannt.
  • Die TGA ist ungefährlich und nicht mit anderen Erkrankungen oder Komplikationen verbunden.
  • Rückfälle sind die Ausnahme.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Transiente globale Amnesie (= amnestische Episode). AWMF-Leitlinie Nr. 030-083. S1, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Transiente globale Amnesie (= amnestische Episode). AWMF-Leitlinie Nr. 030-083. Stand 2017. www.awmf.org
  2. Hoyer C. Szabo K. Klinik, Diagnostik und Pathophysiologie der transienten globalen Amnesie (TGA). Neurologie up2date 2020; 03(03): 259-270 www.thieme-connect.de
  3. Yi M, Sherzai AZ, Ani C, Shavlik D, et al. Strong Association Between Migraine and Transient Global Amnesia: A National Inpatient Sample Analysis. J Neuropsychiatry Clin Neurosci 2019; 31: 43. pmid:30305003 PubMed
  4. Hodges JR, Warlow CPSyndromes of transient amnesia: towards a classification. A study of 153 cases.Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry 1990 jnnp.bmj.com
  5. Scheel M1, Malkowsky C, Klingebiel R, Schreiber SJ, Bohner G. Magnetic resonance imaging in transient global amnesia: lessons learned from 198 cases. Clin Neuroradiol 2012; 22: 335-40. pmid:22422060 PubMed
  6. Morris KA, Rabinstein AA, Young NP. Factors Associated With Risk of Recurrent Transient Global Amnesia. JAMA Neurol. 2020 Aug 31;77(12):1–8. doi: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Arena JE, Rabinstein AA. Transient global amnesia. . Mayo Clin Proc 2015; 90: 264-72. pmid:25659242 PubMed

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

 

G454
K89
Amnesie; MoCa; MMST; transiente globale Amnesie; (TGA; amnestische Episode; anterograde Amnesie
Transiente globale Amnesie
BBB MK 13.01.2020 umfassende Überarbeitung, deutsche LL.
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Definition:Plötzlich auftretende  Amnesie. Häufigkeit:Inzidenz 3–8 Betroffene pro 100.000 Einw. Symptome:Die Person kann keine neue Information aufnehmen, wirkt verwirrt und versteht die Situation nicht.
Neurologie
Amnesie, transiente globale
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