Grundsätzlich können an Bord eines Flugzeugs alle Arten von medizinischen Notfällen auftreten, darunter auch Fälle, die eine rasche Versorgung in einem Krankenhaus erfordern.
Ärzte, Pflegekräfte und sonstige medizinische Fachkräfte, die sich an Bord befinden, können um Hilfeleistung gebeten werden.
Solche Situationen stellen besondere Anforderungen an die Helfer: Sie befinden sich in einer Höhe von 9.000 bis 12.000 Metern, der Zugang zu medizinischer Ausstattung ist begrenzt und die nächste Klinik oft Stunden entfernt.1
Häufigkeit
Es gibt kein verpflichtendes Meldesystem für medizinische Notfälle an Bord von Flugzeugen.2
Geschätzte Prävalenz medizinischer Notfälle
Lag im Zeitraum 2008–2010 bei 1 je 604 Flügen, was aller Wahrscheinlichkeit nach eine zu geringe Schätzung darstellt, da viele kleinere Zwischenfälle nicht erfasst werden.3
Andere Autoren gehen von 95 %igen Wahrscheinlichkeit für einen medizinischen Zwischenfall bei jedem 24. Interkontinentalflug aus. 4
Laut einer anderen Studie, die auf Daten aus den Jahren 2009–2013 beruht, traten je 1 Mio. Passagiere 24–130 Notfälle auf.5
Ausgehend von einer weltweiten Fluggastzahl von 4 Mrd. pro Jahr6 wird geschätzt, dass in Flugzeugen täglich 260–1.420 medizinische Notfälle auftreten.
Laut Register der Lufthansa ereigneten sich im Jahr 2011 70 % aller Notfälle auf Interkontinentalflügen.4
In über 80 % der Fälle waren ein Arzt oder anderes medizinisches Fachpersonal an Bord.
In mehreren Studien werden folgende Arten von Notfällen als die häufigsten genannt:2
Bei über 20.000 von der Lufthansa dokumentierten medizinischen Zwischenfälle an Bord im Zeitraum von 2000–2011 waren:4
43 % dem Bereich Herz-Kreislauf/Neurologie (inkl. Schlaganfälle) zuzuordnen.
34 % waren Magen-Darm-Erkrankungen und
12 % Unfälle (v. a. herabfallendes Gepäck, Verbrennungen und Verbrühungen durch heiße Getränke).
11 % wurden als „Sonstiges“ kategorisiert und beinhalten Erkrankungen im HNO-Bereich, Koliken, Verdacht auf eine Infektionskrankheit, psychiatrische Erkrankungen.
Laut Register der Lufthansa waren 2010 und 2011 die häufigsten durchgeführten medizinischen Handlungen an Bord: 4
Blutdruckmessung (76 %)
Medikamentengabe (54 %)
Sauerstoffgabe (48 %)
Blutzuckermessung (9 %)
Messung der Sauerstoffsättigung (6 %)
Verwendung des AED zur EKG-Ableitung (6 %).
Schockabgabe des AED nur zweimal insgesamt
Eine Zwischenlandung des Flugzeugs aufgrund des medizinischen Notfalls ist in gut 4 % der Fälle nötig.1
Bei einem Fluggastaufkommen von 124,1 Mio. Passagieren kam es an Bord von Lufthansa-Flügen zu 25 Todesfällen in den Jahren 2010 und 2011.4
Pathophysiologie
Höhe und Luftdruck
Linienflugzeuge fliegen in einer Höhe von 9.000–12.000 Metern. Der Luftdruck in der Kabine entspricht dem in einer Höhe von 1.500–2.400 Metern.
Dieser Druck führt zu einer Expansion geschlossener, gashaltiger Räume im Körper wie Nebenhöhlen, Mittelohr und Darm, aber auch von artifiziellen Luft- oder Gaseinschlüssen, z. B. nach Laparoskopien, intrakraniellen oder intraolulären Eingriffen oder bei Pneumothorax. 4
In einer Höhe von 2.400 Metern nimmt das Volumen von Gasen in einem geschlossenen Raum um ca. 30 % zu.
Höhenänderungen führen bei Patienten, insbesondere bei Personen mit Entzündungen der oberen Atemwege oder Infektionen wie Sinusitis oder Otitis media, zu Beschwerden.
Sauerstoff
In der Kabine herrscht ein niedrigerer Sauerstoffpartialdruck, was bei gesunden Personen zu einer leichten Hypoxie führt (senkt die Sauerstoffsättigung von 97 % auf 93 %), bei Passagieren mit Lungenerkrankungen jedoch Symptome hervorrufen kann.
Die milde Hypoxie führt auch bei Gesunden zu kompensatorischer Hyperventilation und Tachykardie.4
Ödeme
aufgrund der Immobilisation und des geringen Umgebungsluftdrucks häufig4
Venöse Thromboembolie
Langes Sitzen und Hypoxie führen zu einem herabgesetzten venösen Blutfluss, zu einer systemischen Entzündung und zur Thrombozytenaktivierung, was eine venöse Thromboembolie begünstigen kann.7
Es besteht Uneinigkeit darüber, wie bedeutsam dieses Risiko ist.8
Eine etwaige tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie entwickelt sich in der Regel Stunden bis Tage nach dem Flug, bei langen Flügen oder bei mehreren aufeinanderfolgenden Flügen im Rahmen einer Reise kann sie jedoch auch während des Flugs auftreten.
Die trockene Luft im Flugzeug kann gemeinsam mit der Hyperventilation bei den Passagieren zu einer Dehydratation beitragen.4
Arbeitsbedingungen
Medizinische Ausstattung im Flugzeug
Die Anforderungen an die notfallmedizinische Ausstattung („Emergency Medical Kit“) an Bord können je nach Land und Fluggesellschaft unterschiedlich sein.
In der Regel ist Ausstattung für grundlegende medizinische Maßnahmen, zum Stillen von Blutungen und zur intravenösen Applikation vorhanden.
In Europa ist der Umfang der medizinischen Ausstattung an Bord von der European Aviation Safety Agency (EASA) und den Joint Aviation Authorities (JAA) festgelegt.4
Das Emergency Medical Kit JAR enthält als Minimalstandard für Flugzeuge mit mehr als 30 Passagieren und einer Flugzeit von mehr als 60 min:
Materialien: Spritzen und Nadeln, Orotrachealtuben in zwei Größen, Stauschlauch, Einmalhandschuhe, Urinkatheter
Geräte: Blutdruckmessgerät.
Für die USA wird der Umfang der Notfallausrüstung an Board von der Federal Aviation Administration (FAA) festgelegt. Europäische Fluggesellschaften, die in die USA fliegen, müssen auch die Vorgaben der JAA erfüllen.4
Das Emergency Kit FAA enthält, zusätzlich zu dem der JAA noch:
Medikamente: Acetylsalicylsäure Tbl., Atropin, Lidocain, Diphenhydramin Ampullen, 500 ml Kochsalzlösung
Materialien: Infusionsset, Beatmungsbeutel mit Reservoir und 3 Masken (Kinder, Erwachsene groß/klein), Notfall-Atemhilfe
Geräte: Stethoskop, AED.
Bei vielen Fluggesellschaften geht die medizinische Ausrüstung über diese Minimalanforderungen hinaus.4
Seit den Pandemien SARS und H1N1 werden bei der Lufthansa Infektionsschutz-Sets mitgeführt.
Im Doctor's Kit der Lufthansa z. B. werden verschiedene separat abgepackte Module bereitgestellt:4
Diagnostik, zusätzlich zur Minimalausstattung laut JAA und FAA: Pulsoxymeter, Glukometer, Fieberthermometer
Infusion: Material zum Legen einer Infusion
Blasenkatheter: alle benötigten Materialien inklusive Urinbeutel
Absaugung: manuelle Absaugpumpe, Absaugkatheter
Intubation: alle benötigten Materialien inklusive Laryngoskop
Beatmung: alle benötigten Materialien inklusive Beatmungsmasken und Guedel-Tuben
Ampullen-Set, zusätzlich zur Minimalausstattung laut JAA und FAA: Biperiden, Amiodaron, Wasser, Acetylsalicylsäure Amp., Metoprololtartrat, Theophyllin, Reproterol Amp., Diazepam, Midazolam, Urapidil, Haloperidol, Heparin-Natrium, Esketamin, Metoclopramid.
Zusätzlich befinden sich Sauerstoffflaschen an Bord.
Bodengestützte medizinische Beratung
Da sich nicht bei allen Flügen medizinisches Fachpersonal an Bord befindet, haben die meisten Fluggesellschaften Verträge mit einem medizinischen Dienst am Boden abgeschlossen, der bei Notfällen konsultiert werden kann.9
Bei einem medizinischen Notfall wird der Pilot verständigt, der über Funk oder Satellit den Kontakt herstellt.
Ein Mitglied des Kabinenpersonals dient als Informationsvermittler zwischen den Personen an Bord und dem medizinischen Zentrum am Boden.
Üben der kardiopulmonalen Reanimation, Verwendung von Defibrillatoren
Umgang mit bestimmten Erkrankungen und Geburten
Training der Kommunikation zwischen den Beteiligten (Cockpit, Betroffene, freiwillige Helfer, medizinische Beratung vom Boden).
Freiwillige medizinische Helfer
Je nach den Richtlinien der Fluggesellschaft kann das Kabinenpersonal evtl. medizinisch erfahrene Passagiere an Bord um Hilfe bitten.
Anforderungen an die medizinische Kompetenz
In der Regel müssen medizinisch kompetente Passagiere ihre medizinische Ausbildung nicht nachweisen.
Die Helfer sollten ihre eigene Fähigkeit zur Leistung medizinischer Hilfe kritisch beurteilen und sollten nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Medikamenten/anderen Substanzen stehen.10
Aufgaben
Meist besteht die Hauptaufgabe der freiwilligen medizinischen Helfer darin, Informationen sammeln, den kranken oder verletzten Passagier zu untersuchen und einzuschätzen, die Kommunikation mit dem medizinischen Dienst am Boden zu unterstützen und evtl. Medikamente zu verabreichen oder Maßnahmen durchzuführen.
Unterstützung durch das medizinische Team am Boden
Das Kabinenpersonal nimmt häufig erst die Hilfe des medizinischen Teams am Boden in Anspruch, bevor es sich an Passagiere an Bord wendet.
Rechtliche und ethische Fragen
Haftung
Ärzte, die freiwillig Hilfe leisten, begründen ein Arzt-Patienten-Verhältnis mit den damit einhergehenden Pflichten und Haftungsrisiken.10
Die Haftung richtet sich in der Regel nach den Gesetzen des Landes, in dem das Flugzeug registriert ist, doch auch das Recht des Landes, in dem es zu dem Zwischenfall kommt oder aus dem die beteiligten Parteien stammen, kann angewendet werden.9
In den USA schützt der Aviation Medical Assistance Act („Good Samaritan“) Passagiere, die medizinische Hilfe leisten, vor Haftungsansprüchen. Davon ausgenommen sind Fälle grober Fahrlässigkeit oder bewusster Fehlbehandlung.
Außerhalb der USA wird die Haftung durch das internationale öffentliche Recht oder Privatrecht oder durch Gesetze einzelner Länder geregelt.
Häufig händigt das Kabinenpersonal helfenden Ärzten eine Enthaftungserklärung aus. Die behandelnden Ärzte sind, mit Ausnahme von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, bei ihrer Tätigkeit an Bord versichert.4
Dies gilt auch, wenn die Approbation im Zulassungsland des Flugzeuges nicht anerkannt ist.
Für eine medizinisch ausgebildete Person, die in einem medizinischen Notfall an Bord eines Flugzeugs Hilfe leistet, sind die rechtlichen Risiken sehr gering.3
Ethische Pflicht oder gesetzliche Verpflichtung zur Hilfeleistung
Unabhängig von der Rechtslage sehen es die meisten Ärzte als ihre ethische Pflicht an, zu helfen. In vielen europäischen Ländern gelten ethische Verpflichtungen zur Hilfeleistung.9
In Deutschland ist man nach dem § 323c StGB zur Notfallhilfe verpflichtet. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Notfallhilfe gibt es auch in Frankreich, Australien, vielen asiatischen Ländern und im mittleren Osten.4
Nach britischem, kanadischem und US-amerikanischem Recht sind Ärzte nicht dazu verpflichtet, bei medizinischen Notfällen an Bord Hilfe zu leisten.9
Ärztliches/medizinisches Fachpersonal unter Alkoholeinfluss
Die Helfer müssen beurteilen, ob sie in der Lage sind, Hilfe zu leisten. Alkoholkonsum oder Einnahme von Psychopharmaka/anderer Substanzen kann dazu führen, dass der Betreffende nicht zur Hilfeleistung geeignet ist.
Dokumentation
Medizinisches Fachpersonal, das während eines Fluges Hilfe leistet, wird um die Angabe seines Namens gebeten. Diese Angabe benötigt die Fluggesellschaft für ihren Bericht und um die betreffende Person bei Bedarf als Zeugen kontaktieren zu können.11
Aus dem gleichen Grund sollte das betreffende ärztliche/medizinische Personal den Zwischenfall auch zu eigenen Zwecken schriftlich festhalten/dokumentieren: Symptome, klinische Befunde, durchgeführte Behandlung.
Die Schweigepflicht gilt auch bei solchen Zwischenfällen, weshalb diese ohne das Einverständnis der Patienten nicht mit Dritten (z. B. den Medien) besprochen werden sollten.
Zwischenlandung
Bei der Beantwortung der Frage, ob vorzeitig gelandet werden soll, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden.
Ob vor der Landung Treibstoff abgelassen werden muss, welche Kosten entstehen, ob das Flugzeug auf dem nächsten Flughafen landen kann und ob dieser Flughafen über die erforderlichen medizinischen Ressourcen verfügt.12
Der Pilot trägt die Verantwortung.
Der Pilot koordiniert zusammen mit der Flugsicherung alle operativen Entscheidungen und trägt die Verantwortung für die Zwischenlandung.2
Alle weiteren Beteiligten wie etwa das Kabinenpersonal, freiwillige Helfer oder medizinisches Bodenpersonal können Empfehlungen geben, doch die endgültige Entscheidung trifft der Pilot.
Medizinische Gründe
Die häufigsten Gründe für eine Zwischenlandung sind Herzstillstand, geburtshilfliche Notfälle, kardiale Symptome und Schlaganfallverdacht.3
Bei den meisten medizinischen Notfällen ist eine Versorgung im Flugzeug möglich.
Zeit bis zur Zwischenlandung
Wenn es nach Erreichen der Flughöhe zu einem Zwischenfall kommt, kann es unabhängig davon, wie weit der nächste Flughafen entfernt ist, mehr als 30 Minuten bis zur Landung dauern.
Klinische Beurteilung
Wenn das Kabinenpersonal um Hilfe bittet, sollte sich medizinisches Fachpersonal als solches zu erkennen geben und Informationen über die eigene Ausbildung und die aktuelle praktische Tätigkeit bereitstellen.
Vor der Hilfeleistung soll die Einverständnis der betroffenen Person eingeholt werden (Crew als Zeuge).4
Aufgaben von Ärzten und anderen Ersthelfern
Klärung von Art und Dauer der Symptome, ggf. Leistung Erster Hilfe
Aufgrund der räumlichen Enge sind z. B. Beatmung und Wiederbelebung nur im Küchen- oder Toilettenblock des Flugzeuges durchführbar.4
Beratung des Kabinenpersonals in Bezug auf das medizinische Ereignis, dessen Schweregrad, den potenziellen Behandlungsbedarf und mögliche Konsequenzen, die eintreten können, falls der Empfehlung zugunsten einer Zwischenlandung nicht Folge geleistet wird.
Das Kabinenpersonal sucht die medizinische Notfallausstattung heraus.
Anamnese
Oft erschwert durch sprachliche Verständigungsprobleme4
Klinische Untersuchung
Limitiert durch räumliche Enge, Lichtverhältnisse, Vibrationen und Geräuschkulisse4
Auskultation mit Identifikation von Atem-, Herz- oder Darmgeräuschen aufgrund der Umgebungsgeräusche sehr schwierig
Nachdem Informationen über den Patienten eingeholt wurden, stellt das Kabinenpersonal Kontakt zum medizinischen Unterstützungsteam am Boden her und übermittelt die Informationen sowie etwaige Empfehlungen von therapeutischen Maßnahmen oder den Bedarf an einer möglichst baldigen Landung.
Macht 8 % aller medizinischen Notfälle in Linienflugzeugen aus.
Mögliche Ursachen
Kann akute ischämische, pulmonale, vaskuläre oder sonstige schwerwiegende medizinische Ursachen haben.
Brustschmerzen, die auf Sauerstoff und ggf. Medikamente ansprechen, sind in der Regel nicht auf einen akuten Herzinfarkt mit ST-Hebung, eine Aortendissektion oder eine Lungenembolie zurückzuführen. Solche Notfälle erfordern eine möglichst baldige Landung.
Symptome
Können sich in Form einer Synkope oder Präsynkope (machen 37 % aller Notfälle aus), von respiratorischen Symptomen (12 %) oder eines Herzstillstands (0,3 %) manifestieren.3
Ein akuter Schlaganfall kann sich in unterschiedlicher Form manifestieren.
Typische Symptome sind Störungen in mindestens einem der folgenden Funktionsbereiche: Sprechen (Wortfindungsstörungen, undeutliche Aussprache), Lächeln (Asymmetrie der Gesichtshälften) oder Heben der Arme (verminderte Kraft in einem Arm) (FAST-Test).
Klinische Untersuchung
neurologische Ausfälle
Kontrollieren Sie den Blutzuckerspiegel. Eine Hypoglykämie kann als Schlaganfall fehlinterpretiert werden. Falls die medizinische Ausrüstung des Flugzeugs kein Blutzuckermessgerät enthält, fragen Sie die Mitreisenden, ob jemand ein Blutzuckermessgerät bei sich hat.
Therapie
Sauerstoff: Eine Hypoxämie sollte vermieden werden, da dies die Schädigungen der Nervenzellen noch verstärken kann.17
Zwischenlandung
Bei Verdacht auf einen akuten Schlaganfall sollte eine möglichst baldige Landung empfohlen werden.
Eine rasche Normalisierung des mentalen Status (innerhalb von Sekunden) spricht eher für einen nicht-generalisierten epileptischen Anfall oder eine vasomotorische Synkope als für einen Grand-mal-Anfall.
Einige wenige Myoklonien sind kein spezifisches Zeichen der Epilepsie, sondern treten bei vielen Personen während einer Synkope auf.
Nach einem Krampfanfall können die Patienten 15–30 Minuten nur eingeschränkt ansprechbar sein.
Zwischenlandung
Ein einzelner Krampfanfall, von dem sich die betroffene Person erholt, ist in der Regel kein Grund für eine vorzeitige Landung.
Im Falle mehrerer oder anhaltender Krampfanfälle, bei denen die Patienten nach dem Anfall nicht wieder zu Bewusstsein kommen, sollte eine möglichst baldige Landung erwogen werden.
Verletzung durch herabstürzendes Gepäck oder Verbrühung mit heißen Getränken sind am häufigsten. 4
Symptome
Beurteilen Sie das Ausmaß der Verletzung.
Beurteilen Sie ggf. den Bewusstseinszustand.
Maßnahmen
Die meisten Verletzungen an Bord von Passagierflugzeugen sind weniger schwerwiegend und lassen sich mit der an Bord befindlichen Notfallausstattung behandeln.
Bei Verdacht auf eine Fraktur oder eine Luxation sollten die Patienten in eine entlastende Haltung gebracht und der verletzte Bereich immobilisiert werden (Orthese).
Zwischenlandung
Bei Anzeichen einer schweren Verletzung oder einer zunehmenden Zustandsverschlechterung sollte evtl. die Empfehlung einer Zwischenlandung erwogen werden.
Macht schätzungsweise ca. 12 % aller medizinischen Notfälle aus.3
Mögliche Ursachen
Die herabgesetzte Oxygenierung kann bei Passagieren mit einer chronischen Lungenerkrankung wie z. B. COPD das Risiko einer Zustandsverschlechterung erhöhen.19
Adrenerge Mittel zur Inhalation sind in der Regel Teil der Notfallausstattung des Flugzeugs.
Bei Verdacht auf einen Spannungspneumothorax kann eine Thorakotomie mit einer Kanüle notwendig sein.
Prävention
Patienten mit einer Raumluft-Sauerstoffsättigung von weniger als 92 % sollte geraten werden, eine Sauerstoffflasche mit an Bord zu nehmen. Dies muss im Voraus mit der Fluggesellschaft abgesprochen werden.20
Akut agitierte Passagiere stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.13 Sie können den Flugablauf stören und aggressiv gegenüber anderen Passagieren auftreten.
In der Regel wird bei einer Einlingsschwangerschaft nach der 36. Schwangerschaftswoche und bei einer Zwillingsschwangerschaft nach der 28. Woche von Flugreisen abgeraten.
Zwischenlandung
Bei vaginalen Blutungen oder Abdominalschmerzen vor der 20. Woche sind in der Regel keine besonderen Maßnahmen und keine nötig. Lediglich das Bodenpersonal sollte bei der Ankunft am Zielflughafen vorbereitet sein.
Bei Schwangerschaftskomplikationen nach der 20. Woche oder beginnender Geburt sollte unverzüglich das medizinische Team am Boden konsultiert und ggf. eine Zwischenlandung empfohlen werden.
Macht 0,3 % aller medizinischen Notfälle in Flugzeugen aus, ist aber für 86 % aller Todesfälle verantwortlich.3
Information über die Lage der medizinischen Notfallausrüstung und eine kurze Information über die Durchführung kardiopulmonaler Reanimationen (CPR) sollen auf der Sicherheitskarte in jeder Vordersitztasche angegeben werden.24
Optimaler Bereich für eine CPR ist der Eingangsbereich bei den Toiletten, auch der Zwischengang ist ein möglicher Ort für eine CPR.24
Die CPR sollte auch während einer Zwischenlandung weitergeführt werden.24
Medizinische Maßnahmen
Optimal ist eine Durchführung der CPR durch zwei Personen. Alle 2 Minuten sollte nach Möglichkeit zwischen zwei weiteren Helfern rotiert werden 24
Angehörige der Crew, die ein Training in Advanced-Life-Support absolviert haben oder Laien mit entsprechender Schulung können zur Thoraxkompression herangezogen werden.24
Herz-Lungen-Wiederbelebung nach Standardverfahren, 30:2
möglichst frühzeitiger Einsatz eines Defibrillators
Ggf. weitere Maßnahmen
Möglichkeit einen Venenkatheter legen und alle 5 Minuten 1 mg Adrenalin verabreichen.
Laut Leitlinie soll auch das Material zum Legen eines intraossären Zugangs an Bord von Flugzeugen zur Verfügung stehen.4
Bei erfolgreicher Reanimation
Nach einer erfolgreichen Reanimation sollte eine sofortige Zwischenlandung erfolgen.24
Wenn eine sofortige Zwischenlandung nicht möglich ist, sollte das freiwillige ärztliche/medizinische Fachpersonal für medizinische Unterstützung sorgen und den Patienten so gut wie möglich überwachen.
Nach 20–30 Minuten der erfolglosen Wiederbelebung und bei Fehlen reversibler Gründe für den Herz-Kreislauf-Stillstand kann ein Abbruch der Reanimation erwogen werden.24
Prävention
Die wirksamste Maßnahme gegen medizinische Notfälle in Flugzeugen ist deren Vermeidung.
Das Gate-Personal ist dazu ausgebildet und berechtigt, Passagiere mit deutlich eingeschränktem Gesundheitszustand anzusprechen und ggf. eine medizinische Abklärung der Flugreisetauglichkeit durch einen Arzt zu fordern. Der der Fluggesellschaft beauftragte Arzt kann den Transport ablehnen.4
Schwangere nach der 36. Schwangerschaftswoche bei unkomplizierter Schwangerschaft bzw. nach er 28. Woche bei komplizierter oder Zwillingsschwangerschaft
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Autoren
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Flug; medizinische Notfälle; Hilfe an Bord; Luftdruck; Notfallausrüstung an Bord; Notfälle an Bord; Notfälle im Flugzeug; Patienten im Flugzeug; kranker Fluggast
Flugreisen, Notfälle
BBB MK 05.02.2019 Übersetzung überprüft, deutsche Lit und LL eingefügt, KI für Flugreisen.
Grundsätzlich können an Bord eines Flugzeugs alle Arten von medizinischen Notfällen auftreten, darunter auch Fälle, die eine rasche Versorgung in einem Krankenhaus erfordern.