Infektionen der Hand erfordern eine schnelle Behandlung, um dauerhafte Schäden und Störungen der Handfunktion zu verhindern.1
Häufigkeit
Alle Altersgruppen sind betroffen mit Häufung bei Patient*innen mit systemischen Grunderkrankungen, die die Entstehung einer Infektion nach einem vorausgegangenen Trauma begünstigen.1
Durch Trauma entsteht eine Eintrittspforte für Keime, die sich in Hand entlang vorhandener Leitstrukturen ausbreiten können.1
Insbesondere bradytrophe Sehnenscheiden sind wenig resistent gegenüber Infektionen.
Durch Kommunikation der Beugesehnenscheide des Kleinfingers und des Daumens auf Höhe des Karpalkanals kann eine zeitgleiche Phlegmone beider entstehen, die V‑Phlegmone.1
ICPC-2
S09 Infizierter Finger/Zeh
ICD-10
L03.01 Phlegmone an Fingern
L03.10 Phlegmone an der oberen Extremität, inkl. Hand
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Nicht-abszedierende, eher diffuse Weichgewebeinfektionen, ausgehend von Wunden und Ulzera durch S. aureus u. a. Bakterien, die klar von streptogenen Erysipeln abzugrenzen sind, werden pragmatisch nach der Dringlichkeit der chirurgischen Intervention eingeteilt:
Begrenzte Phlegmone
Meist durch Staphylococcus aureus, aber auch durch Streptococcus pyogenes (Gruppe-A-Streptokokken) oder bestimmte gramnegative Bakterien ausgelöste Infektion der Dermis und Subkutis ohne Notwendigkeit einer chirurgischen Versorgung
Die Behandlung erfolgt mit Ruhigstellung und Antibiotikagabe.
Phlegmone
Komplizierte Weichgewebeinfektion mit Indikation zur chirurgischen Versorgung
Bezieht auch tiefergelegenes Weichgewebe (Faszie und/oder Muskelschicht) ein und macht eine chirurgische Versorgung notwendig (z. B. Débridement, Entfernung von infektionsunterhaltenden Fremdkörpern).
Zeigefinger-Phlegmone
Häufig mit Lymphangitis, Lymphadenitis und Fieber
Sehnenscheidenphlegmone
Bradytrophe Sehnenscheiden sind wenig resistent gegenüber Infektionen.1
Bei der Beugesehnenscheidenphlegmone sind die Finger leicht geschwollen, überwärmt, werden gebeugt gehalten und die Fingerstreckung ist schmerzhaft.
Wird verursacht durch Inokulation des Herpes-simplex-Virus Typ I oder II in die verletzte Haut.7-8
Gefährdete Personen vor allem im Gesundheitswesen, die Kontakt mit Speichel oder Körperflüssigkeiten haben, z. B. Zahnärzt*innen oder Krankenpfleger*innen (insbesondere bei Mundpflege der Patient*innen).
Rote und empfindliche Fingerspitze mit brennendem oder juckendem Gefühl
Evtl. mehrere kleine Wunden oder Bläschen, aus denen Flüssigkeit austreten kann.
Häufig überproportional starker Schmerz im Verhältnis zu klinischem Befund
Therapie
Abdecken der Wunde, um weitere Ausbreitung zu vermeiden.
in der Regel selbstlimitierend
Herpes simplex
Bei Symptombeginn < 48 h kann der Einsatz von Aciclovir erwogen werden.5
Dosierung bei Erwachsenen ohne Vorerkrankungen: oral 200 mg Aciclovir 5 x tgl. im Abstand von 4 Stunden über 5 Tage9
Hochinfektiöse Virusinfektion mit Fieber sowie oralen Ulzera und Hautausschlag an den Händen und Fußsohlen, die vor allem bei Kindern < 10 Jahre auftritt.10
Kleine (< 5 mm) graue Vesikel an den Händen und Füßen, die von einem schmalen, geröteten Hof umgeben sind.
Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Im Mund relativ große, dafür verhältnismäßig wenige Vesikel
Zoonose, die unter Schafen und Ziegen verbreitet ist.11
Auftreten am häufigsten bei Landwirt*innen und Fleischer*innen
Auftreten in Form von kleinen, aber schnell wachsenden Papeln oder Pusteln der Rückseite der Finger oder Hand meist innerhalb von 1 Woche nach dem Kontakt mit einem infizierten Tier oder kontaminiertem Material.
In Deutschland pro Jahr bis zu 50.000 Bisswunden, von denen sich 10–20 % infizieren, wobei die höchste Infektionsrate mit 30–50 % bei Katzenbissverletzungen besteht.12
Die langen Zähne der Katzen verursachen oft nur geringe oberflächliche Verletzungen, durch die Speichelinokulation gelangen die Keime aber tief ins Gewebe.
Es sollte eine (fach)chirurgische Beurteilung der Wunden erfolgen, u. a. um die Notwendigkeit einer antibiotischen Prophylaxe zu beurteilen.12
Aufgrund des hohen Infektionsrisikos sollen Bisswunden in der Regel nicht zugenäht, sondern offen heilen gelassen werden.
Neurologischen und funktionellen Status, einschließlich 2‑Punkt-Diskrimination und Bewegungsausmaßen, erheben und diesen zur späteren Verlaufsevaluation detailliert dokumentieren, insbesondere bei vorangegangenem Trauma.
Markierung des infizierten Areals
Markierung der Ausbreitung der Rötung und Schwellung auf der Haut der Patient*innen mit Permanentmarkern zur Verlaufsbeurteilung
Helfen im Verlauf bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer antibiotischen Therapie.
Evtl. Abstriche (Mikroskopie, Kultur, PCR)
Röntgen bei Verdacht auf röntgendichte Fremdkörper, begleitenden Frakturen, Osteomyelitis
Sonografie zur Suche nach strahlendurchlässigen Fremdkörpern wie Dornen oder Holzsplitter1
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
Bei Verdacht auf Infektionen der Hand sollte eine Abklärung durch handchirurgische Fachärzt*innen erfolgen.1
Empfehlungen
Allgemeine Empfehlungen bei Wunden an Händen oder Fingern
Infektionen der Hand und des Unterarms sollten frühzeitig handchirurgisch vorgestellt werden, um das Risiko irreversibler funktioneller Einschränkungen zu reduzieren.1
Zur Prävention von toxischen Nekrosen sollten Wunden nur mit 0,9-prozentiger NaCl- oder Ringer-Lösung gespült werden.1
Bissverletzungen dürfen aufgrund des hohen Infektionsrisikos unter keinen Umständen bagatellisiert werden.1
Illustrationen
Herpesinfektion des Fingers
Panaritium
Panaritium
Orfvirus-Infektion
Hand-Fuß-Mund-Krankheit
Wird die Hand immobilisiert, sollte dies in Funktionsstellung erfolgen.
Zeigefinger-Phlegmone (mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Erich Ramstöck)
Quellen
Literatur
Enechukwu AOM, Wellkamp L, Vogt PM, et al. Infektionen der Hand und des Unterarms. Der Unfallchirurg 2021. link.springer.com
Schmitt R, Lanz U. Bildgebende Diagnostik der Hand. Thieme- Verlag , 3. Auflage 2014, S. 568
Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Staphylococcus aureus bedingte Infektionen der Haut und Schleimhäute, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-038, Stand 2011 (abgelaufen). dgpi.de
Rothe K, Tsokos M, Handrick W. Animal and Human Bite Wounds. Dtsch Arztebl Int 2015; 112(25): 433-42. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
L0301; L0310 Phlegmone
S09
Infektion der Hand; Infektion der Finger; Schnittwunde; Biss; Stichwunde; Punktionswunde; Faustverletzung; Paronychie; Panaritium; Empyem; Infektion der Fingerspitze; Fingerspitzeninfektion; Felon; Panaritium; Herpesinfektion der Fingerkuppe; Hand-Fuß-Mund-Krankheit; Orfvirus-Infektion; Schafpocken; Phlegmone; Infektiöse Tenosynovitis; Osteomyelitis; Sehnenscheidenphlegmone; Nekrotisierende Fasziitis
Hand- und Fingerinfektionen
U-NH 22.02.18
Anwendungsbeschränkungen für Chinolone 24.4.19 UB
BBB MK 18.01.2022 umfassend revidiert und gekürzt, Bildbeschriftungen korrigiert.
chck go 13.7.16, MK 18.10.2017, komplett überarbeitet, LL in Text
Infektionen der Hand erfordern eine schnelle Behandlung, um dauerhafte Schäden und Störungen der Handfunktion zu verhindern.1 Alle Altersgruppen sind betroffen mit Häufung bei Patient*innen mit systemischen Grunderkrankungen, die die Entstehung einer Infektion nach einem vorausgegangenen Trauma begünstigen.1
z. B. Diabetes mellitus, HIV-Infektion, Tumorerkrankungen